Die Ballade von Johnny Sosa: Roman
Von Mario Delgado Aparaín und Luis Sepúlveda
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Über dieses E-Book
Wie zum Trost macht ihm ein paar Tage später der Oberst der neuen Herren im Dorf ein verführerisches Angebot: Johnny bekommt neue, strahlend weiße Zähne und Gesangsunterricht, wenn er mit der »Negermusik« in der Bar aufhört und stattdessen »schöne Boleros« singt, vor großem Publikum, auf Festivals! Aber, überlegt Johnny, als der Zahnarzt Maß nimmt für die neuen Zähne, was ist eine Karriere als Hofsänger der Putschisten wert, wenn die Freunde nicht mehr zuhören, weil sie einer nach dem anderen ins Gefängnis wandern, abgeholt werden, verschwinden?
»Die Ballade von Johnny Sosa« ist ein großes kleines Buch über den Traum vom Ruhm, über die Menschenwürde, den Blues und die Schwierigkeit, im richtigen Moment nein zu sagen.
Von Mario Delgado Aparaín außerdem in der Edition diá:
Februarmond. Roman
Aus dem uruguayischen Spanisch von Enno Petermann
ISBN epub: 9-783-86034-536-8
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Buchvorschau
Die Ballade von Johnny Sosa - Mario Delgado Aparaín
Über dieses Buch
Eines Morgens ist in dem kleinen Dorf Mosquitos einiges merkwürdig: Durch das Guckloch in der Mauer sieht Johnny Sosa nicht wie jeden Tag das geheimnisvolle Schattenspiel der Eukalyptusbäume, sondern eine lange Reihe grauer Militärlastwagen, und an Stelle der geliebten Musiksendung über sein großes Sängeridol Lou Brakley dröhnt Militärmusik aus dem kleinen Radio. Am Abend dann, in der »Bar«, in der die Männer nach der Arbeit ihren Schnaps trinken, ein paar Damen ihrem Gewerbe nachgehen, Johnny wie immer schwarz gekleidet, mit scheppernder Gitarre und mit viel Schmelz in der Stimme den Blues singt und mit seinem zahnlosen Lächeln die Damen begeistert, sind im Publikum ein paar Uniformierte, die ungute Stimmung verbreiten. Johnny legt sich mächtig ins Zeug und singt und spielt mit ganzem Herzen und ganzer Seele – vergeblich, die Stimmung bleibt gespannt. Fast noch schlimmer ist, dass der bewunderte Moderator von Radio Mosquitos sagt, Johnnys Musik und sein unverständliches Kauderwelsch seien schlicht entsetzlich.
Wie zum Trost macht ihm ein paar Tage später der Oberst der neuen Herren im Dorf ein verführerisches Angebot: Johnny bekommt neue, strahlend weiße Zähne und Gesangsunterricht, wenn er mit der »Negermusik« in der Bar aufhört und stattdessen »schöne Boleros« singt, vor großem Publikum, auf Festivals! Aber, überlegt Johnny, als der Zahnarzt Maß nimmt für die neuen Zähne, was ist eine Karriere als Hofsänger der Putschisten wert, wenn die Freunde nicht mehr zuhören, weil sie einer nach dem anderen ins Gefängnis wandern, abgeholt werden, verschwinden?
»Die Ballade von Johnny Sosa« ist ein großes kleines Buch über den Traum vom Ruhm, über die Menschenwürde, den Blues und die Schwierigkeit, im richtigen Moment nein zu sagen.
»Die Ballade von Johnny Sosa« erschien auch in Frankreich, Holland, Italien und Spanien.
»Aparaín erzählt seine Geschichte in einem leichten, zuweilen poetisch flirrenden, naiv daherkommenden Moritatenton, der es allerdings faustdick hinter den Ohren hat. […] Doch dies ist keine Moritat mit schaurigem Ende, sondern, wie der chilenische Erfolgsautor Luis Sepúlveda in seinem sympathischen Nachwort feststellt, ein Buch, in dem die Guten haushoch siegen, das erste seiner Art von diesem Kontinent: endlich ›der Roman der lateinamerikanischen Würde‹! Und das nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit dem rauen Charme von zwei, drei Bluesakkorden auf der Gitarre.« (Frankfurter Rundschau)
Der Autor
Mario Delgado Aparaín wurde 1949 in Florida/Uruguay geboren und arbeitete als Journalist, Universitätsdozent und Leiter des Kulturdezernats der Stadt Montevideo, wo er auch heute noch lebt. Er veröffentlichte drei Romane und mehrere Bände mit Erzählungen. Für seinen Roman »Februarmond« erhielt er den angesehenen Premio Internacional Alfaguara.
Der Übersetzer
Thomas Brovot, geb. 1958, lebt als Übersetzer (u. a. Juan Goytisolo, Federico García Lorca) in Berlin. Für seine Neuübersetzung von Mario Vargas Llosas »Tante Julia und der Schreibkünstler« erhielt er 2012 den Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis.
Mario Delgado Aparaín
Die Ballade von Johnny Sosa
Roman
Mit einem Nachwort von Luis Sepúlveda
Aus dem uruguayischen Spanisch von Thomas Brovot
Edition diá
Inhalt
Die Ballade von Johnny Sosa
Eine Begegnung mit Johnny Sosa
Impressum
Ai nied tubi frie
wit juh ander de trie.
Bat aijam an only black man,
an only black man,
an … ou, beiby.
Aus Melancholy on your Knees
Es waren wohl die letzten frohen Tage, und Johnny Sosa lachte noch das Herz, wenn er durch das Loch in der Lehmziegelwand schaute und aufgeregt wie ein Kind darauf wartete, dass die goldene Morgenstunde begann.
In diesen Minuten nahm er die Silhouetten der letzten Häuser von Mosquitos, bläulich schimmernd zwischen Tag und Traum, fast nur als eine Ahnung wahr. Und die unerbittlich schwankenden Eukalyptusbäume, die den Weg nach Norden ins Nirgendwo säumten, verhüllten die Behausungen manchmal völlig oder verzerrten sie so sehr, dass Johnny blinzeln und sich mit seiner morgendlichen Reibeisenstimme fragen musste, ob das, was er da sah, was sich so streckte und wieder zusammenschnurrte, Häuser waren, Schatten oder Lastwagen.
An manchen Tagen war es noch so finster, dass er trotz aller Anstrengung nicht mehr ausmachen konnte als Gebell, bellende Umrisse ihm vertrauter Hunde, und das war für ihn schon eine Menge. Wenn das Wetter schlecht war und der Tag so begann, bezog er auf seinem kleinen Stühlchen Posten, den heißen, frischen grünen Matetee in der Hand und den Wasserkessel auf Knöchelhöhe neben sich, kniff für eine Weile ein Auge zu, schweifte dabei in Gedanken ein wenig ab und nahm sich mit dem anderen der Geheimnisse des Gucklochs an, der Frage eben, ob die Schatten Häuser waren oder Lastwagen, bis es endlich Zeit war, den »Spika« mit den zwei Batterien anzustellen und die Traumbilder abzuschütteln.
Von dem Moment an, genau von sieben bis acht, während die blonde Dina auf der anderen Seite des Vorhangs aus Sackleinen noch schlief und laut ihre Träume träumte, lauschte Johnny andächtig, mit ganzer Seele und ohne dass irgendetwas oder irgendjemand ihn stören konnte, der Lebensgeschichte von Lou Brakley und rechnete voller Hingabe aus, wie lange er noch brauchen würde, um es zu einem vergleichbaren Lebenslauf zu bringen.
Mitgerissen vom Strudel der Ereignisse, hatte Johnny während der letzten Folgen begeistert festgestellt, dass Lous und seine Kindheit sich in gewisser Weise ähnelten. Dabei spielte es keine Rolle, dass dieser Wunderknabe aus Austin bereits im Alter von acht Jahren bei einem Wettbewerb um den besten Sommersong eine Gitarre gewonnen hatte, was sein Vater mit grausamer Gleichgültigkeit strafte, ein Mann, der dem Radiosprecher zufolge schielte und dem Trunk wie dem Evangelium ergeben war, der den Tagelohn mühelos durchbrachte und in den Kneipen heftig Prügel bezog, während seine Frau, das heißt Lous Mutter, bis tief in die Nacht wie besessen bügelte und vergeblich auf ihn wartete.
Johnny glaubte, dass es solche Schicksale nur in einem Land wie dem von Lou Brakley gab. Hier in Mosquitos hätte er sich vermutlich noch so sehr ins Zeug legen können, er hätte auch mit zehn oder zwölf Jahren nicht die Chance bekommen, bei einem dieser Radiofestivals seine Lieder vorzutragen oder an einem der Strände der Costa de Oro aufzutreten, in Los Titanes oder Shangrilá zum Beispiel. Von diesen Badeorten, die er sich unendlich weit weg vorstellte und wo bestimmt die Kinder von Captain Grant wohnten, hatte er immer wieder gehört, als die Küstenfestivals berühmt wurden und mit ihnen auch die Auserwählten, die Musiker.
Genauso unwahrscheinlich war, dass es einen Musikagenten nach Mosquitos verschlug, der die Bar Euskalduna betrat und, noch an seinem Schnitzel kauend, nach einem gewissen Johnny Sosa fragte, einem gestandenen Charmeur mit Gold in der Kehle, von dem der Scout in irgendeiner Runde besonders ausgeschlafener Experten hatte läuten hören. Sonst hätte
