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Pardona 1 - Kind des Goldenen Gottes: Das Schwarze Auge Roman 172
Pardona 1 - Kind des Goldenen Gottes: Das Schwarze Auge Roman 172
Pardona 1 - Kind des Goldenen Gottes: Das Schwarze Auge Roman 172
eBook361 Seiten5 Stunden

Pardona 1 - Kind des Goldenen Gottes: Das Schwarze Auge Roman 172

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Über dieses E-Book

Lange vor der Zeit der Menschen herrschen die Hochelfen über Aventurien. Im lebensfeindlichen Eis des Nordens errichten sie den Himmelsturm, ein gewaltiges Monument ihrer Fähigkeiten. Das Dasein der Bewohner dreht sich um Forschung, Kunst und den Kampf gegen das Böse in Gestalt des Namenlosen Gottes. Doch als die mysteriöse Elfe Amadena im Turm erscheint, verändert sich das Leben der Elfen schlagartig. Amadena hinterfragt alles, wofür die elfische Kultur steht. Ihre kühnen Ideen ziehen schon bald den jungen Acuriën in ihren Bann – und zu spät erkennt er, dass Amadenas Ziel nichts anderes ist als der Untergang des gesamten Elfenvolkes.

Die Pardona-Trilogie erzählt über einen Zeitraum von 5.000 Jahren die Geschichte einer der bekanntesten bösen Figuren Aventuriens und enthüllt, dass alle ihre Taten einem höheren Ziel dienten. Die Reihe führt durch die aventurische Geschichte, während sich eine epische Geschichte entfaltet, und eignet sich deswegen auch sehr gut für Neulinge in der Welt des Schwarzen Auges.

Erster Teil einer epischen Trilogie um eine der bekanntesten Figuren aus der Welt des Schwarzen Auges.
SpracheDeutsch
HerausgeberUlisses Spiele
Erscheinungsdatum30. Sept. 2021
ISBN9783963318719
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    Buchvorschau

    Pardona 1 - Kind des Goldenen Gottes - Mháire Stritter

    Impressum

    Ulisses Spiele

    Band: US25733

    Titelbild: Dagmara Matuszak

    Aventurien-Karte: Daniel Jödemann

    Redaktion: Nikolai Hoch

    Lektorat: Frauke Forster

    Korrektorat: Claudia Waller

    Umschlaggestaltung und Illustrationen:

    Nadine Schäkel, Patrick Soeder

    Layout und Satz: Nadine Hoffmann, Michael Mingers

    Administration: Christian Elsässer, Carsten Moos, Sven Paff, Stefanie Peuser, Marlies Plötz Marketing: Philipp Jerulank, Björn Meyer, Katharina WagnerVerlag: Zoe Adamietz, Jörn Aust, Mirko Bader, Steffen Brand, Simon Burandt, Christiane Ebrecht, Frauke Forster, Christof Grobelski, Kai Großkordt, Nikolai Hoch, Nadine Hoffmann, Johannes Kaub, Arne Frederic Kunz, Matthias Lück, Susanne Majewski, Thomas Michalski, Markus Plötz, Elisabeth Raasch, Nadine Schäkel, Maik Schmidt, Ulrich-Alexander Schmidt, Nils Schürmann, Alex Spohr, Jens Ullrich, Jan Wagner Verlag USA: Bill Bridges, Timothy Brown, Darrell Hayhurst, Eric Simon, Ross Watson Vertrieb: Stefan Heinrichs, Jan Hulverscheidt, Thomas Schwertfeger, Stefan Tannert, Anke Zimmermann

    Copyright © 2021 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN, DERE, MYRANOR, RIESLAND, THARUN, UTHURIA und THE DARK EYE sind eingetragene Marken der Ulisses Spiele GmbH, Waldems.

    Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

    Mháire Stritter

    Kind des

    Goldenen Gottes

    Pardona I

    Ein Roman in der Welt von

    Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Mit Dank an

    Bernhard Hennen

    Prolog

    Was Amadena sah, als sie die Augen öffnete, waren eine blinde Frau und ein goldener Mann mit einer Krone, die ihm einem Geweih gleich aus dem Schädel wuchs. Über ihnen stand der Nachthimmel, umrahmt von Türmen und Pyramiden aus Stein, und sie erblickte zum ersten Mal die Sterne. Jenseits der Lichter lag eine Schwärze, eine unauslotbare Tiefe. Schwindel erfasste sie und zugleich ein Hochgefühl. Sie streckte die Hand aus und musste erkennen, dass die Sterne zu fern waren, um sie berühren zu können.

    Die Frau, die nicht ihre Mutter war und sie dennoch geschaffen hatte, war von Trauer getrieben. Sie hatte zuvor ihr einziges Kind verloren und sprach sanft und nachdenklich zu Amadena. Sie unterrichtete sie über die fey, die aus Traum und Licht in diese feste und unnachgiebige Welt gekommen waren. Sie sprach von den fenvar, die die restlichen fey hinter sich gelassen und die Welt und all ihren Schmerz umarmt hatten, Städte errichteten und Reiche gründeten. Sie malte aus Licht die sieben Sphären der Schöpfung und ihre Bedeutung, vom Gesetz der Welten im Ursprung bis zum mahlenden Chaos der endlosen 7. Sphäre. Ihre blinden Augen jedoch waren auf ferne Dinge gerichtet, und ihre Aufmerksamkeit wanderte rasch, als ihre suchenden Hände auf Amadenas Gesicht nicht zu finden schienen, was sie hoffte zu erkennen.

    Der goldene Mann, der nicht ihr Vater war und dessen wahre Gestalt aus goldenem Panzer und riesigen Schwingen die größte Pyramide der Stadt füllte, hatte aus Ehrgeiz gehandelt. Die meisten seiner Art hatten diese Sphäre verlassen, und obwohl er verehrt wurde und ihm jeden Tag Reichtümer dargeboten wurden, fraß etwas an seinem Herzen. Wenn er zu Amadena sprach, dann über die Dinge, die sie für ihn vollbringen sollte. Die Städte, deren Schlüssel sie ihm bringen, und die Herrscher, deren Treue sie gewinnen sollte. Er war rastlos und zielstrebig, wo die blinde Königin gelassen und zugleich verloren war.

    In den stillen Stunden betrachtete Amadena den Himmel und die Sterne, die in der Nacht darüber wanderten. Vielmehr jedoch zog sie weiterhin der Schwindel der Leere zwischen den Lichtern an, und an einer Stelle des Teppichs aus glühenden Funken gab es eine Narbe: eine absolute und perfekte Schwärze.

    Schließlich fragte sie die blinde Königin nach dieser Bresche, und ihre Nicht-Mutter legte ihr mahnend eine Fingerspitze auf die Lippen.

    »Dhaza«, sprach sie. »Dort ist etwas aus ferner Vergangenheit festgekettet und hält zur Strafe für Verrat den Himmel zusammen. Beachte es nicht, Kind.«

    Amadena hatte zu dieser Zeit schon verstanden, dass sie kein Kind war und niemals gewesen war. Die anderen fenvar kamen zur Welt wie Fohlen und Welpen, in Blut und Schmerz, und wuchsen langsam mit Hilfe ihrer Eltern. Das war die Natur, wie die Königin sagte, der sie sich unterworfen hatten. Das Kommen und Gehen der göttergegebenen Welt. Amadena war anders, vollendet und mit wachem Geist geschaffen worden. Die Königin, so las sie aus den wenigen Worten, die sie dazu preisgeben wollte, hatte ihren Körper geschaffen und der Drache ihren Geist.

    Doch auch der Drache, ihr Nicht-Vater, wandte sich bei der Frage nach der Narbe am Himmel von ihr ab. »Die Götter sind launenhaft«, sagte er. »Und ihre Rache für Verrat grausam. Er, der dort den Himmel geschlossen hält, hat nicht länger Einfluss auf die Schöpfung. Seine Diener sind besiegt oder haben ihm abgeschworen. Denk nicht weiter an ihn.«

    Die Narbe wanderte, bis sie in der Dämmerung im Zenit stand. Amadena blickte auf und sank in die Schwärze. Die Finsternis schien golden zu werden und ein purpurnes Auge öffnete sich, blickte auf sie herab.

    Sie erschauderte.

    Wenn die Strafe für Verrat solche Schönheit war, welchen Lohn erhoffte sich die Welt von Treue?

    Ein Licht, aus Traum erwacht,

    Ein Lied, das niemals stirbt.

    Doch golden singt Verlorenes,

    Das Lied und Traum verdirbt.

    Mit Tod und Leid kommt Leben,

    Verrat vergeht im Licht

    Und gottgleich steht die Königin,

    Hält in Trauer blind Gericht.

    Der Drache, Wächter, Goldener,

    Sprach: »Göttergleich ist nur,

    Wer göttergleich erneuert,

    Verändert die Natur.

    Ein Kind hast du verloren,

    Der Thron blieb mir verwehrt,

    Erschaffen wir die Königin,

    Die alle Welt geeint verehrt.

    Sechs Städte für dein Volk,

    Dir und mir zur Ehre,

    Im Fels, im Eis, im Feuer,

    Im Wald, im Wind, im Meere.

    Sie wird zu ihnen sprechen,

    In unsrem Sinne einen:

    In meinem Namen bringt sie Licht

    Ein Kind ist sie dem deinen.«

    Der Drache und die Königin

    Erweckten neues Leben.

    Ein Balsam für die Wunden

    Ein Werkzeug für das Streben,

    Doch golden war ihr Blick

    Und ihre Seele kalt,

    Und ihre Treue, sobald sie erwacht

    Stets einem andren, verborgenen galt.

    Im Turm des Schwarzen Winters,

    worin Amadena zum Elfenvolk der fenvar in die Stadt am Rande

    der Welt kommt und die Natur des Lebens zu ergründen sucht.

    »Ich bin nicht sicher, ob ich es wirklich gesehen habe«, gestand Acuriën. Der Horizont war nicht zu erkennen, eine vage Zone von Dunst und Licht in kaltem Gold, die zwischen dem weißen Grund und dem strahlend blauen Himmel lag. Vermutlich näherte sich ein Unwetter über dem Festland oder starke Winde wirbelten Eiskristalle auf, bis sie als blendende Wolke alle Umrisse und Landmarken verschwinden ließen.

    Israni gab einen halb unwirschen, halb gelangweilten Laut von sich. Sie schob ihre Maske hoch, und sah von ihrem Posten am Bug des Eisseglers auf ihn herab. »Ich habe nicht darauf geachtet, aber mich kümmert es auch nicht. Willst du zurück?«

    Die gesamte Gruppe aus Jägern und Forschern sah ihn abwartend an. Acuriën musterte erneut den Horizont und hob die Hand als Zeichen, noch einen Moment Geduld zu bewahren. Er konzentrierte sich auf das verschwommene Band dort, wo Meereis auf Festland stieß und die Signaltürme standen, und kniff die Augen zusammen.

    Acuriën war kurz davor, sich doch abzuwenden, als das Signal endlich wiederholt wurde. Eine Reihe heller Lichtblitze flackerte auf und am Ende der Sequenz nickte er zufrieden.

    »Ich fahre mit den Suchern zurück«, entschied er. »Wir erwarten eine neue Delegation.«

    Israni seufzte etwas ungehalten, sprang aber von ihrer Warte herab und bedeutete den restlichen Jägern auf dem Segler, zum anderen Eisschiff zu wechseln.

    »Es werden weitere Sucher kommen, teils aus Tie’Shianna. Wir werden viel vorzubereiten haben und sie einweisen müssen«, verteidigte sich Acuriën, aber seine Worte wurden ignoriert. Israni organisierte mit wenigen Befehlen die Verteilung von Vorräten und Ausrüstung. Seine Gruppe würde sie für die Heimreise nicht mehr benötigen und die Jäger konnten so länger im Eis bleiben. Schließlich legte sie aber beruhigend eine Hand auf seine Schulter und musterte ihn mit einem verständnisvollen, wenn auch amüsierten Ausdruck.

    »Wir sehen uns bald.«

    Sie zog die Maske wieder vor ihr Gesicht und ihre grünen Augen verschwanden hinter geschwärzten Kristalllinsen. Einen Moment lang legte sie spielerisch den Kopf schief, der nun das geschnitzte Abbild eines Luchses trug, dann setzte sie über die Reling hinweg. Mit einem letzten Winken über die Schulter trabte sie über das Eis zu dem Schiff, das ab jetzt unter ihrem Kommando stehen würde.

    Acuriëns Mannschaft, auch wenn sie nicht aus Jägern und Seglern bestand, war eingespielt genug, um das leichte Gefährt zu wenden und vor den Wind zu bringen. Das Segel entfaltete sich mit dem Geräusch eines mächtigen Flügelschlags und die Kufen unter dem Holzrumpf glitten über den eisigen Boden, gen Norden. Sobald sie die felsigeren Bereiche der kleinen Inseln hinter sich ließen und das Meereis erreichten, wurde die Fahrt glatter und umso schneller. Über der weiten, weißen Ebene flirrte das Licht, und ein steter Strom von Wind schob sie vor sich her. Selbst ohne Segel wäre es schwer gewesen, ihm zu widerstehen und nach Süden, vom Turm weg, zu streben.

    Der Turm selbst war noch Stunden entfernt, aber er schälte sich schon früh aus dem fahlen Licht. Eine Felsnadel, dunkel vor den ansonsten so ununterbrochenen Flächen von Weiß und Blau, wie um Land und Himmel hier zu verankern, wo das Leben zurückwich und Eis das einzige und alles beherrschende Element war. Acuriëns Heimat, seitdem er und Israni die Wälder von Simyala verlassen hatten, um Ometheons Ruf an das Ende der Welt zu folgen.

    Er, wie auch die meisten anderen an Bord, löste seine Maske vom Gürtel und band sie sich gegen die stechend kalte Luft vor das Gesicht, schützte seine Augen vor dem grellen Widerschein des Lichts auf dem gefrorenen Meer. Ohne viele Worte zu wechseln, fiel die Mannschaft in ihre routinierten Abläufe und Acuriën nahm einen Platz an Backbord ein, wo er mit einem Seil gesichert als Gegengewicht fungierte. Der Eissegler, der ansonsten zu gern am Turm vorbei ewig weiter ins Nichts gestrebt wäre, wurde so auf Kurs gehalten. Von seiner Position aus konnte Acuriën auch die Kisten und Wasserbehälter im Auge behalten, die sie auf der Expedition bereits gefüllt hatten. Durch die richtigen magischen Lieder in einen ruhigen Schlaf gesungen, lagen dort die pelzigen Leiber kleiner Nager, die sich auf den wenigen Inseln fanden. Struppige Insektenlarven, aus Felsnischen gepflückt, ringelten sich in Holzkistchen, und ein seltsam stacheliger Fisch taumelte in seinem Behälter voll eiskaltem Meerwasser hin und her, durch Magie vor dem Frost geschützt. Alles Wesen, die die Natur hier in die Eiswüste gesetzt hatte und die ihre ganz eigenen Strategien besaßen, die grausamen Winter und kurzen Sommer zu überleben. Jedes ein Rätsel für sich und für Acuriën und andere Sucher eine Herausforderung.

    Von allen Wesen, die hier lebten, waren die fey die einzigen, die aus eigenem Willen gekommen waren – derselbe Wille, mit dem sie der Natur ihre Methoden und Werkzeuge entlocken würden, um das Eis bewohnbar zu machen. Sie folgten den Visionen Ometheons, der schon in den älteren Städten der fenvar, jenem stets nach Neuem strebenden Stamm der fey, ein strahlendes Licht gewesen war. Gemeinsam hatten sie sich eine neue Heimat geschaffen. Sie hatten nicht nur überlebt, sondern den Raum gefunden, sich in ihrem Forschen und Schaffen noch über ihre Geschwister zu erheben, hatten, wie als Zeichen für die Schicksalsträchtigkeit ihres Vorhabens, eine massive Nadel aus Felsen am fernsten Ort der Welt gefunden und ausgehöhlt, um darin Leben und Arbeit zu ermöglichen, hatten der Kälte ein Refugium aus Wärme und Gemeinschaft abgerungen.

    Acuriën lauschte auf die Melodien, die im schneidenden Wind entstanden, und auf das dumpfe Dröhnen des Eises unter den Kufen. Er nahm einige der Klänge auf und wob ein eigenes, zurückhaltendes Lied, das den Wind ein wenig formte und abmilderte, das Eis stärkte. Die Mannschaft sang mit ihm, ein Netz aus Stimmen, halb im raschen Flug über die Einöde verloren, das sie instinktiv miteinander und mit der Welt um sie verband.

    Der Melodie war eine Schärfe und eine Präzision zu eigen, die Acuriën aus seiner früheren Heimat, dem mit dem Wald verschmolzenen Simyala, nicht gekannt hatte. Immer wieder gab es Zäsuren und Brüche, wie der hunderte Schritt aufragende Fels des Himmelsturms, der Horizont und Himmel zerschnitt, und eine drängende Eile, wie der unaufhaltsame Wind über dem Eis.

    Er fand darin eine Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein, während sie gemeinsam pfeilschnell auf den Himmelsturm am Ende der Welt zu segelten, der wie die gigantische Nadel einer kosmischen Sonnenuhr mit seinem Schatten den Tag maß.

    Bei der Ankunft des Seglers im Turm herrschte die zielgerichtete, effiziente Betriebsamkeit, die seine Einwohner gerne gegenüber Besuchern betonten. Die Proben wurden verladen, das Schiff von den Bootsmachermeistern entgegengenommen und auf Schäden geprüft und Acuriën selbst hatte noch etwas Zeit ohne andere Verpflichtungen, um sich und seine Arbeit auf den Empfang vorzubereiten.

    Die Sucher, zu denen er zählte, hatten sich nicht zu einem festen Clan zusammengefunden wie viele andere Bewohner des Himmelsturms. Zu weit waren ihre Interessen und Aufgaben gefasst. Sie konnten sich nicht – wie die Bootsmacher oder Instrumentenbauer – nur in eine einzige, sich immer wiederholende Aufgabe vertiefen und sie perfektionieren. Vielmehr suchten sie nach Annäherungen an die Perfektion in ihrer Umgebung und arbeiteten an Wegen, das Leben im Himmelsturm noch besser an das harsche Umfeld anzupassen. Ometheon hatte sich diesen Ort als Wohnsitz auserkoren, um seinen Willen gegen die Natur zu stellen. Kein Ort der Schöpfung sollte so unwirklich sein, dass ein fenvar dort nicht überleben konnte. Zudem boten Eis und Abgeschiedenheit eine Reinheit, eine Ferne von den Verlockungen, die andere große Schöpfer ihres Volkes zu Fall gebracht hatten. Die Sucher waren ein Symbol dafür; scharfe Geister, ruhelose Forscher, die ebenso die Natur der Welt wie die Natur der fey studierten.

    Gemeinsam mit Acuriën standen mehrere dieser Sucher respektvoll in der zweiten Reihe des Halbkreises, der die neuen Bewohner und Gäste des Himmelsturms einige Stunden später empfing. Ometheon selbst, schlicht in einem grauen Gewand, dessen Gewebe so fein war, dass es wie eine Flüssigkeit schimmerte, stand im Mittelpunkt. Sein Bruder Emetiel hielt sich respektvoll einen halben Schritt zurück. Über ihnen wölbten sich die Zweige eines der Bäume, die als Samen und Setzlinge aus Simyala hergebracht worden waren. Sie gediehen unter einem falschen Himmel und in künstlicher Erde, gewässert und gewärmt von den heißen Quellen tief im Herzen des Turmfelsens. Sie sollten die Gäste zugleich mit einem vertrauten Anblick willkommen heißen und als Schaustücke der Arbeit nach Ometheons Philosophie dienen – sie gediehen an einem Ort ohne Wälder durch Genie und die Magie, mit der die Bewohner des Turms auf die Wirklichkeit einwirkten.

    Acuriën begegnete dem Blick eines Gastes in den Reihen der Neuankömmlinge. Es war eine hochgewachsene Frau mit Haar, dessen blasse Farbe ihn an die langen, kalten Dämmerungen des Nordens erinnerte, wenn nach dem Versinken der Sonne noch ein letzter Glanz am Horizont blieb und vom Eis widergespiegelt wurde. Das darin nur angedeutete Gold fand sich in ihren Augen.

    Ihr Blick war ruhig, forschend und schien alles und jeden zu schätzen und zu wägen. Er blieb an Acuriën hängen und eine katzenhafte, distanzierte Neugierde sprach daraus. Erst als die Frau lächelte, fiel Acuriën auf, wie schön sie war, ein Eindruck, der zunächst gänzlich hinter der Intensität ihrer Aufmerksamkeit zurückgetreten war. Ihr Gesicht, ihre Glieder, alles entsprach Maßen, die sowohl künstlerisch höchst ästhetisch waren als auch mathematisch perfekt sein mussten.

    Acuriën senkte den Kopf, unterbrach den Blickkontakt und wartete, bis sie vorgestellt wurde.

    »Amadena«, wurde sie von Ometheon begrüßt, der ihre Hand ergriff und ihrem Blick deutlich länger widerstand, als Acuriën es konnte. Sie wechselten einige leise Worte, dann richtete sie sich direkt an alle Versammelten.

    »Ich bin Gesandte und Priesterin des Pyr’Dakon, des Wächters der Elemente. Er begrüßt euren Wagemut, das Element des Eises zu erkunden und herauszufordern, und schickt mich, um euch dabei zur Seite zu stehen. Ich bin jedoch nicht hier, um zu predigen und einen weiteren Tempel zu gründen. Ich bin hier, um euch zu zeigen, wie sehr unser Volk und der Goldene Drache eure Arbeit bewundern. Und ich werde diese Arbeit Seite an Seite mit euch verrichten. Nennt mich daher nicht bei meinem Namen der Priesterschaft, Pyrdona, sondern beim Namen meiner Geburt: Amadena. Lasst uns gemeinsam die Schöpfung, das Leben und die Elemente erforschen und erkennen und beweisen, dass wir sie meistern. Ich kann bereits sehen, dass ich hier viele Gleichgesinnte finden werde.«

    Kurz wanderte ihr Blick zu Acuriëns Gruppe, streifte ihn nur für einen einzelnen Moment. Dennoch war er fasziniert von der Möglichkeit, dass sie ihn meinen konnte, dass sie bereits erkannt hatte, wer er war und was seine Berufung war. Der Rest der Begrüßungszeremonie verstrich für ihn in einem Dunst von Überlegungen. Seine Gedanken kreisten darum, wie er mit ihr reden und erklären sollte, was er und die Sucher im Turm taten und was sie schon erreicht hatten, wen er namentlich nennen sollte und was er anpreisen oder herabspielen sollte.

    »Acuriën.« Ometheon wandte sich persönlich an ihn. Amadena stand zu seiner Rechten, ein Lichtstrahl neben seinem zurückhaltenden Silbergrau. »Bitte zeige der Gesandten des Pyr unsere Einrichtungen und Forschungen.«

    Alle Überlegungen, die bis zu dem Moment erwachsen waren, strömten zusammen und dennoch vermochte er nur knapp, aber höflich zu sagen: »Natürlich.«

    Ebenso natürlich übernahm sie mit einem Lächeln die Führung seiner Gruppe zu den Treppenhäusern des Turms, so als kenne sie bereits den Weg und was sie am Ende erwarten würde. Er folgte ihr und alle anderen Sucher folgten wiederum ihm in einer schweigenden, angespannten Reihe. Acuriëns Gedanken sprudelten erneut Ideen hervor. Er legte sich eine Reihenfolge für die Dinge, über die er sprechen würde, zurecht. Ohne weiter sagen zu können, warum, fühlte er etwas Neues beginnen, neue Ansätze und Möglichkeiten erblühen, nur durch die Anwesenheit Amadenas. Seine Erwartungen für die Zukunft erfüllten ihn mit einer beschwingten Wärme und flatterten wie die Schwingen eines Vogels von innen gegen seine Rippen.

    Der Sommer kam spät für die Menschen. Die Tage wurden länger, doch das Eis brach nicht und die Vorräte wurden immer stärker eingeschränkt, bis jeder nur noch die allernötigste Menge an Fleisch und Fett erhielt, um der Kälte zu widerstehen. Aus demselben Grund waren vier Jagdgruppen gleichzeitig aufgebrochen, um den Robben des Eismeeres an ihren Atemlöchern nachzustellen. Seluk, Simaru und Alaqin setzten auf die Buchten und Zungen gefrorenen Seewassers, die den Familien schon gut vertraut waren.

    Kilgan hingegen war sich sicher, dass die Robben nach dem bereits so lange andauernden Winter gelernt hatten, wo die Jäger auf sie warteten. Im Sommer mussten die Familien schließlich auch immer weiter auf die Inseln und Halbinseln hinausfahren, wo die Kolonien noch nicht so schreckhaft waren und sie sich den ruhenden Leibern der Tiere leichter nähern konnten, ohne direkt eine Panik auszulösen.

    Elf Tage lang zogen sie die Schlitten, beladen mit Harpunen und für den Rücktransport der Tiere gedacht, über unebenes Land aus vereistem Fels und dicht verharschtem Schnee. Schließlich lag die Weite vor ihnen, wo zuletzt Kilgans Mutter als junge Frau gejagt hatte. Da sie von denselben Reisen eine Kette aus Bärenkrallen als Trophäe mitgebracht hatte, hatten die Jäger vorsichtshalber ihre Speerschleudern an die Gürtel gehängt und jeder balancierte eines der langen Geschosse über der Schulter, während sie den Hang hinabstiegen, wo das Eis des Landes auf das des Meeres stieß.

    Dort hielten sie inne, testeten den Grund und beobachteten den Horizont, die Kapuzen gegen den Wind eng verschnürt und ihren Sichtschutz vor den Augen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen, das die kalte Sonne in jedem Schneekristall entzündete.

    »Wo sich das Eis vorne bei den Felsspitzen wölbt …«, erklärte Kilgan. Er hob die Karte seiner Mutter, aus dem Stoßzahn eines Walrosses geschnitzt und über die Jahre von ihren rauen Fingern glattgeschliffen. Perlen aus Bernstein, an geflochtenen Haaren zwischen den Spitzen von Landzungen aufgehängt, markierten gute Jagdorte. Der Stein für die im Eis gefangenen Inseln hatte einen Einschluss, der wie eine vielblättrige Blüte aussah – ein besonderes Symbol, das Kilgan seit seinen ersten Erinnerungen begleitet hatte und dessen Vertrautheit ihn beruhigte.

    Die anderen gaben ihm Zeichen, dass sie verstanden hatten und zustimmten. In der Kälte wollte niemand unnötig sprechen.

    Das Eis war fest und so marschierten sie weiter.

    Bei den Felsen, die erste Vorboten der eigentlichen Inseln waren, gab es Leben unter dem Eis. Kilgan wusste, dass hier winzige Krebse lebten, von denen wiederum die Fische fraßen. Und die Fische lockten Robben an. Sie fanden rasch drei Atemlöcher und luden ihre Harpunen und Fanghaken ab. Die Sonne stand so hoch, wie sie um die Jahreszeit steigen würde, und zeichnete nur kurze Schatten. Ein Tag mit Hochnebel wäre günstiger gewesen, aber das intensive Blau eines klaren Himmels war am Ende doch einem Schneetreiben vorzuziehen, das zu dieser Zeit immer wieder plötzlich über das Land rasen konnte.

    Sie harrten geduldig aus.

    Der Nachmittag kam, bevor es die erste Regung gab. Eine runde Schnauze tauchte kurz aus dem Wasser, dunkle Augen blinzelten. Das Tier schnaubte nach Luft, testete, tauchte wieder ab. Noch handelte niemand, Kilgan und Otsia, die zweiterfahrenste Jägerin der Gruppe, tauschten Gesten aus. Besser warten, bis das Tier sich sicher fühlte und vielleicht auch andere bis hierher unter das Eis tauchten.

    Das nächste Mal war die Robbe weniger vorsichtig, tauchte auf und drehte ihren Kopf hin und her, während sie schnaufend ein- und ausatmete. Flossenhände kratzten gegen das Eis. Sie warteten mehrere Atemzüge ab, dann sprang Kilgan von dem zusammengepressten Schnee auf, auf dem er gehockt hatte.

    Der erste Stoß galt den Nüstern und dem Maul der Robbe, mit dem spitzen Haken geführt. Der Abwärtsschwung, so oft und immer wieder geübt, trieb den glatten Knochen tief in die weiche Wölbung neben dem Mund, brach Zähne und verhakte sich dann im Kiefer. Die Robbe schrie mit ihrer menschengleichen Stimme und versuchte, zu tauchen, aber der Haken hielt und die anderen Jäger waren heran. Harpunen stießen in die weichen, fettigen Flanken und zu fünft begannen sie den Kampf, das sich windende, stöhnende Tier auf das Eis zu zerren.

    Otsia ließ ihre Harpune fahren, sobald die Beute gesichert war, nahm ihre Keule vom Rücken und schlug zwei, drei Mal zu. Der Schädel und das Genick knackten und die Schreie endeten.

    Sie waren alle außer Atem, aber beruhigt und zufrieden. Der erste Tag hatte bereits Erfolg gebracht. Kilgan richtete sich auf und löste die Kordel an seiner Kapuze, um seinen Jägern zu gratulieren, als er den Alb sah.

    Sein erster Gedanke war, dass sie eine Wache hätten stehen lassen sollen, wenn nicht gegen Bären, dann gegen die Erscheinung, die gerade mal dreißig Schritt entfernt auf den Felsen hockte. Esqil-Alanik hatte sie gewarnt, als sie mit der Karte aufgebrochen waren. Der Norden habe sich verändert, es zögen nun Alben über das Eis, groß wie Schneeschrate und bösartig wie ein verletzter Vielfraß.

    Der Alb war größer als Kilgan, aber sicherlich kein Vergleich zu einem Schrat. Dünn war er und trug Kleider, allerdings nicht aus Leder und Pelz, sondern etwas Feinem, Dünnem, das unmöglich genug Schutz gegen die Kälte gewähren konnte. Sein Gesicht war eine Maske mit gebleckten Reißzähnen und schwarzen Augen.

    »Alb«, sagte Kilgan und die anderen schreckten von ihrer Arbeit an der toten Robbe auf. Während sie erstarrten, kam der Alb in Bewegung. Er sprang aus seiner Hocke auf, gab ein paar Laute in einem verstörend vielstimmigen Singsangton von sich und lief dann über den Schnee, als besäße er kein Gewicht, bestünde nur aus Wind und gespiegeltem Licht.

    Kilgan riss seine Speerschleuder vom Gürtel und rannte zu den Schlitten, auch die anderen stoben auseinander. Otsia schrie, als könne sie die Erscheinung damit vertreiben, die Keule erhoben, an der noch Robbenblut klebte. Alle wichen zurück, hielten Abstand, und ließen Kilgan Raum. Eine ferne Panik ließ sein Blickfeld flirren, aber er war geübt, war vorbereitet. Der Speer glitt rückwärts über seine Schulter, in die Schleuder eingehakt. Er zielte einen Moment lang mit der ausgestreckten linken Hand und warf.

    Der Alb wich aus, der zwei Schritt lange Speer nur ein leichtes Ärgernis, sprintete vorwärts und warf eine Schlinge über Qimaks Kopf. Der junge Jäger ging mit einem erstickten Schrei zu Boden. Sein zappelnder Körper wurde rückwärts über das Eis gezogen, bis er mit der toten Robbe zusammenstieß und dort keuchend liegen blieb.

    »Zurück!«, schrie Kilgan, wich selbst aus und trat hinter den Schlitten. Der Alb sang wieder in seiner unnatürlichen Stimme und weitere seiner Art erschienen über die Felsen. Ihre Bewegungen waren lautlos, leicht wie der Wind, und jedes Gesicht eine andere Fratze. Bären, Schrate, weitere Katzen mit schwarzen Augen, die zornig von langgliedrigen Leibern Besitz ergriffen hatten.

    Ein Seil peitschte Otsia ins Gesicht und sie heulte auf, als Blut spritzte. Metsal und Bahan wandten sich zur Flucht. Kilgan konnte es ihnen nicht verübeln, aber er durfte nicht fliehen. Er hatte die Karte und er hatte die Gruppe hergeführt und ohne sie durfte er nicht heimkehren.

    Er ließ die Speerschleuder fallen, zog sein Häutermesser und warf sich unter einer geworfenen Schlinge hinweg in den Schnee, um zu Qimak zu rutschen. Sein Versuch, das Seil zu durchschneiden, war vergebens – er schlug eine Schlaufe und zerrte mit der Klinge daran, doch die glatten Fasern gaben kein Haarbreit nach. Er musste das Messer fahren lassen und die Schlinge weiten, um sie über den Kopf des anderen Jägers zu ziehen, um ihn zu befreien, was ihn wertvolle Herzschläge kostete.

    Der erste Alb mit dem Katzengesicht sang grelle Worte und zog eine Waffe, gänzlich aus mondhellem Metall. Kilgan wich erschrocken zurück, bevor er sich beherrschen konnte, kam dann endlich wieder auf die Beine und hob den Haken auf, mit dem er die Robbe gefangen hatte. Zu seinen Füßen wälzte sich Qimak beiseite, rings um ihn hörte er die Schreie seiner Jäger und die vielstimmigen Rufe der Alben. Er hatte jedoch

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