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Krimi Sommer Paket 2020: Angesagte Morde: 1307 Seiten Thriller Spannung
Krimi Sommer Paket 2020: Angesagte Morde: 1307 Seiten Thriller Spannung
Krimi Sommer Paket 2020: Angesagte Morde: 1307 Seiten Thriller Spannung
eBook1.703 Seiten18 Stunden

Krimi Sommer Paket 2020: Angesagte Morde: 1307 Seiten Thriller Spannung

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Über dieses E-Book

Krimi Sommer Paket 2020: Angesagte Morde: 1307 Seiten Thriller Spannung

Krimis von Alfred Bekker & Thomas West

Krimis der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre.

Mal provinziell, mal urban. Und immer anders, als man zuerst denkt.

Gesamtumfang: 1307 Taschenbuchseiten

Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Thomas West: Mord mit Ansage

Thomas West: Dunkle Schatten auf weißer Weste

Alfred Bekker: Kubinke und der verschwundene Flüchtling

Alfred Bekker: Der Hurenmörder von Berlin

Alfred Bekker: Mord am East River

Alfred Bekker: Tuch und Tod

Alfred Bekker mit M. Munsonius: Die toten Augen von Schmilka

Alfred Bekker mit Rupert Bauer: Passauer Mords-Dessert

Alfred Bekker: Nach all den Jahren

Alfred Bekker: Ein Hai im Swimming-Pool

Alfred Bekker mit M.Munsonius: Killer im Käfig

Alfred Bekker: Die schlesische Zeitmaschine

Alfred Bekker mit W. A. Hary: Treffpunkt Hölle

Alfred Bekker: Der Satansbraten

Alfred Bekker: Ein Mann für besondere Aufträge

Alfred Bekker: Kein Grund zum Feiern

Alfred Bekker: Der perfekte Coup

Alfred Bekker: Der Juwelen-Coup

Alfred Bekker: In der Falle

Alfred Bekker: Robbies Coup

Alfred Bekker: Der Safe des Country Sängers

Alfred Bekker: Der Motorrad-Mörder

Alfred Bekker: Der Barbier von Lloret de Mar

Alfred Bekker: Das Mörderschiff

Alfred Bekker: Wer killte den Zahnarzt?

Alfred Bekker: Der Pförtner sah den Mörder

Alfred Bekker: Tote Zeugen reden nicht

Alfred Bekker: Wann starb Joe Brodkey?

Alfred Bekker: Amok-Wahn

Alfred Bekker: Bilder eines Mordes

Alfred Bekker: Die Tour des Mörders

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Titelbild: Steve Mayer

SpracheDeutsch
HerausgeberAlfred Bekker
Erscheinungsdatum29. Feb. 2020
ISBN9781393832430
Krimi Sommer Paket 2020: Angesagte Morde: 1307 Seiten Thriller Spannung
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Krimi Sommer Paket 2020 - Alfred Bekker

    Krimi Sommer Paket 2020: Angesagte Morde: 1307 Seiten Thriller Spannung

    Krimis von Alfred Bekker & Thomas West

    KRIMIS DER SONDERKLASSE - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre.

    Mal provinziell, mal urban. Und immer anders, als man zuerst denkt.

    Gesamtumfang: 1307 Taschenbuchseiten

    Dieses Buch enthält folgende Krimis:

    Thomas West: Mord mit Ansage

    Thomas West: Dunkle Schatten auf weißer Weste

    Alfred Bekker: Kubinke und der verschwundene Flüchtling

    Alfred Bekker: Der Hurenmörder von Berlin

    Alfred Bekker: Mord am East River

    Alfred Bekker: Tuch und Tod

    Alfred Bekker mit M. Munsonius: Die toten Augen von Schmilka

    Alfred Bekker mit Rupert Bauer: Passauer Mords-Dessert

    Alfred Bekker: Nach all den Jahren

    Alfred Bekker: Ein Hai im Swimming-Pool

    Alfred Bekker mit M.Munsonius: Killer im Käfig

    Alfred Bekker: Die schlesische Zeitmaschine

    Alfred Bekker mit W. A. Hary: Treffpunkt Hölle

    Alfred Bekker: Der Satansbraten

    Alfred Bekker: Ein Mann für besondere Aufträge

    Alfred Bekker: Kein Grund zum Feiern

    Alfred Bekker: Der perfekte Coup

    Alfred Bekker: Der Juwelen-Coup

    Alfred Bekker: In der Falle

    Alfred Bekker: Robbies Coup

    Alfred Bekker: Der Safe des Country Sängers

    Alfred Bekker: Der Motorrad-Mörder

    Alfred Bekker: Der Barbier von Lloret de Mar

    Alfred Bekker: Das Mörderschiff

    Alfred Bekker: Wer killte den Zahnarzt?

    Alfred Bekker: Der Pförtner sah den Mörder

    Alfred Bekker: Tote Zeugen reden nicht

    Alfred Bekker: Wann starb Joe Brodkey?

    Alfred Bekker: Amok-Wahn

    Alfred Bekker: Bilder eines Mordes

    Alfred Bekker: Die Tour des Mörders

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Titelbild: Steve Mayer

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Mord mit Ansage

    Krimi von Thomas West

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 115 Taschenbuchseiten.

    In letzter Sekunde wird ein Mörder auf dem elektrischen Stuhl begnadigt. Das ist der Auftakt zu einer beispiellosen Hetzjagd auf Menschen, die nicht der Norm entsprechen. Unliebsame Ärzte, Schwule, Journalisten werden getötet– sogar ein Gouverneur soll sterben. Wer sind die Elias-Ranger, die im Namen einer fehlgeleiteten Ideologie Morde begehen? Trevellian und Tucker bekommen es mit Leuten zu tun, für die nur ein Gesetz gilt: Ihr eigenes.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1

    Zu zweit schoben sie ihn in den Raum hinein. Ein kahler Raum. Leer bis auf eine schmale, im Kachelboden verankerte Bahre und eben den Stuhl.

    Über dem Stuhl, an der weißen Kachelwand, eine große Uhr. Zwölf vor zwölf. Kevin starrte sie an, als hätte er nie zuvor eine Uhr gesehen. Deine Zeit ist um, schien sie im sagen zu wollen.

    „Komm schon, Kevin.‟ Dean Lowell, rechts neben ihm, wollte ihn zum Stuhl ziehen. Doch Kevin blieb stehen. Seine Beine gehorchten ihm einfach nicht mehr. Sein ungläubiger Blick hing an dem schwarzen, klobigen Stuhl. Wie ein Thron beherrschte er den kahlen Raum. Ein Thron des Todes.

    Er ruhte auf einem niedrigen, knapp  einem Quadratmeter großen Podest. Arm-, Bein- und Brustgurte waren aufgeklappt, das Holz und das Leder der Gurte und des Kopfpolsters glänzten. Sie hatten den Thron sorgfältig geputzt und vorbereitet. Für ihn.

    Sechs Schritte trennten Kevin von dem schwarzen Thron. Die letzten sechs Schritte seines Lebens.

    Kevin zog die Schultern hoch, sein Körper spannte sich an, sein Fuß wollte sich nicht vom Kachelboden lösen. Der Mann links von ihm, Jimmy Rice, räusperte sich.

    „Es ist Zeit, Kevin, komm jetzt.‟ Genau wie Dean sprach er leise und heiser. Als ständen sie am Bett eines Sterbenden.

    Zeit – Kevins Knie begannen zu schlottern. Unwillkürlich wanderten seine Augen vom Kopfpolster des Todesthrones über die Kachelwand hinauf zur Uhr. Elf Minuten vor Mitternacht.

    Es ist Zeit – Zeit für den Augenblick, den er sich während neun langer Jahre in seiner Zelle tausendmal ausgemalt hatte. Zeit für den Augenblick, gegen den er neun Jahre lang mit allen juristischen Mitteln gekämpft hatte. Vergeblich. Jetzt gab es kein Ausweichen mehr.

    Der Druck der Hände auf seinen Oberarmen verstärkte sich. Dean und Jimmy zogen ihn mit Gewalt zum Stuhl. Eine Faust schien ihm von innen gegen das Brustbein zu hämmern, immer heftiger, immer schneller.

    Er stemmte sich gegen den Kachelboden, warf seinen Oberkörper nach hinten, versuchte, sich dem festen Griff der beiden Vollzugsbeamten zu entwinden.

    „Sei vernünftig, Kevin!‟, zischte Dean mit zusammengepressten Zähnen. „Es ist, wie es ist ...‟

    Seine Beine schienen plötzlich unter Strom zu stehen. Alles summte, alles vibrierte. Seine Muskulatur verkrampfte sich, seine Kehle schwoll zu, seine Augen weiteten sich und füllten sich mit Wasser.

    Er bog den Kopf zurück, drehte ihn über die Schulter und schrie: „Ich war’s nicht!‟ Hinter der Glasfront in der Wand gegenüber des Stuhles sah er Menschen. Stocksteif saßen sie da. Er erkannte seine Mutter, er erkannte seinen Anwalt, er erkannte Leute, die er vor neun Jahren während des Prozesses gesehen hatte – Lilian Browns Verwandte und Freunde.

    „Ich war’s nicht, Mom!‟, brüllte er. „Ich war’s nicht, Mrs. Brown! Ich war’s nicht Mr. Brown!‟

    „Reiß dich zusammen, Kevin!‟ Dean und Jimmy zerrten ihn mit Gewalt zum Stuhl. Zwei weitere Männer eilten aus der Tür zum Todestrakt in den Raum und packten seine Beine. Zu viert drückten sie ihn in den Stuhl hinein.

    „Ich bin unschuldig ...‟, krächzte er. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. „Ich hab sie nicht getötet ...‟ Er heulte wie ein kleiner Junge.

    Einer stand hinter ihm und zog den Brustgurt zu, zwei knieten vor dem Thron und schnallten seine Beine fest. Dean beugte sich von der Seite über ihn und drückte seine Arme gegen die Armlehnen. „Ruhig, Kevin, ganz ruhig, gleich hast du′s geschafft ...‟

    Kevins Schließmuskel versagte, der Schritt seiner Hose zog sich mit warmer Flüssigkeit voll, Uringestank mischte sich in den Geruch seines Angstschweißes. Er starrte den Wärter an, wollte etwas sagen, aber nur noch ein Krächzen löste sich aus seiner Kehle.

    Seine Arme wurden festgeschnallt, jemand stülpte ihm von hinten die Maske über den Kopf. Es wurde dunkel. Aus, vorbei ...

    2

    Arthur Sheridan seufzte tief. Er blickte zum Telefon.

    „Überleg dir gut, was du tust, Archie.‟ Ernest Godell stieß seinen kurzen, massigen Körper aus dem Ledersessel heraus. In kleinen, raschen Schritten tippelte er von der Konferenzecke des riesigen Büros zum schwarzen Schreibtisch des Gouverneurs. Er steckte seine Zigarre in den Mund und stützte seine fleischigen Fäuste auf die Schreibtischplatte. Die kleinen Augen unter seinen kurzen, buschigen Brauen funkelten gefährlich. „Überleg es dir sehr gut.‟

    Sheridans Blick wanderte zu der in Elfenbein gefassten Standuhr an der rechten Ecke seines Schreibtisches. „Neun Minuten vor Mitternacht‟, sagte er mit rollendem Bass. „Es bleibt keine Zeit mehr, sich noch irgendetwas zu überlegen. Eine Entscheidung ist gefragt. Und ich hab mich entschieden.‟

    Er wies auf die Papiere vor sich auf dem Schreibtisch. Das Gnadengesuch Kevin McMillans. Und die Akten des Prozesses im Mordfall Lilian Brown. Sheridan hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht.

    Godall, Sheridans Freund und politischer Berater, stieß sich vom Schreibtisch ab, nahm seine Zigarre aus dem Mund. „Du machst einen Fehler, Archie, glaub es mir. Der Prozess hat die Gemüter erregt damals. Und nicht nur bei uns in Virginia. Und in den letzten Wochen hat die Presse den Fall noch einmal breitgetreten.‟ Langsam schaukelte Godall zurück zur Konferenzecke. „Die Bürger von Virginia wollen McMillan sterben sehen.‟

    „Die Presse hat auch den Fall von Bill Henning breitgetreten‟, entgegnete Sheridan unwirsch. „Dreizehn Jahre in der Todeszelle von Greensville. Ich hab ihn nicht begnadigt.‟ Er schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. „Und seit sechs Wochen wissen wir, dass wir einen Unschuldigen auf den elektrischen Stuhl geschickt haben ...‟

    „Mit diesem Risiko müssen wir leben‟, schnitt Godell ihm das Wort ab. „Verdammt, Archie!‟ Der Dicke fuhr herum. „Kapierst du nicht, oder willst du nicht kapieren?! Ein Gouverneur, der einen zum Tode verurteilten Mörder begnadigt, gilt in politischen Kreisen als Weichei! Wenn du in vier Jahren Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden willst, darfst du dir so etwas nicht erlauben!‟

    Ein Zeitlang sahen sie sich schweigend an. Dann wanderte Sheridans Blick wieder zu seiner Elfenbeinuhr. Sieben Minuten vor zwölf. Er griff zum Telefon. Godell eilte zum Schreibtisch und legte seine Hand ebenfalls auf den Hörer.

    „Der Gnadenausschuss hat das Gesuch abgelehnt‟, sagte er eindringlich. „Man hat dir empfohlen, den Kerl nicht zu begnadigen ...!‟

    „Der Gnadenausschuss hat mir noch nie etwas anderes empfohlen, seit es ihn gibt.‟ Sheridan schob die Hand seines Freundes vom Telefon weg. „Ich hab mir den ganzen Sonntag um die Ohren gehauen, um mir die Prozessakten anzusehen.‟

    „Das hat der Gnadenausschuss auch getan‟, knurrte Godell.

    „Es war ein Indizienprozess! Die Sache ist mir zu unsicher!‟

    „McMillans Anwalt konnte die Unschuld des Kerls nicht beweisen ...!‟

    „Ich hab ein schlechtes Gefühl!‟ Die Männer wurden lauter. „Bei Bill Henning hatte ich auch ein schlechtes Gefühl! Ich hab mir geschworen, nie wieder gegen mein Gefühl zu handeln!‟

    Endlich nahm er den Hörer ab. „Geben Sie mir die Todeszelle von Greensville ...‟

    3

    Das Bild stand neben dem Monitor. Es war schwarz gerahmt und etwa so groß wie ein durchschnittliches Buch. Es zeigte eine junge Frau Anfang zwanzig.

    Erst als seine Finger das kalte Glas spürten, merkte George Tronder, dass seine Hand wie von selbst zu dem Bild gewandert war. Er riss seine Augen vom Monitor los und blickte das Foto an.

    Die junge Frau musste in einem sehr glücklichen Augenblick fotografiert worden sein. Ihre Züge wirkten entspannt, ihre Augen strahlten, und sie lächelte. Tronders Miene verhärtete sich noch mehr. Seine Lippen wurden schmal und farblos, und unter der faltigen Haut seines Halses tanzte sein Adamsapfel auf und ab.

    Tronder war ein Mann von Anfang sechzig – nicht besonders groß, aber von kräftigem, muskulösem Körperbau. Das graue, sehr kurzgeschnittene Haar zog sich wie eine Bürste über seinen breiten Schädel. Seine wässrig-blauen Augen lagen tief in den Höhlen unter dichten, struppigen Brauen.

    Er trug einen nicht mehr ganz neuen Kampfanzug. Die Streifen auf den Schultern wiesen ihn als Captain der US-Army aus. Ein Barett lag neben der Tastatur. Zur Feier des Tages hatte er sich seine Orden an die Brust geheftet.

    Sein Blick löste sich vom Bild der jungen Frau und hefteten sich wieder auf den Monitor. Sie hatten dem Kerl jetzt die Maske übergestülpt und die Gurte um Beine, Arme und Brust festgezurrt. Die große Uhr an der Kachelwand hinter Old Sparky stand auf fünf Minuten vor zwölf.

    „Noch fünf Minuten, dann haben wir den dreizehnten Mai‟, murmelte Tronder. Er nahm das Bild seiner Tochter und stellte es hinter die Tastatur. So, dass die junge Frau in den Monitor hinein lächelte. „In fünf Minuten hast du Geburtstag, Kathy.‟

    Jetzt stülpten sie dem Mann die Kopfmaske über. „Stirb langsam, du Sauhund‟, knurrte er. „Ganz langsam sollst du sterben ...‟

    Erst vor zwei Wochen hatte er sich eine PC-Karte für den Internetzugang angeschafft. Sofort, nachdem er in der Zeitung gelesen hatte, dass die Hinrichtung von Kevin McMillan live aus dem Gefängnis von Greensville, Virginia übertragen werden sollte. Im Internet.

    Er beugte sich vor. Nichts sollte ihm entgehen – jede Zuckung, jedes Aufbäumen des Mannes auf Old Sparky wollte er genießen. „Endlich schicken sie wieder einen dieser Mistkerle in die Hölle, Kathy‟, murmelte er. „Ein schönes Geburtstagsgeschenk für dich, mein Täubchen ...‟

    Die vier Vollzugsbeamten traten zurück und verschwanden aus dem Bereich der Kamera. Nur noch Old Sparky, die große Uhr an der Kachelwand und den festgeschnallten McMillan konnte man jetzt noch auf dem Monitor sehen. Tronders maskenhafte Miene verzog sich zu einem hässlichen Feixen, als er die schlotternden Knie des Todeskandidaten bemerkte.

    Das Bild zog Tronder vollständig in den Bann. Seine Finger ballten sich zu Fäusten, öffneten sich wieder, rieben sich aneinander und schlossen sich erneut zu Fäusten. Seine starren Augen hingen an dem zum Sterben verurteilten Frauenmörder.

    Sekunden verstrichen. Eine ganze Minute sogar, und länger. Der schwarze Zeiger der Uhr an der Kachelwand bewegte sich ruckartig – drei Minuten vor Mitternacht.

    Nichts geschah.

    Plötzlich erschienen die Vollzugsbeamten wieder im Bild. Sie schnallten McMillan los und zogen ihm die Maske vom Kopf. Man konnte die weit aufgerissenen Augen des Todeskandidaten sehen. Ungläubig starrte er die Männer rechts und links von sich an.

    Einer beugte sich zu ihm hinunter, um ihm etwas zu sagen. Eine Mischung aus Schmerz und Lachen flog über McMillans Züge. Er sah aus, als sei er wahnsinnig geworden. Er schlug die Hände vors Gesicht und sackte auf Old Sparky zusammen ...

    Tronder saß wie erstarrt. Er konnte nicht glauben, was seine Augen doch ganz genau sahen. „Verfluchte Scheiße, was treiben die Idioten da ...‟ Kein Kommentar, keine Erklärung, gar nichts ...

    Seine Finger verkrampften sich um das Bild seiner Tochter. „Kapierst du das, Kathy, kapierst du das ...?‟

    Dann ein Schriftzug am unteren Rand des Bildschirms: Kevin McMillan in letzter Minute begnadigt ...

    Tronder schrie laut auf. Er warf sich in seinem Stuhl zurück. Fassungslos starrte er auf die Wand hinter dem Tisch, auf dem er Computer und Monitor aufgebaut hatte. Die amerikanische Flagge hing dort. Noch einmal schrie er.

    Er sprang auf, rannte in sein kleines Wohnzimmer, wo sein TV-Gerät stand. Mit zitternden Händen griff er nach der Fernbedienung. Er zappte sich durch die Kanäle, bis er einen Nachrichtensender fand.

    Endlich der Konterfei einer Nachrichtensprecherin. Tronder stellte lauter.

    „... der Gouverneur von Virginia, Arthur Sheridan, hat gleichsam in letzter Minute dem Gnadengesuch des wegen Mordes und Vergewaltigung zum Tode verurteilten Kevin McMillan stattgegeben. Der dreiundzwanzigjährige McMillan sollte heute, am zwölften Mai, um Mitternacht im Todestrakt von Greensville, Virginia, auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden. Wie aus der Internet-Übertragung der Hinrichtung ersichtlich wurde, saß McMillan bereits auf ...‟

    Tronder hörte nicht mehr zu. Er drehte sich um und ging zum Telefontisch. Dort ließ er sich in einen Sessel fallen. Minutenlang hockte er regungslos da. Irgendwann steckte er sich einen Zigarillo zwischen die Lippen und zündete sie an.

    Ein paar Züge rauchte er, bevor er zum Telefonhörer griff. Er wählte eine New Yorker Nummer. „Ich bin′s, George‟, sagte er mit müder, schleppender Stimme. „Habt ihr′s gehört?‟

    „Ja.‟ Eine Frauenstimme war am anderen Ende der Leitung.

    „Gut.‟ Er blies den Rauch seines Zigarillos in Richtung Fernsehgerät. Auf der Mattscheibe sah er eine Traube von Reportern vor dem Regierungssitz des Gouverneurs. Mit Kameras und Mikrofonen bewaffnet drängten sie sich um einen großen, weißhaarigen Mann. Arthur Sheridan.

    „Schick die nächste Sendung Briefe hinaus‟, knurrte Tronder. „Wir schlagen los ...‟

    4

    Es war an einem Freitagabend Ende Juni. Was heißt Abend – Mitternacht war lange vorbei, und eine Menge Nachtschwärmer sammelten sich an der Theke und um die Tische der kleinen Bar in SoHo. Seit zwei Stunden saß ich dort.

    Ich weiß nicht mehr, was mich an diesem Frühsommerabend nach SoHo verschlagen hatte. Ich weiß nur noch, dass die Bar Café Carré hieß, und dass ich allein war. Milo hatte sich damals einen Kurzurlaub gegönnt und war nach Hawaii gejettet.

    Ein Bürotag lag hinter mir. Ermittlungsberichte, Verhörprotokolle, umfangreiche Schreiben an die Staatsanwaltschaft – lauter ungemein aufregende Jobs, auf die ich so scharf war wie auf einen Zahnarzttermin. Erst gegen zehn hatte ich die Federal Plaza verlassen.

    Ein übler Fall war das, mit dem wir uns in den Wochen zuvor beschäftigen mussten. Wir hatten einen bundesweiten Ring von Sadisten auffliegen lassen. Pornohändler der übelsten Sorte. Sie hatten junge Mädchen umgarnt und zu Perversitäten gezwungen, die das Vorstellungsvermögen normaler Menschen überstiegen. Sogar Morde an den Mädchen hatten sie gefilmt und mit den Streifen Geschäfte gemacht.

    Den ganzen Juni über war die Verhaftungswelle durch verschiedene Bundesstaaten gerollt. Dutzende von Männern wanderten hinter Gitter. Äußerlich brave Bürger zumeist – Familienväter, Geschäftsleute und biedere Männer, denen man auf den ersten Blick nicht einmal eine Geschwindigkeitsübertretung zugetraut hätte.

    Die Beschäftigung mit den Verhörprotokollen und den Ermittlungsberichten hatte den Fall wieder auf meine innere Bühne geholt. Im Café Carré versuchte ich meinen Ekel herunterzuspülen. Mit dem einen oder anderen Bier.

    Der Mann hinter der Theke fiel mir auf. Er erinnerte mich an ein Gemälde, das mir in meiner Schulzeit begegnet war – ungarische Reiteroffiziere, die in der Schlacht von Austerlitz Bonapartes′ Regimenter angriffen.

    Wie einer dieser schnittigen Husaren sah der Wirt aus: Drahtig, nicht besonders groß, scharf geschnittenes, schmales Gesicht; akkurat gestyltes, dunkelblondes Haar und einen buschigen Schnauzer unter der geraden Nase.

    Je länger ich ihn beobachtete, desto beeindruckender fand ich den Mann – seine Hände flogen über die Theke, sammelten leere Gläser ein und knallten frisch gefüllte vor die Gäste. Die Art, wie er die Zapfhähne bediente, hatte etwas von der Präzision, mit der Marines ihre schweren automatischen Waffen bedienten.

    Jeder Handgriff saß, jeder Schritt schien tausendmal gemacht, die meisten Gäste an der Theke wurden mit Vornamen angesprochen, und seine Augen wanderten aufmerksam über die Tische.

    Als ein Betrunkener zu randalieren begann, verließ der Husarenkellner ohne zu zögern die Deckung seiner Theke und setzte den Mann an die frische Luft. Ich begriff, dass er die unumstrittene Autorität im Café Carré darstellte.

    Genauso zackig wie die Zapfhähne und die Spülbecken für die Gläser bediente er die Musikanlagen links neben dem Barregal. Lauter vertraute Töne der siebziger Jahren perlten aus den Boxen: Bob Dylans lakonisches Quäken, Mick Jaggers gierige Stimme, Joe Cockers selbstgefälliges Geschrei, Ginger Bakers Getrommel und Chris Reas melancholische Gitarrenläufe.

    Je länger ich an der Theke saß, desto besser gefiel mir der Laden – eine Kneipe wie ein Wohnzimmervorposten. Der Gedanke, endlich nach Hause zu gehen verflüchtigte sich, und ich bestellte noch ein Bier.

    Ein Mann kam herein – groß, blonder Lockenkopf, Body-Builder-Figur, mein Alter. Bereitwillig rückten die Leute zusammen und machten ihm Platz am Tresen.

    „Hi, Simon‟, begrüßte ihn der Husar hinter der Theke. „Wie geht′s so?‟ Auch diesen späten Gast schien er gut zu kennen.

    Ein paar Minuten später servierte er mir mein Bier. „Könnte es sein, dass Sie der Chef hier sind?‟, fragte ich.

    „So ist es, Sir – und Sie sind entweder Auftragskiller, Journalist oder Bulle.‟

    „Wie kommen Sie auf die Idee?‟ Ich verbarg meine Verblüffung, so gut es ging.

    „Die Art, wie Sie hier sitzen und beobachten‟, grinste er. „Sie gehören zu der Sorte, die jeden Mitesser entdecken.‟

    „Danke für das Kompliment‟, sagte ich. „Aber voll daneben – ich leite das Heim für minderjährige Mütter gleich um die Ecke. Doch da muss man auch ganz schön auf Draht sein.‟

    Wir kamen ins Plaudern, und ich erfuhr, dass der Mann zehn Jahre älter war, als er aussah: Sechsundfünfzig. Und dass er seit zwölf Jahren die kleine Bar in SoHo betrieb.

    Zu meiner Überraschung war er kein Manhattie. Auch kein Franzose, wie der Name der Bar mich einen Moment vermuten ließ. Und schon gar kein Ungar. Ein waschechter Deutscher stand vor mir. Die Liebe hatte ihn in jungen Jahren nach New York City getrieben. Er war eine Zeitlang mit einer Hotelbesitzerin aus Brooklyn verheiratet gewesen.

    Er gab mir einen Whisky aus. „Werner aus Düsseldorf, good old Germany‟, sagte er.

    „Jesse aus Harpers Village, Connecticut.‟ Ich stieß mit ihm an. Das Café Carré gefiel mir immer besser.

    Der Abend wurde lang. Und ein bisschen feuchter als geplant. Es muss so drei oder halb vier Uhr morgens gewesen sein, als ich mich mit Handschlag von Werner verabschiedete und in die laue Nacht hinaustrat.

    Natürlich war es noch stockdunkel, und abgesehen von einer fernen Patrol Car-Sirene herrschte Stille auf der nur mäßig beleuchteten Sullivan Street.

    Es war diese schwere Stille, die man nur in den letzten Stunden vor Sonnenaufgang spüren kann. Eine Stille, als hätte sich die Nachtluft über dem Big Apple mit den Träumen seiner Millionen Tiefschläfer vollgesogen.

    Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, mir ein Taxi zu rufen. Doch die Treue zu meinem neuen Sportwagen behielt die Oberhand. Ich brachte es nicht übers Herz, das gute Stück einsam und allein in SoHo zurückzulassen. Also schlenderte ich an der dunklen Fassade des Hauses entlang und bog dann in die Rundbogeneinfahrt zum Hinterhof ab. Dort gab es einen kleinen Parkplatz für Gäste des Café Carré.

    An einem der Hauswände hing eine alte Laterne. Eine jämmerliche Funzel, die kein nennenswertes Licht auf die beiden Parkreihen warf. Plötzlich meldete sich meine berühmte innere Stimme. Augen auf, Trevellian, schien sie unter meinem Zwerchfell zu raunen.

    Ein ungutes Gefühl fiel über mich her, noch bevor ich den Schatten neben meinem Sportwagen sah. Ich beschleunigte meinen Schritt.

    „Wenn Sie die Haustür suchen, probieren Sie es mal draußen auf der Straße!‟ Ich sprach laut. Vielleicht, um meine eigene Erregung zu dämpfen.

    „Oder klimpern Sie da mit einem Wagenschlüssel herum? Dann nehmen Sie eine der anderen Kisten.‟ Ich drängte mich durch die eng geparkten Wagen. „Ich bin ein bisschen empfindlich, was mein Auto betrifft ...‟

    Der Schatten bewegte sich nicht mehr. Und plötzlich war er verschwunden.

    Ich blieb stehen und lauschte. Das trübe Licht von der Hauswand hinter mir spiegelte sich im Lack einiger Autos vor mir. Sonst war es fast dunkel auf dem Hinterhof.

    Von irgendwoher meinte ich, das Rascheln von Stoff zu hören. Dann klatschten Schuhsohlen über Asphalt. Ehe ich mich umdrehen konnte, klemmte mir jemand von hinten einen Arm um den Hals. Ich wurde umgerissen. Drei, vier Gestalten tauchten plötzlich zwischen den parkenden Wagen auf.

    Ich rammte meinen Ellbogen gegen den Körper hinter mir. Für Sekunden lockerte sich der Schraubstock um meinen Arm. Ich griff nach meiner SIG. Doch im nächsten Augenblick packten Hände meine Arme und rissen sie zurück.

    Die dunkle Gestalt eines Mannes baute sich vor mir auf. Ich sah eine Lederjacke, ich sah langes Haar, ich sah ein junges, dunkelhäutiges Gesicht, und ich sah eine Klinge.

    Ohne nachzudenken rammte ich dem Kerl den Absatz in die Weichteile. Er taumelte zurück in die Dunkelheit. Doch schon stürmten an seiner Stelle zwei andere Burschen auf mich ein. Einer mit Messern bewaffnet, der andere schwang eine schwere Kette.

    Ich stieß mich vom Boden ab, warf mich nach hinten und riss Kerle, die mich festhielten, auf den Asphalt. Die Kette zischte über mir durch die Luft und knallte auf das Dach eines Wagens.

    Mit der rechten Handkante traf ich den zappelnden Burschen rechts neben mir am Kehlkopf, den links neben mir riss ich auf meinen Körper, knallte ihm die Stirn gegen die Nase und stemmte ihn mit beiden Beinen den anderen Angreifern entgegen.

    Jemand stöhnte, jemand stieß einen Schrei aus, die Kette klirrte, und menschliche Körper prallten gegen eine Karosserie. Blitzschnell war ich auf den Beinen und riss meine SIG Sauer heraus.

    Dann Scharren und Keuchen hinter mir. Ich wirbelte herum. Zwei Schatten stürmten auf mich ein. Der ganze Parkplatz schien voller Angreifer. Ich warf mich zur Seite und rutschte über eine Kühlerhaube.

    Im dämmrigen Licht der Hofleuchte die Konturen eines Mannes. Für Bruchteile einer Sekunde sah ich ihn vor der Hofeinfahrt stehen. Dann prallte ich auf der anderen Seite des Fahrzeuges hart auf den Asphalt. Meine Waffe rutschte unter den Wagen.

    Noch ein Angreifer? Ein Bargast, der in sein Auto steigen wollte? Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Schon bedrängten mich die Mistkerle wieder von zwei Seiten.

    Ich trat aus, ich schlug um mich, ich brüllte wie ein angeschossener Bär. Zwei, drei gingen zu Boden. Aber immer noch hörte ich das Klirren der Kette, immer noch sah ich Messerklingen funkeln. Es waren einfach zu viele, die mir ans Leben wollten. Sechs oder sieben Männer, schätzte ich.

    Ein Totschläger erwischte mich am Nacken, die Kette knallte mir schmerzhaft gegen den Brustkorb, einem Angreifer gelang es, von hinten sich an meiner Hüfte festzuklammern.

    Die Kerle, die von vorn auf mich losgingen, konnte ich mit Fäusten und Beinen abwehren, und glücklicherweise ließ der schmale Abstand zwischen den parkenden Fahrzeugen keinen Platz für mehr als höchstens zwei Angreifer. Aber zwei Angreifer von vorn und hinten, sind eben doch vier – irgendwie schafften es die Burschen, ein zweites Mal nach hinten wegzuzerren und aufs Kreuz zu legen.

    Ich machte mir nichts vor: Ich hatte es mit irgendeiner Jugendgang zu tun. Und eine Jugendgang im Big Apple ist keine altmodische Rockerbande, die sich mit ein paar gebrochenen Knochen und ausgeschlagenen Zähnen begnügt. Diese Jugendgangs aus entwurzelten Straßenkids haben etwas von Hyänen. Sie beißen erbarmungslos zu. Auf einen Mord mehr oder weniger kommt es für diese Leute nicht an.

    Mit der Verbissenheit eines Mannes, der mit dem Rücken zur Wand stand, kämpfte ich um mein Leben.

    Ich lag zwischen zwei Karossen auf dem Asphalt. Meine Fäuste wehrten Schläge von hinten ab. Mein Ellbogen traktierte einen Mann, der mich zu würgen versuchte. Mit den Beinen trat ich gegen den Ketten schwingenden Langhaarigen aus. Ich glaube, ich hab die ganze Zeit gebrüllt.

    „Verfluchtes Pack!‟, röhrte plötzlich eine Männerstimme hinter mir. Ich hörte einen dumpfen Schlag, die Schläge von hinten hörten auf. „Verpisst euch! Oder ich brech euch alle Knochen ...!‟ Die würgenden Hände lösten sich von meinem Hals, der Bursche, dem sie gehörten, wurde nach hinten weggerissen, etwas knallte heftig gegen Blech.

    Ich sprang auf und warf mich den Angreifern vor mir entgegen. Die Kette wischte mir hart über den Schädel. Für Augenblicke sah ich schwarz. Fast blind packte ich zu und bekam das kalte Metall zu fassen.

    Sekunden später lag ich auf dem Langhaarigen und zog die Kette um seine Kehle zu. Mit der Stirn rammte ich seinen Schädel gegen den Asphalt. Wieder und wieder, bis sein Körper unter mir erschlaffte ...

    Etwa vier Minuten später Sirenen. Ein Streifenwagen fegte durch die Hofeinfahrt. Ein zweiter bremste mit blinkendem Rotlicht davor auf der Sullivan Street.

    Wagentüren wurde aufgestoßen, Stiefelsohlen knallten über den Asphalt. „Waffen weg, oder es knallt!‟ Ich sah zwei Cops mit gezogenen Dienstwaffen, ich sah einen großen Mann nicht weit von mir neben einem bewusstlosen Angreifer. Einen zweiten hielt er im Schwitzkasten umklammert. Und ich wusste: Die Sache ist ausgestanden.

    Drei der Kerle konnten über eine Mauer und den angrenzenden Innenhof entkommen. Vier wurden in Handschellen abgeführt. Alles Mitglieder ein Jugendgang.

    Ich stand dem Mann gegenüber, der mir zur Hilfe gekommen war. Groß, blonde Locken, Körpermaße eines Schwerathleten – der Mann, den Werner im Café Carré mit Simon angeredet hatte.

    „In Manhattan schaut man normalerweise weg, statt Ärger zu riskieren.‟ Ich drückte ihm die Hand. „Danke, Simon.‟

    „Nicht nur in Manhattan‟, sagte er, und: „Aber kein Problem, Jesse. Manchmal muss man einfach Farbe bekennen.‟

    „Du hast ganz schön zugelangt‟, sagte ich anerkennend.

    „Fast so gründlich wie du.‟ Sein Grinsen wirkte etwas verlegen. „Man tut halt, was man kann.‟

    Auf den Schrecken gönnten wir uns noch einen Whisky im Café Carré. Werner, der Wirt aus good old Germany, ließ sich die Schlägerei auf seinem Parkplatz in allen Einzelheiten schildern.

    Vielleicht hatte mir der blonde Mann damals das Leben gerettet. Wer weiß ...? Simon war unwesentlich jünger als ich. Er hatte eine kleine Softwarefirma in Brooklyn.

    Das erste Morgenlicht fiel in die Straßenschluchten von Manhattan, als wir uns trennten. Knapp drei Wochen später sollten wir uns wieder begegnen ...

    5

    Fühlt man es, wenn der Tod vor der Tür steht? Fühlt man es an dem Tag, wenn man zum letzten Mal aufsteht?

    Vincent Greeley hatte sich das oft gefragt. Zum ersten Mal, als er während des Medizinstudiums sein Anatomie-Seminar absolvierte und wochenlang nur Leichen sezierte.

    Und in den Jahren danach immer öfter – während seiner Zeit als Assistenzarzt im Beekman Downtown Hospital, wenn er an Betten von Krebskranken stand, und in den Jahren als Oberarzt der gynäkologischen Abteilung des Saint Luke′s Hospital Center′s, angesichts der Frauen, für die er nichts mehr tun konnte.

    An jenem Julimorgen kam er nicht dazu, sich diese Frage zu stellen. Sein Wecker versagte, und es war bereits nach acht Uhr, als er aus den Federn sprang. Seine Frau Wanda und er waren in der Nacht zuvor auf einer Party versumpft.

    Nach zwei Tassen Kaffee und einem hastig hinunter geschlungenen Sandwich küsste er seine Frau und seine drei Kinder und lief in die Garage seines Einfamilienhauses. Schon hinter dem Steuer seines weißen Saab zündete er sich seine erste Zigarette an. Danach betätigte er die Fernsteuerung für das Hubtor und startete den Motor.

    Langsam rollte sein Wagen durch das Wohnviertel im Nordwesten Queens. Im Rückspiegel sah er wohl den schwarzen Mercury, aber er schenkte ihm keine Beachtung.

    Auf dem Northern Withestone Expressway erwischte ihn die Rushhour. Eine halbe Stunde lang schob ihn die Blechlawine durch Jackson Heights bis nach Long Island City. Von dort aus ging es ein wenig schneller.

    Gegen neun überquerte er den East River auf der Queensboro Bridge, und kurz vor halb zehn parkte er am Straßenrand vor einem vierstöckigen, Backsteinhaus in der dreißigsten Straße, nicht weit vom New York University Medical Center. Mehr als eine halbe Stunde später als sonst.

    Der schwarze Mercury rollte an ihm vorbei und bog in die Third Avenue ein. Er fiel dem Arzt noch immer nicht auf.

    Er stieg aus und hastete zur Haustür. Dr. Vincent Greeley, Frauenarzt, verkündete ein großes, weißes Schild an der Hausfassade. Vor fünf Jahren hatte er die Praxis in der East Village eröffnet. Sie lief gut. Anders als viele Kollegen konnte Greeley sich nicht über Arbeitsmangel beklagen. Von Anfang an nicht.

    Der hochgewachsene, etwas dürre Mann mit dem vollen, dunklen Haar, den immer wachen, grauen Augen und der etwas linkischen Art, in der er seine langen Glieder bewegte, hatte sich schnell den Ruf eines einfühlsamen und gewissenhaften Arztes erworben.

    Freilich auch den eines eher Liberalen, was gewisse Eingriffe betraf. Aber selbst dieser Ruf hatte im Lauf der fünf Jahre eher dazu beigetragen, sein Wartezimmer zu füllen.

    Seine beiden Assistentinnen begrüßten ihn höflich wie immer, aber ihre leicht hochgezogenen Brauen gaben ihm zu verstehen, dass sie ihn ungeduldig erwarteten.

    Ein Blick ins Wartezimmer. Gerammelt voll. Kein Wunder – für neun Uhr hatte er an diesem Tag die ersten Frauen bestellt.

    „Ich fang gleich an‟, rief er seinen Helferinnen zu, „zwei Patientinnen nach Zimmer eins und zwei ...‟

    Bis um viertel nach eins arbeitete er ohne Pause durch. Eine Patientin nach der anderen saß hinter einem seiner Schreibtische, lag auf einem seiner gynäkologischen Stühle. Konzentriert hörte er sich ihre Sorgen und Beschwerden an, sorgfältig untersuchte er sie, gewissenhaft erwog er die verschiedenen diagnostischen Möglichkeiten und therapeutischen Maßnahmen.

    Dr. Vincent Greeley war ein gründlicher Mensch. Er verstand es, jeder Frau das Gefühl zu geben, dass sie – und nur sie – im Mittelpunkt seines ärztlichen und menschlichen Interesses stand. Und solange ihm eine seiner Patientinnen gegenüber saß oder auf seinem Stuhl lag, gab es für ihn auch nur diese eine Patientin.

    Diese Art von Vincent Greeley hatte ihren Teil zu seinem guten Ruf als Gynäkologe beigetragen. Sicher war er ein angenehmer, und mitfühlender Mann. Sicher wollte er den Frauen helfen, die ihn konsultierten. Aber vor allem hatte er Angst, einen Fehler zu machen. Greeley kannte ein paar Kollegen, die im entscheidenden Augenblick vergessen hatten, dass man als Arzt immer mit einem Fuß in einem Schmerzensgeldprozess steht.

    Gegen halb eins kam er endlich dazu, seine Post durchzusehen. Seine Assistentinnen sortierten ihm den Posteingang vor. Nur das, was er wirklich wissen musste, oder was ihn persönlich gerichtet war, kam auf seinen Schreibtisch.

    Er sah den Brief sofort. Das große Kuvert, der fehlende Absender, die ungewöhnliche Adressenangabe – Dem Arzt V. Greeley persönlich – erinnerten ihn sofort an die anderen beiden Briefe dieser Art, die er in den vergangenen Wochen erhalten hatte.

    Er kannte den Inhalt: Hör auf mit der Schweinerei – du stehst ganz oben auf unserer Strafliste – letzte Chance, der Hinrichtung zu entgehen – und ähnliche Drohungen. Und der Name einer Organisation. Greeley hatte ihn vergessen. Oder verdrängt. Er wusste nur noch, dass es ein verrückter Name war.

    Sekundenlang betrachtete er das Kuvert. Dann warf er es ungeöffnet in den Papierkorb. Äußerlich ruhig las er die übrige Post. Danach verließ er das Haus, um in einem Imbiss schräg gegenüber eine Kleinigkeit zu essen.

    Wie meistens nahm er einen Hamburger und einen Becher Coca Cola. Der Hamburger schmeckte ihm an diesem Tag nicht. Seine Gedanken kreisten um die anonymen Briefe. Er hatte niemandem davon erzählt.

    Auch Wanda nicht. Sie war so schrecklich ängstlich.

    Den Nachmittag verbrachte er in seinem kleinen, ambulanten Operationssaal. Sechs Frauen hatte er an diesem Tag bestellt. Die Hälfte davon blutjunge Mädchen aus der Lower East Side.

    Mädchen ohne Arbeit, Mädchen ohne Perspektiven, Mädchen, die von der Fürsorge lebten, oder sich ihr Geld auf dem Straßenstrich verdienten.

    Die anderen drei gehörten eher zur Mittelschicht: Eine Hausfrau, die unter einer unglücklichen Ehe litt, eine Managerin, die in ihrem Leben keinen Platz für ein Kind sah, eine Musikerin, die behauptete, vergewaltigt worden zu sein.

    Was alle gemeinsam hatten: Eine ungewollte Schwangerschaft. Die Aussicht auf ein Kind, das weiter nichts als einen Fehlstart ins Leben zu erwarten hatte.

    Greeley hörte sich die Geschichten der Frauen immer sehr genau an, bevor er einem Schwangerschaftsabbruch zustimmte. Aber wenn er sich einmal entschieden hatte, die Frauen einzubestellen, nahm er den Eingriff auch ohne Skrupel und Gewissensbisse vor.

    Vincent Greeley gehörte keiner Kirche an. Er glaubte an keinen Gott. Er glaubte allerdings an das Recht einer Frau, selbst über ihren Körper bestimmen zu können.

    Und er war überzeugt davon, dass es besser, war nicht geboren zu werden, als das Licht einer Welt zu sehen, die einen nicht willkommen heißt. So verhielt es sich mit Dr. Vincent Greeley.

    Nach der Arbeit im ambulanten Operationssaal machte er noch ein paar Hausbesuche. Der letzte führte ihn bis in die Lower East Side hinunter.

    Dort kümmerte er sich schon seit Wochen um die Großmutter einer vielköpfigen Latinofamilie. Die alte Frau hatte Brustkrebs, und das Sterben fiel ihr schwerer, als das ärmliche Leben ihr in über achtzig Jahren je gefallen war.

    Die Familie hatte etwas dagegen, sie in der Anonymität eines Hospitalzimmers über den Jordan gehen zu lassen. Und die Frau war zufrieden, ihr Leben im Kreis ihrer Nachkommen aushauchen zu dürfen.

    Aber das Aushauchen zog sich hin. Manche Menschen sind zäh wie wilde Tiere, dachte Greeley, als er sich nach dem Hausbesuch hinter das Steuer seines Saab fallen ließ.

    Er drehte den Zündschlüssel um, der Motor sprang an. Feierabend für heute. Eine Zigarette in den Mundwinkel, die Flamme aus dem Feuerzeug springen lassen, der übliche Griff zum Handy, die übliche Nachricht an seine Familie - „Ich fahr noch im Supermarkt vorbei, dann komm ich nach Hause ...‟

    Er setzte den Blinker nach links, sah in den Rückspiegel, und bemerkte einen schwarzen Mercury auf der anderen Seite am Straßenrand stehen. Greeley stutzte kurz. Aus schmalen Augen betrachtete er das schwarze Auto im Rückspiegel. Es gefiel ihm nicht.

    Er steuerte den Saab vom Straßenrand weg und fädelte sich in den dichten Verkehr auf der Rivingston Street ein. Auch der schwarze Mercury scherte aus der Kolonne der parkenden Wagen.

    Während Greeley sich von der Blechschlange über die Williamsburg Bridge nach Brooklyn hinüber schieben ließ, grübelte er über den verdammten, schwarzen Wagen nach. Hatte er ihn nicht schon heute morgen in Queens gesehen?

    Über den Brooklyn Queens Expressway fuhr er nach Jackson Heights hinauf. Sein Blick wanderte öfter zum Rückspiegel als sonst. Meistens konnte er ihn sehen, den schwarzen Mercury. Mal drei, mal fünf, mal acht Autos hinter sich. Angst kroch ihm aus den Eingeweiden in den Brustkorb.

    In Flushing, kurz vor seinem Wohnviertel, hielt er auf dem Parkplatz eines Supermarktes. Er sah sich um, bevor er ausstieg. Der Mercury fuhr an dem Parkplatz vorbei. Greeleys Angst legte sich etwas. Er griff nach seinem Arztkoffer auf der Rückbank des Saab. Ein routinierter Druck auf das Schloss, und der schwere Koffer öffnete sich.

    Greeley fasste hinein und zog eine kurzläufige Waffe hinaus. Er ließ die Trommel herausfallen, und überzeugte sich davon, dass sie mit sechs Patronen gefüllt war. Er spannte den Hahn und legte die Waffe zurück in den Koffer.

    Blicke nach links und rechts und in den Rückspiegel, bevor er ausstieg. Eine Menge Leute mit gefüllten Einkaufstüten in den Armen liefen zu ihren Autos. Andere strömten in Richtung Eingang des Supermarktes. Von dem schwarzen Mercury war nichts zu sehen. Auch sonst nichts Verdächtiges. Abgesehen davon, dass Greeley plötzlich alles und jeden verdächtig fand.

    Er nahm seinen Koffer mit, als er ausstieg. Es war nicht so, dass er die Drohbriefe nicht ernst genommen hätte. Dazu war er ein viel zu ängstlicher Mensch.

    6

    „Drei Wochen! Ich will nicht, dass du so lange in New York City bleibst!‟ Die Frauenstimme aus dem Wohnzimmer schraubte sich mal wieder in jene Höhen, in denen sie regelmäßig in nervtötendes Gezeter umzukippen drohte. „Hörst du, Archie?! Du bist sowieso schon viel zu viel unterwegs!‟

    In Hemd und Unterhose stand Arthur Sheridan vor der Spiegeltür seines Garderobenschrankes und band sich eine bordeauxrote Krawatte um. Hinter ihm, auf dem Ehebett, lag sein geöffneter Koffer. Drei Wochen New York City lagen vor ihm: Wahlkampfhilfe für den Bürgermeister, Verhandlungen mit Geldmagnaten an der Wall Street, Konferenzen mit dem Chef des New York City Police Departments, und diverse private Termine standen auf seinem Programm.

    „Ich will eine Antwort, Archie!‟ Seine Frau erschien im Türrahmen des Schlafzimmers: Blond, schlank, in nachlässig zugebundenem blauem Bademantel und zwanzig Jahre jünger als Sheridan. „Du brauchst höchstens zehn Tage für deine dienstlichen Verpflichtungen!‟

    Zufrieden prüfte Sheridan den Krawattenknoten. Das kantige Gesicht des großen, weißhaarigen Mannes war braungebrannt. Seine Gestalt kräftig und gerade, sein Bauch flach und sein Hals ohne nennenswerte Altersfalten.

    Sheridan spielte Tennis, joggte mindestens einmal die Woche, und ging jeden Morgen vor dem Frühstück in den kleinen Kraftraum im Keller seines Hauses.

    Seit fünfzehn Jahren kämpfte er auf diese Weise gegen den körperlichen Verfall. Seit er Judith geheiratet hatte. Und es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. „Wer ein junges Pferd reiten will, muss sehen, dass er fit bleibt, sonst wird er abgeworfen‟, pflegte er in seiner etwas derben Art zu sagen. Allerdings drückte er sich nur in gewissen Herrenzirkeln so aus.

    „Die Termine liegen ein bisschen ungünstig.‟ Er drehte sich um. „Und wenn ich schon mal im Big Apple bin, will ich auch ein paar private Kontakte pflegen.‟

    „Lüg nicht!‟ Eine steile Falte bildete sich zwischen ihren Brauen. „Du willst mit deinem Veteranenclub durch die Bars ziehen, du willst mit ihnen den Schießstand unsicher machen und auf dem Hudson angeln! Das willst du!‟

    Er betrachtete die Ansätze ihrer festen Brüste zwischen den Kragenaufschlägen des Bademantels. Sein Gesicht verzog sich zu einem genüsslichen Grinsen.

    „Bullshit‟, knurrte er. „Schon wieder durchschaut ...‟ Er ging zu ihr, nahm sie in die Arme und küsste ihren weißen Hals.

    „Du gemeiner Halunke, du!‟ Ihre kleinen Fäuste trommelten gegen seine Schultern. „Du hast eine Freundin in Manhattan – gib es zu!‟

    Seine großen, braunen Hände streiften den Bademantel über ihre Schultern – weiße Schultern wie gemeißelt. „Natürlich!‟, brummte er. „Eine Menge Freundinnen ...‟

    Seine Lippen saugten sich an ihren Brüsten fest. Seine Hände kreisten über ihre schlanke Taille. „Sie sind alle scharf auf mich ...‟

    Judith seufzte, und er spürte, wie ihr Körper sich entspannte und sich an seinen drängte. „... und verdammt sauer, weil ich immer nur von dir schwärme ...‟

    Rückwärts ging er zum Bett und zog sie mit sich. „Ich seh′ die Jungs so selten – und wir haben so viel miteinander erlebt ...‟ Er ließ sich auf der Bettkante nieder.

    Mit gespreizten Schenkeln rutschte Judith auf seinen Schoß. Sie schmolz dahin unter seinen Zärtlichkeiten, und er nahm sie mit der Sanftheit und Geschicklichkeit, wie nur erfahrene Liebhaber eine Frau zu nehmen verstehen.

    „Komm doch an den Wochenenden‟, sagte er hinterher, während er in seine Anzughose stieg. „Ich buche ein Doppelzimmer, und wir lassen den Honeymoon aufgehen.‟ Er wandte sich zu Judith um – sie lag ausgestreckt neben seinem Koffer auf dem Bett. „Und vögeln, dass die Funken sprühen ...‟

    „Archie ...!‟ Sie lachte und mimte gleichzeitig die Vorwurfsvolle. „Du bist ein geiler, alter Bock...!‟

    „Das alt hab ich überhört.‟ Er zog sich seine Anzugjacke über.

    Es klingelte zweimal.

    „Die Post!‟ Judith schwang sich aus dem Bett, band ihren Bademantel zu und tänzelte aus dem Schlafzimmer. Archie hörte ihre Schritte auf der Treppe. Dann ging im Untergeschoss die Haustür auf.

    Er griff in ein Bücherregal neben dem Nachttisch und zog ein kleines Fotoalbum heraus. Fast dreißig Jahre alt. Ein Andenken aus der Hölle. Arthur Sheridan war Offizier bei den Fallschirmjägern gewesen. In Vietnam. Sorgfältig, als wäre es zerbrechlich, legte er das Album in seinen Koffer und schloss ihn dann.

    In New York City würde er die noch lebenden Männer seiner Einheit treffen. Der Veteranenclub lud ihn jedes Jahr zu seiner Hauptversammlung ein. Vor drei Jahren hatte Sheridan die Jungens zum letzten Mal gesehen.

    „Archie ...?‟ Hohl und tonlos klang Judiths Stimme. Erschrocken fuhr Sheridan herum. Seine Frau lehnte gegen den Türrahmen, sie war blass, Angst flackerte in ihren geweiteten Augen, der Briefbogen in ihrer Hand zitterte. „... jemand will dich töten ...‟

    Er riss ihr den Brief aus der Hand. „Bullshit‟, knurrte er, während er die Zeilen überflog. „Letzte Botschaft: Dein Hinrichtungstermin naht, bestell dein Haus. Die Elias-Ranger.‟

    „Schon wieder dieser Verrückte ...!‟ Er ließ den Brief in seinem Jackett verschwinden.

    „Soll das heißen ...‟ Judith suchte nach Worten. Als hätte ihr jemand eine Faust in die Magengrube getrieben, so fühlte sie sich. „Soll das heißen ... das ist nicht der erste ...?‟ Sie deutete auf Sheridans Jackentasche.

    „Der dritte.‟ Er winkte ab. „Ich hab das schon längst vergessen‟, beteuerte Sheridan. „Ich nehm′ so was gar nicht ernst ...‟ Er schnappte sich den Koffer. „Wer einen Job macht, wie ich ihn mache, kriegt öfter solche Briefe.‟ Er küsste sie auf die plötzlich farblosen Lippen. „Wozu hab ich Bodyguards ...‟

    Judith machte sich los von ihm, zog die Tür zu, schloss ab und lehnte sich dagegen. „Ich lass dich nur aus dem Haus, wenn du die Polizei verständigst!‟

    „Ich bitte dich, Honey!‟

    „Du kommst hier nicht raus!‟ Sie blitzte ihn an, und er wusste, dass sie es ernst meinte. Judith war jünger, und sie war eine Frau – aber in Sachen Sturheit stand sie ihm in nichts nach. „Ich verlange, dass du das FBI verständigst!‟

    Sie stritten sich etwa zwanzig Minuten lang. Bis der Chauffeur und die Bodyguards des Gouverneurs in die Hofeinfahrt einbogen und ein Hupkonzert veranstalteten. Arthur Sheridan hatte keine Lust, seinen Flug zu verpassen. Also versprach er, auf dem Weg zum Flughafen die Bundespolizei anzurufen.

    Sheridan war ein Granitkopf, neigte zu Tobsuchtsanfällen und war in politischen Kreisen als gerissener Verhandlungspartner gefürchtet. Aber was er versprach, das hielt er in der Regel  auch. Beunruhigt ließ Judith Sheridan ihn ziehen ...

    7

    Menschenmassen drängten sich zwischen den Regalen des Supermarktes. Sämtlichen Pendlern auf einmal schien die Idee gekommen zu sein, auf dem Nachhauseweg von Manhattan nach Queens schnell noch ihre Kühlschränke aufzufüllen.

    Greeley verabscheute große Menschenansammlungen. Wenn irgend möglich schob er die Einkäufe seiner Frau zu. Heute jedoch vermittelten ihm die vielen Menschen sogar ein gewisses Geborgenheitsgefühl. Untertauchen im Gedränge, nicht auffallen unter vielen anderen verwechselbaren Gesichtern.

    Trotzdem war er nervös. Kein Griff in ein Regal, vor und nach dem er sich nicht aufmerksam und nach allen Seiten umblickte. Der schwarze Wagen im Rückspiegel hatte ihn aufgescheucht. Sein Herz schien schneller zu schlagen, und ein unangenehmes Kribbeln tanzte über sein Zwerchfell. Angst.

    Die Drohbriefe standen ihm plötzlich so deutlich vor seinem inneren Auge, als hätte er sie heute erst gelesen. „Wer tötet, wird getötet. Menschen wie Sie haben keinen Platz in der erneuerten amerikanischen Gesellschaft ...‟

    Er dachte an den Frauenarzt, der ein Jahr zuvor in Florida ermordet worden war. Ein Abtreibungsgegner hatte ihm vor seiner Praxis aufgelauert und ihn erschossen.

    Greeley ließ sich Zeit. Langsam schob er den Einkaufswagen durch die Regale. Packte Obst- und Gemüsekonserven ein, angelte Packungen mit Nudeln, Zwieback, Müsli und Süßigkeiten aus den Fächern, und suchte nach der Marmeladenmarke, die seine Töchter so sehr liebten.

    Und immer wieder Blicke nach links und rechts. Männer in Business-Garderobe und Aktentaschen in den Einkaufswagen standen vor den Regalen. Hausfrauen, Mütter mit quengelnden Kindern, und junge Frauen, die Kinderwagen vor sich herschoben und die Ware in Netze am Wagengriff oder zwischen den Rädern horteten.

    Niemand, der ihm verdächtig vorkam, niemand der ihn belauerte, niemand, der sich an seine Fersen geheftet hatte.

    Langsam, ganz langsam, legte sich seine Unruhe. Nur wenn er an den Weg über den Parkplatz zurück zu seinem Wagen dachte, flammte sie wieder auf. Er dachte ernsthaft daran, die Polizei zu rufen.

    Unsinn – die ganze Zeit hast du die verdammten Briefe ignoriert, niemandem hast du davon erzählt, und auf einmal willst du die Polizei rufen. Nur weil dir ein schwarzer Mercury im Rückspiegel aufgefallen ist ...

    Während er Milch, Butter und Käse aus der Kühltheke nahm, versteifte er sich auf die Theorie, dass alles reiner Zufall war – der Fahrer des schwarzen Wagens wohnte eben hier in der Gegend, und warum soll es nicht in seiner Wohngegend in Queens Leute geben, die schwarze Mercuries fuhren ...?

    Er stand an der Fleischtheke, als ihm plötzlich der Name durch den Kopf schoss – Elias Ranger

    Verrückter Name ... was um alles in der Welt, sind das für verdrehte Leute ...?

    Drei, vier Kunden warteten vor ihm in der Schlange. Direkt vor ihm eine Mutter, die zwei kleine Kinder im Einkaufswagen sitzen hatte, hinter ihm ein Mann in einem abgetragenen blauen Anzug. Zwischen Kartoffeln, Gurkengläsern und Milchtüten steckte eine braune Aktentasche aus Kunstleder. Hinter ihm wieder Mütter, Hausfrauen und ein junger Bursche in Jeansjacke. Greeley erfasste alles mit einem Blick.

    Elias Ranger ...

    „Sie wünschen, Sir?‟ Eine rotgesichtige, dralle Endvierzigerin in grau-gestreifter Bluse und mit weißer Schürze lächelte ihm über die Fleischtheke zu.

    Greeley kam ins Schleudern, weil er so unverhofft an die Reihe gekommen war. Die Fleischverkäufer hatten Verstärkung bekommen. „Fünf Kalbsteaks‟, sagte er.

    Elias – gibt’s da nicht in der Bibel einen, der so hieß? Irgendein Prophet ...?

    Die Verkäuferin packte ihm die Steaks zusammen. Greeleys Augen wanderten über das Geflügel hinter der Glaswand der Theke. Hinter ihm rasselten Einkaufswagen vorbei. Musik perlte aus irgendwelchen verborgenen Lautsprechern. „Das Suppenhuhn da – wie frisch ...‟ Eine glühende Nadel schien sich ihm von hinten unter den Rippen hindurch in die Lunge zu bohren. Der Schmerz raubte ihm den Atem.

    „Ja, Sir?‟, fragte die Verkäuferin. Sie lächelte perfekt. „Ein ganzes?‟ Greeleys Linke umklammerte den Griff seines Einkaufswagens, seine Rechte stemmte sich gegen das Glas der Fleischtheke. Seine Knie gaben nach.

    Die Augen der drallen Verkäuferin weiteten sich erschrocken, das Lächeln fiel ihr aus dem Gesicht. „Ist Ihnen nicht gut, Sir?‟, flüsterte sie.

    8

    Er stand vor der Flughalle und winkte. Buntes Hemd, Sonnenbrille, weiße Hosen und braungebrannt. Sein Haar schien mir blonder zu sein, als noch zwei Wochen zuvor. Ich hielt in der Parkbucht und senkte das Seitenfenster ab. „Hi, Partner – die Sonne der Karibik leuchtet noch aus deinem Pelz!‟

    „Das will ich meinen.‟ Milo verstaute sein Gepäck auf dem Notsitz. „Ich hab auch den ganzen Tag am Strand gelegen.‟ Er ließ sich in den Beifahrersitz fallen. „Und manchmal auch die ganze Nacht‟, fügte er augenzwinkernd hinzu. „Wie geht’s so, Jesse?‟

    Auf dem Weg vom John F. Kennedy International Airport nach Manhattan erzählte ich von den Fällen, die uns in der Federal Plaza gerade beschäftigten: Computerhacker, Internetbetrüger, ein internationaler Geldwäschering, und so weiter und so weiter.

    „Klingt ja nicht besonders aufregend‟, sagte er.

    „Dann erzähl du mir was Aufregenderes‟, forderte ich ihn auf.

    Er grinste mich von der Seite an. „Ich hab eine Frau kennengelernt.‟

    „Die Sonne deiner Strandnächte?‟

    „Die Supernova meiner Strandnächte, Partner.‟ Er seufzte tief. „Mich hat’s ernsthaft erwischt.‟

    „Eine schokoladenhäutige Insulanerin, nehm′ ich an.‟

    „No, Sir – eine waschechte Manhattie.‟ Und dann erzählte er. Fast ununterbrochen, bis wir die Manhattan Bridge überquerten.

    Carol hieß die Frau seiner frischesten Träume. Er schilderte sie, als wäre ihm Aphrodite persönlich erschienen – schwarzhaarig wie eine Indianerin sei sie, braungebrannt wie ein Hawaii-Mädchen, temperamentvoll wie eine Brasilianerin, und so weiter, und so weiter. Er schwelgte in Schwärmereien, und ich begriff, dass die größte Supermacht der Welt ihn erbarmungslos überrannt hatte: Milo war tatsächlich verliebt.

    „Und jetzt wirst du jedes zweite Wochenende nach Hawaii jetten – ein bisschen weit, oder nicht?‟

    „Sie kommt her‟, verkündete er feierlich. „Sie arbeitet als Managerin für Burger-King. Die haben einen Laden auf Hawaii aus dem Boden gestampft. Sobald der läuft, kehrt sie nach Manhattan zurück. Sie wohnt übrigens in der West-Side.‟

    „Dann bin ich ja mal gespannt.‟ Wir hatten die Canal Street erreicht. Ich steuerte meinen Sportwagen Richtung SoHo. Es war kurz nach sieben Uhr abends.

    „Und du Partner?‟ Er grinste mich an. „Was hat die Frauenwelt inzwischen mit dir angestellt?‟

    „Nichts Neues im Westen‟, sagte ich. „Abgesehen von einer netten Kneipe. Da werden wir jetzt unser Wiedersehen feiern.‟

    Zwanzig Minuten später bog ich in die Sullivan Street in SoHo ein, und kurz darauf in den kleinen Parkplatz im Hinterhof des Café Carré.

    „Schau dir diesen Hof gut an, Partner‟, sagte ich, während ich ausstieg. „Um ein Haar hätte ich dich heute Abend nicht hierher chauffieren können. Aber dann wärst du morgen oder übermorgen sowieso zu diesem kleinen, schnuckeligen Parkplatz gefahren.‟

    „Wieso?‟ Milo schulterte sein Gepäck und runzelte fragend die Stirn.

    „Um eine große Kerze, einen Strauß weißer Chrysanthemen und ein selbstgebasteltes Holzkreuz auf dem Asphalt zwischen den Autos zu arrangieren.‟ Ich deutete auf die Stelle, an der ich zwei Wochen zuvor drauf und dran gewesen war, mit dem Leben abzuschließen. „Wenn nicht ein gewisser Simon eingegriffen hätte ...‟ Ich zuckte mit den Schultern, „... wer weiß.‟

    Auf dem Weg in den Schankraum erzählte ich ihm die Räubergeschichte.

    Ein zufriedenes Lächeln ging über das Gesicht des Husaren hinter der Theke, als er mich erkannte. „Einmal Werner, immer Werner!‟, rief er. „Sei gegrüßt, Jesse.‟ Diesmal wurde auch ich mit Handschlag begrüßt.

    Das Café Carré war noch nicht einmal halbvoll. Wir setzten uns an die Theke, ich machte Milo mit dem deutschen Wirt bekannt, und wir feierten Wiedersehen bei einem Bier.

    „Und Milo arbeitet auch in dem Heim für minderjährige Mütter, wie er aussieht‟, grinste Werner.

    „Nein‟, sagte ich. „Er ist so eine Art Scout für alleinstehende Frauen, die aus beruflichen Gründen in Hawaii zu tun haben ...‟

    Wir saßen noch nicht mal eine halbe Stunde und hatten gerade das zweite Bier bestellt, als das Handy in meiner Hemdtasche vibrierte. „Trevellian?‟, meldete ich mich.

    „Jonathan McKee.‟ Ich wusste, dass es der Chef sein würde, bevor ich seine Stimme hörte. „Ist Milo schon zurück?‟

    „Wir feiern gerade Wiedersehen, Sir.‟ Seine Stimme klang alles andere als entspannt. Mir schwante Übles.

    „Trinken Sie in Ruhe Ihr Glas aus, Jesse – und dann wäre ich dankbar, wenn Sie und Milo noch einmal vorbei kommen könnten.‟

    „Was liegt an, Sir?‟

    „Die Kollegen aus Richmond, Virginia, haben vor einer halben Stunde bei mir angerufen. Sie sind ganz aus dem Häuschen. Die Frau des Gouverneurs hat sich im District Office Richmond gemeldet. Ihr Mann habe Morddrohungen erhalten.‟

    „Und wozu brauchen die Kollegen in Richmond unsere Hilfe, Sir?‟ Es war mir klar, dass der SAC erst die Schwanzspitze der Katze aus dem Sack gelassen hatte.

    „Das Problem ist folgendes, Jesse: Der Gouverneur von Virginia ist vor ein paar Minuten auf dem La Guardia Airport gelandet. Er hat drei Wochen lang in New York City zu tun. Wir müssen uns um den Mann kümmern ...‟

    „Wir sind schon unterwegs, Sir.‟ Ich steckte das Handy zurück in die Hemdtasche. Milo und Werner sahen mich an. Mein Partner erwartungsvoll, der Wirt mit einem spöttischen Grinsen.

    „Vergiss das Bier, Werner und bring uns zwei Tassen Kaffee‟, sagte ich.

    „Hat sich eine von Milos Kundinnen am Strand von Hawaii verlaufen?‟, lachte der Deutsche.

    „Ja‟, nickte ich. „Und meine Mädchen kriegen ihre Säuglinge nicht gewickelt ...‟

    9

    Im Fallen riss Greeley seinen Einkaufswagen um. Nudelpackungen, Konserven, Marmeladengläser, Milchtüten – alles ergoss sich auf den Boden. Er packte seine Arzttasche und zog sie zu sich. Ein Feuer brannte in seinem Brustkorb.

    „Mr. Baxter!‟, schrie die Verkäuferin hinter ihm. „Mr. Baxter! Schnell einen Arzt! Der Kunde hier ...! Er blutet!‟

    Greeley sah die entsetzten Gesichter der Leute um ihn herum. Er sah Männer und Frauen zurückweichen. Kinder fingen an zu weinen. Mütter schrien und flüchteten mit ihren Kinderwagen zwischen die Regalreihen. Der Mann in dem abgetragenen Anzug, der hinter ihm in der Schlange gewartet hatte, beugte sich zu ihm hinunter. „Um Gottes Willen, Sir! Was ist passiert ...?‟

    Als wäre sie aus Blei, so langsam schwebte Greeleys Rechte zu seiner Arzttasche. Er holte seine Waffe heraus. Der Mann neben ihm sprang erschrocken auf. „Nicht doch, Sir...!‟ Die Menschen warfen sich auf den Boden.

    „Wanda ...‟, flüsterte Greeley. „Wanda ...‟

    Die vielen Menschen um ihn herum auf dem Boden, die Regale, die Einkaufs- und Kinderwagen – alle verschwammen zu einer undeutlichen Kulisse aus Farbflecken und Bewegungen. Er kniff die Augen zusammen, versuchte Gesichter zu erkennen, versuchte den Mann auszumachen, der auf ihn geschossen hatte.

    Da war niemand. „Du Teufel‟, murmelte er mit schwacher Stimme. Der Revolver in seiner Hand schien ein Zentner zu wiegen. „Du verdammter Teufel, wo steckst du ...‟

    Die Hand sackte ihm weg, die Waffe knallte auf die Fliesen, die Leute schrien, sie robbten weg von ihm, krochen zwischen die Regalreihen, Mütter warfen sich auf weinende Kinder.

    Greeley hörte das Geräusch. Er konnte es nicht einordnen. Es klang ein bisschen, als hätte jemand eine Perlweinflasche entkorkt. Die Wucht einer unsichtbaren Macht warf seinen Kopf gegen das Glas der Fleischtheke. Etwas explodierte in seinem Gehirn. Eine tiefrote Wand schien über ihm zusammenzubrechen und ihn unter sich zu begraben ...

    10

    Tronder saß in seinem Wagen und rauchte einen Zigarillo. Der Verkehr, der an ihm vorbeirauschte, hatte sich beruhigt. Die Rushhour war vorbei.

    Trotz des warmen Juliabends trug er eine alte Armeejacke. Sein schwarzes Barett lag neben ihm auf dem Beifahrersitz seines schwarzen Mercurys. Eine halbe Stunde schon wartete er hier am Straßenrand der Main Street von Flushing.

    Tronders Blick wanderte ständig zwischen seiner Borduhr und dem Autotelefon hin und her. Es war abgemacht, dass sie anriefen, sobald die Sache erledigt war.

    Endlich orgelte das Autotelefon. Hastig griff Tronder nach dem Hörer. „Ja?!‟

    „Elias-Ranger drei meldet sich vom Einsatz zurück.‟ Eine Frauenstimme drang aus dem Hörer.

    Tronders massige Gestalt straffte sich. Seine Linke fasste nach dem Lenkrad. „Und!?‟, blaffte er.

    „Operation erfolgreich abgeschlossen.‟

    Tronder atmete tief durch und ließ sich zurück gegen die Sitzlehne fallen. „Gut‟, sagte er. „Glückwunsch. Wir sehen uns morgen. Hängt euch gleich an den Nächsten ...‟

    11

    Mit tiefer Inbrunst und brüchigem Bass sang Edward Hancok die letzte Strophe des Schlafliedes. Das Liedchen von den Sternen am Himmel, den Vögelein in den Wolken, den Fischlein im Meer, die alle sorgfältig gezählt sind, die alle bei ihrem Namen gerufen werden – von Gott, dem Herrn, der sie gemacht hat.

    Er hockte in einem abgedunkelten Zimmer auf einem Kinderhocker zwischen zwei Kinderbetten. Das Mädchen und der Junge in den Betten rechts und links von ihm waren drei und vier Jahre alt. Seine Enkel. Sie schliefen längst.

    Trotzdem sang Eddy weiter. Mit leiserer Stimme zwar, aber man durfte nicht zu schnell aufhören. Die Kleinen wachten sonst wieder auf. Nach vier Jahren Erfahrung als Großvater wusste er das. Also begann er das Liedchen noch einmal von vorn.

    Während er sang, betrachtete er die schlafenden Kids. David und Lizzy. Die Kinder seiner ältesten Tochter. Seine ersten beiden Enkel. Er hing an ihnen, wie ein Hund an seinem Herrn. Und sie hingen an ihm, wie Lämmer am Mutterschaf.

    Er versuchte die Stimme zu senken, sie kippte endgültig in brüchiges Krächzen um. Leise summend stand er auf. Mit einem verträumten Lächeln auf seinem kantigen und von Falten zerfurchten Gesicht stand er vor Lizzys Bett. Verträumt blickte er auf die Dreijährige hinab. Dann beugte er sich hinunter und hauchte ihr einen Kuss ins weiche, duftende Blondhaar.

    Dann zu Davids Bett. Der Vierjährige hielt einen Stoffbiber im Schlaf umklammert. Eddy küsste auch ihn.

    An der Tür blieb er noch einmal stehen und lauschte den Atemzügen der Kinder. Er murmelte einen Segen. Wohlige Wärme strömte durch seinen drahtigen Körper. Es war Glück, was er empfand. Was sonst?

    Er zog die Tür zu. Im Wohnzimmer hing Anne, seine Frau, in einem Sessel. Eine nicht mehr ganz schlanke Mittfünfzigerin mit rotem, hochgestecktem Haar. Die Beine auf dem niedrigen Glastisch stopfte sie sich Chips in den Mund und spülte sie mit Bier hinunter. Die Acht-Uhr-Nachrichten von CNN flimmerten über die Mattscheibe.

    „Friss nicht so viel von dem Zeug‟, knurrte Eddy. „Ich warte auf den Tag, an dem es wumm! MMacht und du platzt!‟

    „Du bist gemein, Eddy‟, sagte sie mit weinerlicher Stimme. „Komm her und wärm′ mir den Popo.‟

    „Aye, aye, Sir – aber erst muss ich noch was erledigen.‟ Er verließ das Wohnzimmer und ging in das Arbeitszimmer seines Schwiegersohnes. Dort setzte er sich vor den Monitor des Computers und schob eine CD ins Laufwerk. Er hatte sich ein Lernprogramm aus dem Internet geladen und auf CD gebrannt. „Programmieren für Fortgeschrittene‟.

    Eddy schaltete den Rechner ein. Schon während seiner letzten Jahre beim FBI hatte er sich zum leidenschaftlichen Computerspieler gemausert. Nun, nach seiner Pensionierung, ging er daran, sich Spiele nach eigener Kreation zu programmieren. Sehr zum Verdruss seiner Frau.

    Während der Rechner das Programm lud, hörte er draußen das Telefon klingeln. Es war merkwürdig – aber im Laufe seiner Jahre beim FBI hatte er eine Art siebten Sinn entwickelt: Er hörte es dem Läuten eines Telefons an, wenn ein Anruf für ihn bestimmt war.

    Er drehte sich um, und tatsächlich erschien Anne mit dem tragbaren Telefon in der Hand vor der offenen Tür. „Für dich, Eddy!‟ Sie legte die Hand auf die Sprechmuschel. „Es ist Ronny‟, flüsterte sie. „Sag nein, versprich es mir, sag nein ...‟

    Ronald Burst war Eddys Nachfolger auf dem Stuhl des SAC im District Office Richmond. Eddy stand auf und nahm ihr das Gerät aus der Hand.

    „Nein!‟ Er grinste seine Frau an. „Okay, Schatz?‟ Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, das Zimmer zu verlassen. Eddy war ein unverbesserlicher Macho. Schnaubend zog Anne ab.

    „Schade‟, sagte eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung. „Ich wollte dich gerade fragen, ob ich dir zwei Computerspiele überlassen darf. Hab sie geschenkt gekriegt und kann mit dem Zeug nichts anfangen.‟

    „Immer her damit, Ronny‟, brummte Eddy. „Hab Anne nur versprochen Nein zu sagen. Versprechen gehalten, jetzt hab ich freie Bahn.‟

    „Zu spät‟, sagte Ronny Burst. „Ein Mann, ein Wort – die Spiele kriegst du nicht. Aber ich hab noch ein anderes Angebot, da kannst du Ja sagen.‟

    „Lass hören, Special Agent of Charge.‟

    „Wir brauchen dich.‟

    „Selber Schuld.‟

    „Im Ernst – wir brauchen einen Mann mit deinem Gesicht.‟

    „Mein Gesicht verlässt ohne mich nicht das Haus.‟

    Anne tauchte schon wieder im Türrahmen auf. Misstrauisch lauschte sie.

    „Deswegen würden wir auch den lächerlichen Rest von dir in Kauf nehmen.‟

    „Warst du auf einem Benimmkurs?‟ Eddy versuchte seine Frau zu verscheuchen, aber sie bewegte sich nicht von der Stelle. „Jetzt mach’s nicht so spannend, Ronny. Denk an mein Herz – ich bin nicht mehr der Jüngste.‟

    „Virginia ruft dich zu den Waffen, Eddy – jemand hat unserem Gouverneur ernste Absichten angedroht. Du musst ihn doubeln.‟

    „Na prächtig!‟ Eddy verdrehte die Augen. Er verstand es perfekt zu verbergen, dass er sich geschmeichelt fühlte. „Wann?‟

    „Morgen früh musst du in New York City sein.‟

    „Hör mal! Ich hüte hier die Kids meiner Tochter! Das ganze Wochenende bin ich noch eingespannt!‟

    „Das kann Anne auch allein. Der Einsatz wird wohl drei Wochen dauern.‟

    „Drei Wochen?!‟, donnerte Eddy. Er dachte an Lizzy und Daniel. Seine Enkel drei Wochen nicht sehen – das konnte er sich nicht vorstellen. „Aber nur, wenn ich zwischendurch mal nach Hause kann.‟

    „Lässt sich vielleicht einrichten. Du machst also mit?‟

    „Ehrensache.‟

    „Gib mir die Adresse deiner Tochter. Ich schick morgen früh einen Wagen vorbei.‟ Eddy nannte dem SAC die Adresse. Dann legte er auf.

    „Sie sollen dich in Ruhe lassen!‟, schimpfte Anne. „Du bist pensioniert! Du warst dein ganzes Leben lang für die Bundespolizei auf Achse!‟

    Er nahm sie in den Arm und küsste sie auf die Stirn. „Ich bin ein Mann, Anne.‟ Seine Stimme nahm einen feierlichen Klang an. Von seiner ältesten Tochter abgesehen, konnte in solchen Momenten kein Mensch unterscheiden, wo bei Eddy die Grenze zwischen Ernst und Ironie lag. „Und ich bin Amerikaner. Wenn mein Land mich ruft, bin ich bereit.‟ Er legte die flache Hand auf die Brust. „Solange dieses Herz noch schlägt, wird sich das nicht ändern.‟

    Sie lehnte sich gegen seine Schultern und schluchzte. „Bitte nicht ... ich will nicht schon wieder Angst um dich haben

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