Die Zukunft der Arbeit: Digitalisierung, Automatisierung, KI
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Buchvorschau
Die Zukunft der Arbeit - Frankfurter Allgemeine Archiv
978-3-89843-481-2
Inhalt
Vorwort
Digitalisierung
Begriffsklärungen
Einstein aus der Maschine
Die Möglichkeiten und das reale Risiko
Die Angst vor den Robotern
Machen bald Roboter meine Arbeit?
Superstars aus der Maschine
Müssen wir uns vor der Zukunft fürchten?
Ingenieure warnen vor Desaster mit Künstlicher Intelligenz
Unberechenbare Roboter
Auch Maschinen haben Vorurteile
Maschinen herrschen
Fließende Übergänge
Was darf ich bei der Arbeit twittern?
Weniger ist mehr
Ein Gesetzbuch für Roboter
Denkmodelle und gelebte Realität
Arbeiten ohne Chef
Wenn Computer Bewerber auswählen
Digitaler Wohlstand
Von der Industrie- zur Wissensgesellschaft
Höchste Zeit für Weiterbildung
Ein Land schult um
Der Roboter als Kundenberater
Auf und davon
Was wir in Zukunft arbeiten
Vorwort
Digitalisierung
Mehr Tempo, bitte
Von Carsten Knop
Die ganze Welt digitalisiert sich. Aber zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen wird das Thema nicht als Chance, sondern als Last bearbeitet: »Was muss, das muss«, sagt man im Norden, »ja mei« im Süden. Der Radikalität des Wandels, der rund um die Menschen und ihre Arbeitsplätze stattfindet, wird man so nicht gerecht. Es gäbe genug Gründe, um in den Unternehmen alle Alarmglocken schrillen zu lassen. Stattdessen hofft man, dass das meist winzige Digitalteam des eigenen Hauses die Veränderungen innerhalb des bestehenden Systems schon irgendwie bewältigt. Das wird nicht klappen.
Deutschland schafft es nicht einmal, einen Digitalpakt für die Schulen auf die Reihe zu bekommen, der auch den Bundesländern schmeckt. Es gibt enervierende Diskussionen über den richtigen Weg beim Ausbau kommender 5G-Mobilfunknetze. Und im Geschäft mit den Daten und der Künstlichen Intelligenz kaufen China und die Vereinigten Staaten Deutschland den Schneid ab. Die finanziellen Mittel, die für dieses Thema in den kommenden Jahren vom Bund zur Verfügung gestellt werden, sind zu niedrig. Der Westen und seine offenen Gesellschaften sind zum ersten Mal in ihrer Technologieführerschaft ernsthaft herausgefordert, das sagen auch führende Politiker. Und was passiert? Das Land hat sich von der Cebit verabschiedet, der einstmals größten Computermesse der Welt. Und in Nürnberg wurde soeben ein Digitalgipfel beendet, der eine große Zahl von Teilnehmern am Sinn solcher Treffen hat zweifeln lassen.
»Jeder Tag ist der erste Tag«: das ist das Motto des Amazon-Vorstandsvorsitzenden Jeff Bezos. Diese Aussage trifft auf die Digitalisierung und ihr Tempo leider zu. Aber Deutschland ist darauf nicht eingestellt. Der Wille, Altes in Frage zu stellen, ist einfach nicht stark genug. Wo bleibt der echte digitale Binnenmarkt in Europa? Wann arbeiten die Europäer in der Antriebs- und Batterietechnik der Zukunft endlich wirksam zusammen? Wie lässt sich Vollbeschäftigung mit Digitalisierung erreichen? Jeder Arbeitnehmer muss seinen Chef mit Fragen nach der Zukunft im Kleinen herausfordern und seinen Wahlkreisabgeordneten an der Sorge um das Große teilhaben lassen. Noch haben wir eine Gesellschaft, die so einen offenen Dialog zulässt.
Frankfurter Allgemeine Woche, 07.12.2018
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Begriffsklärungen
Einstein aus der Maschine
Künstliche Intelligenz hat sich binnen weniger Jahre zu einem wichtigen Instrument der Wissenschaft und Forschung entwickelt. Sie lässt nicht nur neue Disziplinen entstehen, sie knackt auch alte Rätsel.
Von Sibylle Anderl, Stephan Finsterbusch, Manfred Lindinger und Joachim Müller-Jung
Robert Koch war sich sicher: Ohne die neuesten Instrumente hätte er keinen Erfolg gehabt. Nie wäre er den tödlichen Erregern von Krankheiten wie Tuberkulose oder Cholera auf die Spur gekommen; nie hätten so wirksame Gegenmittel entwickelt werden können. Ein Jahr bevor der deutsche Arzt 1905 den Nobelpreis für Medizin erhalten sollte, schrieb er an seinen Lieferanten Carl Zeiss in Jena: »Verdanke ich doch einen großen Teil der Erfolge, welche für die Wissenschaft zu erringen mir vergönnt war, Ihren ausgezeichneten Mikroskopen.«
Koch hatte die besten Linsen, arbeitete mit den neuesten Systemen und entwickelte sie während seiner Forschungen stetig weiter. Er war nicht der Einzige. Ein Jahr nach seiner Auszeichnung sollte ihm der Neurologe Santiago Ramón y Cajal folgen. Später kam der schwedische Ophthalmologe Allvar Gullstrand und der Göttinger Chemiker Richard Zsigmondy dazu. Sie alle erhielten für ihre Forschung den Nobelpreis; sie alle arbeiteten mit Geräten von Zeiss. Mikroskope und Teleskope, Entfernungs-, Zeit- und Winkelmessinstrumente veränderten den Blick auf die Welt.
Heute geben die Gerätebauer der Forschung eine neue Generation von Instrumenten an die Hand. Sie bestehen aus Mikrochips und Algorithmen, stecken in schrankwandgroßen Rechenkisten und kleinen Computern, können binnen eines Wimpernschlags Milliarden Rechenoperationen ausführen. Sie haben das menschliche Gehirn zum Vorbild und sollen das Denken lernen, können Berge digitaler Daten durchforsten, versteckte Muster aufspüren, alte Rätsel rund um das Leben, die Mathematik oder das Universum knacken und Aufgaben lösen, die man bislang gar nicht kannte.
Was für Gelehrte wie Galileo Galilei einst das Fernrohr mit seinen ausgeklügelten Anordnungen von Sammel- und Zerstreuungslinsen gewesen ist, was für Forscher wie Koch das Mikroskop mit den fein geschliffenen Gläsern im hochglanzpolierten Messingrohr war, sind für die Wissenschaft heute Bits und Bytes. Technik in Hochform: Künstliche Intelligenz. Dieses neue Werkzeug werde entwickelt, während es in der Praxis schon zum Einsatz komme, sagte Thomas Hales, einer der großen Mathematiker unserer Zeit.
Schon heute seien KI-Systeme für die Forschung unentbehrlich, schreibt der Teilchenphysiker Boaz Klima vom Fermi National Accelerator Laboratory (Fermilab) im Fachmagazin »Science«. Andrew Briggs, Professor für Nanomaterialien an der Universität Oxford, sagt: »Ich blicke mit Begeisterung auf die dramatischen Veränderungen, wie mittlerweile in der Wissenschaft gearbeitet wird.« Denn kein Forscher und kein Team von Wissenschaftlern kann ohne technische Hilfen noch jene Menge an Daten bewältigen, die heute in Experimenten etwa in der Medizin, Astronomie oder Teilchenphysik anfallen.
So generieren die Teilchenphysiker des Europäischen Forschungszentrums Cern bei Genf in ihren gewaltigen Experimenten in nur einer Sekunde so viele Daten, dass sie fünf DVDs benötigen, um alle Informationen zu speichern. Das Square-Kilometer-Array-Radioteleskop, das mit Tausenden kleinen Radioantennen im kommenden Jahrzehnt den Betrieb aufnehmen soll, wird eine solche Menge an Daten hervorbringen, wie sie heute allenfalls im gesamten Internet kursieren. Ohne KI geht da nichts – und das hat ihre Entwicklung mächtig vorangetrieben.
»So um 2010 herum hat es einen gewaltigen Sprung auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz gegeben«, sagte Christian Bauckhage, Informatik-Professor an der Universität Bonn und der Chefwissenschaftler am benachbarten Fraunhofer-Institut, in einem Interview vergangenes Jahr. Es werde schon seit einigen Jahrzehnten an KI-Systemen geforscht. Durchbrüche aber habe es erst gegeben, als vielen Wissenschaftlern die digitalen Datenberge quasi über den Kopf gewachsen seien. Das ließ sie zu einigen alten Konzepten greifen. Mit denen sollten pfiffige Forscher schließlich ganz neue Wege beschreiten.
So hatten Wissenschaftler um Ross King an der Universität Wales 2007 die drei mal vier Meter große Maschine »Adam« gebaut, die wie ein Roboter-Forscher arbeiten sollte. Adam kommunizierte mit seiner Umwelt, nahm Geräusche und Bilder auf und leitete die Daten an die Prozessoren seiner eingebauten Computer weiter. Das befähigte ihn, Hypothesen aufzustellen und diese auch zu prüfen – ganz ohne menschliches Zutun.
So sollte Adam schließlich herausfinden, wie bislang unbekannte Gene der Bäckerhefe die Synthese von Enzymen steuern. Eine wegweisende Arbeit: Zunächst fütterten die Forscher ihre Maschine mit Daten zu Aminosäuren, Enzymen und Gen-Sequenzen im Hefepilz. Dann warf Adam die Prozessoren an und stellte mit einem Algorithmus zwanzig Hypothesen auf, welche Gene für welche Enzyme in Frage kämen. Schließlich führte er alle Experimente durch – ohne Hilfe. Er wertete sie aus und verglich ihre Ergebnisse – mit Bravour, wie Ross King später in der Zeitschrift »Science« schrieb.
Im vergangenen Jahr ging der Chemiker Lee Cronin noch einen Schritt weiter. Er ließ im Labor der Universität Glasgow einen KI-Roboter mit Chemikalien hantieren und ihn dann seine Ergebnisse mit Massen- und Infrarotspektrometern analysieren. Das sollte nicht nur zeigen, dass der Roboter eigenständig und zielorientiert arbeiten, sondern auch verstehen konnte, was er sich da zusammenmixte. Der Roboter lernte aus seinen Fehlern, minimierte sie und meisterte die Aufgabe mit Erfolg. Man könnte ihn auch hinter eine Bar stellen und Cocktails zusammenrühren lassen, sagte Cronin.
Was eine KI heute schon vermag, zeigten Forscher der ETH Zürich. Wie die Zeitschrift »MIT Technology Review« schreibt, speisten sie ein künstliches neuronales Netzwerk mit Daten aus der Astronomie: Sonne, Mond und Mars – und wie diese Himmelskörper von der Erde aus zu sehen sind. Die KI analysierte sie und leitete daraus jene Erkenntnisse ab, die Nikolaus Kopernikus einst formuliert hatte: Die Erde dreht sich um ihre Achse und auch um die Sonne – ein Meilenstein in der Geschichte der Wissenschaft. Der Mensch hatte Jahrhunderte gebraucht, um das zu erkennen; die KI brauchte ein paar Stunden.
»Die