Dr. Norden Bestseller 132 – Arztroman: Für ein gemeinsames Leben
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Über dieses E-Book
Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
Dr. Norden betrachtete den jungen Patienten mit großer Besorgnis. Das Fieber war auf fast vierzig gestiegen, das Herz jagte, rote Flecken zeichneten sich auf den hageren Wangen ab. Patrick van Dreesen war innerhalb eines Vierteljahres wieder einmal schwer krank. Dr. Norden begriff das nicht. Patrick war organisch gesund. Er hatte ihn immer wieder untersucht. Er war nur unerhört anfällig für jede Erkältung. Anscheinend hatte er nicht die mindeste Widerstandskraft, und Dr. Norden kam zu der Überzeugung, dass dies psychisch bedingt sein müsste. Ihm war lästig, dass Frau van Dreesen ihm dauernd auf die Finger schaute. »Würden Sie mich bitte mit Ihrem Sohn ein paar Minuten allein lassen, gnädige Frau?«, fragte er höflich. »Was fehlt ihm denn? Sie müssen es doch feststellen können«, sagte sie im weinerlichen Ton. Eigentlich sprach sie nie anders, und Dr. Norden war schon zu der Überzeugung gelangt, dass Patrick der labile Sohn einer sehr labilen Mutter war. Deshalb wollte er auch mit dem jungen Mann allein sprechen.
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Dr. Norden Bestseller 132 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller
– 132 –
Für ein gemeinsames Leben
Patricia Vandenberg
Dr. Norden betrachtete den jungen Patienten mit großer Besorgnis. Das Fieber war auf fast vierzig gestiegen, das Herz jagte, rote Flecken zeichneten sich auf den hageren Wangen ab.
Patrick van Dreesen war innerhalb eines Vierteljahres wieder einmal schwer krank. Dr. Norden begriff das nicht. Patrick war organisch gesund. Er hatte ihn immer wieder untersucht. Er war nur unerhört anfällig für jede Erkältung. Anscheinend hatte er nicht die mindeste Widerstandskraft, und Dr. Norden kam zu der Überzeugung, dass dies psychisch bedingt sein müsste.
Ihm war lästig, dass Frau van Dreesen ihm dauernd auf die Finger schaute.
»Würden Sie mich bitte mit Ihrem Sohn ein paar Minuten allein lassen, gnädige Frau?«, fragte er höflich.
»Was fehlt ihm denn? Sie müssen es doch feststellen können«, sagte sie im weinerlichen Ton. Eigentlich sprach sie nie anders, und Dr. Norden war schon zu der Überzeugung gelangt, dass Patrick der labile Sohn einer sehr labilen Mutter war.
Deshalb wollte er auch mit dem jungen Mann allein sprechen. Hier konnte er es nicht, das sah und fühlte er.
»Der Zustand Ihres Sohnes ist ernst«, sagte er. »Ich muss ihn in die Klinik bringen. Wir müssen herausfinden, ob ein Infektionsherd im Körper vorhanden ist.«
Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Ich will ihn nicht verlieren, ihn nicht auch!«, schluchzte sie, und da horchte er auf.
»Dann müssen Sie auch einwilligen, dass er gründlichst klinisch untersucht wird«, sagte er.
»Sie müssen einwilligen, gnädige Frau«, sagte eine heisere Stimme von der Tür her. Dort stand eine alte Frau, klein, verhutzelt, irgendwie rührend in ihrer ganzen Erscheinung mit dem schwarzen Kleid und der weißen Schürze. Sie erinnerte Dr. Daniel Norden an das gute alte Lenchen, das ihnen und schon seinen Eltern so treu gedient hatte und nur schon ein paar Jahre in dem Himmel weilte, den sie sich gewünscht hatte, bei ihren Lieben, die ihr vorausgegangen waren.
»Mein Mann ist in London«, sagte Frau van Dreesen weinerlich. »Er entscheidet alles.«
»Wann kommt er zurück?«, fragte Dr. Norden.
»Am Freitag.«
»Dann könnte es zu spät sein«, sagte er sehr bestimmt.
»Zu spät!«, schrie sie auf. »Sie wollen doch nicht sagen, dass Patrick sterben könnte?«
»Doch, es könnte sein«, erwiderte er. »Hier sind die Möglichkeiten nicht vorhanden, ihn zu retten.«
»Dann muss es sein«, sagte sie im Ton einer Tragödin.
Du lieber Gott, was ist das für eine Mutter, dachte Dr. Norden, aber er sah, wie die alte Frau aufatmete.
»Ich bin Mathilde«, sagte sie, als sie seinen Blick auffing, und sie sagte es so, als solle er sich ihren Namen merken.
Er ließ den Krankenwagen kommen. Patrick van Dreesen wurde in die Behnisch-Klinik gebracht. Seine Mutter wollte mitfahren, aber Dr. Norden sagte ihr sehr streng, dass sie jetzt gar nichts tun könne.
Er malte nicht gern schwarz, aber in diesem Fall schien es ihm angebracht zu sein.
Er wollte endlich herausfinden, was diesem jungen Menschen fehlte oder vielleicht auch, was er an Fürsorge zu viel genoss.
Dieser Gedanke war ihm nämlich auch gekommen. Und schon am Nachmittag dieses Tages sollte er dies bestätigt bekommen.
Gegen vier Uhr kam Loni in sein Sprechzimmer. »Eine Mathilde will Sie sprechen, sie sagt, Sie wüssten schon, wer sie ist, Chef.«
»Mathilde«, wiederholte er staunend. »Ja, sie soll im Labor warten.«
Loni war sehr erstaunt. Von einer Mathilde hatte sie nie etwas gehört. Es war eine alte Frau, adrett gekleidet, auf dem weißen Haar ein altmodisches Kapotthütchen, und sehr, sehr bescheiden. Und sie wurde ganz bevorzugt behandelt.
Nicht, dass Loni ihren Dr. Norden kritisiert hätte, aber die reichsten Patientinnen wurden nicht bevorzugt. Und eine von denen musste Mathildes wegen sogar warten, denn zu ihr ging er sogleich, nachdem er den mürrischen Herrn Körner abgefertigt hatte, der es nicht hören wollte, dass er weniger Bier trinken solle, weil er fünfzehn Kilo Übergewicht hatte und die Leber auch schon meckerte.
»Entschuldigen Sie vielmals, geehrter Herr Doktor«, begann Mathilde verlegen und unterwürfig, »aber daheim kann ich net reden. Ich bin ja nur eine einfache alte Haushälterin, aber wenn’s wegen dem Patrick ist, der Bub liegt mir schon am Herzen. Ich hätt eigentlich zum Augenarzt sollen, aber ich wollt doch sagen, warum die gnädige Frau so ängstlich ist.«
»Sagen Sie’s, Mathilde«, sagte Dr. Norden freundlich. »Setzen Sie sich. Wie alt sind Sie eigentlich?«
»So sechsundsiebzig, Herr Doktor. Manchmal muss ich selbst überlegen. Schon fünfzig Jahre bei den van Dreesen, und habe ich alles mitgemacht. Aber das Schlimmste, das war das mit den Zwillingen.«
»Mit den Zwillingen?«, fragte Dr. Norden.
»Ja, der Patrick, der wäre ein Zwilling, aber sein Bruder Andreas, das arme Büberl, blind und taub, starb bereits knapp sechs Monate alt. Und da haben die Eltern dann den Patrick in Watte gepackt, weil die gnädige Frau doch keine Kinder mehr haben konnte. Der Patrick ist ihr Ein und Alles, Herr Doktor. Ein Husterer, ein Schnaufer und schon wurde er ins Bett gesteckt. Und gar, wenn er Fieber hat, mei, ich weiß nicht, wie ich’s sagen soll. Das muss einen jungen Menschen ja krank machen. Nie so sein dürfen wie die anderen jungen Leut. In der Schule, da war er doch glücklich. Da hat er was geleistet. Sie dürfen net denken, dass der Bub dumm wäre. Gescheit ist er wie kein Zweiter, aber die Musik, die Musik, die bedeutet ihm halt alles. Zuerst sollte er ja Klavier spielen, anstatt draußen herumzulaufen, aber wie sie gemerkt haben, dass er so spielen kann, dass er sein Klavier so liebt, da war es ihnen auch nicht recht. Was soll denn aus dem Buben werden, wenn er dauernd eingesperrt ist. Er muss ja krank werden.«
»Es ist sehr aufschlussreich, was Sie mir da erzählen, Mathilde«, sagte Dr. Norden. »Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie zu mir gekommen sind.«
»Verraten dürfen Sie mi fei net«, sagte sie, »sonst setzen’s mich auf meine alten Tage noch vor die Tür. Aber ich musst es Ihnen sagen. Sie sind ja so nett und freundlich, Herr Doktor. Und jemand müsst dem Buben helfen können, der nicht so ein einfacher Mensch ist wie ich, der ein Studierter ist, ein Doktor wie Sie.«
»Ich werde alles tun, was möglich ist«, sagte Dr. Norden.
»Dann dank ich Ihnen schön«, und sie machte einen Knicks. Dr. Norden war bestürzt und gerührt. Er begriff, dass diese alte Frau, wie in längst vergangenen Zeiten, wie eine Leibeigene gehalten worden war.
Erriet sie etwa seine Gedanken, als er ihre Hände nahm und eine Verbeugung vor ihr machte?
»Ich habe es gut bei der Herrschaft, sehr gut, das müssen Sie glauben. Die Großeltern hab ich ja noch kennt, und die Eltern von Herrn van Dreesen, und den Patrick kenne ich von der ersten Stunde an. War ja schlimm, die Geburt.
Die gnädige Frau ist ausgerutscht auf dem Glatteis, und dann war’s schon so weit. Der Andreas war blind und taub, das arme Hascherl. Aber weil er sterben musste, soll der Patrick doch nicht gestraft sein für immer. Er kann doch net froh werden, der Bub, und dabei ist er doch so ein lieber. Sie können mit ihm reden, Herr Doktor.«
»Das werde ich, Mathilde«, sagte Dr. Norden.
Gläubig blickte sie zu ihm auf. »Ihnen vertraue ich, Herr verehrter Doktor«, flüsterte sie und schnell tupfte sie sich ein paar Tränen aus den Augen.
»Sie können immer kommen, wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, Mathilde«, sagte Dr. Norden. Und zu Loni sagte er dann: »Wenn die Mathilde kommt, bin ich sofort zu sprechen, gleich, wer wartet.«
»Ist schon recht, Chef«, sagte Loni. »A lieb’s Mutterl.«
»Sie sagen es, wie unser Lenchen«, murmelte er. Und wenn er an das gute alte Lenchen dachte, überkam ihn Rührung. Nur hatte das Lenchen, das dann in Lenni eine so würdige Nachfolgerin gefunden hatte, eine Lippe riskieren dürfen bei ihnen. Und Mathilde war völlig demütig.
Dr. Norden fuhr nach der Sprechstunde zur Behnisch Klinik, um Patrick van Dreesen zu besuchen. Sein Freund Dr. Dieter Behnisch war gleich für ihn zu sprechen.
»Das Fieber ist schlagartig gesunken, seit der Junge in der Klinik ist«, sagte er, »aber die Mutter entpuppt sich als lästiges Wimmerl, Daniel.«
Daniel erzählte ihm, warum das wohl so sei, und da wurde auch Dieter Behnisch nachdenklich.
»Aber Patrick ist jetzt einundzwanzig«, sagte er. »Man kann ihn nicht wie ein krankes Baby behandeln.«
»Seine Mutter leidet unter Komplexen. Sie liebt den Jungen abgöttisch.«
»Und wir wissen, was dabei herauskommen kann«, sagte Dieter. »Rede du mit ihm, ich habe sowieso keine Zeit. Heute drei Blinddärme, das ist auch manchmal wie eine Epidemie. Und dabei ist ein Fall, wo man sich eine besorgtere Mutter gewünscht hätte. Sie hat ihren Sohn nämlich als Simulanten bezeichnet. Man weiß wirklich nicht, was man sich mehr wünschen sollte.«
Ein Simulant war Patrick van Dreesen gewiss nicht. Er war wach, als Dr. Norden kam. Er sah schon etwas besser aus.
»Sehen Sie jetzt nicht den weisen, allwissenden Doktor in mir, Patrick«, sagte Dr. Norden, »lieber einen Freund, der Ihnen helfen will.«
»Wie denn?«, fragte er. »Ich sitze in einem Käfig, aus dem ich heraus will. Ich möchte Pianist werden, Dr. Norden, aber seit ich meinen Eltern das gesagt habe, bekomme ich nur noch zu hören, dass