Besondere Zeiten: Facetten von Dunkel Band 2
Von Matthias Deigner
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Über dieses E-Book
Aus der Ausschreibung Dunkel unseres Verlages sind zwei Bücher erschienen. Facetten von Dunkel und nun der zweite Band Besondere Zeiten. Es erwarten Sie Texte die sich mit dem Dunkel des Lebens befassen. Dinge die unsere Seelen und Herzen berühren. All die Dinge die wir nicht erleben wollen, die aber zum Leben gehören. Doch es gibt Lichtblicke. Begleiten Sie uns dabei.
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Buchvorschau
Besondere Zeiten - Matthias Deigner
Impressum
© 2021 Baltrum Verlag GbR
BV 2134 - Besondere Zeiten - Facetten von Dunkel Band 2
Umschlaggestaltung: Baltrum Verlag GbR
Cover: Nicole Kunkel
Illustration Rückseite: Katrin Schieber
Lektorat, Korrektorat: Baltrum Verlag GbR
Herausgeber: Baltrum Verlag GbR
Verlag: Baltrum Verlag GbR, Weststraße 5, 67454 Haßloch
Internet: www.baltrum-verlag.de
E-Mail an info@baltrum-verlag.de
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Die Texte ›Das Mädchen und der liebe Gott‹, der ›Terrorist‹ und ›Erwachen‹ mit freundlicher Genehmigung des ›verlag-roloff.de‹.
Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Besondere Zeiten
Facetten von Dunkel Band 2
Herausgeber
Carsten Böhn und Matthias Deigner
Buchbeschreibung:
Mit 'Besondere Zeiten' liegt nach 'Facetten von Dunkel' der abschließende Band unserer Ausschreibung 'Dunkel' vor. Er überrascht erneut mit einer Vielzahl von Sichten, um dieses spannende Thema mit den Abgründen und Schatten der menschlichen Seele umzugehen.
Die Autor*innen:
Mica Bara, Marlies Blauth, Sandra Brückner, Gislinde Bock , Chris Bucher, Katja Decher, Katrin Exner, Tülin Emircan, Dieter Geißler, Klaus Grobholz, Viven Hagedorn, Lena Hoffmann, Inés Maria Jiménez, Eva Joan, Inga Kess, Nicole Kunkel, Tina Lauer, Sissy Leger-Lohr, Stephanie Matthias, Megan E. Moll, Marcus Netscher, Patricia Pinto Plaza, Edwin Radnitzky, Martina Raguse, Ann Katharina Re., Sabine Riedel, Heike Roloff, Béatrice Sassi, Laura Seidl, Birgit Sonnberger, Gianna Schläpfer, Lena Schraml, Sylvia Schütter, Angela Schwarz, Nikolaus Schwarz, Viktoria Steck, Eva Unterhuber, Cornelia Wagner, Michelle Walther, Ziwei Wang, Clara Wolf
Besondere Zeiten
Facetten von Dunkel - Band 2
Herausgeber
Carsten Böhn und Matthias Deigner
Baltrum Verlag
Weststraße 5
67454 Haßloch
Der Versuch eines Vorwortes und ein Danke
Mit dem Band ‘Besondere Zeiten’ halten Sie nach ‘Facetten von Dunkel’ den zweiten und damit abschließenden Band aus unserer Ausschreibung ‘Dunkel’ in den Händen. Nach mehr als 2.500 Einreichungen zu dieser Ausschreibung möchten wir uns bei allen Autor*innen bedanken, die zum Teil über ihren Schatten gesprungen sind und uns wahrlich an unsere Grenzen gebracht haben. Wir wollten dieses Buch schon Ende April 2021 veröffentlichen, dadurch dass wir aber alle Texte gelesen und bewertet haben, uns die Auswahl und auch die Absagen der Texte wirklich nicht leicht fiel, hat sich alles berechtigterweise ein wenig verzögert und unsere komplette Planung für das Restjahr über den Haufen geworfen.
Sie halten ein Buch in den Händen, deren Auswahl an Texten sich am ehesten mit dem Inhalt einer Pralinenschachtel vergleichen lässt. Jeder Text ist ein Genuss und eine Überraschung, meistens, aber auch nicht immer jedermanns Geschmack. Das ist die Würze einer Anthologie und wir sind Stolz auf unsere Autoren*innen und auf dieses Buch. Nochmals einen großen Dank an alle Teilnehmer*innen dieser Ausschreibung.
Haßloch, im Dezember 2021
Besondere Zeiten
Sissy Leger-Lohr
Als wäre es heute gewesen, so erschien es Sonja in ihren Erinnerungen. Und immer wieder suchten Alpträume sie heim. Dann erlebte sie erneut diesen nebligen Tag, an dem sich die Sonne standhaft, aber vergeblich bemühte, ein wenig Licht und Wärme hineinzubringen.
Sie spürte den Aufprall, als der Wagen sie traf, den Schmerz, der wie eine lodernde Flamme durch ihren Körper zuckte, spürte, wie sie hochgewirbelt wurde, wie ihr eigener Schrei ihr in den Ohren gellte. Dann gab es nur noch Schwärze.
Seither teilte sich ihre Welt in die Zeit vor und die Zeit nach dem Unfall.
*
Vorher hatte sie ein Leben und Freunde, nahm in der Bank rasant Stufe um Stufe der Karriereleiter, unaufhaltsam, so schien es ihr damals.
Die Zeit nach dem Unfall bestand aus Qualen und Schmerzen. Die Ärzte wurden nicht müde, ihr zu sagen, welch sagenhaftes Glück sie gehabt hätte. Doch Sonja empfand es nicht als Glück. Sie, früher stets gesund und fit, war nun ohne eigenes Verschulden auf den Rollstuhl angewiesen. Es gab beinahe keinen Knochen in ihrem Körper, der nicht mehrfach gebrochen war. Als sich ihre Lunge erholt hatte und sie aus dem künstlichen Koma geholt wurde, standen mehrere Operationen an. Sie bemühte sich eisern, sich ihre Körperfunktionen zurückzuerobern, Stück für Stück. Jedoch, es blieb ein Puzzle. Wenn sie an einer Stelle den Durchbruch geschafft hatte, musste sie an einer anderen weitermachen. Es war mühsam, sich Schritt für Schritt ins Leben zurückzukämpfen, und oft fragte sie sich, ob sie es schaffen würde. Wie lange ihre Kraft, ihre Energie noch reichten.
Dann starrte sie stundenlang auf die Fotos an den Wänden ihrer Wohnung und in ihrem Fotoalbum. Die Bilder zeigten sie, wie sie als Tänzerin der Faschingsgesellschaft durch die Luft gewirbelt wurde. Sie im Spagat. Beim Tauchen. Wie sie, einer Spinne ähnlich, an einer Felswand hing gemäß dem alten Kletterer-Spruch: »Wenn du nicht mehr weiter weißt, spreizen, bis die Hose reißt.«
In diesen Momenten fragte sie sich, ob sie je etwas davon nochmals erleben würde. Ob sich die Mühe lohnte. Wünschte sich ihr Ende herbei. Ruhe. Keine Schmerzen mehr. Ihre Eltern brauchten sich keine Sorgen mehr zu machen. Sie würde ihnen nicht mehr zur Last fallen.
Ihre Gedanken entwickelten ein Eigenleben. Sonja wusste genau, wie sie es anstellen musste. Tabletten hatte sie genug. Nur ein paar zu viel von diesen Gelben hier, und es wäre überstanden. Manchmal schüttete sie sie aus dem Röhrchen, hielt sie in der Hand und kämpfte dagegen an, sie zum Mund zu führen. Bisher hatte der Gedanke, dass es schiefgehen könnte und sie erneut von vorn anfangen müsste, sie davon abgehalten.
Die meisten ihrer Freunde machten sich inzwischen rar. Sonja wagte nicht zu jammern, weil sowieso alle auf Durchzug stellten. Die einen zuckten hilflos die Schultern, andere beschieden ihr, sie müsse eben ihren Zustand akzeptieren und sich damit abfinden. Das kam jedoch für Sonja nicht in Frage. Verbissen übte sie weiter, weil nur die vage Hoffnung sie aufrecht hielt, eines fernen Tages wenigstens ohne ständige Schmerzen zu leben.
In ihrem Alltag spielte die Physiotherapie die Hauptrolle. Viermal die Woche und auch zu Hause trainierte Sonja ihre Arme, um den Rollstuhl bewegen zu können, die Rücken- und Bauchmuskeln gegen die Schmerzen, machte Übungen, um ihre Beine wieder zu spüren und die Füße zu belasten.
Nach dem anstrengenden Training mit ihren Kräften am Ende, brachte Sonja kaum einmal die Energie auf, mit den Freunden auszugehen. Geselligkeiten ging sie jetzt meistens aus dem Weg. Es tat weh, die lauten, fröhlichen Menschen zu beobachten, die sorglos und unbekümmert feierten. Sie, früher so oft Mittelpunkt, fühlte sich neuerdings in Gesellschaft von Menschen einsam. Einsamer als allein. Sie hörte die Stimmen und das Lachen und spürte, dass sie nicht dazugehörte. Nicht mehr. Ihre Probleme waren andere. Sie fühlte sich ausgeschlossen. Ausgestoßen. Eine dunkle Wolke von Traurigkeit schien sich über ihr Leben gebreitet zu haben.
Mike, ihr Physiotherapeut, ermutigte und bestärkte sie, wenn der Kampfgeist sie verlassen wollte. »Hab’ Geduld«, mahnte er. »Das Leben ist etwas völlig anderes als ein Urlaub. Bei der Lebensreise kommt es nicht darauf an, möglichst schnell am Hotel, am Pool oder am Meer anzukommen, um zu entspannen. Hier ist die Reise das Ziel. Da geht es darum, möglichst viele ausgefüllte und spannende Tage zu erleben. Jeden Tag als ein Ziel für sich zu sehen.«
»Ach ja«, höhnte sie, »und kannst du mir vielleicht auch verraten, wie ich das anstellen soll, Mr. Oberschlau?«
Mike ging nicht auf die Provokation ein. »Du solltest eine weitere REHA machen. Dort wirst du genau das lernen. Die kümmern sich da auch um deine Psyche.«
Sonja hangelte sich gerade mit zusammengebissenen Zähnen das vierte Mal am Barren entlang und versuchte, ihre Beine einzusetzen. Das gelang ihr eher mäßig. Ihr Atem ging stoßweise. Trotzdem quetschte sie hervor: »Spinnst du? Mein Kopf ist das Einzige, was bisher reibungslos funktioniert. Ich bin doch nicht verrückt! Meinst du, ich habe nicht genug eigene Probleme? Da muss ich mir nicht vier Wochen die Gesellschaft von menschlichen Wracks wie mir antun, die sich gegenseitig die Tiefs ihres Lebens erzählen.« Ausgepumpt ließ sie sich auf die Matte plumpsen. Sie fühlte sich, als wäre sie mit Anlauf gegen eine Wand gelaufen.
»Ich habe es nicht so gemeint, das weißt du«, begütigte Mike. »Gegen deine Depressionen musst du dringend was unternehmen.«
»Das haben die doch hier auch schon versucht und es nicht hingekriegt.«
Mike schwieg.
»Ich habe wirklich genügend gute Gründe, deprimiert zu sein«, sagte sie eingeschnappt. »Die kann niemand wegzaubern. Deshalb werde ich eben öfter mal deprimiert sein. Warum kann das bloß keiner akzeptieren?«
»Depressionen sind gefährlich. Nimm das nicht auf die leichte Schulter.« Mike sah sie auffordernd an. »Bereit? – Los, noch eine Runde.«
Er half ihr auf und