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Lucy - Die Entscheidung (Band 7)
Lucy - Die Entscheidung (Band 7)
Lucy - Die Entscheidung (Band 7)
eBook509 Seiten6 Stunden

Lucy - Die Entscheidung (Band 7)

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Über dieses E-Book

Nachdem Lucy und ihre Rebellenfreunde die imperianischen Bomben zerstört haben, wendet sich plötzlich das Blatt. Den Aranaern gelingt es, den Schutzschirm des Imperiums zu überwinden. Nun droht die Vernichtung allen Lebens auf den Planeten, die sich unter dem Schirm befinden. Hierzu gehört auch Terra, die Erde.

In einem verzweifelten Wettlauf mit der Zeit versuchen Lucy und ihre Freunde, ihre Welt zu retten. Aber es gibt auch innerhalb des Imperiums Kräfte, die versuchen, die Situation für ihre undurchschaubaren Ziele zu nutzen. Das Leben von einigen Milliarden Menschen steht auf dem Spiel.

Aber Lucy versucht nicht nur, mithilfe der jungen Rebellen die Kriegsparteien zu einem Friedensabkommen zu bewegen. Sie kämpft auch mit ihrem persönlichen Gefühlschaos. Viele Dinge verlangen nach Entscheidungen, auch ganz persönliche.

SpracheDeutsch
HerausgeberFred Kruse
Erscheinungsdatum5. März 2015
ISBN9781310776328
Lucy - Die Entscheidung (Band 7)
Autor

Fred Kruse

Fred Kruse schreibt seit einigen Jahren Romane, die er im Selbstverlag herausgibt und auf jeder größeren Plattform als eBook oder auch als Taschenbuch erhältlich sind. Insbesondere die 7 Romane und 2 Erzählungen, die im Rahmen der Serie »Lucy – ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche« erschienen sind, erfreuen sich einer für von Verlagen unabhängige Publikationen erfreulich großen Leserschaft.Alle Informationen zu Inhalten und Vertrieb der Werke erhalten Sie Sie auf der Homepage des Autors:fred-kruse.lucy-sf.de.HINTERGRUND:Der Autor lebt in Norddeutschland, ist verheiratet und Vater von drei Töchtern und einem Sohn. Während des Physikstudiums beschäftigte er sich besonders mit Elementarteilchen- und Astrophysik. Seit Jahren arbeitet er jetzt allerdings im IT-Management. Im Laufe seiner beruflichen Laufbahn hat er eine Reihe wissenschaftlicher Texte sowie Publikationen im IT-Umfeld veröffentlicht.VERÖFFENTLICHUNGEN:Lucy – Ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche»Lucy – Ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche« ist eine Science-Fiction Serie (Space Opera), die als Jugendbuch konzipiert wurde, aber auch gerne von Erwachsenen gelesen wird. Mittlerweile hat sich eine wachsende Fan-Gemeinde um die Geschichte gebildet.INHALT: Zusammen mit ihren irdischen Begleitern bricht das 16-jährige Mädchen Lucy zu einem Weltraumabenteuer auf. Anfangs glauben die vier unfreiwilligen Schicksalsgenossen noch, dass sie nur ihren Planeten Terra, die Erde, retten müssen. Im weiteren Verlauf der Odyssee, die sich über die insgesamt sieben Bände erstreckt, müssen sie aber erfahren, dass es sich um weitaus größere Ziele handelt. Es geht um nicht weniger, als das Überleben des ganzen bekannten Teils der Galaxie.Lucy, das mutige Mädchen mit dem etwas herben Charme, der etwas verschrobene aber geniale Christoph, der gut aussehende und mutige Lars mit dem gut versteckten, großen Herzen und die hübsche, auf den ersten Blick etwas naiv wirkende Kim, die aber ganz unvorhergesehene Fähigkeiten entwickelt, haben gemeinsam gefährlichste Abenteuer zu bestehen. Von exotischen Umgebungen auf fremden Planeten bis hin zu wilden Weltraumschlachten müssen sie bedrohlichste Situationen meistern.Dabei lernen sie nicht nur die weiterentwickelte Technik des Biologiezeitalters kennen, die Lucy noch nicht einmal aus Science-Fiction-Filmen oder -Romanen kennt, die vier müssen auch mit dem fremdartigen Verhalten ihrer neuen außerirdischen Freunde zurechtkommen.Folgende Bände sind bisher in der Reihe erschienen:Band 1: Besuch aus fernen WeltenBand 2: Im Herzen des FeindesBand 3: Der Bund der DreiBand 4: GorgozBand 5: Der SchlüsselBand 6: Die Rückkehr der SchattenBand 7: Die EntscheidungGeisterschiff (Erzählung)Gemeingefährlich (Erzählung)Final Shutdown:Der Roman »Final Shutdown« ist ein Cyber-Thriller. Zu dem Buch Final Shutdown regte den Autor die Sorge um die zunehmende Abhängigkeit unserer Gesellschaft von der Informationstechnologie an. Für besonders besorgniserregend hält er den Verlust der Kontrolle über entscheidende Komponenten unserer Infrastruktur. Der Großteil der Menschen in unserem Land sowie in ganz Europa verlässt sich darauf, dass die Technik funktioniert, ohne dass die für sie verantwortlichen Unternehmen kontrolliert werden können. Genauso wenig kann ausgeschlossen werden, dass insbesondere amerikanische Geheimdienste tief in die Struktur der Software und damit in lebenswichtige Teile unserer Infrastruktur eingreifen können.INHALT: Der erfolgreiche Kriminalautor Marko Geiger lässt sich von seinem alten Freund und IT-Spezialisten Oliver Vogt überreden, den mysteriösen Unfalltod zweier Kollegen zu recherchieren. Marko wittert einen interessanten Romanstoff und engagiert die couragierte Privatdetektivin Jana Brand, ihn bei der Recherche zu unterstützen. Was als spleenige Idee beginnt, entwickelt sich für die drei ungleichen Gefährten schnell zu einem Kampf ums nackte Überleben.

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    Buchvorschau

    Lucy - Die Entscheidung (Band 7) - Fred Kruse

    Der Große Rat

    Sie kam zu spät, die Versammlung hatte bereits begonnen. Wie immer fand sie in fast vollkommener Dunkelheit statt. Nur einzelne Linien in schwachen Farben zogen sich durch die ansonsten lichtlose Umgebung. Ein leises, gedämpftes Raunen unzähliger Teilnehmerinnen umhüllte sie. Es setzte sich aus allen Nuancen weiblicher Stimmen zusammen, von tief bis hoch, von jung bis alt.

    Durch ihre Verspätung hatte sie Mühe sich zu orientieren. Sie versuchte, aus dem unübersichtlichen Gemurmel bekannte Stimmen herauszuhören. Noch erkannte sie niemanden. Die Versammlung hatte noch nicht den Punkt erreicht, an dem gezielt diskutiert wurde. Noch redeten alle durcheinander.

    Ein ungutes Gefühl durchflutete ihr Bewusstsein. Die undefinierbaren, schwachen Linien, die die Dunkelheit durchschnitten, begannen, sich an einer zentralen Stelle zu fokussieren. Sie konnte aber noch immer nichts Konkretes erkennen. Der Raum-Zeit-Punkt war Lichtjahre und Jahrhunderte entfernt. Sie fühlte sich magisch von ihm angezogen, obwohl sie die Angst und das Entsetzen spürte, nicht nur ihr eigenes, sondern auch das von den anderen Anwesenden. Dennoch strebten sie alle diesem Ort entgegen.

    Langsam löste sich das Bild auf. Der fokussierte Punkt schwoll an, breitete sich aus. Es war ein Stern. Er wuchs in der Dunkelheit. Sie erkannte, dass es sich um einen sehr großen Vertreter seiner Art handelte. Er war zwar noch nicht alt, hatte aber bei seiner Masse schon das Ende seiner Lebenszeit erreicht. Das war nichts Besonderes. So etwas passierte alle paar Jahrtausende in der Galaxie, wahrscheinlich minütlich im Universum. Was war das Ungewöhnliche an dem bevorstehenden Ereignis? Jetzt gelang es ihr, ihre Empfindungen zu identifizieren. Das Entsetzen ging nicht von ihr aus. Es kam von den anderen. Was wussten sie, was für sie im Dunkeln lag?

    Es wurden noch immer keine klaren Gedanken formuliert, aber das Gefühl der Bedrohung wuchs. Eine übermächtige Furcht schien sie zu erdrücken. Die ganze Versammlung wand sich in Grauen und Entsetzen. Mittlerweile erkannte sie den Himmelskörper als einen gelben Hyperriesen. Sie waren Hunderttausende von Jahren rückwärts durch die Zeit gewandert. Jetzt sahen sie den riesigen Stern, wie er damals existiert hatte. Die Zeitrichtung kehrte sich um, sie lief jetzt wieder vorwärts, aber schneller als in der Realität. Die Oberfläche des Himmelskörpers waberte. Eruptionen warfen Gas und Materie aus. Das gelb glühende Plasma begann zu pulsieren. Es dehnte sich aus. Plötzlich schien alles zu verharren, dann fiel die Masse in sich zusammen, nur um im nächsten Moment grell aufzuleuchten. Der ganze Stern explodierte. Er wurde förmlich in unzählige Einzelteile auseinandergerissen.

    Sie spürte erneut das übermächtige Entsetzen. Sie verstand die Beunruhigung nicht. Was war schon passiert? Vor Hunderttausenden von Jahren hatte es in der Galaxie eine spezielle Form von Supernova gegeben. Sie hatte den ganzen Stern zerstört. Warum diese Aufregung? Dieses Gestirn war viel zu groß, strahlte viel zu hell und war viel zu jung, um mit Leben besiedelte Planeten zu besitzen.

    Halt, da war doch etwas Außergewöhnliches! Neben den unzähligen, kleineren Bruchstücken blieb ein größerer Teil des Sterns erhalten. Durch die Explosion beschleunigt, raste er davon, ein ungewöhnlicher Vorgang, aber nicht bedrohlich. Schlimmstenfalls würde es die Lebenserwartung eines Familienmitglieds verkürzen. Das war zwar traurig, aber auch kein Grund für das gewaltige Entsetzen, das sie spürte.

    Die Zeit rauschte vorbei. Der Fokus folgte dem Bruchstück, das sich zu einem roten Zwerg verdichtete. Jetzt wurde das Ziel der Reise deutlich, ein blauer Riese. Der kleine, rot strahlende Himmelskörper traf direkt auf diesen großen, jungen Stern. Es gab eine weitere gewaltige Explosion. Die Erschütterung – die der Gefühle, nicht die materielle – war so stark, dass sie sie kaum ertragen konnte. Das Bild verblasste.

    »Sind die Berechnungen wirklich eindeutig?«, klang es dunkel und rau aus der Ferne.

    »An den Vorhersagen gibt es keinen Zweifel.« Das war die alte, krächzende Stimme der Urmutter.

    »Und können wir tatsächlich nichts tun, um es zu verhindern?«, fragte eine helle, junge Stimme. Sie musste ihrer Schwester oder einer Cousine gehören.

    Eine Welle unglaublicher Missbilligung, ja Verachtung, schwappte durch die wieder zurückgekehrte Dunkelheit. Auch ein junges Familienmitglied konnte nicht so naiv sein, ernsthaft zu glauben, dass man an dem Schicksalsspiel der Sterne etwas ändern könne. Diese Äußerung war nicht einmal eine Antwort wert.

    »Wie stark ist die Familie betroffen?« Diese Frage kam von einer ernsten, mittelalten Stimme.

    Einen Moment herrschte ängstliches Schweigen. Das Grauen der Versammelten spürte sie fast körperlich.

    »Es werden nur die Mitglieder am östlichen Rand unseres Gebietes überleben«, antwortete die Urmutter resigniert.

    »Dort leben nur die Jüngsten von uns«, sagte eine helle, gelassene Stimme. Sie mochte diese Tante am liebsten. Sie war die Freundlichste von allen, aber auch sie lebte nicht am östlichen Rand ihres Siedlungsgebietes.

    »Wird auch die Urmutter sterben?«, fragte eine ängstliche, junge Teilnehmerin.

    »Wie du weißt, lebe ich im Zentrum unseres Gebietes. Dort wird niemand überleben«, antwortete die Alte freundlich.

    Eine Welle der Trauer schwappte über sie hinweg. Einen Moment lähmten sie die Emotionen. Das allgemeine Entsetzen hielt ihre Gedanken gefangen.

    »Wir selbst werden uns nicht retten können. Gibt es eine Möglichkeit, wenigstens die Familie zu schützen?«, fragte eine melodische, tiefe Stimme.

    »Uns, die wir im Zentrum leben, bleibt nichts zu tun. Alles, was wir jetzt unternehmen, ist zu spät. Wir müssen uns vollkommen auf die jungen Familienmitglieder am östlichen Rand verlassen. Nur sie können für den Fortbestand des Clans sorgen. Wir werden in den nächsten Jahrhunderten nur unser Wissen an die Jungen weitergeben können«, antworte die Urmutter.

    Sie spürte allgemeine Zustimmung. Der ganze Raum waberte von Trauer und Trotz. Sie wusste, sie würde auf Ablehnung stoßen, aber sie musste es trotzdem wagen.

    »Es gibt noch eine andere Chance«, sagte sie mit ihrer hellen, kindlichen Stimme. »Ich weiß, ihr mögt meine Freunde nicht, aber sie können anders agieren. Sie könnten mit uns gemeinsam eine Lösung finden. Sie sind nicht ortsgebunden.« Einen Moment herrschte Schweigen. Dann prasselte eine Welle der Abneigung auf sie nieder, die grausamer war als die, die ihre Schwester hatte ertragen müssen.

    »Du redest doch von diesen Tieren! Diesen Pflanzenfressern! Ich habe von Anfang an gesagt, wir hätten uns auf diese primitiven Wesen nicht einlassen dürfen«, sagte eine ältere, kratzige Stimme. Sie klang alles andere als freundlich. Eine Welle von Zustimmung lief durch den Raum und eine weitere Welle bitterster Ablehnung traf sie selbst.

    »Auch wenn wir einen Erfolg für unwahrscheinlich halten, so sollte wir alles unternehmen, was überhaupt machbar ist. Wie es aussieht, haben wir nichts zu verlieren«, mischte sich eine freundliche Stimme ein. Sie spürte, wie ihr eine unsichtbare Hand über den Kopf streichelte. Das war ihre Mutter oder jedenfalls das Familienmitglied, das sie für ihre Mutter hielt.

    Natürlich löste das eine wilde, teilweise heftig geführte Diskussion aus. Auch am Ende der Auseinandersetzung herrschte keine Einigkeit innerhalb der Familie. Aber immerhin hatte der Große Rat nicht dagegen gestimmt.

    Sie erwachte aus dem, was ihre tierischen Freunde für Schlaf hielten. Jetzt wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie würde es ihnen beweisen. Diese nicht-pflanzlichen Wesen waren zu eindrucksvollen Dingen fähig, wenn sie ein Kollektiv bildeten. Ja, selbst die Einzelwesen waren faszinierend. Auch wenn niemand aus ihrer Familie es nachvollziehen konnte, sie mussten als Individuen betrachtet werden, so viel hatte sie in den vergangenen Jahren gelernt. Es war wirklich erstaunlich, aber man konnte sogar einige dieser Einzelwesen richtig gern haben.

    Entschlossen setzte Ephirania ihren Laufroboter in Bewegung und machte sich auf den Weg zu den Laborräumen. Sie musste dringend mit ihren Freunden aus der Gruppe der jungen Wissenschaftler reden.

    Harte Zeiten

    Ihre Besprechung ging zu Ende. Es handelte sich wieder einmal um so ein Treffen, auf dem man die Neuigkeiten austauschte. Seit dem letzten Zusammenkommen war nichts passiert, was Lucy wirklich interessierte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie, seit der Erlebnisse auf Parad kaum noch Interesse an irgendetwas hatte. Verstohlen sah Lucy hinüber zu Borek. Er erwiderte liebevoll lächelnd ihren Blick. Schnell wandte Lucy ihre Augen ab. Es tat einfach zu weh. Sie hatte es ja gewusst. Sie hatte den schlimmsten Fehler ihres Lebens begangen. Aber sie hatte sich so traurig gefühlt. So schrecklich verzweifelt darüber, eine ihrer besten Freundinnen verloren zu haben. Luwa hatte sich für sie geopfert. Erst seit ihrem Tod wusste sie, wie gern sie dieses Mädchen gehabt hatte.

    Außerdem nagte die fürchterliche Enttäuschung über einen ihrer besten Freunde an ihr. Sie hatten in den letzten zwei Jahren unzählige Abenteuer zusammen überstanden. Sie hatten sich blind aufeinander verlassen und dann hatte Gurian sich, ohne etwas zu sagen, von seinen Freunden und ihr abgewandt. Ausgerechnet er hatte sich dem fiesesten Haufen von Luzanern angeschlossen.

    Und dann war da noch die Sache mit Legarol passiert. Natürlich sollte man sich nicht über den Tod eines Menschen freuen, aber so wie er hatte sie noch niemand anderer verletzt. Er hatte sie schamlos ausgenutzt. Sie war so verliebt in ihn gewesen. Im Nachhinein hatte sich herausgestellt, dass er sie nur manipuliert hatte. Mit einem künstlichen, chemischen Stoff hatte er ihre Gefühle gesteuert. Das hinterließ bis heute Unsicherheit bei ihr.

    Vielleicht waren ihre Sinne auch jetzt nur verwirrt, dachte Lucy. Vielleicht war alles Verliebtsein, ja Liebe überhaupt, nur eine biochemische Reaktion und hatte nichts zu bedeuten. Aber diese Art von Nachwirkungen empfand sie nicht als das Schlimmste an der Geschichte. Härter hatte sie getroffen, dass er sie ›widerliche Ratte‹ genannt hatte, vor allen Leuten. Niemals zuvor in ihrem ganzen Leben hatte sie jemand so gedemütigt. So etwas durfte ein Mann, den man anschmachtete, einfach nicht machen, auch wenn er durch seine eigenen Manipulationen noch so benebelt war.

    Die einzig mögliche Steigerung dieser Demütigung lief in ihrem eigenen Kopf ab. Wie konnte sie nur so dumm und naiv sein? Wie hatte sie nur auf so einen Kerl hereinfallen können? Da nutzte es auch nichts, dass alle Freunde ihr immer wieder versicherten, dass dieser Geruchsstoff ihr keine Chance gelassen hatte und dass er auf alle anderen Frauen genauso gewirkt hatte. Sie gab sich trotzdem die Schuld. Sie hätte es einfach spüren müssen, dass etwas nicht stimmte. Wie sollte sie jemals wieder ihrem eigenen Urteil trauen?

    Aber selbst darin bestand nicht ihr Hauptproblem. Am härtesten traf sie, dass diese schrecklichen Ereignisse sie so mitgenommen hatten, dass sie ihren eigenen Prinzipien untreu geworden war. Sie hatte genau das getan, was sie sich mehr als zwei Jahre versagt hatte und von dem sie trotzdem heimlich geträumt hatte. Sie hatte eine Nacht mit Borek verbracht. Sie hatten sich geliebt. Und es war genau so gekommen, wie sie es vorausgesehen hatte. Es war furchtbar. Es war grausam. Sie hatte in dieser Nacht die schönsten Stunden ihres Lebens verbracht. Jetzt bezahlte sie die Rechnung. Für jede schöne Stunde litt sie tage-, ja wochenlang.

    Die ersten Tage war es am schlimmsten gewesen. Jetzt fühlte sie sich wenigstens in der Lage, hier in diesem Raum zu sitzen und so zu tun, als ob sie wieder alles im Griff hätte. Die ersten Tage hatte sie sich einfach nur noch verkrochen. Alle hatten gedacht, dass die schrecklichen Erlebnisse sie für mehrere Tage aus der Bahn geworfen hätten. Sie hatte niemanden erzählt, dass es gerade diese wenigen, schönen Stunden waren, mit denen sie nicht fertig wurde. Wem hätte sie das auch erzählen sollen?

    Ihr Blick wanderte automatisch zurück zu Borek. Er redete mit Riah, die neben ihm saß. Dabei lächelte er die gemeinsame Freundin genauso liebevoll an, wie er sie angesehen hatte. Riah legte ihm eine Hand auf den Unterarm. Lucy zwang sich, den Blick abzuwenden. Ein Feuer brannte in ihrem Bauch, in ihrem ganzen Körper. Sie konnte es kaum aushalten, es tat so weh. Während die Glut in ihrem Magen und Oberkörper sie fast zu verbrennen schien, fror der Rest ihres Körpers. Sie versuchte, ein Zittern zu verhindern.

    Ihr Blick wanderte, ohne dass sie es wollte, zurück zu Borek und Riah. Sie schrak zusammen. Hoffentlich hatte das keiner mitbekommen! Riah sah ihr in die Augen. Sie sah besorgt aus. Lucy kannte diesen Blick. Es war dieser Blick, der sie fragte, was los sei. Er hieß, lass uns nach dem Treffen zusammensetzen und reden. Früher hätte sie sich von Riah in den Arm nehmen und trösten lassen. Danach wäre alles nur noch halb so schlimm gewesen.

    Selbst das hatte sie sich verscherzt. Wie sollte sie ihrer besten Freundin sagen, was mit ihr los war? Sollte sie ihr gestehen, dass sie es nicht mehr aushielt, sie zu sehen? Sollte sie ihr erklären, dass sie ihr gegenüber so eine Eifersucht verspürte, wie auf keinen anderen Menschen zuvor? Sollte sie ihr beichten, dass sie ihren besten Freund ganz für sich allein haben wollte?

    Wenn Riah doch wenigstens eine Terranerin wäre, dann würden sie miteinander streiten. Sie könnten sich beschimpfen und sogar körperlich aufeinander losgehen, so wie in diesen billigen Fernsehserien, die sie noch aus ihrer Zeit auf Terra kannte, auch wenn sie selbst so etwas noch nicht erlebt hatte.

    Mit Riah ging so etwas nicht. Riah war eine Imperianerin. Die wusste noch nicht einmal genau, wie sich Eifersucht anfühlt. Sie würde ihr wieder alle möglichen Vorschläge machen, wie man praktisch damit umgehen könne, ohne zu verstehen, wo das Problem selbst lag. Warum konnten ihre Gefühle nicht einfach genauso eine biochemische Reaktion sein wie bei Legarol? Dann könnte man einen Stoff verspritzen wie den, mit dem man ihr ganzes Schiff, die ›Taube‹, neutralisiert hatte. Aber selbst wenn es so einen Stoff gäbe, müsste man ihn ihr wohl ins Hirn oder besser ins Herz spritzen.

    Die Jugendlichen um sie herum standen auf. Das Treffen war beendet. Lucy hatte die letzten Dinge, die besprochen wurden, nicht mehr mitbekommen. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Jetzt wollte sie einfach nur noch zurück in ihre kleine Wohnung, die etwa in der Mitte der ›Hoffnung‹ lag, einem imperianischen A-Klasse-Schiff, das den Rebellen als zentrale Station diente. Den Blick gesenkt, stand sie auf und trat hinaus auf den Gang. Sie wollte so schnell wie möglich weg und mit niemandem reden. Gerade, als sie aus der Tür war, schrak sie zusammen. Riah hatte sich ihr einfach in den Weg gestellt.

    »Wir müssen miteinander reden. So geht das nicht. Das hält ja keiner aus, so wie du herumläufst«, sagte Riah resolut.

    Riah war nicht viel älter als Lucy, aber dieser ernste, strenge Blick, den sie aufgesetzt hatte, bewirkte, dass sie gegenüber Lucy fast eine Generation älter wirkte. Sie sah beinah so aus, wie eine junge Lehrerin, die mit einer Schülerin spricht.

    Lucy folgte ihr willenlos bis zu ihrem Zimmer, das auf dem Weg lag. Riah verschloss die Tür hinter den beiden. Sie fasste Lucy an den Schultern und drückte sie sanft auf einen Stuhl. Wortlos blickte Lucy auf ihre Füße und brachte keinen Ton heraus. Riah setzte sich auf einen Stuhl direkt vor sie. Sanft griff sie Lucy unter das Kinn und hob es so weit an, dass Lucy sie ansehen musste.

    »Ich halte das nicht mehr aus«, sagte Riah leise. »Du weißt, wie ich zu dir stehe. Du bist einer der Menschen, die ich in meinem Leben am liebsten habe. Ich ertrage es nicht, wenn du mir aus dem Weg gehst.«

    Riah hatte die Hand von Lucys Kinn genommen. Diese senkte wieder ihren Blick. Sie schaffte es einfach nicht, länger in die dunkelbraunen Augen ihrer Freundin zu sehen, die sie jetzt nicht mehr streng, sondern nur noch liebevoll ansahen. Riah war eine Imperianerin und hatte das typisch, perfekt hübsche Gesicht, das allen Mitgliedern dieser Spezies zu eigen war. Gegen diese Schönheit hatte sie keine Chance, wurde Lucy einmal mehr bewusst. Zwei Gefühle tobten in ihrer Brust. Einerseits hasste sie Riah dafür, dass sie Boreks Freundin war, andererseits wünschte sie sich nichts sehnlicher, als von ihr in ihrem Herzensleid getröstet zu werden.

    Als Lucy nichts erwiderte, redete Riah weiter: »Gibt es denn nichts, was ich für dich tun kann?«

    Was sollte Lucy antworten? Riah könnte einfach verschwinden, sich in Luft auflösen, dachte Lucy. Aber selbst das würde nicht wirklich helfen. Borek würde ihr immer nachtrauern. Sie hätte niemals existieren dürfen. Lucy traten Tränen in die Augen. So etwas durfte sie nicht denken. Sie hatte doch Riah auch gern, wenn auch auf eine andere Weise.

    Imperianer unterschieden nicht zwischen tiefen Freundschaften und Liebesbeziehungen. Bei ihnen spielte nicht einmal das Geschlecht eine Rolle. Sie wusste, dass Riah ihr ihren Trost auf wesentlich intensivere und direktere Art gespendet hätte. So, wie sie gerne von Borek getröstet worden wäre. Das ging natürlich nicht, aber sie hatte Riah doch trotzdem lieb, auf ihre irdische, also terranische Weise. Riah nahm Lucy sanft in den Arm. Lucy ließ ihren Tränen freien Lauf.

    »So geht das wirklich nicht weiter«, sagte Riah in mütterlichem Tonfall. »Ich habe gehört, eine Frau mit einer psychologischen Ausbildung ist zu uns gestoßen. Sie ist zwar noch ziemlich jung, aber du solltest trotzdem mal zu ihr gehen. Ich kann mal nachfragen, auf welchem Schiff sie gelandet ist.«

    »Und was soll das bringen? Sie ist doch Imperianerin«, schluchzte Lucy. »Ihr alle haltet doch Verliebtsein für eine Krankheit.«

    Riah sah Lucy zerknirscht an. »Wenn ich dich so ansehe, finde ich, dass wir mit der Ansicht recht haben.«

    »Verliebt sein ist normalerweise ja schön«, schluchzte Lucy. »Nur nicht, wenn man sich in einen Imperianer verliebt.«

    Wenigstens sagte Riah nichts. Bei ihrem letzten Gespräch hatte sie ihr angeboten, sich die nächsten Wochen zurückzuhalten. Sie wollte Borek nicht mehr zu nahe kommen. Er hatte sogar schon zugestimmt. Diese Imperianer verstanden wirklich überhaupt nichts! Was nutzte es ihr denn, wenn die beiden sich ein paar Wochen nicht mehr sahen? Lucy wusste doch genau, dass Borek sich nur danach sehnte, in Riahs Armen zu liegen. Oder sogar in den Armen beider Mädchen gleichzeitig! Warum war ihr das nur passiert?

    Riah streichelte Lucy übers Haar. Nach ein paar Minuten hatte Lucy sich wieder einigermaßen unter Kontrolle. Sie löste sich aus den Armen der Freundin.

    »Es geht schon wieder«, sagte sie und strich sich dabei die letzten Tränen aus den Augen. »Ich komme damit schon klar. Ihr müsst mir einfach noch ein paar Tage Zeit geben. Außerdem brauche ich mal wieder eine vernünftige Aufgabe. Seit der Zerstörung der Bomben ist ja nichts mehr passiert, jedenfalls nichts Großartiges.«

    Riah sah sie skeptisch an. »Ich finde es ganz gut, dass wir mal ein paar ruhige Tage haben. Bist du sicher, dass du zurechtkommst? Ich kann sonst wirklich mal die Neue fragen.«

    Lucy schüttelte den Kopf. Das würde noch fehlen, mit einer Imperianerin zu reden, die sie nicht kannte und die sie garantiert noch weniger als Riah und ihre Freunde verstehen würde.

    Der Rest des Tages verlief eher langweilig. Lucy hätte es begrüßt, wenn irgendetwas passiert wäre, das ihre ganze Aufmerksamkeit erforderte, aber diesen Gefallen tat ihr das Schicksal nicht. So beschäftigte sie sich auch den Rest des Tages immer wieder mit Trauer und Herzschmerz.

    Abends machte sie extra einen Umweg, um nicht Borek über den Weg zu laufen. Er würde ihr das Gleiche wie Riah sagen. Das hatte er in den vergangenen Tagen schon mehrmals getan. Sie wusste, dass sie sich diesmal nicht zurückhalten könnte. Dann würde alles von vorn beginnen. Noch einmal würde sie solche Tage, wie kurz nach dieser ersten Nacht nicht überleben. Da gab es keinen Zweifel. Auf dem Weg zu ihrer kleinen Wohnung wurden ihre Schritte immer langsamer. Sie fürchtete sich vor der Einsamkeit, die sie dort vorfände.

    Schon, nachdem sich die Tür geöffnet hatte, wusste sie, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Wohnung war nicht leer, obwohl sie niemanden sah. Sie hörte ein Geräusch aus dem Bad. Ein paar Sekunden später tauchte ein dunkler Lockenkopf auf, die kleine Nuri. Der Begriff ›klein‹, den Lucy weiterhin in Gedanken verwendete, traf allerdings seit Monaten nicht mehr richtig zu. Das Mädchen überragte sie mittlerweile um etwa fünf Zentimeter. Lucy nannte sie dennoch die ›Kleine‹, weil es sich bei ihr um eines der beiden Kinder auf dem Schiff handelte.

    »Hallo Lucy«, sagte Nuri ganz ungewöhnlich schüchtern. »Ich störe dich doch nicht, oder?«

    Lucy lächelte. Ein knappes Jahr hatte Nuri quasi bei ihr gewohnt. Zum Schluss hatte Lucy aufgeatmet, als das Mädchen wieder zurück in die Wohnung der beiden Kinder zog. Lucy war nicht der Typ, der Verantwortung für Kinder übernehmen wollte, jedenfalls jetzt noch nicht. Außerdem hatte sie eingesehen, dass Riah recht hatte, dass imperianische Kinder unter Imperianern aufwachsen sollten.

    Jetzt freute Lucy sich aber doch, das Mädchen zu sehen. Sie war ein noch so junger Mensch, den Lucy lieb haben konnte, ohne sich um diese furchtbar komplizierten Gefühlsirrungen Gedanken machen zu müssen, die sie ihren anderen imperianischen Freunden gegenüber fühlte.

    »Du hast dich doch wohl nicht mit Riah gestritten, oder?«, fragte Lucy mit gespielt strenger Miene.

    Nuri schüttelte den Kopf, sah aber dabei noch immer ungewöhnlich schüchtern aus.

    »Ich muss dich was fragen«, begann sie, nachdem Lucy für beide ein Getränk geholt hatte und sie sich an den Tisch gesetzt hatten. »Riah sagt, ich soll dich lieber nicht fragen. Darf ich trotzdem?«

    Lucy grinste. So schüchtern hatte sie den kleinen Wirbelwind bisher selten gesehen. »Du darfst mich fragen, was du willst.«

    »Ich bin doch eine Imperianerin. Die Ärzte sagen, es dauert nicht mehr lange, bis ich eine Jugendliche bin. Bei Imperianern suchen sich die Kinder, die erwachsen werden, einen Menschen aus, der sie in die richtige Freundschaft einführt. Sie wenden sich immer an denjenigen, den sie am liebsten mögen. Ich habe dich am liebsten. Deshalb wollte ich dich fragen, ob du meine erste richtige Freundin sein willst, natürlich erst, wenn es so weit ist.«

    Lucy verschluckte sich an ihrem Getränk. Fürchterlich hustend saß sie am Tisch. Immerhin gab ihr das Zeit, kurz nachzudenken. Es durfte einfach nicht wahr sein, jetzt verfolgte sie selbst Nuri mit diesem Thema.

    »Ich bin eine Terranerin«, stöhnte Lucy. »Bei uns ist das anders. Das, was du ›richtige Freundschaft‹ nennst, hat man bei uns nur zu einem Menschen. Bei mir muss das ein Junge sein. Aber das habe ich dir doch alles schon einmal gesagt. Ich kann das nicht. Außerdem dachte ich immer, dass du Daro besonders gerne magst.« Daro war das andere Kind an Bord, ein imperianischer Junge. »Warum hast du nicht mit ihm die erste richtige Freundschaft?«

    Nuri sah sie enttäuscht an.

    »Riah hat recht«, sagte sie traurig. »Du verstehst uns wirklich nicht. Daro ist zu jung. Der ist genauso alt wie ich. Von dem kann ich nichts lernen. Außerdem habe ich dich viel lieber.«

    »Du magst Riah genauso gern wie mich, hast du immer gesagt. Warum fragst du nicht Riah?«

    Nuri schüttelte traurig den Kopf.

    »Du siehst überhaupt nicht richtig hin. Ich habe immer gedacht, du interessierst dich für mich. Mit Riah ist das doch etwas ganz anderes. Die habe ich doch auf ganz andere Weise gern. Mit Riah werde ich mich darüber unterhalten, wenn ich das erste Mal Liebe gemacht habe. Du verstehst mich wirklich nicht.«

    Nuri sah so traurig aus. Lucy nahm sie in den Arm.

    »Ich bin nur eine Terranerin. Ich komme doch selbst nicht damit zurecht«, schluchzte sie.

    Ohne es zu wollen, quollen ihr die Tränen aus den Augen. Natürlich wollte sie das Kind mit ihren Problemen nicht belasten, aber sie konnte nicht mehr denken. Es brach einfach aus ihr heraus. Erschrocken sah Nuri sie an. Das Mädchen nahm sie in den Arm und streichelte ihr tröstend übers Haar.

    »Ich wollte dich nicht traurig machen«, sagte sie ängstlich.

    »Es ist schon gut. Du kannst ja nichts dafür«, flüsterte Lucy. Sie kämpfte die Tränen nieder. »Es stimmt nicht.«

    »Was stimmt nicht?«, fragte Nuri.

    »Ich interessiere mich für dich und ich habe dich lieb«, erwiderte Lucy traurig. »Ich habe auch Borek lieb und Riah auch. Trotzdem kann ich keine ›richtige Freundschaft‹ zu ihnen haben. Ich bin eine Terranerin.«

    »Riah sagt, du müsstest dich nur entscheiden, wie eine Imperianerin zu leben. Dann könntest du auch richtige Freundschaften haben.«

    »Riah hat gut reden. Ich kann das nicht, weil ich einfach anders aufgewachsen bin. Meine Gefühle sind anders. Außerdem will ich auch gar nicht anders leben.«

    »Darf ich dich trotzdem noch etwas fragen?« Nuri sah fast noch schüchterner aus, als am Anfang des Gesprächs.

    Lucy nickte tapfer.

    »Wenn du es dir doch noch anders überlegen solltest. Ich meine, wenn du doch richtige Freundschaften haben willst, würdest du dann meine erste richtige Freundin werden?«

    Lucy ignorierte Nuris bettelnden Blick. »Keine Chance, Nuri. Ich ändere meine Einstellung garantiert nicht. Es tut mir leid, aber du musst dir jemand anderen suchen.«

    »Das habe ich doch verstanden. Ich bin doch nicht blöd. Ich meine doch nur, wenn du es dir doch noch anders überlegst!« Nuri sah Lucy mit großen, dunklen Augen fragend an.

    Lucy stöhnte auf. Sie erinnerte sich daran, schon einmal diesem Kind ein Versprechen gegeben zu haben, von dem sie gemeint hatte, es wäre völlig unwahrscheinlich, es einlösen zu müssen. Und dann hatte sie ganz unerwartet vor einer fast unlösbaren Aufgabe gestanden.

    »Gut«, sagte sie. »Falls ich mir jemals überlegen sollte, auf eine imperianische Freundschaft einzugehen, wirst auch du auf jeden Fall meine Freundin. Aber schlage dir das gleich wieder aus dem Kopf. Das ist so unwahrscheinlich, wie dass sich eine Aranaerin in dich verliebt.«

    Nuri strahlte übers ganze Gesicht. Sie kuschelte sich an Lucys Schulter.

    »Ich dachte schon, du magst mich nicht«, sagte sie leise. »Und außerdem glaube ich, dass Shyringa sich in Christoph verliebt hat.«

    »Nuri, ich bin deine Freundin. Ich habe dich so lieb, wie eine Terranerin jemanden nur gern haben kann. Ich meine, ohne eine Liebesbeziehung zu haben«, antwortete Lucy.

    Auf Shyringa wollte sie lieber nicht eingehen. Das Mädchen war eine Aranaerin und hätte normalerweise wie alle Vertreter dieser Spezies keine Gefühle haben sollen. Allerdings machte sie zusammen mit Lucys terranischem Freund Christoph Experimente, die ihr doch zumindest so etwas Ähnliches wie ein Gefühlsleben verschafften.

    Leider hatten diese Selbstversuche mit der einzigen Droge zu tun, die Aranaer kannten. Lucy lehnte jegliche Drogen ab und hatte Angst, dass ihre aranaische Freundin durch dieses Vorhaben geschädigt werden würde. Christoph, der geniale Nachwuchswissenschaftler, suchte denn auch nach anderen Wegen, Shyringas verborgene Gefühlswelt zu aktivieren. Sie hatten etwas mit der Veränderung des aranaischen Erbguts zu tun. Lucy fand deshalb diese Experimente noch bedenklicher als die vorangegangenen Drogenexperimente. Am liebsten dachte sie über das ganze Thema nicht nach.

    Nuri blieb über Nacht bei Lucy, was lange nicht mehr vorgekommen war. Auch wenn Lucy einen ganz speziellen anderen Menschen viel lieber bei sich gehabt hätte, so fühlte sie sich wenigstens nicht ganz allein.

    Die folgenden zwei Tage schaffte sie es, Borek aus dem Weg zu gehen. Sie saß wieder in ihrem Büro und konnte sich nicht richtig konzentrieren. Es gab auch nicht wirklich spannende Dinge zu tun. Die kleine Rebellenflotte, die betreut werden musste, bestand aus drei großen, imperianischen Mutterschiffen der A-Klasse, einem mittleren, imperianischen Schiff der B-Klasse sowie aus einem loratenischen und zwei aranaischen der gleichen Größe. Die ganze Reihe von kleineren C-Klasse-Schiffen aller Spezies nicht mit gerechnet. Die Vorbereitungen für eine Reise in den unerforschten Teil der Galaxie waren abgeschlossen. Sie konnten jederzeit aufbrechen. Allerdings bestand durch die letzte große Aktion von Lucy und ihren Freunden kein unmittelbarer Grund mehr für die Flucht. Sie hatten den großen Vernichtungsschlag gegen die Aranaer und damit das Sterben von Hunderten von Milliarden Menschen verhindert. Jetzt beschäftigten sich beide Kriegsparteien wieder vollkommen mit dem Krieg gegeneinander. Das ermöglichte dem ›Bund der Drei‹, wie sie sich selbst nannten, oder den Rebellen, wie sie von ihren Feinden genannt wurden, sich in den weniger belebten Winkeln des bekannten Teils der Galaxie zu verstecken.

    Lucy hatte die Tür geschlossen, die normalerweise offen stand, um zu zeigen, dass jeder Besucher willkommen war. An diesem Tag hatte sie keine Lust auf irgendwelche anderen Menschen. Am wenigsten auf die, die sie besonders gern hatte. Und schon gar nicht auf denjenigen, nach dem sie sich verzehrte.

    Die Tür öffnete sich. Herein marschierte Karenia. Sie war die Geheimdienstexpertin des Bundes. Lucy hatte ein gespaltenes Verhältnis zu ihr. Einerseits handelte es sich bei ihr um einen intelligenten und auch in schwierigen Situationen ruhigen Menschen, der überlegt reagierte. Man konnte sich gut mit ihr unterhalten und man konnte sich hundertprozentig auf sie verlassen.

    Andererseits wirkte sie sehr kühl und distanziert. Sie gehörte nicht zu Lucys engerem Freundeskreis. Lucy konnte sich nicht vorstellen, sie in den Arm zu nehmen. Hinzu kam, dass sie eine Luzanerin war. Ihr herbes Gesicht und ihr herausfordernder Blick erinnerten Lucy zu sehr an das letzte schreckliche Erlebnis, dass sie mit Vertretern dieser Spezies erlebt hatte.

    Nun baute sie sich direkt vor ihr auf und sprach sie in ihrer typisch direkten Art an: »Lucy, ich weiß, eigentlich steht es mir nicht zu, aber da offensichtlich niemand anderer aus dem Rat mit dir redet, muss ich es wohl tun. Ich mache mir Sorgen um den Bund. Nicht nur mir ist aufgefallen, dass du absolut neben dir stehst. Du bist die Vorsitzende unseres Rates. Wir brauchen eine Anführerin, die vollkommen leistungsfähig ist.«

    Lucy fühlte sich ertappt. Sie wusste selbst, dass sie seit Wochen nichts Richtiges mehr getan hatte. Sie hatte meistens nur noch herumgesessen und sich nicht konzentrieren können.

    »Vielleicht solltet ihr euch eine neue Vorsitzende suchen. Du kannst gerne meinen Job haben, wenn du willst«, sagte Lucy müde.

    Karenias Blick wurde um einige Grade härter. »Darum geht es nicht. Das weißt du ganz genau! Selbst wenn ich so etwas wollte, würde niemals eine Luzanerin zur Anführerin gewählt werden. Aber keine Angst ich will es auch nicht. Es geht um etwas anderes. Der Krieg tobt weiter, die Aranaer versuchen noch immer den imperianischen Schutzschirm zu knacken und Ephirania hat eine Naturkatastrophe vorausgesagt, die die ganze Galaxie betrifft.«

    »Was?«, rief Lucy erschrocken aus. »Davon hat mir noch niemand etwas gesagt. Wie viel Zeit haben wir noch?«

    »Nun beruhig dich erst mal«, erwiderte Karenia kühl. »Da siehst du's, du bekommst wirklich überhaupt nichts mehr mit. Die Vorhersage bezieht sich auf ein Ereignis in mehr als zweihundert Jahren und unsere Jungs in der Wissenschaftsabteilung untersuchen noch, ob es tatsächlich stattfinden wird.«

    Lucy, die einen Moment hellwach gewesen war, sank müde zurück auf ihren Stuhl.

    »Du musst etwas unternehmen Lucy«, redete Karenia weiter. »Wir brauchen dich. Wenn ich irgendetwas tun kann, dann sag es. Egal, was es ist.«

    »Du kannst da gar nichts machen«, erwiderte Lucy traurig.

    »Noch immer der Imperianer!«

    »Was soll ich denn machen. Ich kann doch nicht einfach meine Gefühle abstellen. Warum gibt es denn dafür eigentlich kein technisches Mittel? Es gibt hier doch sonst für fast alles eine wissenschaftliche Lösung«, jammerte Lucy.

    »Für fast alles, ja! Ich kann dir zwar nicht direkt helfen, aber ich erzähle dir mal etwas.« Karenia setzte sich Lucy gegenüber und sah ihr direkt in die Augen, während sie sprach. »Bisher habe ich noch niemandem erzählt, warum ich hierher gekommen bin. Du musst wissen, ich war vorher auf einem imperianischen Kriegsschiff. Dort befanden sich nur wenige Luzaner an Bord. Der größere Teil der Besatzung bestand aus Imperianern.

    Du weißt ja, wie das ist. Als Luzaner ist man bei denen sowieso unten durch. Es mag schon sein, dass es eine Reihe von meinen Leuten gibt, die sich ziemlich daneben benehmen, aber egal, was man selbst macht, man wird immer in die gleiche Schublade gesteckt.

    So ist es mir auch auf dem Schiff ergangen. Die Imperianer wollten mit uns in ihrer Freizeit nichts zu tun haben. Auch mit mir nicht, obwohl ich mir größte Mühe gegeben habe, zu allen nett zu sein und nirgendwo anzuecken. Das galt zumindest für fast alle Imperianer. Einer war anders. Er sah natürlich supergut aus. Er war zwar ein anderer Typ als dein Borek, aber du weißt ja, wie das mit den Imperianern ist. Als er sich dann auch noch richtig nett mir gegenüber verhalten hat, bin ich einfach dahin geschmolzen.

    Natürlich hatte ich mir vorher tausend Mal gesagt, die Finger von den Imperianern zu lassen, genauso wie du. Aber dann ist es doch passiert. Ich war ein halbes Jahr mit ihm zusammen, wie wir auf Luz sagen würden. Ich habe in dieser Zeit die schönsten Stunden erlebt und die grausamsten Tage. Ich habe mich selbst und meine Gefühle verraten. Ich habe Nächte mit ihm und seinen Freunden verbracht, Jungs und Mädchen. Ich habe ihm vorgespielt, dass ich das auch wollte, nur damit er bei mir blieb.«

    Karenias Augen sahen durch Lucy hindurch auf einen Punkt weit hinter ihrem Kopf. Ihre Augen schimmerten feucht.

    »Heute bin ich froh, dass ich hier bin. Ich stehe voll hinter den Zielen des Bundes. Aber damals bin ich nur hierhergekommen, weil ich einfach nur noch weg wollte. Ich hätte es nicht ausgehalten, so weiter zu machen. Ich hätte es aber auch nicht überlebt, ihn jeden Tag zu sehen, ohne ihn berühren zu dürfen.«

    Karenia zwinkerte zwei Mal. Dann sah sie Lucy wieder so hart an wie vorher.

    »Du musst einen knallharten Schlussstrich ziehen. Imperianer sind nichts für Mädchen wie uns. Auch wenn sie noch so toll aussehen und noch so nett sind. Sie merken nicht einmal, dass sie auf unseren Gefühlen herumtrampeln, dass sie uns mit ihrer liebevollen, sorglosen Art kaputt spielen.«

    Einen kurzen Moment lang während des Gesprächs spürte Lucy den Wunsch, Karenia in den Arm zu nehmen. Jetzt sah die junge Frau aber genauso hart und unnahbar aus wie immer. Lucy starrte sie nur hilflos an. Sie wusste nicht, was sie ihr antworten sollte.

    »Beende die Sache! Sie hat keine Chance. Lass die Finger von den Imperianern. Mehr kann ich dir nicht raten«, beendete Karenia das Gespräch. Sie stand auf und ging zur Tür. Dort blieb sie kurz stehen und drehte sich noch einmal zu Lucy um. »Und sieh zu, dass du wieder ansprechbar wirst. Du hast wirklich wichtigere Aufgaben, als für den Spaß eines imperianischen Typen zu sorgen.«

    Damit verschwand sie.

    Lucy sah minutenlang schweigend auf die geschlossene Tür, die allerdings fugenlos und damit unsichtbar mit der Wand verschmolzen war. Auch wenn Karenia sich etwas hart den Imperianern gegenüber ausgedrückt hatte, so hatte sie doch recht. Sie musste diese Geschichte für sich selbst beenden, und zwar ein für alle Mal.

    ***

    Schon am nächsten Tag sollte sich alles ändern. Mit dem festen Vorsatz sich von ihren Gefühlen nicht unterkriegen zu lassen und den nötigen Abstand zu Borek zu wahren, ging Lucy in ihr Büro. Praktisch war die Umsetzung natürlich viel schwerer, als der Entschluss am Abend vorher. Ganz besonders deshalb, weil die Dinge, die ständig geplant werden mussten, wie die Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung oder das Aussuchen neuer Verstecke, nicht gerade ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchten.

    Lucys Gedanken drohten wie jeden Tag abzuschweifen, als Christoph in ihr Büro platzte. Er hatte Warshol im Schlepptau. Im Gegensatz zu Shyringa sah dieser junge Aranaer oder besser sein Materieabbild wie ein durchschnittlicher, männlicher Vertreter dieser Spezies aus.

    Aranaer und Imperianer lebten auf Planeten mit gleichen Eigenschaften. Dennoch hatte sich die Biologie der beiden Spezies so unterschiedlich entwickelt, dass ein Imperianer sofort starb, wenn er auch nur Luft atmete, die mit aranaischen Viren oder Bakterien infiziert war. Terraner gehörten zur imperianischen Oberspezies. Auch wenn sie genetisch mit Imperianer nicht kompatibel waren, so konnten sie sich immerhin in der gleichen Umgebung aufhalten, ohne dass dabei einer von beiden krank wurde oder gar zu Tode kam.

    Die einzige Möglichkeit, dass sich ein Aranaer und ein Imperianer an einem Ort begegnen konnten, ohne dass der Imperianer starb, bestand in der Technik der Materieabbilder. Alle Wechselwirkungen eines Wesens projizierte man in den Raum, in dem sich beide treffen wollten. Man konnte also die Person sehen, mit ihr reden, sie sogar anfassen, ohne wirklich mit dem physikalischen Körper der anderen Person in Berührung zu kommen.

    Dazu wurde auch noch die Gestalt der eigenen angepasst, sodass man ein vertrauteres Verhältnis zu ihr bekam. Aranaer sahen in ihrer eigenen physikalischen Welt ähnlich wie große Spinnen aus. Warshols Materieabbild ähnelte aber einem ganz normalen jungen Mann.

    Diese Ähnlichkeit ging natürlich nur so weit, wie man etwas hatte, das abgebildet werden

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