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Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis
Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis
Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis
eBook544 Seiten6 Stunden

Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis

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Über dieses E-Book

von Alfred Bekker & Thomas West & Chris Heller




Dieses Buch enthält folgende Krimis:


Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen in der Zwickmühle

Thomas West: Richter und Rächer

Alfred Bekker: Mörderspiel

Ich presste mich an die Oberfläche des Containers. Irgendwo war ein Nebelhorn zu hören. Im Hamburger Hafen war das kein ungewöhnliches Geräusch. Und dazu ein Chor kreischender Möwen. Die Möwen folgten Schiffen. Aber viele lebten inzwischen in der Hansestadt. Der Grund dafür war einleuchtend.

Es gab dort kaum Fressfeinde für sie in der Stadt.

Und darum siedelten sie sich an. Schätzungen zufolge gibt es mehr als dreitausend Möwen in Hamburg. Wenn man sich das mal genauer vorstellt, dann hat man also eine Möwenkleinstadt innerhalb der Hansestadt Hamburg. Zumindest, was die Kopfzahl betrifft.

Ein Schuss peitschte dicht an mir vorbei. Das eigentliche Schussgeräusch war nicht zu hören. Vermutlich wurde die Waffe mit einem Schalldämpfer abgeschossen.

Aber man hörte, wie das Projektil gegen das Metall schrammte, aus dem die Außenhülle des Containers bestand. Ich sah die Beule, die das Projektil in das Metall hineinschlagen hatte.

Dass die Kugel nicht einfach durchgegangen war, konnte mehrere Ursachen haben. Die Entfernung war zu groß, das Kaliber zu klein, das Material des Containers vielleicht zu hart.

Ich tippte auf eine andere Ursache.
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum8. März 2023
ISBN9783745227857
Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Killer in der Klemme - Alfred Bekker

    Alfred Bekker, Chris Heller, Thomas West

    Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis

    UUID: 7e2b771e-3928-40de-904f-f71e24ac93ba

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis

    Copyright

    Kommissar Jörgensen in der Zwickmühle: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman

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    Richter und Rächer

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    Mörderspiel

    Hauptpersonen:

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    Killer in der Klemme: 3 Urlaubskrimis

    von Alfred Bekker & Thomas West & Chris Heller

    Dieses Buch enthält folgende Krimis:

    Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen in der Zwickmühle

    Thomas West: Richter und Rächer

    Alfred Bekker: Mörderspiel

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    COVER A.PANADERO

    Kommissar Jörgensen wurde erfunden von Alfred Bekker

    Chris Heller ist ein Pseudonym von Alfred Bekker

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

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    Alles rund um Belletristik!

    Kommissar Jörgensen in der Zwickmühle: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman

    Krimi von von Thomas West & Chris Heller

    Als die Freundin des Kriminalkommissars Uwe Jörgensen entführt wird, muss er die Seiten wechseln, um ihr Leben zu retten. Ein Schwerverbrecher soll befreit werden, um weitere Straftaten begehen zu können. Jörgensen muss bis an seine Grenzen gehen. Wird er seinen Diensteid brechen?

    1

    Ich presste mich an die Oberfläche des Containers. Irgendwo war ein Nebelhorn zu hören. Im Hamburger Hafen war das kein ungewöhnliches Geräusch. Und dazu ein Chor kreischender Möwen. Die Möwen folgten Schiffen. Aber viele lebten inzwischen in der Hansestadt. Der Grund dafür war einleuchtend.

    Es gab dort kaum Fressfeinde für sie in der Stadt.

    Und darum siedelten sie sich an. Schätzungen zufolge gibt es mehr als dreitausend Möwen in Hamburg. Wenn man sich das mal genauer vorstellt, dann hat man also eine Möwenkleinstadt innerhalb der Hansestadt Hamburg. Zumindest, was die Kopfzahl betrifft.

    Ein Schuss peitschte dicht an mir vorbei. Das eigentliche Schussgeräusch war nicht zu hören. Vermutlich wurde die Waffe mit einem Schalldämpfer abgeschossen.

    Aber man hörte, wie das Projektil gegen das Metall schrammte, aus dem die Außenhülle des Containers bestand. Ich sah die Beule, die das Projektil in das Metall hineinschlagen hatte.

    Dass die Kugel nicht einfach durchgegangen war, konnte mehrere Ursachen haben. Die Entfernung war zu groß, das Kaliber zu klein, das Material des Containers vielleicht zu hart.

    Ich tippte auf eine andere Ursache.

    Den Auftreffwinkel.

    Der Schuss war von schräg seitlich eingetroffen, die Auftreffenergie dadurch deutlich verringert. Eintrittswinkel gleich Austrittswinkel, so lernt man es ja. Der Schuss war also im selben Winkel, wie er eingetroffen war, als tückischer Querschläger weitergeschickt worden. Ein beschleunigtes, durch die Begegnung mit dem Container vermutlich deformiertes Stück Metall, dass aber immer noch schnell genug war, um einen Menschen zu töten oder zumindest schwer zu verletzen.

    In meinem Hirn arbeitete es.

    In den vielen Jahren, in denen ich schon mit solchen Dingen zu tun habe, erarbeitet man sich ein gewisses Erfahrungswissen.

    In welchem Winkel war der Schuss aufgekommen?

    Von wo abgefeuert worden?

    Mir fiel das kleine Loch im Asphaltboden auf.

    Da war die Kugel schließlich gelandet.

    Dann blickte ich instinktiv nach oben.

    Oben, auf einem der anderen Container, sah ich eine Gestalt.

    Das war der Killer. Er hob die Waffe.

    Blutrot zuckte das Mündungsfeuer aus dem Schalldämpfer heraus.

    Wie eine rote Drachenzunge.

    Ich warf mich zur Seite.

    Der Schuss ging dicht an mir vorbei.

    Ich riss die Dienstwaffe hoch und feuerte zurück. Zweimal drückte ich die Waffe ab.

    Der Killer wurde getroffen. Ich schickte noch einen dritten und vierten Schuss hinterher, um sicher zu gehen.

    Dann fiel er um wie ein gefällter Baum und kippte über den Rand des Containers.

    Langsam erhob ich mich.

    Zuerst wollte ich sichergehen, dass da nicht noch einer auf mich wartete.

    Schließlich wusste ich nicht mit Sicherheit, ob der Killer allein gewesen war.

    Sowas weiß man nie.

    Ich stand schließlich wieder auf meinen Beinen.

    Irgendwie war mir ziemlich mulmig zumute.

    Aber das ist wohl normal.

    Ich glaube, bei gewissen Dingen wird sich wohl nie Routine einstellen. Und ich glaube, das Sterben gehört definitiv dazu.

    Ich lauschte. Der Lärm im Hafen überdeckte sowieso alles andere.

    Dann ging ich zu der Leiche des Killers.

    Ich hatte gut getroffen.

    Der würde nie wieder jemanden umbringen können.

    Das Gesicht kam mir nicht bekannt vor.

    Ich durchsuchte ihn. Er hatte einen Ausweis bei sich. Italienisch. Er kam aus Kalabrien. Das bedeutet, es lag ein Zusammenhang mit der kalabrischen ‘Ndrangheta nahe, der mächtigsten Mafia-Organisation Europas.

    Aber das würde sich vermutlich nie genau nachweisen lassen.

    Ein Mann bog in diesem Augenblick hinter der Ecke des Containers hervor und blieb wie angewurzelt stehen.

    Gekleidet war er wie ein Hafenarbeiter.

    Aber das musste nichts heißen.

    Nicht immer sehen Leute so aus, wie sie aussehen sollten. Und nicht immer ist jemand das, was er zu sein scheint.

    Ich wirbelte herum und riss instinktiv die Waffe hoch.

    Der Mann stand wie angewurzelt-

    Nicht schießen, sagte er.

    Jörgensen, Kripo, sagte ich.

    Nicht schießen!

    Wer sind Sie?

    Hennes Boltemeier. Ich arbeite hier.

    Ich senkte die Waffe.

    Gut.

    Haben Sie… einen Ausweis?

    Habe ich, sagte ich. Ich holte ihn mit der Linken hervor und hielt ihn hoch.

    Ist der da - er deutet auf den Killer - tot?

    Ist er, sagte ich.

    Eigentlich bin ich es gewöhnt, die Fragen zu stellen.

    Aber manchmal ergibt sich das eben etwas anders.

    Kann ich… gehen?, fragte er.

    Nein. Ich muss Sie noch befragen und Ihre Personalien aufnehmen, sagte ich.

    Aber - warum? Habe nix gemacht!

    Sie könnten ein Zeuge sein und etwas gesehen haben.

    Ich habe nichts gesehen. Nur jetzt - den Toten.

    Etwas Geduld.

    Geduld?

    Ich rufe jetzt meine Kollegen. In Kürze wird Verstärkung hiersein und dann wird Sie jemand befragen.

    Aber…

    Entschuldigung, aber das muss sein.

    Gut.

    Sie verstehen das?

    Rufen Sie Ihre Kollegen.

    Okay.

    Ich hielt mit meiner Rechten immer noch die Pistole. Gesenkt zar, aber ich hatte sie noch nicht weggesteckt.

    Mit der Linken wollte ich mein Handy aus der Jackentasche herausfingern.

    Und dann fiel mir etwas auf.

    Mir fiel etwas auf, was alles mit einem Schlag veränderte.

    Mein Blick hatte den Mann, der sich als der Hafenarbeiter Hennes Boltemeier vorgestellt hatte, einer routinemäßigen Musterung unterzogen. Und es gab da etwas, was im Raster hängengeblieben war.

    Der Mann trug zwar die Schutzkleidung der Hafenarbeiter.

    Er hatte sogar einen helm auf dem Kopf, wie die Arbeitsschutzvorschriften es verlangten.

    Aber sein Schuhwerk passte einfach nicht dazu.

    Modische italienische Slipper.

    Sowas trug kein Hafenarbeiter bei der Arbeit.

    Sicherheitsschuhe waren hier angesagt, aber keine Slipper.

    Er sah mich an - ich sah ihn an - und innerhalb eines Sekundenbruchteils wussten wir beide Bescheid, was Sache war. Er riss eine Waffe hervor. Aber ich feuerte schnell genug. Er kam noch zum Schuss, aber dieser Schuss war ungezielt und ging ins Nirgendwo. Ich traf ihn genau in die Stirn.

    Sein Blick gefror.

    Dann fiel er zu Boden.

    Wie ein Stein.

    Das Geräusch, dass beim Aufschlag seines Körpers auf dem harten Untergrund zu hören war, klang dumpf. Wie ein Faustschlag in die Magengrube, so klang das. Dumpf und grausam.

    *

    Wenig später kamen die Kollegen.

    Alles in Ordnung?, fragte der Kollege Ludger Matthies, der den Einsatz leitete.

    Weiß ich nicht, sagte ich.

    Wie meinst du das?

    Normalerweise erschieße ich nicht mal eben so zum Frühstück zwei Menschen.

    War Notwehr, oder?

    Was denkst du denn?

    Dir ist klar, dass das untersucht werden wird.

    Natürlich.

    "Sowas kann unangenehm werden.

    Ist nicht das erste Mal für mich, Ludger.

    Ich weiß, Uwe.

    Eben!

    Du hattest heute deinen freien Tag, nicht wahr?

    Ja.

    Und was hattest du hier am Hafen zu suchen?

    Da angle ich manchmal.

    Echt?

    Wusstest du das nicht?

    Kriminalhauptkommissar Ludger Matthies schüttelte den Kopf. Nein, das wusste ich nicht.

    Dann weißt du es jetzt, Ludger. Aber darauf kommt es nicht.

    Darauf kommt es denn an - deiner Meinung nach?

    Darauf, dass die beiden Killer es offenbar auch wussten.

    Verstehe.

    Die haben mich hier erwartet.

    Hast du eine Ahnung, was das für Typen sind?

    Ich zuckte die Achseln.

    ‘Ndrangheta-Leute, nehme ich an.

    Du bist denen ja auch oft genug auf die Nerven gegangen, Uwe.

    Offenbar einmal zuviel. Da war jemand sauer und hat jemanden losgeschickt. Diese zwei Kerle hier. Und die sollten mich dann kaltmachen.

    Dann kannst du von Glück sagen, dass sie es nicht geschafft haben!

    Sie werden es wieder versuchen, Ludger. Ganz sicher. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche.

    Woher weißt du denn, was man in der Kirche so macht?, meinte Ludger.

    Ich sah den Kollegen Stirnrunzeln an.

    Wieso?

    Na, weil ein echter Hamburger doch nicht zur Kirche geht!

    Woher hast du denn die Weisheit?

    Von meiner Oma, Uwe. Von meiner Oma.

    Ich nickte. Ich mach mich dann jetzt mal vom Acker, Ludger. Ihr habt hier ja sicher noch eine Weile zu tun. Erkennungsdienstlich meine ich. Und aufgeräumt werden muss ja auch…

    *

    Ich erstattete meinem Chef natürlich noch am selben Tag Bericht.

    Das versteht sich von selbst.

    Vom freien Tag blieb dadurch nicht viel übrig.

    Am nächsten Tag holte ich meinen Kollegen Roy Müller wie üblich an der bekannten Ecke ab. Roy und ich bilden zusammen ein Team.

    Mein Name ist übrigens Uwe Jörgensen. Ich bin Kriminalhauptkommissar und Teil einer in Hamburg angesiedelten Sonderabteilung, die den etwas umständlichen Namen ‘Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes’ trägt und sich vor allem mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Serientätern befasst.

    Die schweren Fälle eben.

    Fälle, die zusätzliche Ressourcen und Fähigkeiten verlangen.

    Zusammen mit meinen Kollegen Roy Müller, Ludger Matthies und vielen anderen tue ich mein Bestes, um Verbrechen aufzuklären und kriminelle Netzwerke zu zerschlagen. Man kann nicht immer gewinnen, pflegt Kriminaldirektor Bock oft zu sagen. Er ist der Chef unserer Sonderabteilung. Und leider hat er mit diesem Statement Recht.

    Als Roy und ich an diesem Morgen im Büro unseres Chefs ankamen, empfing der uns mit seinem gewohnt ernsten Gesicht.

    Man muss dazu wissen, dass das Gesicht von Herrn Bock schon unter normalen Umständen eher dem gleicht, was man eine Leichenbittermiene nennt.

    Eigentlich denkt man, dass es noch viel ernster gar nicht werden kann. Aber da täuscht man sich in diesem speziellen Fall. Bei Herrn Bock ist das möglich.

    Guten Morgen, sagte der Kriminaldirektor.

    Moin, sagten Roy und ich fast wie aus einem Mund.

    Die beiden Männer,, die Sie gestern erschossen haben, sind inzwischen identifiziert, erklärte Herr Bock.

    Ich hob die Augenbrauen.

    Und?

    Mafia-Killer. Wie es zu erwarten war. Es spricht alles dafür, dass die tatsächlich auf Sie gewartet und Ihnen aufgelauert haben.

    Leider wird man die Hintermänner wohl nicht feststellen können.

    Da haben Sie leider Recht.

    Und ich muss damit rechnen, dass so etwas wieder passiert.

    Auch damit haben Sie leider Recht.

    Was soll ich also tun?

    Sie könnten den Job aufgeben. Dann wären Sie vielleicht in Sicherheit.

    Sie wissen, dass das für mich keine Option ist.

    Und ich nehme an, dass die andere Seite das auch weiß. Also wird man sich nicht damit begnügen, Sie nur zu erschrecken, sondern man wird alles daran setzen, Sie tatsächlich auszuschalten.

    Das haben schon viele versucht. Und keiner hat es geschafft.

    Vielleicht sollten Sie in Zukunft Ihre Gewohnheiten ändern.

    Ich runzelte die Stirn.

    Meine Gewohnheiten?

    Zum Beispiel das Angeln am Hafen. Das sollten Sie besser bleiben lassen.

    Und was noch?

    Alles, was irgendwie gefährlich ist, fuhr Herr Bock fort. Sie sollten sich nirgends exponieren. Ach, hören Sie auf, das ist doch unmöglich!

    Vermutlich.

    Ich schlage vor, Sie wünschen mir viel Glück, Herr Bock. Und ansonsten mache ich einfach so weiter wie bisher.

    Außerdem bin ich ja noch da, meinte Roy. Ich werde schon auf dich aufpassen, Kleiner!

    Kleiner? Ich sah ihn erstaunt an. Was sind das für neue Moden, Roy? Du nennst mich Kleiner?

    Roy Müller nickte.

    Ja.

    Ich bin größer als du! Mindestens einen Zentimeter!

    Wenn deine Haare geföhnt sind, Uwe. Dann vielleicht. Roy grinste. Ich musste früher immer auf meinen kleinen Bruder aufpassen. Und so ähnlich ist das im Augenblick mit dir.

    Ich atmete tief durch.

    Der Vergleich gefällt mir nicht, Uwe.

    Kann ich mir denken.

    Kann ich mir denken, Uwe.

    Der gefällt mir ganz und gar nicht, Roy!

    Du kommst drüber weg, Uwe. Ganz bestimmt.

    Wenn du das sagst.

    Noch was.

    Was?

    Du solltest die Freundin einweihen, mit der du zurzeit zusammen bist.

    Roy, Privatleben heißt Privatleben, weil es privat ist,. Oder?

    Nicht zwischen Teamkollegen wie uns beiden, Uwe. Da gibt es keine Privatsphäre.

    Ach!

    Da gibt es nicht mal ein Wort dafür, Uwe!

    *

    Schneeflocken schwebten durch die Lichtkegel der Straßenlaternen. Weiße Decken auf den parkenden Wagen. Wie frierende Tiere kauerten sie in endloser Kolonne an den Straßenrändern. Winternacht in Hamburg. In Finkenwerder, um genauer zu sein.

    Es war stiller als sonst. Als hätte sich das Nachtleben vor dem ersten Schnee verkrochen. Von Zeit zu Zeit drehte Johanna den Zündschlüssel herum, bis die Armaturen aufleuchteten, und ließ dann die Scheibenwischer zwei, dreimal über die Frontscheibe schrammen.

    Scheinwerfer näherten sich. Zum hundertsten Mal an diesem Abend. Johanna duckte sich tiefer in den Sitz ihres schwarzen Mercedes und presste das Nachtglas an die Augen. Der Wagen, der da heranrollte, verlangsamte. Johanna griff nach dem Mikro des Funkgeräts.

    »Ein roter Sportwagen«, sagte sie. »Halt dich bereit ...«

    Ein heller werdender Lichtfleck schob sich durch den Vorhang aus tanzenden Schneeflocken.

    »Er stoppt vor dem Haus.« In der Rechten das Nachtglas, in der Linken das Mikro, drückte sich Johanna an die Beifahrertür.

    Der Sportwagen rangierte in eine Parklücke ein. Seine Scheinwerfer erloschen.

    »Das ist er«, flüsterte Johanna. »Eindeutig, das ist er ...«

    Sie spürte ihre Hände feucht werden. Statt zu tun, was zu tun war, starrte sie durch das Glas, obwohl nicht mehr viel zu sehen war: Die Frontseite des roten Sportwagens hinter dem Vorhang aus Schneeflocken, die Silhouetten zweier Menschen hinter der Windschutzscheibe im trüben Licht der Straßenbeleuchtung.

    Die Beifahrertür öffnete sich.

    »Es geht los!«, zischte Johanna …

    2

    »Armer Kommissar ...« Linda wand sich aus meiner Umarmung. »Bist ja halb verhungert.« Eine ziemlich stürmische Umarmung war es gewesen, ich gestehe es. »Das war die Vorspeise.« Sie drückte mich von sich weg und öffnete die Beifahrertür. »Den Hauptgang gibt’s oben.«

    Im Licht der Straßenbeleuchtung sah ich das Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht. Ein verheißungsvolles Lächeln.

    »Wie sollte ich auch satt sein.« Ich zog den Zündschlüssel ab. »Sieben magere Tage liegen hinter mir.«

    Wir kamen aus Wandsbek. Aus dem »Alten Ritter«, genauer gesagt, der ältesten Kneipe Hamburg. Dort hatten wir Versöhnung gefeiert. Zum fünfzigsten oder hundertsten Mal schätzungsweise. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen.

    Seit einigen Monaten war ich jetzt schon mit Linda Mandelkow zusammen. Ich hatte sie kennengelernt, als ich gegen eine rechtsradikale Gruppierung ermittelte, die sich »Elias Rangers« genannt hatte, und während dieses Falls hatte ich Linda auch das Leben gerettet.

    Seither waren wir ein Paar.

    Aber was für eins.

    Ständig kam es zwischen uns zum Streit, und Linda trennte sich mehr oder weniger regelmäßig von mir. Schuld war mein Job. Sie selbst als Chefredakteurin des Lifestyle Magazins »Female« hatte ja schon wenig Freizeit, aber immer oder zumindest sehr häufig, wenn wir mal einen Abend gemeinsam verbringen wollten, kam mir irgendein heißer Fall dazwischen, und ich musste aufbrechen, um mich irgendwelchen Ganoven oder Terroristen zu stellen.

    Natürlich war Linda dann sauer. Und sie war eine sehr aufbrausende junge Frau, die ihre Gefühle häufig nicht unter Kontrolle hatte. Das war sowohl positiv als auch negativ zu sehen.

    Sehr häufig leider negativ, denn für meinen Job brachte sie wenig Verständnis auf.

    Es hatte also mal wieder zwischen uns geknallt, und wieder hatte Linda erklärt, es wäre aus mit uns. Und wieder war ich es gewesen, der über seinen Schatten gesprungen war, und wir hatten uns ein weiteres Mal versöhnt.

    »Eine Woche Fasten«, grummelte ich und grinste sie an. Beiläufig zog ich mein Handy aus der Halterung am Armaturenbrett. »Keine Umarmung, kein Kuss, kein Wort und auch sonst nichts. Meine Hormone haben sich ganz schön angestaut ...«

    »Selber schuld.« Ihr ausgestreckter Zeigefinger deutete auf mein Handy. »Das Ding bleibt im Auto, Kommissar!«

    »Sorry, Linda.« Ich versenkte das Gerät in meinem Jackett. »Völlig ausgeschlossen.«

    »Du begleitest nicht irgendeine Frau in ihre Wohnung!« Jetzt schwebte ihr Zeigefinger drohend vor meinem Gesicht. Schneeflocken trieben durch die offene Beifahrertür in meinen Sportwagen. »Die Frau, die du liebst, hat dich in ihr Bett eingeladen – und sie kann dich ganz schnell wieder ausladen. Also weg mit dem Ding!« Sie öffnete das Handschuhfach. »Ich will′s nicht in meiner Wohnung sehen. Nicht mal ausgeschaltet!«

    »Kommt nicht infrage.« Ich stieg aus. »Der Mann, mit dem du dich heute Abend versöhnt hast, ist Polizist!« Auf der Beifahrerseite sprang Linda aus dem Sportwagen. »Kriminalkommissar! Staatsdiener!«, fuhr ich fort. »Ich kann nicht so tun, als wäre ich nicht erreichbar.«

    Über das nasse Wagendach hinweg blitzte sie mich an.

    »Der Mann, mit dem ich mich heute Abend versöhnt habe, gehört in dieser Nacht weder der Kriminalpolizei, noch Hamburg, noch ganz Deutschland, sondern mir!« Mit dem Zeigefinger stach sie sich gegen die Brust. »Mir ganz allein! Sonst pfeif′ ich auf ihn!«

    Ich verdrehte die Augen und trommelte mit den Fingern auf das Wagendach.

    Ganz ruhig, Uwe, dachte ich, bleib ganz ruhig – ein Kompromiss ... Denk daran, was ihr heute Abend vereinbart habt ... Versuch, einen Kompromiss zu schließen!

    »Pass auf, Linda – Fakt ist: Ich muss erreichbar sein!«

    Sie knallte die Wagentür zu und stemmte die Fäuste in die Hüften. Schneeflocken senkten sich auf ihre blonde Löwenmähne.

    »Fakt ist auch: Ich will mit dir zusammen sein, und du willst mit mir zusammen sein.«

    Wie zum Schwur hob ich die Rechte.

    »Sollte ich heute Nacht zu irgendeinem Einsatz ausrücken müssen – ich halte das für unwahrscheinlich, aber nur mal angenommen – dann verspreche ich dir, dass ich mir übernächstes Wochenende frei nehme. Richtig Urlaub. Nur für dich.«

    Ich fand mich gut. Ein besseres Versprechen wäre auch einem Kommunalpolitiker im Wahlkampf nicht eingefallen.

    Doch Linda zeigte sich wenig beeindruckt.

    »Übernächstes Wochenende habe ich keine Zeit. Jetzt habe ich Zeit.«

    Ich stieß die Fahrertür zu und drückte auf den Impulsgeber für die Zentralverriegelung.

    »Dann nächstes Wochenende, oder wie wäre es ...«

    In der Außentasche meines Jacketts vibrierte mein Handy. Linda verschränkte die Arme vor der Brust. Das Licht der Straßenbeleuchtung reflektierte sich in ihren bernsteinfarbenen Augen. Eine Mischung aus Bitterkeit und Spott legte sich auf ihr schönes Gesicht.

    Das Geräusch des Handys verlangte nach mir – aufdringlich und erbarmungslos.

    Ich drehte mich um, lehnte mit dem Rücken gegen meinen Wagen, und zog das verflixte Ding aus der Tasche. »Jörgensen!«

    »Entschuldigen Sie die späte Störung, Herr Jörgensen.« Eine Frauenstimme schnarrte mir ins Ohr. Sie klang angespannt. »Ich heiße Karin Berger wahrscheinlich kennen Sie mich nicht ...«

    Der Name sagte mir wirklich nichts. »Worum geht’s denn, Frau Berger?«

    »Um den Brokuwitz-Prozess. Ich hab eine Aussage zu machen.«

    Brokuwitz – der Name sagte mir etwas. Genug jedenfalls, um eine Batterie roter Lampen in meinen Hirnwindungen aufflammen zu lassen. Wir hatten den Waffenhändler polnischer Abstammung hinter Schloss und Riegel gebracht. Ein halbes Jahr war das her, vielleicht auch länger.

    »Sie wissen doch, der Prozess gegen ihn wird morgen eröffnet ...«

    »Ich weiß.« Während des morgendlichen Briefings beim Chef hatten wir über den Prozess gesprochen. Ein Team von uns sollte den Schwerverbrecher auf dem Weg von der JVA Fuhlsbüttel zum Gericht ins eskortieren. Der Einsatz war für den Nachmittag des nächsten Tages geplant.

    »Wenn Sie eine Aussage machen wollten, bin ich die falsche Adresse. Ich kann Ihnen die Nummer des Staatsanwaltes geben.«

    »Ich habe Angst, Herr Jörgensen.« Die Stimme wurde hastiger. »Da steht ein Wagen am Straßenrand, unten vor meinem Haus. Schon seit dem frühen Abend. Ich glaube, ich werde beschattet ... O Gott diese Teufel werden mich doch nicht umbringen?«

    »Ganz ruhig, Frau Berger. Niemand wird Sie umbringen.«

    Es war eine Phrase. Aus dem Umfeld der Staatsanwaltschaft wussten wir, dass die Anklage gegen Brokuwitz nicht gerade auf stählernem Fundament stand. Monatelang hatte man händeringend nach Zeugen gesucht. Der Deutsche polnischer Abstammung hatte mindestens acht Morde in Auftrag gegeben. Von den drei Zeugen, die sich schließlich bereit fanden, gegen ihn auszusagen, lebte nur noch einer. Und das trotz Polizeischutz.

    Ich betätigte wieder die Zentralverriegelung. Schnee hatte sich auf meinem Jackett gesammelt, Wasser tropfte mir aus dem Haar.

    »Nennen Sie mir Ihre Adresse, damit ich Ihnen die Nummer des zuständigen Polizeireviers geben kann.«

    Fast gleichzeitig ließen Linda und ich uns in die Sitze fallen. Mit schmollend geschürzten Lippen beäugte Linda die noch lichte Schneedecke auf der Frontscheibe.

    Sie nannte ihre Adresse. Gehetzt klang die Frauenstimme jetzt. »Bitte, Herr Jörgensen – können Sie nicht persönlich bei mir vorbeikommen? Ich will meine Aussage loswerden. Ich war dabei, als dieser Teufel zwei Morde in Auftrag gab. Bitte, Ihnen vertraue ich. Ich hab in der Zeitung gelesen, wie hartnäckig Sie ihn gejagt haben ...«

    »Sie können die Aussage auch bei einem Beamten des Polizeikommissariats machen. Der Richter wird ihm ...«

    »Ich beschwöre Sie, Herr Jörgensen! Ich bin wie gelähmt vor Angst. Wenn ich nicht Ihre Stimme aus der Sprechanlage höre, werde ich niemandem öffnen ...«

    Ich gab auf.

    »Okay. Ich bin in fünfzehn Minuten bei Ihnen.«

    Neben mir hörte ich Linda die Luft scharf durch die Nase einatmen.

    »Sorry, Linda. Es wird nicht lange dauern.«

    Sie stieg aus.

    »Ich werde der Frau ein paar Minuten zuhören«, sagte ich beschwörend, »ihre Aussage notieren und ...«

    Linda beugte sich zurück in den Wagen.

    »Auf dem Weg dorthin rufe ich das zuständige Polizeirevier an«, sagte ich. »Ich überlass den Polizisten die Frau und komm zu dir ...«

    Linda blickte auf ihre Armbanduhr.

    »Es ist kurz vor Mitternacht.« Ihre raue Altstimme vibrierte vor Zorn und Enttäuschung. »Bis halb zwei gebe ich dir Zeit. Danach brauchst du nicht mehr bei mir klingeln. Und zwar nie wieder!«

    Sie schlug die Wagentür zu und lief zum Eingang ihres Wohnhauses.

    3

    Kein Lichtschein erhellte den Raum. Der Mann drückte sich gegen die Wand neben dem Fenster. Drei Stockwerke unter ihm die Reihen der parkenden Wagen. Schneeflocken glitzerten im Licht der Straßenbeleuchtung. Sein kantiges Gesicht wirkte angespannt. Die Kaumuskulatur arbeitete. Das Herz in seinem breiten Brustkorb schlug schneller als sonst. Seine Hand um den Griff des schwarzen Geräts in der Tasche seines Trenchcoats schwitzte. Wie festgewachsen stand er da. In einem Wohnung, das nicht sein Wohnung war. Sein konzentrierter Blick klebte an dem Sportwagen dort unter ihm. Anders als die meisten anderen Fahrzeuge bedeckte ihn noch keine geschlossene Decke.

    »Nun mach schon«, murmelte der Mann. »Fahr endlich los ...«

    Er sah den Sportwagen nur zur Hälfte. Die dem Bürgersteig zugewandte Seite des Wagens wurde vom Fenstersims verdeckt. Doch der Mann sah, was er sehen musste. Und er wusste, wer in dem Wagen saß. Und was der Fahrer des Sportwagens gerade tat, das wusste er auch.

    Die Scheinwerfer des Sportwagens flammten auf. Er scherte aus der Parklücke.

    »Endlich ...!«

    Der Mann tastete sich durch den dunklen Raum. Bis seine Schuhspitze gegen etwas Festes, Hohles stießen. Er bückte sich, berührte die raue Oberfläche eines kofferartigen Behälters, glitt mit den Händen über dessen abgerundete Schmalseite und erwischte eines der Schnappschlösser.

    Klack, klack! – nacheinander sprangen die Schlösser auf. Der Mann klappte den Deckel des ungewöhnlichen Behälters auf und lehnte ihn gegen eine Couch. Gegen eine Couch, die nicht seine Couch war.

    Seine Hände tasteten den samtenen Stoff ab, mit dem der Behälter ausgeschlagen war. Bis sie das Bündel berührten. Zusammengerollte Lederhandschuhe. Der Mann wickelte sie auseinander. Etwas fiel klappernd in den Kasten.

    Hastig streifte er sich die Handschuhe über.

    In der Innentasche seines Trenchcoats vibrierte ein Handy. Er zog es heraus.

    »Ja?«, flüsterte er.

    »Er hat angebissen.«

    »Gut. Ich verlass mich auf dich.«

    Er steckte das Handy zurück in die Manteltasche. Seine Hände strichen über den Boden des Kastens, bis er das Ding tastete, das aus dem Handschuhbündel gefallen war. Lang und dünn war es: eine Spritze.

    Er steckte sie in die rechte Manteltasche, holte eine kleine Stablampe aus der Innentasche und schaltete sie für eine Sekunde ein. Umrisse von Möbeln, Bodenvasen, Zeitschriftenstapeln, Türrahmen und einem Schuhregal erschienen im Lichtstrahl. Für einen Augenblick nur, dann wieder Dunkelheit.

    Behutsam setzte der Mann einen Fuß vor den anderen. Das Bild, das ihm das Licht seiner Lampe verschafft hatte, genügte zur Orientierung. Vorbei am niedrigen Holztisch, hindurch zwischen Zeitungsstapel und Vase, dann der Türrahmen, dann das Schuhregal, und daneben die Wohnungstür.

    Dort blieb der Mann stehen und lauschte. Etwas summte draußen vor der Tür - der Lift. Das Summen verstummte, ein anderes Geräusch stattdessen: Die Aufzugtüren schoben sich auseinander. Schritte näherten sich …

    4

    Das Spinnennetz war neu. Gestern jedenfalls spannte es sich noch nicht zwischen der Unterseite des schmalen, fast leeren Wandregals und der Wand des kleinen Raumes. Nicht nur das Netz, auch die Spinne konnte Herbert Eckert deutlich erkennen, obwohl er neben der Metalltür des Raumes stand. Der Tür in den Zellentrakt. Also mindestens fünf Schritte entfernt von dem halb leeren Wandregal.

    Herbert Eckert – seine Verwandten und seine Freunde nannten ihn Herbie – hatte persönlich nichts gegen Spinnen. Aber er hatte etwas dagegen, wenn irgendwelche Leute ihre Arbeit nicht gründlich erledigten. Und ein Spinnennetz im Besucherraum war ja wohl der schlagendste Beweis dafür, dass die Leute von der Hausreinigung schlampig arbeiteten.

    Herbie nahm sich vor, morgen ein ernstes Wort mit Georg Maschner zu sprechen. Georg war für den Reinigungstrupp im Untersuchungstrakt von der JVA zuständig. Und Herbie, als einer von drei stellvertretenden Leitern der Wachmannschaft, hatte das Recht, ihn auf Fehler hinzuweisen. Weiß Gott, das hatte er.

    Herbie versuchte, die Spinne und ihr Netz zu ignorieren. Über die Köpfe der beiden Männer am Besuchertisch hinweg betrachtete er das Muster des abbröckelnden Kalks neben der gegenüberliegenden Tür. Die Tür, durch die Besucher diesen Raum zu betreten pflegten.

    Bald jedoch schweifte sein Blick zurück zur Spinne. Wie still sie da in ihrem Netz hing.

    Haben doch was Gefährliches, die Viecher, dachte Herbie. Lauern, bis irgend so ’ne arme Mücke oder ’ne Fliege kleben bleibt …

    Der Gedanke lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen der beiden Männer am Besuchertisch. Auf den Kleinen mit dem schütteren Haarkranz. Er trug eine graue Strickjacke über dem blauem Hemd.

    Herbie beachtete die beiden Männer kaum. Jedenfalls tat er so, als würde er sie nicht beachten. Ein guter Wachmann sollte wie Luft sein, wenn ein Gefangener sich im Besucherraum mit seinen Angehörigen traf. Oder mit seinem Anwalt, wie in diesem Fall.

    Und Herbie beherrschte diese Kunst perfekt – die Kunst, nicht anwesend zu sein, obwohl er doch mit auf dem Rücken verschränkten Armen und gleichgültiger Miene neben der Tür zum Zellentrakt stand.

    Natürlich bekam er jedes Wort mit, was an dem kahlen Tisch dort in der Mitte des Raums, vier Schritte von ihm entfernt, geredet wurde. Und er hatte gelernt, aus den Augenwinkeln wahrzunehmen, die Dinge zu beobachten, die sich am Rande seines Gesichtsfelds abspielten. So wie es die Indianer machten. Oder gemacht hatten. Auch diese Fähigkeit fand Herbie ziemlich gut an sich selbst.

    Der Kleine mit dem schütteren Haarkranz zum Beispiel, also Brokuwitz – der saß da, als hätte er eine Gesichtslähmung, als wäre er aus Gips. Er spielte nicht mit den Fingern, er wippte nicht mit den Füßen, er kaute nicht an der Unterlippe, er zuckte nicht mit Brauen und Mundwinkeln. Wie eine Gipsfigur, ganz im Ernst!

    Nur manchmal, wenn der andere – sein Anwalt – sich über den Tisch beugte und seiner Stimme eine besonders eindringliche Färbung zu verleihen versuchte, deutete Brokuwitz ein Nicken an. Und seine Lider schoben sich langsam über seine schmalen Augen. Und zwar ganz besonders langsam. So langsam, wie Herbie das schon bei Schildkröten oder Krokodilen gesehen hatte.

    Ja, ja, solche Sachen fielen Herbie auf, während er die Muster des abgeblätterten Putzes zu studieren schien.

    Oder der windige Bursche in seinem teuren Anzug – Nico Brokuwitz’ Anwalt: Wie er sich hin und her bog, während er sprach, wie seine Arme in die Luft über seinen Kopf fuhren, als würde er die Worte dort fangen müssen, die er sagen wollte.

    Außerdem hatte er mal wieder einen Schmiss im Gesicht, einen ziemlich blutigen sogar. Heute unter dem linken Nasenflügel. Herbie fragte sich, warum so ein Mann sich unbedingt nass rasieren musste. Natürlich – manche Frauen standen darauf. Aber wer es nicht konnte, sollte sich seiner Meinung nach einen anständigen Trockenrasierer zulegen.

    Das waren so die Sachen, die Herbie durch den Kopf gingen, und die er beobachtete, wenn er Dienst im Besucherraum hatte -abgesehen von Dreck, Schäden im Verputz und Spinnennetzen.

    Die beiden Männer sprachen natürlich über den Prozess morgen. Über was sonst? Eigentlich sprach nur der Anwalt. Er schärfte Brokuwitz ein, nur das Allernötigste zu sagen und alles ihm zu überlassen. Und er versicherte Brokuwitz, dass er nichts zu befürchten hatte.

    Herbie hoffte sehr, dass Brokuwitz’ Anwalt – er hieß übrigens Grieger, Roger Grieger – sich in dieser Hinsicht täuschte. Der Wachmann selbst nämlich hielt den kleinen Mann mit dem Pokerface für einen gefährlichen Verbrecher. So harmlos er auch wirkte – Herbie traute ihm nicht für einen Cent über dem Weg. Und die Spinne, dort so reglos in ihrem Netz, wirkte sie nicht auch verdammt harmlos?

    Vor kurzem hatten sie hier in der JVA den Massenmörder Jonas Bentner ,einquartiert‘. Ein absolut skrupelloser Killer war das gewesen, und trotzdem hatte er in den Medien so überzeugend den geläuterten, bußwilligen Sünder gespielt, dass die Leute gegen das Urteils – lebenslänglich - demonstriert hatten.

    Hatte Bentner jedoch nichts geholfen, und vielleicht würde man auch Brokuwitz drankriegen, denn ein Unschuldslamm war der auch nicht.

    Irgendwann erhob sich der Anwalt. »Bis morgen, Nico.«

    Auch Brokuwitz erhob sich. Beide reichten sich die Hände.

    »Wir stehen das durch, Nico, glaub mir – wir stehen das durch.«

    Brokuwitz’ Lider rutschten über die Augäpfel, und er nickte, sonst keine Reaktion.

    Herbie öffnete die Tür zum Zellentrakt, Brokuwitz ging an ihm vorbei. Keines Blickes würdigte er den Wachmann.

    Herbie fand das, gelinde gesagt, arrogant. Immerhin war das Treffen mit dem Anwalt nur durch eine Sondergenehmigung zustande gekommen. Unterredungen mit dem Anwalt kurz vor Mitternacht – wo gab′s denn so was?

    Es ging durch ein Gittertor. Dahinter warteten Billy und Albert, ebenfalls Vollzugsbeamte in der JVA - Untergebene von Herbie.

    »Gefangener Brokuwitz nach Zelle zwo-eins-sieben.« Herbie sagte nicht »zweihundertsiebzehn«, er sagte »zwo-eins-sieben«. Die Formulierung war ihm wichtig. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie Missverständnisse von vornherein ausschloss.

    Die beiden Wächter flankierten den schmächtigen Brokuwitz und fassten seine Arme. Sie führten ihn zu der vergitterten Schleuse dreißig Schritte weiter. Und durch sie hindurch in den Zellentrakt des Untersuchungsgefängnisses der JVA. Und durch den Untersuchungstrakt über eine Stahltreppe hinauf in das zweite Obergeschoss zu Zelle 217.

    Herbie folgte ihnen. Nicht, dass das zu seinen Pflichten gehört hätte. Aber wie gesagt: Er war einer der drei Stellvertreter des für diesen Trakt zuständigen Chefwachmanns. Und schon in seiner Zeit als Polizist im Fünften Revier war er für seine Gewissenhaftigkeit bekannt gewesen. Beziehungsweise berüchtigt.

    Jedenfalls verschaffte es ihm eine gewisse Befriedigung, als die Zellentür hinter Brokuwitz ins Schloss fiel und Albert den Schlüssel herumdrehte. Albert Bergmann – ebenfalls ein ausrangierter Polizist wie Herbie, nur war Albert Polizeimeister, während Herbie als Polizeihauptmeister vom Hamburger Polizeikommissariat zur JVA gewechselt hatte.

    Herbie spähte durch die Klappe in die Zelle hinein. Brokuwitz stand am Waschbecken und drückte Zahnpasta auf seine Zahnbürste.

    »Mach das morgen, Brokuwitz«, rief Herbert. »Wir drehen dir jetzt das Licht aus.«

    Brokuwitz begann sich die Zähne zu bürsten. Dabei schlenderte er langsam zur Zellentür. So nah, dass sein Gesicht schließlich Herbies Blickfeld ausfüllte. Er stocherte in seinem Mund herum und schien Herbie dabei gelangweilt anzuschauen. Herbie hatte den Eindruck, der Mann würde ihn fixieren.

    Seine Augen waren von einem wässrigen Grau. Herbie hatte einen Großonkel in Norderstedt drüben. Der trug ein Glasauge auf der linken Seite. Ebenfalls grau. Wesentlich lebendiger als dieses Glasauge sahen auch Brokuwitz’ Augen nicht aus.

    »Wie du meinst – dann musst du dir das Gebiss eben im Dunkeln schrubben.«

    Unentwegt glotzten ihn die Glasaugen an. Herbie nahm sich vor, zu Hause im Lexikon nachzulesen, was Spinnen für Augen hatten. Er wusste es

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