Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Final Shutdown
Final Shutdown
Final Shutdown
eBook437 Seiten6 Stunden

Final Shutdown

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

(Gesamtausgabe, alle drei Teile in einem Band):
Nicht zuletzt durch die Enthüllungen des mutigen Whistleblowers Edward Snowden wurde öffentlich, dass der amerikanische Geheimdienst NSA den weltweiten Internet-Verkehr abhört und auswertet. Darüber hinaus greift er aktiv über Hintertüren und Schad-Software in Betriebssysteme von Mobiltelefonen und Computern ein. Die bisher bekannt gewordenen Details allein sind schon erschreckend. Sie bedrohen die Privatsphäre von Bürgern, ihre Freiheit und damit letztendlich unsere Demokratie.
Kennen wir wirklich schon die ganze Wahrheit? Oder handelt es sich bislang nur um die Spitze des Eisbergs, den harmloseren Teil der allgemeinen Aufrüstung im Cyberkrieg?
Der erfolgreiche Kriminalautor Marko Geiger lässt sich von seinem alten Freund und IT-Spezialisten Oliver Vogt überreden, den mysteriösen Unfalltod zweier Kollegen zu recherchieren. Marko wittert einen interessanten Romanstoff und engagiert die couragierte Privatdetektivin Jana Brand, ihn bei der Recherche zu unterstützen. Was als spleenige Idee beginnt, entwickelt sich für die drei ungleichen Gefährten schnell zu einem Kampf ums nackte Überleben.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Mai 2014
ISBN9783847655749
Final Shutdown
Autor

Fred Kruse

Fred Kruse schreibt seit einigen Jahren Romane, die er im Selbstverlag herausgibt und auf jeder größeren Plattform als eBook oder auch als Taschenbuch erhältlich sind. Insbesondere die 7 Romane und 2 Erzählungen, die im Rahmen der Serie »Lucy – ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche« erschienen sind, erfreuen sich einer für von Verlagen unabhängige Publikationen erfreulich großen Leserschaft.Alle Informationen zu Inhalten und Vertrieb der Werke erhalten Sie Sie auf der Homepage des Autors:fred-kruse.lucy-sf.de.HINTERGRUND:Der Autor lebt in Norddeutschland, ist verheiratet und Vater von drei Töchtern und einem Sohn. Während des Physikstudiums beschäftigte er sich besonders mit Elementarteilchen- und Astrophysik. Seit Jahren arbeitet er jetzt allerdings im IT-Management. Im Laufe seiner beruflichen Laufbahn hat er eine Reihe wissenschaftlicher Texte sowie Publikationen im IT-Umfeld veröffentlicht.VERÖFFENTLICHUNGEN:Lucy – Ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche»Lucy – Ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche« ist eine Science-Fiction Serie (Space Opera), die als Jugendbuch konzipiert wurde, aber auch gerne von Erwachsenen gelesen wird. Mittlerweile hat sich eine wachsende Fan-Gemeinde um die Geschichte gebildet.INHALT: Zusammen mit ihren irdischen Begleitern bricht das 16-jährige Mädchen Lucy zu einem Weltraumabenteuer auf. Anfangs glauben die vier unfreiwilligen Schicksalsgenossen noch, dass sie nur ihren Planeten Terra, die Erde, retten müssen. Im weiteren Verlauf der Odyssee, die sich über die insgesamt sieben Bände erstreckt, müssen sie aber erfahren, dass es sich um weitaus größere Ziele handelt. Es geht um nicht weniger, als das Überleben des ganzen bekannten Teils der Galaxie.Lucy, das mutige Mädchen mit dem etwas herben Charme, der etwas verschrobene aber geniale Christoph, der gut aussehende und mutige Lars mit dem gut versteckten, großen Herzen und die hübsche, auf den ersten Blick etwas naiv wirkende Kim, die aber ganz unvorhergesehene Fähigkeiten entwickelt, haben gemeinsam gefährlichste Abenteuer zu bestehen. Von exotischen Umgebungen auf fremden Planeten bis hin zu wilden Weltraumschlachten müssen sie bedrohlichste Situationen meistern.Dabei lernen sie nicht nur die weiterentwickelte Technik des Biologiezeitalters kennen, die Lucy noch nicht einmal aus Science-Fiction-Filmen oder -Romanen kennt, die vier müssen auch mit dem fremdartigen Verhalten ihrer neuen außerirdischen Freunde zurechtkommen.Folgende Bände sind bisher in der Reihe erschienen:Band 1: Besuch aus fernen WeltenBand 2: Im Herzen des FeindesBand 3: Der Bund der DreiBand 4: GorgozBand 5: Der SchlüsselBand 6: Die Rückkehr der SchattenBand 7: Die EntscheidungGeisterschiff (Erzählung)Gemeingefährlich (Erzählung)Final Shutdown:Der Roman »Final Shutdown« ist ein Cyber-Thriller. Zu dem Buch Final Shutdown regte den Autor die Sorge um die zunehmende Abhängigkeit unserer Gesellschaft von der Informationstechnologie an. Für besonders besorgniserregend hält er den Verlust der Kontrolle über entscheidende Komponenten unserer Infrastruktur. Der Großteil der Menschen in unserem Land sowie in ganz Europa verlässt sich darauf, dass die Technik funktioniert, ohne dass die für sie verantwortlichen Unternehmen kontrolliert werden können. Genauso wenig kann ausgeschlossen werden, dass insbesondere amerikanische Geheimdienste tief in die Struktur der Software und damit in lebenswichtige Teile unserer Infrastruktur eingreifen können.INHALT: Der erfolgreiche Kriminalautor Marko Geiger lässt sich von seinem alten Freund und IT-Spezialisten Oliver Vogt überreden, den mysteriösen Unfalltod zweier Kollegen zu recherchieren. Marko wittert einen interessanten Romanstoff und engagiert die couragierte Privatdetektivin Jana Brand, ihn bei der Recherche zu unterstützen. Was als spleenige Idee beginnt, entwickelt sich für die drei ungleichen Gefährten schnell zu einem Kampf ums nackte Überleben.

Mehr von Fred Kruse lesen

Ähnlich wie Final Shutdown

Ähnliche E-Books

Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Final Shutdown

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Final Shutdown - Fred Kruse

    Vorwort des Autors

    Liebe Leserinnen und Leser, die Handlungen und Figuren dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und von mir nicht beabsichtigt.

    Auch der Hintergrund der Geschichte beruht allein auf meiner Fantasie. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass mir keine Angriffe der Art, wie sie als Auslöser der Handlung in diesem Roman beschrieben werden, bekannt sind.

    Die führenden Betriebssystemhersteller in diesem Buch sind rein fiktiv. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich bemerken, dass mir keine konkreten Hintertüren und Sicherheitslöcher, wie sie die Protagonisten in dieser Geschichte aufdecken, in realen Systemen bekannt sind.

    Allerdings handelt es sich bei den in Kapitel »Aufklärung« genannten Zahlen sowie der beschriebenen Schad-Software, den Viren und Würmern, nicht um Fiktionen, sondern um Realität. Die Fakten und deren Bewertung habe ich aus freizugänglichen Quellen recherchiert (siehe »Zum Nachlesen« am Ende des Buchs). Wobei ich an dieser Stelle der Leserin bzw. dem Leser überlasse, Parallelen zwischen fiktiven und realen Software-Unternehmen zu ziehen.

    Zum Schluss bleibt zu sagen, dass ich zwar bis zum Erscheinen dieses Romans keine konkreten Anhaltspunkte für das Auftreten der beschriebenen Szenarien in der Realität kenne, sie für technisch aber durchaus machbar halte. Die Bewertung, wie realistisch eine Umsetzung unter den derzeitigen politischen Randbedingungen sein mag, überlasse ich Ihnen werte Leserin bzw. werter Leser.

    Viel Spaß beim Lesen

    Fred Kruse

    Wochenende

    Der Hörer des im Smartphone-Zeitalter schon fast antik wirkenden Festnetztelefons lag auf der Gabel. Verträumt lächelnd blickte er auf ihn herab. Ihre Stimme klang in seinem Kopf nach und das, obwohl er nun wirklich niemand war, dem so etwas häufig passierte. Es war Freitagnachmittag, Thomas Krüger saß am Schreibtisch seines Büros und spürte den Gefühlen nach, die das kurze Gespräch in ihm hervorgerufen hatte. Wahnsinn! Vollkommen verrückt! Wenn ihm jemand vor ein paar Wochen erzählt hätte, dass ihm so etwas passieren würde, hätte er es nicht geglaubt. Und dann noch mit dieser Frau! Svenja, er hatte sie vor vier Wochen auf einer Tagung in Freiburg kennengelernt. Sie hielt einen Vortrag über IT-Sicherheit. Um was auch sonst? Er galt schließlich als Fachmann auf diesem Gebiet und deshalb war er auch auf diese Tagung gefahren. Sie arbeitete in einer kleinen Firma, die sich auf dieses Thema spezialisiert hatte und Beratung für große Unternehmen und Behörden anbot.

    Er schmunzelte. Als er Svenja auf dem Podium hatte stehen sehen, wäre er niemals auf den Gedanken gekommen, dass diese Frau einmal seine Gedanken und Gefühle beherrschen könnte. Sie hatte sich professionell gekleidet, nicht aufreizend aber schon attraktiv. So wie alle eben. Na ja, wenn man von den amerikanischen Gästen auf dieser Tagung absah. Früher hatte er dieses Gerede über übergewichtige Amerikaner immer für ein Vorurteil gehalten, aber leider bestätigten seine Erfahrungen der letzten Jahre diese Vorstellungen. Vor allem die Frauen schienen im Schnitt mindestens fünfzig Prozent mehr auf die Waage zu bringen als die deutschen Kolleginnen. Er erschrak über seinen Gedankengang. Solche Gedanken sollte er lassen, zumindest durfte er sie nicht aussprechen. Er bereitete sich schließlich gerade auf eine Führungsposition vor und Machosprüche im Amt brachten gleich eine Reihe von Minuspunkten ein. Gender-Mainstreaming gehörte zu den Zauberworten, die gerade in Führungspositionen verlangt wurden.

    Es wurde Zeit. Er steckte seinen USB-Stick in die Buchse seines Rechners und übertrug die vorbereitete Datei. Auch wenn es vielleicht übertrieben wäre zu sagen, dass es sich bei diesem kleinen Stick um seine Lebensversicherung handelte, so garantierte das kleine Gerät doch seinen Aufstieg in die angestrebte Position. Die natürlich nach allen Regeln der Kunst verschlüsselten Daten auf dem Stick enthielten all seine Erkenntnisse aus der Arbeit der letzten Monate. Sie würden einschlagen wie eine Bombe. Endlich musste auch die Führungsetage seine Fähigkeiten anerkennen. An ihm würde kein Weg mehr vorbeiführen.

    Wer sollte auch sonst die Lorbeeren ernten? Da gab es natürlich Frank. Ihm stand mindestens die Hälfte des Erfolges zu, wenn man ehrlich war. Aber allein die technischen Ergebnisse zählten natürlich nicht. Frank arbeitete zwar fleißig und ersann manchmal richtiggehend geniale Lösungswege, aber er eignete sich nicht als Führungskraft. Dazu hätte er sich erst einmal ein halbwegs passables Outfit zulegen müssen. So etwas gehörte schließlich auch dazu, wenn man etwas erreichen wollte. Er konnte es einfach nicht mehr hören, dass geniale Hacker mit möglichst langen Haaren und dazu ungepflegt herumliefen. Man konnte schließlich gut in seinem Job sein und trotzdem Sinn für Ästhetik an den Tag legen, selbst in seiner Branche. Franks Äußeres war aber auch nicht der wichtigste Grund dafür, dass er sich absolut nicht für eine Führungsposition eignete. Auf so einer Stelle hätte er reden müssen und könnte sich nicht mehr hinter seinem Rechner verstecken. Aber warum dachte er überhaupt darüber nach, das wussten seine Vorgesetzten besser als er selbst.

    Thomas zog den Stick aus der Buchse. Die Uhr zeigte zwölf Minuten nach sechzehn Uhr. An einem Freitag um diese Zeit noch am Schreibtisch zu sitzen, gehörte in seinem Amt nicht unbedingt zum Regelfall, obwohl es gerade in seiner Abteilung Kollegen gab, die sogar bis spät in die Nacht arbeiteten, Frank zum Beispiel.

    Aber er sollte sich jetzt besser beeilen. Er musste noch ein paar Stunden im Auto sitzen, bis er Svenja in die Arme schließen konnte. Er fuhr seinen Rechner herunter, ordnete die letzten Papiere auf seinem Schreibtisch, schloss die Schubladenfächer ab und steckte sich den Stick in die Innentasche seines Jacketts.

    Beschwingt nahm er die Treppe. Nicht rennend, aber zügig lief er die zwei Stockwerke zum Erdgeschoss herunter. Er war gut in Form. Dieses Gerede von »ab fünfundzwanzig geht es abwärts« ging ihm furchtbar auf die Nerven. Er fühlte sich mit seinen zweiunddreißig Jahren fitter als jemals zuvor. Das betraf nicht nur seinen Körper, sein Geist war genauso in Schuss.

    Freundlich grüßte er den Pförtner an der Eingangstür, der gelangweilt mit der Bewegung eines Arms seinen Gruß erwiderte. Thomas hielt den kleinen Chip vor den elektronischen Kasten, der hier, wie mittlerweile überall, die Stempeluhr ersetzte.

    Auf dem Parkplatz angekommen, ging er direkt zu seinem Wagen. Der blinkte ihm munter zu, da Thomas die Türverriegelung schon betätigte, als das Fahrzeug gerade in Sichtweite kam. Das zweisitzige Cabriolet war seine große Schwäche. Neben seiner Wohnung verschlang vor allem dieser Wagen einen großen Teil seines Einkommens. Er umrundete das Fahrzeug einmal und überprüfte, ob nicht irgend so ein Trottel beim Einparken eine Schramme im Lack hinterlassen hatte. Das kam zwar normalerweise auf diesem Parkplatz nicht vor, aber sicher war sicher. Natürlich trübte auch an diesem Nachmittag kein Kratzer die makellose Lackierung. Er öffnete die Tür, setzte sich ans Lenkrad und startete den Motor.

    Als er die Stadt Bonn hinter sich gelassen hatte und ebenfalls den Ballungsraum Köln-Bonn mit all den Baustellen und der überfüllten Autobahn, konnte er sich wieder seinen Gedanken hingeben. Er kam zurück auf das Thema, das ihn jetzt, nachdem er seine Arbeit für dieses Wochenende nicht nur auf seinem Schreibtisch, sondern auch in seinem Kopf ruhen ließ, am meisten beschäftigte: Svenja.

    Mit ihr hatte er wirklich einen Glückstreffer gelandet. Sogar über seine Arbeit konnte er mit ihr reden und der Rest war auch nicht gerade übel. Tatsächlich hatte sie ihn gar nicht besonders angesprochen, als er sie das erste Mal auf der Tagung am Rednerpult stehen sah. Sie wirkte wie diese typisch geschlechtlos zurechtgemachten Businessfrauen, die überlegt, ja kühl ihre Fakten vortrugen. Normalerweise handelte es sich bei ihr nicht um den Typ Frau, den er bevorzugte. In den letzten Jahren hatte er sich eher zu Frauen hingezogen gefühlt, die sich sehr gefühlsbetont gaben und die auch äußerlich mehr zeigten, was sie zu bieten hatten. Genau dieser Art Frauen landete letztendlich in seinem Bett oder er in ihrem. In den letzten Jahren waren es nicht gerade wenige. Wahrscheinlich bestand der Fehler in der Auswahl. Vor Svenja hatte seine längste Liebesbeziehung gerade einmal sechs Monate gehalten. Und auch das nur, weil er seine damalige Freundin durch verschiedene Dienstreisen nur selten gesehen hatte. Er wusste selbst nicht genau, warum ihn immer wieder dieser bestimmte Frauentyp ansprach. Dabei hatte er die Erfahrung gemacht, dass ein verführerisches Äußeres noch nicht einmal guten Sex garantierte, ganz im Gegenteil. Er lächelte in sich hinein.

    Während er auf der linken Spur beschleunigte und hin und wieder eine dieser Schnarchnasen, die mit ihrer Altherrengeschwindigkeit den ganzen Verkehr aufhielten, per Lichthupe oder links gesetztem Blinker auf die rechte Spur verscheuchte, kehrten seine Gedanken zu diesem ersten Zusammentreffen zurück.

    Sie hatte ihn angesprochen. Auch er hielt auf dieser Tagung einen Vortrag. Er musste zugeben, dass er nicht gerade spannend ausfiel. Wie sollte man auch einen mitreißenden Vortrag halten, wenn es nichts Interessantes zu berichten gibt. Heute wäre das natürlich anders, aber er hatte sich vorgenommen, dieses Wochenende darüber nicht nachzudenken. Dieses Wochenende war für Svenja und ihre Zweisamkeit reserviert.

    Ob sie sich damals wirklich für sein Thema interessiert hatte? Vielleicht. Sie befand sich schließlich auf dieser Tagung, um für ihre Firma neue Erkenntnisse zu sammeln. Wahrscheinlich hatte man ihr den Auftrag mitgegeben, Kontakt zu einem Behördenvertreter herzustellen. Das Unternehmen lebte schließlich von öffentlichen Aufträgen. Am schmeichelhaftesten wäre es natürlich, wenn sie ihn angesprochen hätte, weil sie ihn damals einfach kennenlernen wollte, nicht als potenzieller Kunde, sondern als Mann. Er nahm sich vor, sie am heutigen Abend oder vielleicht auch erst in der Nacht danach zu fragen.

    Sie hatten ein wenig geplaudert. Die Produkte, die ihre Firma anbot, berührten nicht seine unmittelbare Arbeit, trotzdem verabredeten sie sich, an dem Abend essen zu gehen. Es war wirklich komisch, er interessierte sich damals nicht sonderlich für ihre Arbeit. Wenn er ehrlich war, benutzte er dieses Treffen nur als Ausrede, um dem Mitarbeiter eines anderen Amtes aus dem Weg zu gehen, den er im Vortragsraum entdeckte. Er wusste, dass dieser Kollege auf ihn zukommen würde, um sich mit ihm zum Essen zu verabreden. Die Aussicht, mit diesem übergewichtigen und aufdringlichen Kerl den Abend verbringen und dessen selbstgefälliges Geschwätz anhören zu müssen, trieb ihn letztendlich zu der Verabredung mit dieser auch nicht sonderlich aufregenden Frau. Jedenfalls ging er damals davon aus, dass der Abend nicht sonderlich aufregend verlaufen würde. Gut, dass er wenigstens in beruflicher Hinsicht recht behalten hatte, sonst würde er wirklich in einem Interessenkonflikt stecken. Thomas konnte ein anzügliches Grinsen nicht unterdrücken.

    Er verließ nach einigen Kilometern das erste Mal die linke Spur. Rechts tat sich gerade eine größere Lücke auf und der Kerl hinter ihm wurde schon nervös.

    »Nun mach schon! Es fehlt nur noch, dass ich wegen dir abbremsen muss!«, schimpfte er in Gedanken. Der irrsinnig langsam fahrende LKW vor ihm kam bedenklich schnell näher. Schon setzte Thomas den Blinker und scherte nur wenige Zentimeter, nachdem der überholende PKW an ihm vorbei war, wieder auf die linke Spur.

    Ja, heute stellte sich alles anders dar, nahm er seinen Gedankengang wieder auf. Als er sie an dem ersten Abend damals in dem Restaurant getroffen hatte, hätte er das nicht gedacht. Sie trug die gleiche Garderobe, in die sie sich für den Vortrag gekleidet hatte. Sie wirkte noch immer professionell und distanziert. Die Brille mit den dunklen Rändern, die sie trug, ließ ihr an sich attraktives Gesicht etwas streng wirken. Dieser Eindruck wurde nur durch ein warmes Lächeln gemildert. Selbst das kam ihm allerdings an diesem Abend einstudiert vor.

    Der Anfang des Gesprächs verlief dann auch genau so, wie er es befürchtet hatte. Nach dem Hauptgang kamen sie zu dem Schluss, dass sie im Prinzip zwar in der gleichen Branche arbeiteten, aber die Aufgabengebiete stellten sich dann doch als zu unterschiedlich heraus, um zu einer Kooperation zu kommen. Damit erreichten sie den Punkt, an dem Svenja nach dem Austausch von ein paar Höflichkeitsfloskeln, eine Müdigkeit vorschiebend, hätte gehen müssen. Dass sie für ihre Firma bei ihm nichts erreichen konnte, musste sie zu diesem Zeitpunkt erkannt haben. Vielleicht lag es an der guten Flasche badischen Weißweins, die sie auf Kosten ihrer Firma bestellt hatte.

    »Ich hoffe, das zählt noch nicht als Bestechung«, hatte sie lächelnd gesagt, als sie die Bestellung aufgab. Das erste Mal an diesem Abend wirkte ihr Lächeln nicht einfach nur professionell, sondern sogar schelmisch. Das wunderte ihn, es passte nicht zu ihrem bisherigen Auftreten.

    »So billig bin ich nicht zu haben«, erwiderte er ebenfalls lächelnd. Auch wenn er den Ausspruch lustig klingen ließ, meinte er ihn durchaus ernst. Er hatte sich noch nie bestechen lassen und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ein Unternehmen geben könnte, dass bereit wäre, so viel zu bieten, dass er auch nur darüber nachdenken würde, sich unvorschriftsmäßig zu verhalten. Das war jedenfalls damals so gewesen.

    Wenn er daran dachte, was sich auf dem kleinen USB-Stick in seiner Tasche befand, wusste er mit Sicherheit, dass es sehr wohl eine Firma gab, die ihm einen Betrag bieten würde, über den so mancher ins Grübeln käme. Aber das interessierte ihn nicht. Er würde seine Zukunft auf diesem kleinen Stick aufbauen und dafür musste er sich noch nicht einmal in irgendwelche illegalen Handlungen verstricken. Er glaubte an bestimmte Werte und die eigenen Vorteile, die für ihn selbst bei der Verteidigung dieser Werte heraussprangen, reichten ihm vollkommen aus. Kurz überließ er sich den Träumen, zum Referatsleiter oder sogar zum Abteilungsleiter seines Amtes aufzusteigen.

    Die Autobahn leerte sich zunehmend. Er wechselte häufig die Spuren. Man musste schließlich nicht links fahren, auch wenn ihn nur wenige Autos überholten.

    Seine Gedanken kehrten zu diesem ersten Abend mit Svenja zurück. Der Kellner hatte nach dem Essen den Tisch abgeräumt und sie hatte den Rest der Flasche Wein, der sich zu diesem Zeitpunkt noch darin befand, in die beiden Gläser aufgeteilt. Wahrscheinlich war das halb volle Glas der Grund, warum sie noch blieb. Vielleicht lag es aber auch schon zu diesem Zeitpunkt an ihm als Mann. Er galt schließlich nicht umsonst als recht gut aussehend und charmant. Das wollte er sich zumindest gerne einreden. Allerdings musste er bis zu diesem Zeitpunkt als eher langweiliger Gesprächspartner auf sie gewirkt haben.

    Er rechnete deshalb damit, dass sie das Glas zügig austrinken und gehen würde. Stattdessen nippte sie nur an ihrem Weinglas, lächelte ihn an und fragte:

    »Und wie lebt sich's so in Bonn?«

    Damit überraschte sie ihn vollkommen an diesem Abend. Natürlich gab sie ihm mit dieser Frage die beste Steilvorlage, die er sich denken konnte. Sie redeten über die Vor- und Nachteile ihrer Wohnorte, und bevor er sich versah, tauschten sie sich schon gegenseitig über ihre privaten Lebenssituationen aus. Dabei stellten sie fest, dass sie den Single-Status teilten.

    In der Zwischenzeit hatten sie eine zweite Flasche Wein bestellt, diesmal auf seine Rechnung. Er wollte sich ja nicht dem Verdacht der Korruption aussetzen. Bei diesem Spruch lächelte er sie warm an. Das Lächeln, das damals von ihr zurückkam, hatte schon überaus vertraut gewirkt.

    Thomas kam an der Ausfahrt an. Fast zehn Minuten verstrichen, in denen er sich durch die Wirren der Verkehrsführung quälte. Endlich bog er auf die gewünschte Landstraße ein. Der Himmel zeigte sich zu einem großen Teil mit dunklen Wolken verhangen, die im harten Kontrast zu dem Blau des Himmels dem leuchtenden Rot der untergehenden Sonne standen.

    Er mochte dieses Zwielicht, auch wenn es sich nicht besonders gut zum Autofahren eignete. Es würde keine halbe Stunde mehr dauern und es wäre stockfinster bei diesem Wetter. Aber er hatte es auch nicht mehr weit. Eine Stunde in seinem geliebten Wagen durch die Dunkelheit zu fahren, machte ihm nichts aus. Ganz im Gegenteil, er genoss es, die kurvenreiche gebirgige Strecke zu meistern, die noch vor ihm lag.

    Der Wagen rollte mit konstanter Geschwindigkeit über die Landstraße. Der Motor schnurrte gleichförmig. In seinem Bauch breitete sich ein wohliges Gefühl der Vorfreude aus. Er sah Svenjas Gesicht vor sich. Er dachte wieder an diesen ersten Abend.

    Als sie die zweite Flasche Wein geleert hatten, fühlte er sich doch ein wenig angetrunken. Sie saßen zu diesem Zeitpunkt schon recht lange zusammen. Während der anregenden Unterhaltung nippten sie zwar nur an ihren Gläsern, aber eine ganze Flasche Wein, die er zum Schluss dann doch intus hatte, überstieg die übliche Menge, die er an so einem Abend trank.

    Sie brachen gemeinsam auf. Als sie gemeinsam aus der Restauranttür in die frische Luft traten, bemerkte er, dass ihm nicht als Einzigem der viele Wein zusetzte.

    Er machte sich darüber Gedanken, wie er Svenja am stilvollsten beibringen sollte, dass er sich wünschte, die Nacht mit ihr zu verbringen. Allerdings wundert er sich darüber, dass er selbst in Gedanken lallte. Daher fragte er sich, ob es nicht doch besser wäre, wegen seines Alkoholpegels eine gemeinsame Nacht auf ein anderes Mal zu verschieben.

    Er hatte den Gedankengang noch nicht ganz zu Ende gebracht, da wurde er dieser Entscheidung enthoben. Svenja stand plötzlich vor ihm.

    »Ich glaube, ich bin ein bisschen betrunken«, sagte sie und sah ihn dabei mit großen Augen an.

    Er dachte in diesem Moment nicht nach, nahm sie einfach in den Arm und ließ sie nicht mehr los. Sie wollte auch nicht mehr losgelassen werden. Er konnte sich bis heute nicht daran erinnern, wer von ihnen beiden die Initiative ergriff. Dafür spürte er noch immer diesen ersten Kuss. Er hätte niemals geglaubt, dass die kühle, rationale Frau, die er am frühen Abend in dem Restaurant getroffen hatte, derart leidenschaftlich küssen konnte.

    Er lächelte in sich hinein. Nein, mit dem Bild, das Svenja am Anfang vermittelt hatte, hatte seine Freundin mittlerweile wirklich nichts mehr gemein.

    Im Rückspiegel sah er zwei Scheinwerfer in einiger Entfernung. Ein weiterer einsamer Wagen auf der zu dieser Zeit verlassenen Landstraße, der durch die mittlerweile stockdunkle Nacht fuhr.

    An dem Abend damals oder besser in dieser Nacht hatten sie dann auch nicht mehr sehr viel geredet. Die Entscheidung fiel schnell, sein Hotel lag näher an dem Restaurant, in dem sie gegessen hatten. Sie benahmen sich wie die Teenager. An jeder Ecke blieben sie stehen und knutschten. So etwas war ihm seit Jahren nicht mehr passiert. Im Hotel konnten sie sich gerade so lange zurückhalten, bis sie durch das Foyer hindurch und an dem Portier vorbei waren. Schon im Fahrstuhl hatte Svenja sich derart leidenschaftlich an ihn gepresst, dass er bei der Erinnerung daran selbst heute noch die Furcht vor einer Entdeckung spürte.

    Hier allein in seinem Wagen überlagerte allerdings die Erregung, die die Situation damals in ihm ausgelöst hatte, seine Gefühle. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als schon da zu sein. Selbst die Lust am Autofahren verging ihm. Die Strecke wurde langsam kurvenreicher und an einigen Stellen recht eng. Die Straße wand sich langsam höher hinauf in die Berge. Noch immer war kein anderer Wagen in Sicht, nur die Lichter des Fahrzeugs, das in großem Abstand hinter ihm fuhr.

    Um die Vorfreude noch zu steigern, ließ er die Ereignisse der ersten Nacht weiter vor seinem inneren Auge ablaufen: In seinem Hotelzimmer angekommen, kam er nicht mehr zur Besinnung. Svenja fiel regelrecht über ihn her. Ja, ja, stille Wasser sind tief!

    Bis zu diesem Abend hatte er Nicole, eine junge Frau, mit der er etwa drei Monate liiert war, als sein heißestes Erlebnis angesehen. Dass diese drei Monate in sexueller Hinsicht zu toppen wären, hatte er nicht gedacht. Er hatte sich geirrt, so wie er sich in Svenja von Anfang an geirrt hatte.

    Sicher, Nicole hatte vielleicht einfallsreicher und tabuloser als Svenja agiert, aber da war etwas anderes. Etwas, das er bisher noch bei keiner seiner vielen Bekanntschaften und kurzzeitigen Freundschaften gespürt hatte. Etwas, dass seine eigene Leidenschaft in ungewohnte Höhen steigerte.

    Auch wenn er es sich nur ungern zugeben mochte, jetzt hatte es ihn doch erwischt. Er hatte sich verliebt. Svenja sah nicht hübscher aus als seine bisherige Freundinnen. An ihrem ersten Abend hatte sie keine besonderen Verrenkungen oder ungewöhnlichen Praktiken angewendet. Nein, die Erinnerung an diesen Abend hatte sich als so einzigartig in ihm festgesetzt, weil es sich um eine so einzigartige Frau handelte. Ja, weil er so einzigartige Gefühle zu ihr empfand.

    Eine Wärme strahlte vom Mittelpunkt seiner Brust aus und flutete seinen ganzen Oberkörper. Er musste jetzt etwas vorsichtiger fahren, die Straße wurde sehr kurvenreich. Der Wagen hinter ihm hatte zwar aufgeholt, hielt aber genug Abstand. Gut so! Er hasste Einheimische, die meinten, sie müssten auf solchen Straßen riskant überholen. Er schlich schließlich nicht. Die Kurven schneller zu nehmen als er, wäre reiner Wahnsinn.

    Ja, träumte er weiter, das Schönste war, er konnte mit Svenja sogar über Dinge reden, über die er noch nie mit einer Frau geredet hatte, seine Arbeit zum Beispiel. Heute Abend würde er ihr erzählen, was er entdeckt hatte. Er würde ihr das Geheimnis dieses kleinen Sticks, der in seiner Jacketttasche steckte, und des zweiten, den sie in ein paar Tagen per Post bekommen würde, erklären. Er wusste, es klang schon fast paranoid, aber von dem Inhalt dieses kleinen Datenträgers hing nicht nur seine berufliche Zukunft ab. Bei diesem Stick handelte es sich um den Schlüssel zu einer gemeinsamen Zukunft. Er würde ihm alle möglichen Türen öffnen und dann stellte es auch kein Problem mehr dar, Svenja nach Bonn oder wohin er von dort auch immer gehen wollte, zu holen. Nicht dass sie seine Protektion tatsächlich brauchte, sie war wirklich gut in ihrem Job, aber seine neue Rolle würde es auch ihr erleichtern, die notwendigen Türen zu öffnen.

    Vielleicht wies sie sogar mehr Kompetenz auf als er, zumindest auf technischer Ebene. Diesen Teil hatte Frank für ihn übernommen. Fachlich hatte sein Kollege sicher mehr geleistet als er selbst, aber eine so große Sache wollte auch verkauft werden. Er meinte das nicht im ökonomischen Sinne, er verhielt sich schließlich seinem Arbeitgeber gegenüber loyal. Und auch wenn man so einiges am deutschen Staat kritisieren konnte, wüsste er nicht, mit welchem anderen er tauschen wollte.

    Nein, es war gut, dass diese Sache nicht nur sein persönliches Fortkommen, sondern auch der Gemeinschaft nutzte. Bei dieser Formulierung handelte es sich schon um eine ziemliche Untertreibung. Wenn die deutsche Bevölkerung erst einmal wusste, in welcher Gefahr sie sich befand, wenn man es erst geschafft hatte, den Leuten das Problem zu verdeutlichen, dann würde die Hölle losbrechen. Das stand fest, jedenfalls für ihn.

    Heute Abend würde er das alles Svenja erzählen. Er freute sich schon auf ihre kugelrunden Augen, die sie mit Sicherheit bekam, wenn er ihr erklärte, was er tatsächlich herausgefunden hatte. Bisher hatte er ihr die Sache gegenüber nur vage angedeutet. Sie ahnte zwar schon die Richtung, in die seine Entdeckung – oder besser, die von Frank und ihm – ging, aber das Ausmaß der Geschichte kannte sie noch nicht.

    Er überlegte, in welcher Reihenfolge der Abend am Besten ablaufen sollte. Erst würden sie essen. Svenja hatte versprochen zu kochen. Wahnsinn, sogar das konnte diese Frau! Vielleicht sollte man dann erst mal zum »gemütlichen« Teil übergehen. Danach könnte er ihr die Geschichte erzählen. Sie wäre sicher stolz auf ihn. Das würde fördern, den »gemütlichen« Teil noch einmal zu wiederholen.

    Ja, genau so sollte er es anfangen. Thomas lehnte sich zufrieden in seinem Sitz zurück. Aber was machte denn der? Der Hintermann war doch bisher so besonnen gefahren. Hatte diesen Verrückten ein wilder Affe gebissen? Der wollte ihn doch wohl jetzt nicht überholen, so kurz vor der scharfen Kurve direkt vor dieser schmalen Brücke?

    Der Wagen hinter ihm scherte auf die Gegenfahrbahn aus und setzte mit aufheulendem Motor zum Überholen an. Erst jetzt wurde Thomas bewusst, dass es sich bei dem Wagen um einen dieser großen Geländewagen handelte mit Bullengitter und allem Drum und Dran. Er hatte sich so seinen Gedanken und Träumen hingegeben, dass er das Modell des Fahrzeugs nicht wahrgenommen hatte. Es interessierte ihn auch nicht. Diese Fahrzeuge trafen nicht seinen Geschmack, ihn faszinierten ausschließlich diese kleinen hochmotorisierten sportlichen Autos.

    Erschrocken stellte er fest, dass es in diesem Fall doch ganz erheblich war, was für ein Auto neben ihm aufschloss. Er nahm zwar schon das Gas weg, was er normalerweise sehr ungern tat, aber diese enge Kurve mit der sich anschließenden ebenfalls engen Brücke kam erschreckend schnell näher. Das andere Auto fuhr aber nicht an ihm vorbei, sondern blieb auf gleicher Höhe, selbst als er abzubremsen begann.

    Verzweifelt sah er zu dem Geländewagen hinüber. In ihm saßen zwei Männer. Der Fahrer sah stumpf gerade aus, während ihn der Beifahrer kalt anstarrte. In dem Moment, in dem der Blick des Beifahrers seinen traf, erkannte Thomas, dass es sich bei diesem Vorgang nicht um ein unglückliches Überholmanöver handelte.

    Der andere Wagen wurde genau mit ihm langsamer. Jetzt drängte er ihn sogar nach rechts ab. Blech knirschte auf Blech. Das Geräusch klang hässlich. Thomas hatte noch nicht einmal Zeit, sich über sein demoliertes Auto zu ärgern. Er trat die Bremse durch. Das Antiblockiersystem begann zu stottern. Er war noch immer viel zu schnell. Das gegnerische Fahrzeug drückte seinen Wagen so weit nach rechts, dass er mit einem Reifen auf den Randstreifen fuhr. Er wurde durchgeschüttelt. Verzweifelt versuchte er gegenzulenken, aber es half nichts, das andere Fahrzeug war größer und schwerer.

    Brutal knirschte das Bodenblech, als der Wagen über das niedrige Steingeländer der Brücke geschoben wurde. Noch vor der Überführung war er so weit nach rechts gedrängt worden, dass schon die Räder auf der rechten Seite des Wagens außerhalb des Geländers hingen. Thomas fiel nichts mehr ein, was er noch hätte tun können. Es gab für dieses Problem keine Lösung, die ein noch so gut geschultes, logisch denkendes Informatikerhirn hätte finden können. Während das schleifende und knirschende Geräusch unter ihm anzeigte, dass gerade das Bodenblech seines geliebten Wagens unter ihm auf dem Steingeländer der Brücke zerrieben wurde, drückte ihn der Geländewagen noch weiter nach rechts. Sein eigener Wagen wurde dadurch so weit über das Geländer geschoben, dass er nach rechts über die Überführung hinweg kippte.

    »Gut, dass ich heute noch die Post abgeschickt habe«, dachte er unangemessenerweise. Sein Gedankengang endete abrupt, als der Wagen mit dem Dach zuerst und einem lauten Krachen auf einem Felsvorsprung direkt neben dem kleinen Flüsschen aufschlug, das die Brücke überspannte.

    Ende eines netten Abends

    Es war schon recht kühl an diesem Abend, kühler als üblicherweise zu dieser Jahreszeit. Frank Becker ging zurück zu seiner Wohnung. Besser traf der Begriff ›torkeln‹ die Art seiner Fortbewegung.

    Er hatte einen netten Abend verbracht. Netter, als sämtliche Abende der vergangenen zwei Jahre, wenn er es richtig nahm. Im ersten Jahr, nachdem Kristin ihn verlassen hatte, zog er noch mit der Clique durch die Kneipen. Dann fiel er ohne Vorwarnung in dieses tiefe Loch. Er verspürte einfach keine Lust mehr, in Kneipen herumzuhängen und Frauen anzubaggern, die ja doch kein Interesse an ihm hatten oder an denen er das Interesse verlor, sobald sie den Mund aufmachten. Seine Freunde von damals gab es auch nicht mehr. Das heißt, die Jungs gab es schon noch, nur dass er jetzt nicht mehr zu ihnen gehörte.

    Vielleicht hätte er damals nicht so laut seine Meinung sagen sollen. Was hatte Kristin noch so schön gesagt, als er sie das letzte Mal getroffen hatte? Er müsse aufpassen, mit seiner miesepetrigen, besserwisserischen Art, nicht auch noch seinen letzten Freund zu verlieren. Das war ein Jahr her, bei ihrem letzten Scheidungstermin. »Sie hat damit nicht ganz richtig gelegen«, dachte Frank zynisch. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon keine Freunde mehr.

    Jedenfalls war er zwei Jahre lang nicht mehr feiern oder wenigstens ein Bier trinken gegangen. Auch an diesem Abend hatte er nicht vorgehabt, unter Leute zu gehen. Aber dann kam er an der Gaststätte vorbei, die auf seinem Heimweg von der Arbeit lag und in die er früher häufig eingekehrt war. Diese Kneipe hatte ihn in den letzten zwei Jahren nicht mehr gereizt, genauso wenig wie irgendeine andere.

    An diesem Abend stand Tom vor dieser Gastwirtschaft. Tom gehörte früher auch zu der Clique. Allerdings hatte Frank ihn noch nie sonderlich gemocht. Der Kerl war ein Spinner, dazu noch einer von der üblen Sorte, rücksichtslos, und verlassen konnte man sich auf ihn auch nicht.

    Normalerweise ging Frank dem Kerl, wenn es sich machen ließ aus dem Weg. An diesem Nachmittag ließ es sich nicht machen. Er stand ihm direkt im Weg.

    »Äh Alter, was machst du denn hier?«, begrüßte er Frank, obwohl der Kerl ganz genau wusste, dass er von der Arbeit kam.

    Er wollte schon etwas Knallhartes erwidern, aber bevor er nur zu Wort kam, hatte Tom ihn schon auf ein Bier eingeladen. Das war allerdings schon komisch, vielleicht ein Omen, früher hatte er sich immer nur durchgeschnorrt. Normalerweise wäre Frank trotzdem nicht mitgegangen. Eigentlich hatte er in den letzten Jahren immer eine Ausrede erfunden, wenn sich jemand mit ihm treffen wollte. Er verspürte einfach keine Lust, mit irgendwem über irgendwelche Oberflächlichkeiten zu reden. Darauf lief es doch immer hinaus. So gut kannte er mittlerweile niemanden mehr, dass er sich mit ihm über tiefsinnigere Dinge unterhalten konnte.

    Aber an diesem Abend war es anders. Vielleicht lag es an dieser Sache. Endlich standen sie vor dem großen Erfolg und dann das! Ausgerechnet jetzt musste Thomas diesen Unfall bauen. Er hatte ja schon immer gewusst, dass dieser Spießer sich irgendwann mit seinem bescheuerten Sportwagen totfahren würde. Aber musste das ausgerechnet jetzt sein? Die ganzen letzten Jahre hätte er den Idioten am liebsten in die Wüste geschickt und jetzt, wo er tot war, fehlte er ihm. Mit wem sollte er jetzt noch über die Sache reden?

    Vielleicht spürte er tatsächlich Trauer, vielleicht lag es aber auch an dem Mädchen, das Tom im Schlepptau hatte. Sie lächelte ihn so nett an und bettelte fast darum, dass er mitkäme. Jedenfalls hielt er es plötzlich für eine gute Idee, ein Bier zu trinken.

    Gut, die Bezeichnung Mädchen traf vielleicht nicht ganz zu. Bei näherer Betrachtung handelte es sich dann doch eher um eine Frau in seinem Alter. Die Jahre waren nicht spurlos an ihr vorübergegangen, wie bei ihm selbst, aber sie sah trotzdem ungemein attraktiv aus. Auch egal, jedenfalls lächelte sie ihn dankbar an, als er mitkam. Es war ihm lange nicht mehr passiert, dass eine Frau ihn so anlächelte. Ihm wurde ganz warm in der Brust.

    Der Gastraum der Kneipe war mit riesigen Fenstern in der Größe von Schaufensterscheiben ausgestattet. Als er dort noch als Stammgast ein- und ausging, hatte ihn das nicht gestört. Später fand er es schrecklich, dort zu sitzen und von jedem draußen begafft zu werden. Allerdings stieß es ihn genauso ab, in einer dieser geschlossenen Höhlen zu sitzen.

    Egal, jedenfalls setzten sie sich in eines dieser Schaufenster. Frank wusste nicht, was er sagen sollte, dafür quatschte Tom umso mehr, irgendeinen Schwachsinn von alten Zeiten und so. Tom ging ihm dermaßen auf die Nerven, dass er froh war, als der Kerl endlich ging. Die Frau, von der er angenommen hatte, dass sie zu Tom gehörte, blieb sitzen. Er wollte schnell austrinken, aber da brachte der Wirt schon zwei neue Biere. Die hatte Tom bestellt und, man höre und staune, sogar bezahlt.

    So saßen diese Frau und er sich gegenüber, beide mit einem vollen Glas Bier vor sich. Sie lächelte ihn noch immer warm an. Er fragte sich, was er mit ihr reden solle. Seit Kristin war er schließlich mit keiner Frau mehr zusammen gewesen. Und seit zwei Jahren redete er im Prinzip nur noch mit seinen Arbeitskollegen während der Arbeitszeit. Aber auch denen ging er aus dem

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1