Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

DSA 156: Der Pfad des Phex: Das Schwarze Auge Roman Nr. 156
DSA 156: Der Pfad des Phex: Das Schwarze Auge Roman Nr. 156
DSA 156: Der Pfad des Phex: Das Schwarze Auge Roman Nr. 156
eBook420 Seiten5 Stunden

DSA 156: Der Pfad des Phex: Das Schwarze Auge Roman Nr. 156

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Eine einsame Wanderin wird im Wald erschlagen, ein finsterer Baron folgt verbotenen Wegen, die KGIA spannt ihre Netze, und die Geister der Toten finden scheinbar keine Ruhe. Nur knapp kommt der junge Dieb Aljoscha mit dem Leben davon, als sich plötzlich die Ereignisse überschlagen. In der Adligen Sigune findet er eine unerwartete Verbündete, und gemeinsam versuchen sie, das komplizierte Intrigenspiel zu entwirren. Doch die riesige Kaiserstadt Gareth birgt so manches Rätsel, und mehr als ein Gegner webt seine Ränke im Verborgenen. Ein göttlicher Fingerzeig führt Freund wie Feind schließlich auf den geheimnisvollen Pfad des Phex. Noch ahnt keiner von ihnen, dass nicht alle die Prüfung meistern werden, welche der listige Gott ihnen auferlegt.
SpracheDeutsch
HerausgeberUlisses Spiele
Erscheinungsdatum16. Apr. 2015
ISBN9783957520593
DSA 156: Der Pfad des Phex: Das Schwarze Auge Roman Nr. 156

Ähnlich wie DSA 156

Titel in dieser Serie (100)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Rollenspiele am Tisch für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für DSA 156

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    DSA 156 - Sebastian Schwinn

    Biografie

    Sebastian Schwinn, geboren 1984 in Idar-Oberstein, studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Mainz. Nachhaltig beeinflussten ihn mittelhochdeutsche Literatur und mittelalterliche Gedankenwelt. Durch die in Jugendjahren entfachte Begeisterung für Das Schwarze Auge entwickelte sich das Konzept für einen Roman. Der eingeschlagene Weg erwies sich im wahrsten Sinne als ein Pfad des Phex.

    Sebastian Schwinn

    Der Pfad des Phex

    Ein Roman in der Welt von

    Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Impressum

    Ulisses Spiele

    Band 11096EPUB

    Titelbild: Nadine Schäkel

    Aventurienkarte: Ralph Hlawatsch

    Lektorat: Michael Fehrenschild

    Ebook-Gestaltung: Michael Mingers

    Copyright © 2015 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE, MYRANOR, RIESLAND, THARUN und UTHURIA sind eingetragene Marken der Significant GbR. Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

    Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

    Print-ISBN 9783957522061

    Ebook-ISBN 9783957520593

    Widmung

    Für Michael

    Prolog

    Friedvoll klang das Lied der Sommernacht, als die Wanderin seufzend ihre Augen schloss. Das kleine Feuer, das knisternd zu ihren Füßen loderte, tauchte ihr Lager in einen warmen, roten Schein. Ein leises Rauschen in den mächtigen Kronen des dunklen Waldes wanderte wie ein Flüstern von Baum zu Baum. Hölzernen Wächtern gleich umringten sie den kleinen Flecken, wie sie es schon seit Jahrhunderten getan hatten – still, stolz, schlafend. Dann geschah etwas. Ein Wind kam auf, und die Bäume fingen an zu zittern. Ihre großen, knorrigen Arme, eben noch reglos ganz bis zum Boden hinabhängend, begannen sich unter Efferds Atem zu wiegen, als ob mit einem Mal Leben durch ihre borkigen Adern flöße. Zaghaft erst, dann immer kraftvoller tanzten Sumus’ Kinder, als habe sie ein plötzlicher Schrecken aus ihrem tiefen Schlummer gerissen.

    Die Wanderin verfolgte es mit Gleichmut, sog die frische Brise ein und stieß ein zweites Seufzen aus. Mehr sprach daraus als nur die Erleichterung, von der Mühsal ihres Tagwerks für einige wenige Stunden entbunden zu sein, denn ihre Erschöpfung reichte tief, weit zurück in die Vergangenheit. Ihr Seufzen markierte ein Loslassen von alten Ängsten und bohrenden Sorgen. Heute hatte sie den Frieden gefunden, der ihr vor langer Zeit gestohlen worden war. Jahrelang hatte sie darauf gewartet, dafür gelitten, dafür geopfert. Doch nun sollte es zu Ende sein. Die grässliche Schuld war beglichen worden, die Geister der Vergangenheit besiegt. Sie konnte wieder frei atmen.

    Die kühle Luft tat ihrem geschundenen Körper gut und erfrischte gleichermaßen ihren Verstand, der noch dringender der Ruhe bedurfte. Ihre Kleidung starrte vor Staub und Schmutz, der Saum des Mantels bestand nur noch aus Fetzen. Ihre Augen blickten müde und schwer vor Erschöpfung, ihr Gesicht war gezeichnet von Gram und bitteren Enttäuschungen. Selbst der allmächtige Satinav hatte sich gegen dieses Übel als machtlos erwiesen, hatte die Spuren aus dunkler Zeit nicht mit der würdigen Maske des Alters verdecken können.

    Die Wanderin legte einige Äste nach. Sofort begann das Feuer, lauter zu knistern. Grauer Rauch bildete sich über den Flammen und stieg zum schwarzen Nachthimmel empor. Anschließend breitete sie den Mantel auf dem Boden aus und legte sich nieder.

    Das weiche Gras unter ihrem schmerzenden Körper tat gut, und so wand sie sich unter wohligem Brummen. Dann blieb sie reglos liegen und richtete ihren Blick gen Himmel, hin zu einer Unzahl von leuchtenden Sternen. Mit einem gedankenverlorenen Ausdruck in den Augen verweilte sie so einige Zeit, bis die Müdigkeit sie zu übermannen drohte. Instinktiv kämpfte sie dagegen an. Ihr Geist war noch nicht bereit für den Schlaf.

    Sie erinnerte sich nicht mehr daran, wann sie das letzte Mal Frieden in Träumen gefunden hatte. Die ständige Anspannung hatte dafür gesorgt, die Anspannung und die Albträume, die Nacht für Nacht immer wiedergekehrt waren. Im Laufe der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt, nichts anderes mehr zu erwarten als Tod und Elend am Tag und dunkle Schatten in der Nacht.

    Der Feind hatte ihr alles genommen, was ihr wichtig gewesen war: die geliebten Menschen, die geliebte Heimat, die Liebe selbst. Irgendwann war nur noch die Resignation geblieben, ein letztes kummervolles Luftholen. Sie war zu einer Kreatur der ihr zugefügten Grausamkeit geworden, das spürte sie heute ganz deutlich. Heute, wo es ihr endlich gelungen war, die Ketten abzuschütteln. Die brennende Gier nach Rache, die sie über einen langen Zeitraum hinweg aufrechterhalten hatte, konnte die Unschuld und den Frieden der früheren Tage zwar nicht zurückbringen, aber sie beherrschte sie nicht mehr. Sie blieb gezeichnet, aber die nagende Unruhe zehrte nicht mehr an ihrem Körper.

    Langsam bewegte sie ihre Hand zu einer Tasche, die gut verborgen unter dem Oberstoff ihres dicken Wamses eingearbeitet war. Als sie wieder zum Vorschein kam, hielt sie ein kleines Ledersäckchen, dem sie nach kurzem Zögern eine schmale Kette mit einem goldenen Ring entnahm. Gedankenversunken betrachtete sie die sanften Reflexe des sich spiegelnden Feuerscheins auf der langen, fein gearbeiteten Kette und fragte sich nicht zum ersten Mal, was wohl die zarten, kaum erkennbaren Gravuren auf der Außenseite des Rings bedeuteten. Mit geschlossenen Augen hätte sie die filigranen Linien und Kurven nachzeichnen können, ohne jedoch den Sinn der Darstellungen zu verstehen. Einzig das Antlitz eines Fuchses war groß und deutlich herausgearbeitet. Es gab keinen Zweifel, dass dieses Bildnis den Reif beherrschte. Der Ausdruck seines Blickes jedoch war ihr ein Rätsel. Selbst die Erinnerung daran schien sie stets zu trügen, war der Blick doch einmal freundlich, dann wieder grimmig. Ewig gleich blieb nur der listige Zug, der sich merkwürdigerweise an nichts Bestimmtem festmachen ließ. Auch jetzt wirkte der Blick des Fuchses anders als am vorigen Tag.

    Besorgt?, dachte sie verblüfft. Kann das sein? Sie hielt den Ring schräg, sodass das Licht des Lagerfeuers besser darauf fiel. Sie musste sich getäuscht haben, nein, ganz sicher hatte sie sich getäuscht! Im Schein der Flammen blieb der Blick des Tieres unergründlich. Sie schüttelte den Kopf und ließ sich zurück auf ihr Lager sinken.

    Doch was war das?! Als sie die Augen schloss, sah sie es für einen kurzen Moment erneut. Das Antlitz des Fuchses war von Traurigkeit verzerrt.

    Verwirrt fuhr sie wieder auf. Das war unmöglich! Sie hatte bereits viele Male verschiedenste Ausdrücke auf dem Ring zu erkennen geglaubt, aber die spontane Intensität dieser Erscheinung überraschte und verstörte sie zugleich.

    Sie hörte das Rascheln im Gebüsch erst, als bereits ein kalter Blitz in ihre Schulter schlug. Schmerzerfüllt schrie sie auf, der Ring entglitt ihrer Hand. Sie drehte sich zur Seite, sah den Pfeil und das Blut, das ihren Arm hinabströmte. Der Wind in den Baumkronen heulte noch einmal unheilvoll und erstarb dann.

    Laut ertönte stattdessen das Klirren von Metall, als mehrere stark gerüstete Gestalten gleichzeitig durch das Unterholz brachen und vor der Wanderin Aufstellung nahmen. Zwei der Angreifer trugen Bögen, die sie auch jetzt noch drohend auf sie gerichtet hielten.

    Ich habe keine Chance. Es ist vorbei. Der Gedanke durchzuckte sie mit einer Endgültigkeit, die sie mit einem Mal wieder völlig ruhig werden ließ. Habe ich etwas übersehen? Wie hat man mich nur gefunden? Was habe ich falsch gemacht?

    Einer der Männer trat hervor, doch da er sich zwischen der Wanderin und dem Feuer befand, konnte sie sein Gesicht unter der grauen Kapuze nur schemenhaft erkennen.

    »Da bist du nun also«, ertönte seine Stimme leise und spöttisch. »Du hast es uns nicht leicht gemacht. Nein, wirklich nicht.«

    Die Wanderin erschauerte. Sie hatte doch jeden umgebracht, der an jenem fernen Tag dabei gewesen war! Hatte sie jemanden übersehen, zu deutliche Spuren hinterlassen und damit zu erkennen gegeben, dass die junge Frau von einst überlebt hatte? Unmöglich! Nicht nach so vielen Jahren. Keines ihrer Opfer hatte sie nach all der Zeit erkannt. Selbst jenem bärtigen Kerl, den sie sich bis zuletzt aufgehoben hatte, war zunächst nicht bewusst gewesen, wem er sich gegenüber sah. Erst als sie ihm das Messer zum tödlichen Stoß in den Bauch gerammt hatte, war Erkennen in seine vor Schreck geweiteten Augen getreten.

    Nein, dies hier konnte nichts mit ihrer gerechten Rache zu tun haben. Aber worum ging es bei diesem Angriff? Wer war der Vermummte, der zu ihr gesprochen hatte? Konnte es sein, dass ...

    Ehe sie die Frage stellen konnte, sprach der Mann erneut: »Du scheinst verwirrt zu sein. Solltest du tatsächlich keine Vorstellung haben, worum es mir geht? Nicht einmal die leiseste Ahnung?«

    Diese Stimme! Ein leises Raunen ging durch die Reihe der Umstehenden. Aber derart kalt hat selbst er nie zu mir gesprochen.

    »Ich bin Rodriga Eltstedt, Kaufherrin aus Wehrheim«, log sie. »Ich habe nicht viel von Wert bei mir. Lasst mich leben, und es soll das Eure sein.«

    Trotz ihrer Bemühungen, ihre Stimme möglichst fest und bestimmt klingen zu lassen, konnte sie den starken Schmerz, der in ihrer Schulter pochte, nicht vollständig daraus verbannen.

    »Ich grüße dich, Rodriga Eltstedt, Kaufherrin aus Wehrheim«, sagte der Unbekannte mit kaum verhohlener Verachtung, und sie begriff, dass er wusste, wer sie wirklich war. Es handelte sich also nicht um einen bloßen Raubüberfall! Diese Kerle hatten es allein auf sie abgesehen. Und dann die Stimme des Fremden ... so vertraut. Aber der kalte, unendlich grausame Unterton war fremd.

    »Was wollt Ihr von mir?«, brachte sie mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wer seid Ihr?«

    »Ich will nur dein Bestes, glaub mir, meine kleine Kaufherrin«, entgegnete der Mann mit aufgesetzter Herzlichkeit. Der unterschwellig lauernde Klang seiner Worte jagte ihr kalte Schauer über den Rücken. Er verriet ihr, dass sie diese Nacht nicht überleben würde. Ihre rechte Schulter war bereits klebrig von dem Blut, das noch immer in großen Strömen aus der Wunde floss und langsam ihren Arm hinabrann.

    Der Vermummte warf einen Blick zur Seite und bückte sich rasch. Erschrocken fuhr die verletzte Frau herum, doch es erfolgte kein weiterer Angriff. Stattdessen hob er behutsam den Fuchsring auf.

    Erneut ging ein leises Raunen durch die Reihe der Bewaffneten, doch der Mann gebot ihm mit einer unwirschen Handbewegung sofort Einhalt. Versonnen betrachtete er den Ring in seiner Rechten.

    Dann drehte er sich um und streifte die Kapuze zurück. Der kalte Schreck fuhr der Frau bis ins Gebein, ihre Augen weiteten sich entsetzt. Die Gier, die in den Augen des Mannes brannte, erfüllte sie mit nackter Angst. Wie hatte er sie gefunden? Wie konnte ausgerechnet er ihr so etwas antun? Sie wusste, dass er sie einmal geliebt hatte.

    »Ist es das, was du willst?«, sprach sie ihn an. »Bitte, du kannst ihn haben. Ich brauche ihn nicht mehr. Aber bei der Gnade der Götter, verschone mein Leben, ich flehe dich an!«

    Lange Zeit folgte keine Reaktion auf ihre Worte, doch dann stieß der Mann einen langen Seufzer aus.

    »Es tut mir leid, meine Liebe, aber diesen Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Du ahnst nicht, wie sehr du mich enttäuscht hast. Hättest du dich nicht eingemischt, wer weiß, wie alles gekommen wäre? Wir hätten glücklich sein können, wir drei. Ich habe so lange hiernach gesucht ...«

    Er wandte sich zu ihr um, und erneut lag sein Gesicht im Schatten, als er einen letzten Blick auf sie warf. Mit einer beiläufigen Geste verabschiedete er sich von den Bewaffneten und verließ die Lichtung.

    Die Frau fluchte im Stillen, wollte mit aller Kraft ihre Stimme erheben, in einem letzten verzweifelten Versuch Gnade erflehen, doch die Angst und das Wissen um die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens schnürten ihr die Kehle zu. Es gab keine Hoffnung mehr. Nach einem kurzen tränenerstickten Krampf fügte sie sich in ihr Schicksal.

    Mit raschen Blicken verständigten sich die Soldaten, woraufhin die beiden Bogenschützen ihre Waffen sinken ließen. Das leise Scharren von Metall verriet, dass blanker Stahl billiger und sicherer war, um ihrem Leben ein Ende zu setzen.

    O Phex! Die Wanderin schloss die Augen und sprach zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder ein Gebet. Die vergessen geglaubten Worte gingen ihr so leicht von der Zunge, dass sie sich noch immer darüber wunderte, als mit einem leisen Lufthauch das Schwert auf sie herabfiel und ihr den Kopf abschlug.

    Kapitel 1

    Aljoscha Timeran eilte gebückt von Haus zu Haus, eng an die steinernen Wände gepresst, von Schatten zu Schatten. Die Nacht war bereits weit fortgeschritten, die Praiosscheibe schon lange vom Firmament verschwunden, die Kaiserstadt Gareth lag in tiefem Schlaf. Der Schein des Madamals beleuchtete das Gesicht des jungen Mannes und brach sich in den hellen Augen, die verstohlen unter dem schützenden Schatten einer breiten Hutkrempe hervorlugten. Blondes, wirres Haar wallte darunter hervor, die restliche Kleidung war zerschlissen und farblich kaum mehr einzuordnen. Allein der blaue Hut mit der langen gelben Feder und der glänzenden Messingschnalle wirkte gepflegt.

    Im Schatten eines Hauseingangs blieb Aljoscha stehen und drückte sich gegen die harten Bohlen des schweren Eingangstores. Eine Gruppe von fünf Stadtwachen näherte sich lautstark streitend mit scheppernden Rüstungen und festem Tritt. Der junge Mann hielt den Atem an und presste sich noch tiefer in den Torbogen.

    »Wie wär’s mit ’nem Schluck beim ollen Weibel? Lang hat’s eh nicht mehr mit’m Dienst«, ertönte die laute Stimme eines Wachmannes, dem der Schlaf der vornehmen Bürger von Herzen gleichgültig zu sein schien.

    »Kannst wohl nie genug kriegen, alte Schnapsdrossel«, gab ein anderer zurück. »Immer kräftig saufen, nur zu! Die Kaiserin kann ja selbst seh’n, dass ihr die Stadt nicht unterm Allerwertesten weggeklaut wird. Und dann noch die Backofenhitze in den letzten Tagen. Könnt doch froh sein, dass ihr die Nachtwache habt, ihr faules Pack!«

    »Verstehst auch kein’ Spaß, Alterchen. So’n kleinen Schluck in Ehren ... Hat doch auch die Kaiserin nichts dagegen. Feiert doch selbst immer, was das Zeug hält, mit schicken Prinzlein und dergleichen.«

    Lautes Lachen schallte durch die Gasse.

    »So, jetzt reißt euch halt noch mal zusammen, is’ ja nicht mehr lang. Auf, auf!«

    Die Gruppe zog weiter und erging sich nun in einer harschen Kritik des just vergangenen Kaiserturniers, das noch immer viele Gemüter erhitzte. Aljoscha atmete erleichtert auf. Vorsichtig spähte er den Nachtwächtern hinterher. Als sie hinter der nächsten Ecke verschwunden waren, schlich er schnell davon.

    Ohne aufgehalten zu werden, erreichte er schließlich das große Anwesen in der Kaiser-Raul-Straße. Mit einem Sprung und einem kraftvollen Klimmzug gelangte er über die knapp kopfhohe Mauer und landete im Garten. Das Haus war dunkel. Lange hatte er auf diese Gelegenheit gewartet, nun endlich war es soweit! Er wusste, dass sich außer einigen alten Bediensteten und der jungen Tochter des Hauses niemand in dem Gebäude aufhielt. Der finster dreinblickende Baron, dem das Anwesen gehörte, hatte die Stadt bereits vor Wochen mit dem Großteil seiner Dienerschaft verlassen und war nicht wiedergekehrt. Ein Kinderspiel!

    Vorsichtig näherte sich Aljoscha im Schutz der dunklen, weitläufigen Parkanlage dem finsteren Gemäuer und drückte sich an die kalte Wand. Alles blieb ruhig, kein Hinweis auf eine Menschenseele, die den nächtlichen Eindringling entdeckt haben mochte. Aljoscha verharrte einen Moment und lauschte angestrengt. Im Haus war kein Laut zu hören.

    Nur nicht übermütig werden!, ermahnte er sich und schlich zu dem Fenster, das ihm am nächsten lag. Hinter den bunten Butzenscheiben blieb alles dunkel. Er zückte seinen Dolch und setzte ihn an die Kante des hölzernen Rahmens. Es kostete den geschickten Dieb nur wenig Mühe, den Verschluss zu öffnen. Ohne ein Geräusch zu verursachen, schwang das Fenster auf. Den guten Geistern sei Dank, welche die Scharniere diensteifrig geölt hatten!

    Aljoscha hob den Kopf über das Fenstersims und spähte hinein. Eine Gruppe mächtiger Lehnstühle schälte sich deutlich aus dem schwachen Schein des Madamals, ein von einem Gemälde geschmückter Kamin beherrschte den Raum auf der linken Seite, die restlichen Wände wurden von hohen, gut gefüllten Bücherregalen gesäumt. Alles wirkte still und verlassen.

    Aljoscha suchte sich einen guten Halt am Rahmen des Fensters und zog sich hinauf. Vorsichtig stieg er durch die Öffnung und landete mit einem Satz auf dem leise knarrenden Dielenboden. Noch immer blieb alles ruhig. Er atmete einen Moment tief durch und genoss das erregende Gefühl, das ihn jedes Mal befiel, wenn er fremden Boden betrat.

    Der Einstieg in dieses Anwesen war bereits seit Wochen sein ehrgeizigstes Ziel, auf das er ruhig und stetig hingearbeitet hatte. Jetzt endlich war die Stunde gekommen, sich vor dem Gott der Diebe als würdig zu erweisen. Diese Nacht war Phex geweiht.

    Auf Zehenspitzen bewegte sich Aljoscha entlang der Wand zur Tür am anderen Ende des Raumes. Er griff zur Klinke und frohlockte, als auch die Tür geräuschlos aufschwang und den Blick auf einen langen Korridor freigab. Zur Linken befanden sich ähnliche Fenster wie in der Bibliothek, jedoch hatte man hier auf buntes Glas verzichtet und mit kleinen, gewöhnlichen Scheiben vorliebgenommen. Der Fußboden war mit einem schmalen, aber ungemein dicken Läufer bedeckt, dessen aufwendige Verzierungen und Muster noch im Halbdunkeln deutlich zu erkennen waren. Aljoscha konnte sein Glück kaum fassen. Phex musste in dieser Nacht wahrhaft mit ihm sein! Einen besseren Lärmschutz konnte er sich nicht wünschen!

    Entschlossen ging er voran und erreichte nach wenigen Schritten eine Abbiegung zu seiner Rechten. Am Ende des Flurs konnte er eine breite Treppenflucht erkennen, die sowohl nach unten als auch in die oberen Stockwerke führte.

    Wo fange ich an?, überlegte er. Die alten Bediensteten, die sich noch im Haus befanden, bewohnten höchstwahrscheinlich die Räume im Kellergeschoss nahe der Küche und der Vorratsräume, wie es in den hohen Häusern üblich war. Möglicherweise auch das Dachgeschoss, doch ganz sicher nicht die Zwischenetagen. Diese Stockwerke würden dem Hausherrn und seiner Familie vorbehalten sein. Dort war zwar das junge Mädchen zu vermuten, das er bereits bei seinen Erkundungszügen gesehen hatte, aber eine große Gefahr würde sie gewiss nicht darstellen. Aljoscha schlich weiter.

    Auch in diesem Korridor verlief ein ähnlich dicker Teppich, der wie ein bunter Bach von der Treppe herabzufließen schien. Das Gefühl, diesem dargebotenen Weg folgen zu müssen, wurde immer stärker und besiegte die letzten Zweifel. Im Vertrauen auf die Gunst seines Gottes betrat Aljoscha die erste Stufe und stieg hinauf.

    Aljoschas Zuversicht wich Beklommenheit, als sein Blick der Finsternis begegnete, die im oberen Teil des Treppenhauses herrschte. Er gestand es sich ungern ein, doch aus einem unerfindlichen Grund fürchtete er sich vor dieser Dunkelheit.

    Ich stelle mich an wie ein Kind, schalt er sich sogleich. Phex, steh mir bei und vergib meinem Hasenherz!

    In aller Ruhe tastete er sich bis zum Ende der Treppe und suchte sich dann mit ausgestreckten Händen und bangem Herzen seinen Weg. Nach wenigen Schritten stieß er auf einen rauen Wandteppich. Er spürte die Schwere des steifen Stoffes, der leicht zu schwanken begann.

    Bedächtig umging er das Hindernis. Schließlich stießen seine Finger auf einen Vorsprung und strichen kurz darauf über etwas Metallisches. Eine Türklinke! Aljoschas Herz klopfte vor Aufregung, als sich das kalte Metall in seiner Hand langsam senkte und die Tür mit einem kaum hörbaren Knarren aufschwang. Etwas überrascht fand sich der junge Dieb in einem vom Madamal hell erleuchteten Raum, dessen Mitte von einem riesigen Himmelbett ausgefüllt wurde. Beeindruckt trat Aljoscha näher.

    Sehr gut! Das Bett war leer.

    Zufrieden blickte er sich um. Sämtliche Wände waren kunstvoll mit dunklem Holz verkleidet, dessen dicke Lackschicht sanft schimmerte. Unterbrochen wurde die kostbare Vertäfelung lediglich durch einen mannshohen Kamin an der Seitenwand rechts des Bettes, über dem wie im unteren Stockwerk ein großes Gemälde hing. Verteilt über Kommoden und Tischchen standen mehrere metallene Kerzenleuchter im Raum. Aljoscha trat näher heran, musste jedoch zu seiner Enttäuschung feststellen, dass sie aus Eisen gefertigt waren.

    Vollkommen wertloser Plunder, erkannte er enttäuscht. Also weiter!

    Neben einem schweren, wuchtigen Kleiderschrank links der Eingangstür befand sich ein mit bemaltem Leder gepolsterter Lehnstuhl, auf dem sorgfältig diverse Kleidungsstücke abgelegt worden waren. Offenbar handelte es sich um das Zimmer eines Mannes, wahrscheinlich das Schlafzimmer des Hausherrn. Ein metallisch glänzender, schwerer Jagdspieß, griffbereit aufgehängt an der linken Seite des Bettes, erhärtete diesen Verdacht. Aljoscha konnte seine Erregung kaum bändigen. Hier war er genau richtig!

    Sein Blick fiel erneut auf das Gemälde über dem Kamin. Neugierig schritt er auf das Kunstwerk zu, das einen stattlichen Ritter zeigte, der hoch zu Pferd dahin galoppierte. Links und rechts wurde die Szenerie von majestätisch aufragenden Bergen, Bäumen und dichtem Buschwerk eingerahmt, was der Darstellung einen Anstrich von urwüchsiger Wildheit verlieh.

    Aljoscha wollte sich bereits abwenden, als sein Blick auf einen kaum wahrnehmbaren roten Fleck am rechten unteren Bildrand fiel. Er trat einen Schritt näher heran und stutzte. War das denn möglich? Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Tatsächlich, er hatte sich nicht getäuscht! Zwischen zwei Büschen lugte der Kopf eines Fuchses hervor.

    Aljoscha spürte seine Zuversicht wachsen. Wenn das kein Zeichen des Gottes war! Zaghaft hob er seine rechte Hand und strich zärtlich über den Kopf des Tieres. Doch was wollte Phex ihm mit diesem Wink verraten? War er auf dem richtigen Weg? Gab es etwas, worauf er achten sollte? Vielleicht hinter dem Gemälde? Er war sich sicher, ein geheimes Fach zu finden, und hob es ein Stückchen an, doch dort war nichts.

    Vielleicht irgendetwas auf der Rückseite? Aber auch dort strich seine Hand lediglich über raues Holz. Hatte er sich geirrt? War der Fuchs auf dem Bild nichts weiter als ein Zufall? Enttäuscht wandte sich Aljoscha ab und ließ seinen Blick über den Rest des Zimmers schweifen.

    Entschlossen, den Raum nicht mit leeren Händen zu verlassen, trat er vor den hohen Schrank und öffnete die Türen. Verteilt über mehrere Fächer stapelte sich eine Unmenge von Kleidungsstücken. Abgesehen von edlen Gewändern fand er lediglich mehrere Hemden, lederne Gürtel, zwei Paar fellgefütterte Handschuhe und auf dem Boden ein paar blank polierte Reitstiefel, doch kein Geld, keinen Schmuck, nichts von Wert. Er tastete unter die Kleiderstapel und in die Spalten dazwischen, aber auch dort gab es keine Spur von einer Geldbörse oder einer Schatulle.

    Wo bewahrte dieser Mann sein Vermögen auf? Der Reichtum des Hausherrn stand außer Frage. Die Kleidungsstücke waren kostbar, sogar die Bettbezüge und die turmhoch gestapelten Seidenkissen zeugten von Wohlstand, aber wo befanden sich Schmuck und Geld? Es musste irgendwo ein Versteck dafür geben! In aller Gründlichkeit untersuchte er die Wandvertäfelung, doch falls sie ein Geheimnis barg, gab sie es nicht preis. Nach einem letzten prüfenden Blick unter das Bett verließ Aljoscha den Raum.

    Vorsichtig schlich er den Gang weiter entlang, sorgsam darauf bedacht, mit seinen an der Wand entlang tastenden Händen nichts umzustoßen.

    Nach wenigen Schritten stieß er wieder auf eine Tür. Mit ruhiger Hand tastete er nach der Klinke, zögerte jedoch einen Moment, ehe er sie hinunterdrückte. Womöglich handelte es sich bei diesem Raum um das Schlafzimmer der Tochter? Anzunehmen, dass die Schlafräume im Haus beieinanderlagen. In diesem Fall musste er natürlich besondere Vorsicht walten lassen, um das junge Fräulein nicht aus dem Schlaf zu reißen. Behutsam öffnete er die Tür und fand sich nach einem kurzen Blick in seinen Überlegungen bestätigt. Auch dieses Zimmer wurde durch ein gewaltiges Bett beherrscht, in dem unschwer eine Gestalt unter der zerwühlten Decke zu erkennen war.

    Neugierig trat Aljoscha vor, um nachzusehen, ob es sich tatsächlich um das junge Mädchen handelte, das er bereits aus der Ferne erspäht hatte. Und tatsächlich, sie war es! Aus der Nähe betrachtet sah sie sogar um einiges hübscher aus, wie er erstaunt feststellte. Lange blonde Locken umrahmten ihr schneeweißes Gesicht und fielen breit ausgefächert über das Kopfkissen. Ihr Mund, dessen im schwachen Lichtschein blass schimmernde Lippen förmlich zum Küssen einluden, stand einen kleinen Spaltbreit offen und entblößte eine Reihe kleiner weißer Zähne. Ihr Schlaf schien tief und friedlich, kein Laut und keine Regung verrieten eine Störung der nächtlichen Ruhe.

    Leise bewegte sich Aljoscha zurück zur Tür. Im Zimmer der Tochter würden sich die vermuteten Kostbarkeiten sicherlich nicht finden lassen, und wenn sie doch etwas von Wert besäße, so brächte er es nicht übers Herz, sie zu bestehlen. Der grimmige Herr Vater aber, der war etwas anderes!

    Ein paar Schritte weiter stieß er schließlich auf das letzte Zimmer auf dieser Seite des Korridors. Er zögerte nicht, trat ein und befand sich in einem Raum mit beachtlichen Ausmaßen. Die zugezogenen Vorhänge vor den Fenstern bewegten sich leise in dem entstandenen Lufthauch. Lediglich ein schmaler Streifen Licht drang zwischen ihnen hindurch und tauchte das Mobiliar in einen silbrigen Schein. Der massive Schreibtisch und die zahlreichen Regale und Schränke, welche die Wände säumten, ließen auf ein Arbeitszimmer schließen.

    Hier muss ich aber fündig werden, dachte Aljoscha. Wenn nicht hier, wo dann?

    Vorsorglich schloss er die Tür und machte sich an die Inspektion des Schreibtisches, den er glücklicherweise unverschlossen fand. Er öffnete die oberste Schublade, konnte jedoch in dem schwachen Licht wenig mehr als die groben Umrisse mehrerer Dokumente und Schreibutensilien erkennen. Behutsam schob er eine Hälfte des Vorhangs zur Seite, gerade genug, um einen etwas breiteren Streifen Mondlicht hereinzulassen. Er hatte sich gerade erneut über die geöffnete Schublade gebeugt, als er einen leichten Lufthauch im Nacken spürte. Noch ehe er sich umwenden konnte, riss ihn ein heftiger Schlag in die Halsbeuge von den Beinen. Um Atem ringend krümmte er sich auf dem Boden. Über ihm erhob sich drohend eine finstere Gestalt und holte zu einem weiteren Hieb mit einem knapp unterarmlangen Knüppel aus.

    Noch bevor der Schlag ihn treffen konnte, rollte er sich zur Seite und landete einen Tritt gegen das rechte Bein des Angreifers, der mit einem unterdrückten Stöhnen einknickte, einen Sturz jedoch zu verhindern wusste. Immerhin, Aljoschas Kopf saß noch auf seinen Schultern, anstatt sich in einer unappetitlichen Masse über den Boden zu verteilen. Damit war zumindest Zeit gewonnen.

    Zeit genug, um aufzuspringen und den Arm des Unbekannten zu packen, der sich jedoch kraftvoll zur Wehr setzte. Mit einem weithin vernehmbaren Poltern schlug ein Stuhl zu Boden, unmittelbar gefolgt vom lauten Scheppern eines Kerzenleuchters. Aljoscha fluchte. Beinahe gelang es ihm, dem Griff des Fremden den Knüppel zu entwinden, als dieser ihn erst mit dem Knie in die Magengrube traf und ihn dann unerbittlich niederrang.

    Zu allem Überfluss waren nun auch Stimmen zu vernehmen, die aus dem unteren Stockwerk heraufdrangen.

    Verdammt!, durchfuhr es Aljoscha. Einer ist doch wirklich mehr als genug!

    Verblüfft schaute er auf, als der Unbekannte von ihm abließ und sich plötzlich beeilte, die Tür zu erreichen. Was war das? Bislang war er davon ausgegangen, dass es sich um einen Dienstboten handelte, der ihn ertappt hatte. Offensichtlich war die Anwesenheit dieses Kerls jedoch ebenso wenig rechtmäßig wie seine eigene.

    Na warte, Freundchen, durchfuhr es ihn, wir sind noch nicht fertig!

    Behände sprang er auf die Beine und erreichte den Unbekannten noch vor der Tür, wo er ihn nun seinerseits mit einem Tritt in die Kniekehlen erfolgreich zu Fall brachte. Sofort sprang Aljoscha hinterher, warf sich auf die am Boden liegende Gestalt ... und hielt verdutzt inne. Unter sich spürte er die weichen Wölbungen zweier Brüste!

    Vor Überraschung lockerte sich sein Griff. Bevor er den Fehler korrigieren konnte, hatte sich seine Gegnerin bereits befreit und erwischte ihn mit einer kraftvollen Rechten am Kinn. Ein weiterer schmerzhafter Schlag, diesmal zielsicher und mit mehr Schwung geführt, traf ihn seitlich an der Stirn. Stöhnend klappte er zusammen, während die Unbekannte rasch aus dem Zimmer stürzte.

    Beweg dich!, brüllte eine Stimme tief in seinem Innern über all dem Schmerz, der sich durch seinen Schädel fraß. Steh auf, sonst bist du erledigt!

    Unter Aufbietung aller Willenskraft kroch er zur nächsten Wand und zog sich mühsam an dem vor ihm aufragenden Tischbein aufwärts. Währenddessen ertönten schwere Schritte auf der Treppe zum Obergeschoss, gefolgt von wüsten Beschimpfungen. Kaum fiel der erste Lichtschein durch die geöffnete Tür, als auch schon ein älterer, silberhaariger Mann im Nachthemd in den Raum stürmte. In der einen Hand hielt er einen Leuchter, in der anderen einen Schürhaken. Als er Aljoscha erblickte, stieß er einen zornigen Schrei aus.

    »Da hol mich doch einer ... du Lump! Was hast du hier zu suchen?«

    Aljoscha zuckte zurück und hob beschwichtigend seine Hand, um dem Wüten des Mannes Einhalt zu gebieten, doch ehe er etwas erwidern konnte, sprang der Alte tobend auf ihn zu.

    »Ein Dieb! Ein Einbrecher hier im Haus des Barons! Na, du sollst was erleben!«

    »Guter Mann, so wartet doch«, entgegnete Aljoscha mit vor Verzweiflung bebender Stimme und wich zurück. »Ich bitte Euch, hört mich an! Ich werde Euch gewiss nichts antun. Ich bin ...«

    Aljoschas Gedanken überschlugen sich, doch seine Stimme brach, als der Mann wiederum zornerfüllt aufbrüllte. Noch ehe er sich ducken konnte, traf ihn der Schürhaken am Kopf und schickte ihn ein letztes Mal für diese Nacht zu Boden. Die spitzen Schreie der korpulenten Frau, die nun ebenfalls im Türrahmen erschien, vernahm er nur noch wie aus weiter Ferne. Dann umfing ihn Dunkelheit.

    Kapitel 2

    Kälte. Aljoscha fühlte Kälte, die seinen Körper wie eine eisige Hand umschlang. Eine andere schien zur Faust geballt mit schweren Schlägen seinen Schädel Stück für Stück zu zerschmettern, hart und kraftvoll wie Ingerimms Hammer. Unablässig donnerte sie, schickte Welle auf Welle von Schmerz tiefer in sein Innerstes, bis ein einziges Rauschen Aljoschas Denken beendete. Um ihn her war alles einer weißen Leere gewichen. Eis? Eine unendlich weite, tödliche Eiswüste? Er verstand nichts. Weder wer er

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1