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KEIN NACHRUF

e Brückners machen Schluss. Einst wurde Christian Brückner es Leid, Hörbücher nach Beauftragung einzusprechen und so gründeten er und sein Frau Waltraut im Jahr 2000 den Hörbuchverlag parlando. Sie wollten tun, was sie wollten. Für jemanden, der gänzlich ungewollt unbedarften Menschen an der Supermarktkasse immer wieder einen unvergesslichen Robert-de-Niro-Robert-Redford-Moment bescherte, eine sichere Bank, so könnte man). „Der Passagier“und „Stella Maris“sind zwei Romane, aber ein Gesamtwerk, der letzte Auftritt von parlando und für die Brückners mal wieder eine große Herausforderung. Es ist nicht einfach, aus dem umfassenden Katalog von parlando das Besondere hervorzuheben, denn alles, was Christian Brückner einliest, gerät doch sui generis schon zu etwas Besonderem. Aber die zarte, empfindungsvolle Rauhheit seiner Stimme passt vielleicht am besten zu den Stoffen, wo die Härte der Natur sich unerbittlich zeigt, wo die menschliche Seele sich am tiefsten offenbart, wo sich Schicksale in epischer Breite erfüllen. Deutlich zeigt sich dies bei Einlesungen von Klassikern. Melvilles Ahab aus „Moby-Dick oder Der Wal“ist in Brückners stimmlicher Verkörperung ganz der Zorn, der Hass und der Abgrund, in den es ihn zum Schluss unerbittlich reißen wird. Homers „Odyssee“hebt Brückner aus den Tiefen der Zeit in die Gegenwart, ohne sie ihres mythischen Zaubers zu berauben, und die Wut des Achill in der „Ilias“erklingt in ihrer ganzen archaischen Wucht. Diese Stoffe wirken bis heute fort, weil sie tief in die Seelen der Menschen greifen, und Brückner weiß diese Verbindung zum Leben zu erwecken. Leider haben es Stoffe, die etwas vom Hörer verlangen, bevor sie ihn belohnen, heute schwer. Waltraut Brückner sagt: „Viele Menschen suchen schlicht Unterhaltung, Ablenkung vom Alltag. Das ist leicht zu verstehen. Aber das ist nicht unser Ansatz. Auf unsere Hörbücher muss man sich einlassen.“Die Hörer zu fordern ist das eine, den Markt zu fordern, etwas anderes. Den starken Rückgang ihrer Verkaufszahlen sehen die Brückners als eine Folge der immer schnelllebigeren Hörgewohnheiten – einer der Gründe, warum sie kein neues Programm auflegen wollten. Jetzt ist mehr Zeit für anderes: Der viel verehrte Christian Brückner verehrt Miles Davis, Musik und Sprache gehörten für ihn schon immer zusammen und seit Jahren realisiert er Projekte für die Bühne, in denen sich Wort und Klang vereinen und ergänzen. Man darf gespannt sein. Die Welt ist vielleicht zu laut geworden für die Hörbücher von parlando, aber sie ist immer noch bereit, zuhören.

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