SCHLAFWAGEN NACH GLASGOW: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!
Von Bill Knox
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Über dieses E-Book
Alle Polizeibeamten der Welt sind sich gleich. Man gebe ihnen eine vernünftige Spur, und ihre Augen leuchten auf. Und dann werden sie diese Spur so lange verfolgen, bis auch die letzte Möglichkeit ausgeschöpft ist.
Kennan hatte diese Atmosphäre bereits an vielen Orten erlebt. Er verabschiedete sich jetzt und fuhr ins Hotel zurück. der Uhrzeiger rückte immer weiter, und er war bei Gerald Spence zum Dinner eingeladen.
Auf seinem Zimmer wusch er sich das Gesicht mit kaltem Wasser und wechselte die Krawatte gegen eine blaue Schleife mit kleinen roten Punkten. In einer plötzlichen Laune holte er die Walther-Pistole aus ihrem Versteck und schob ein volles Magazin hinein. Er lud durch, sicherte sie und steckte sie in die Manteltasche. Die Burschen, die Denby erledigt hatten, waren zu allem fähig. Er nahm den Mantel über den Arm. Die Pistole drückte sanft gegen seine Hüfte. Er blickte sich noch einmal im Zimmer um, dann trat er hinaus und schloss die Tür hinter sich ab...
Der Roman Schlafwagen nach Glasgow von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1962.
Der Roman wurde 1981 unter dem Titel Überfall in Glasgow erfolgreich für das ZDF verfilmt (unter der Regie von Wolfgang Hantke), in den Hauptrollen: Götz George (als Craig Kennan), Hans Helmut Dickow (als MacTaggart), Klaus Barner (als Gerald Spence), Evelyn Opela (als Kate Spence) und Ferdy Mayne (als Kenneth Ferras).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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SCHLAFWAGEN NACH GLASGOW - Bill Knox
Das Buch
Alle Polizeibeamten der Welt sind sich gleich. Man gebe ihnen eine vernünftige Spur, und ihre Augen leuchten auf. Und dann werden sie diese Spur so lange verfolgen, bis auch die letzte Möglichkeit ausgeschöpft ist.
Kennan hatte diese Atmosphäre bereits an vielen Orten erlebt. Er verabschiedete sich jetzt und fuhr ins Hotel zurück. der Uhrzeiger rückte immer weiter, und er war bei Gerald Spence zum Dinner eingeladen.
Auf seinem Zimmer wusch er sich das Gesicht mit kaltem Wasser und wechselte die Krawatte gegen eine blaue Schleife mit kleinen roten Punkten. In einer plötzlichen Laune holte er die Walther-Pistole aus ihrem Versteck und schob ein volles Magazin hinein. Er lud durch, sicherte sie und steckte sie in die Manteltasche. Die Burschen, die Denby erledigt hatten, waren zu allem fähig. Er nahm den Mantel über den Arm. Die Pistole drückte sanft gegen seine Hüfte. Er blickte sich noch einmal im Zimmer um, dann trat er hinaus und schloss die Tür hinter sich ab...
Der Roman Schlafwagen nach Glasgow von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1962.
Der Roman wurde 1981 unter dem Titel Überfall in Glasgow erfolgreich für das ZDF verfilmt (unter der Regie von Wolfgang Hantke), in den Hauptrollen: Götz George (als Craig Kennan), Hans Helmut Dickow (als MacTaggart), Klaus Barner (als Gerald Spence), Evelyn Opela (als Kate Spence) und Ferdy Mayne (als Kenneth Ferras).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
SCHLAFWAGEN NACH GLASGOW
Erstes Kapitel
Donnern und Krachen zerriss die Nacht. Fünfzehn Meter hoch schoss aus dem Dach der riesigen Transformatorenhalle des Werkes eine gelbe, blaugeränderte Feuerlohe, tauchte die aufsteigende Rauchwolke in gleißende Helle und verwandelte die Nacht zum Tag.
Die Werkssirene gab in gellendem Stakkato Feueralarm, und überall auf dem über eine Quadratmeile großen Fabrikgelände formierten sich die Arbeiter nach einem schon halbvergessenen Alarmplan zu den ersten Löschtrupps.
Während die Werksfeuerwehr neben der langgestreckten Halle den ersten Schlauch entrollte, strömten die Leute schreckensbleich und teilweise angesengt ins Freie. Einer von ihnen hielt immer noch einen leeren Feuerlöscher in der mit Brandblasen bedeckten Hand. Panik und Verwirrung würden erst vollkommen, als mit dumpfem Krachen aus zwei anderen, weit auseinanderliegenden Gebäuden Flammen zum Himmel schossen: aus dem Elektroniklager an der Westseite des Werkes und aus dem Kantinenbau, der hundert Meter neben dem Hauptverwaltungsgebäude stand.
Automatische Berieselungsanlagen lösten sich aus und beregneten einen Teil der Räume, während an anderen Stellen chemische Feuerlöschanlagen in Tätigkeit traten. Drei Meilen entfernt wurde bei der zuständigen Feuerwache der Alarm ausgelöst, und sofort setzte die übliche Routine ein.
Wenige Sekunden später kamen dann über, das Telefon nähere Einzelheiten. Der erste Löschzug war bereits in rasender Fahrt auf dem Weg zum Brandort. Gleichzeitig wurden über Funk von den übrigen sechs Wachen weitere Kräfte angefordert.
»Großfeuer bei Polley-Bland. Alle Einsatzkräfte rücken aus, die Reserve hält sich in Alarmbereitschaft. Bleiben Sie auf Empfang.«
Das erste Tanklöschfahrzeug raste sechs Minuten später mit schrillenden Alarmglocken und aufblitzendem Rotlicht durch das Haupttor von Polley-Bland. Mit unverminderter Geschwindigkeit fuhr es mitten hinein in das sich rasch ausbreitende Inferno, wo Rauch und Hitze die freiwilligen Löschtrupps schrittweise zum Rückzug zwangen. Als das Feuerwehrfahrzeug zum Stehen kam, hatte der Gruppenführer bereits den Umfang des Brandes abgeschätzt und drückte die Sprechtaste seines Handmikrophons.
»Dog eins an Zentrale. Bei Polley-Bland eingetroffen. Alarmstufe zehn. Benötigen Ambulanzwagen und Polizei.«
Jetzt traf ein Löschzug nach dem anderen ein. Mit geübten Griffen machten sich die Einsatzgruppen an die Arbeit. Schläuche wurden aufgewickelt, an die Hydranten angeschlossen, die Strahlrohre aufgesetzt. Die Gruppenführer drangen an der Spitze ihrer Leute an den Brandort vor. Wegen der starken Rauchentwicklung trugen die Männer Atemschutzgeräte. Funkenflug vergrößerte die Gefahr einer weiteren Ausdehnung des Brandes. Doch immer neue Löschzüge trafen ein und nahmen unverzüglich den Kampf mit den Flammen auf.
Eine Gruppe von drei Feuerwehrleuten stürmte in das Hauptverwaltungsgebäude. In der riesigen Fensterfront spiegelte sich die rote Glut der brennenden Kantine. Plötzlich blieben die Männer überrascht stehen - eine andere Löschgruppe befand sich bereits hier.
»Schon in Ordnung!«, rief einer der Fremden. »Wir haben hier den Schutz übernommen. Das Personal hat das Gebäude bereits geräumt.«
Der Führer des Trios zuckte die Achseln, fuhr sich über das verschwitzte, rußgeschwärzte Gesicht und wandte sich mit seinen Männern zum Gehen. Dann würden sie eben das nächste Gebäude kontrollieren. Alle Wehren der Gegend schienen eingesetzt worden zu sein.
Wenige Minuten später verließ ein rotes Löschfahrzeug mit vier Leuten das Werksgelände. Am Fabriktor musste es kurz anhalten, da ein Krankenwagen von der Straße einbog.
»Wir brauchen noch weitere Schaumlöschgeräte«, rief der uniformierte Fahrer dem Pförtner zu. »Sind sofort zurück!«
Zuerst wurde das Elektroniklager gerettet. Das Dach des Kantinenbaus war zerstört, aber auch dort hatte man den Brand unter Kontrolle gebracht. Nun wurden alle verfügbaren Kräfte in der Transformatorenhalle eingesetzt.
Genau zwei Stunden und sechzehn Minuten nach Ertönen der Alarmsirene wurden die letzten Flammen unter einer weißen Schaumdecke erstickt.
Genau zwei Stunden und einundzwanzig Minuten nach Ertönen der Alarmsirene klingelte in einem Bungalow am Stadtrand das Telefon. Beim dritten Schrillen wachte Chefinspektor Donald MacTaggart auf. Noch einige Sekunden lag er wie benommen da, dann wälzte er sich auf die Seite und tastete nach dem Lichtschalter. Durch die plötzliche Helle geblendet, griff er blinzelnd nach dem Hörer, sank in die Kissen zurück und presste ihn ans Ohr.
»Hardy, Sir.« Die Stimme am anderen Ende klang fast entschuldigend. »Bei Polley-Bland hat es gebrannt.«
»Hm?«
Der Sergeant fasste sich kurz. »Das Feuer ist gelöscht. Schwerer Schaden, Chefinspektor. Vermutlich Brandstiftung. Aber das ist nicht alles. Man fand den Kassierer gefesselt und geknebelt. Vier Männer in Feuerwehruniformen sind mit den Lohngeldern verschwunden. Kommen Sie gleich herüber, Sir?«
»Ach, schon gut!« MacTaggart knallte den Hörer auf die Gabel, wollte fluchen, gähnte stattdessen und wälzte sich aus dem Bett.
Die von New York kommende Düsenmaschine der Pan American landete kurz nach neun auf dem Flughafen Prestwick. Zoll- und Passkontrolle waren rasch überstanden, dann strömten die Passagiere durch die Sperre, um die wartenden Freunde und Bekannten zu begrüßen.
Craig Kennan sah zu, wie der Zollbeamte ein Kreidezeichen auf sein einziges Gepäckstück machte - einen großen, bereits ziemlich mitgenommenen Lederkoffer. Dann folgte er langsam den anderen Fluggästen.
In der Empfangshalle herrschte Hochbetrieb: die Zeit des Stoßverkehrs auf der Transatlantikroute. Soldaten- in den verschiedensten NATO-Uniformen saßen wartend und kettenrauchend herum, Zivilisten verabschiedeten sich lautstark und mit gezwungener Fröhlichkeit. Zwischen ihnen wimmelte Personal in den Uniformen von einem runden Dutzend europäischer und nordamerikanischer Fluggesellschaften.
Alle Flughäfen der Welt sind sich gleich, dachte Kennan, als er zum Schalter der Autoverleihfirma ging. Er blieb kurz stehen, um zwei schlanke blonde Stewardessen in den taubengrauen Uniformen einer niederländischen Luftverkehrsgesellschaft vorüberzulassen. Das eine Mädchen blickte kurz auf. Der Mann, dem sie ins Gesicht sah, gefiel ihr.
Kennan war kein schöner Mann. Sein sonnengebräuntes Gesicht war zerfurcht, er war mittelgroß und untersetzt, mit dunklem, leicht gewelltem Haar und braunen, lebhaften Augen. Er sah ganz so aus, als könne er durchaus auf sich aufpassen. Er ging weiter, mit leichtem Hinken - ein Andenken an einen chinesischen Granatsplitter, das er aus dem Koreakrieg mitgebracht hatte.
Kennan war dreiunddreißig Jahre alt. Er trug einen sorgfältig gebügelten dunkelblauen Anzug und ein cremefarbenes Hemd mit einer weinroten Seidenkrawatte. Man erkannte in ihm sofort jenen Typ des Amerikaners, an den sich die Europäer längst gewöhnt haben: den Geschäftsmann, der Aufträge erteilt oder die Gründung eines neuen Zweiges eines amerikanischen Unternehmens vorbereitet. Auf jeden Fall ein gern gesehener Gast.
Kennan lächelte das Mädchen am Schalter des Autoverleihs an. »Guten Morgen. Craig Kennan aus New York. Sie haben für mich einen Wagen reserviert?«,
»Einen Augenblick bitte.« Das rothaarige Mädchen mit dem pfirsichfarbenen Teint, das gerade zwanzig sein mochte, signalisierte über seine Schulter hinweg. »Da drüben wartet jemand auf Sie«, erklärte sie dann. »Es ist alles schon geregelt. Der Wagen steht draußen.«
Verwundert drehte sich Kennan um, aber als sich eine bekannte Gestalt aus dem Clubsessel erhob, grinste er breit.
»Gerald Spence! Ja, wo kommst du denn her?«
Spence war schmächtig, blond und ungefähr im gleichen Alter wie Kennan.
»Das ist eine Überraschung, wie?«, sagte er und schlug dem anderen herzlich auf die Schulter. »Aber wenn jemand aus der Heimat herüberkommt, dann muss ich ihn doch begrüßen, oder?« Er bückte sich und nahm Kennans Koffer auf. »Ist das dein ganzes Gepäck? Dann können wir ja gehen. Die Wagenschlüssel habe ich - auch der Formularkram ist schon erledigt. Sozusagen Kundendienst.« Er bemerkte Kennans fragenden Blick. »Ach so, Craig, ich bin dir ja noch eine Erklärung schuldig. Ich bin Personalchef bei Polley-Bland. Deshalb wusste ich, dass du kommst.«
Seine Redeflut hielt an, als sie das Flughafengebäude verließen und zum Parkplatz hinübergingen. Kennan grinste. Wie lange hatte er Gerald Spence nicht mehr gesehen? Sie waren zusammen auf der höheren Schule gewesen, ohne eigentlich eng befreundet gewesen zu sein. Im Laufe der Jahre waren sie sich dann noch einige Male begegnet, aber er hatte keine Ahnung gehabt, was und wo Spence arbeitete.
Vor dem Wagen blieben sie stehen: ein englischer Ford mit schwarzglänzendem Lack. Kennan betrachtete das Fahrzeug, während sein Begleiter den Koffer auf den Rücksitz schob.
»Steig ein«, meinte Gerald Spence. »Hier sind die Schlüssel. Der Wagen gehört dir - mit den besten Empfehlungen von Polley-Bland. Du darfst lediglich nicht vergessen, dass man hier links fährt, dann ist alles in Ordnung.«
Kennan schob sich hinter das Steuer, schlug die Tür zu und wartete, bis Spence neben ihm Platz genommen hatte.
»Zigarette?« Spence hielt Kennan ein Päckchen hin, und sein zufriedenes Grinsen wurde mit jeder Sekunde breiter. »Echt amerikanische, mein Junge. Gewiss eine Überraschung, wie? Sie kosten allerdings eine ganze Menge, weil die Briten ja ihren Zoll kassieren. Ich habe mich inzwischen an die inländischen gewöhnt - sind billiger. Aber heute ist schließlich eine besondere Gelegenheit.«
Als ihre Zigaretten brannten, drehte Kennan den Zündschlüssel um. Er ließ den Motor zunächst einige Sekunden schnurren, während er sich mit Schaltung und Armaturenbrett vertraut machte. Schließlich fuhr er langsam aus dem Parkplatz heraus auf die Straße.
»Biege nach rechts ab, und dann immer geradeaus. Bis zum Werk ist es ungefähr eine Stunde.« Spence lehnte sich bequem zurück und blies eine Rauchwolke nach oben. »Es macht dir hoffentlich nichts aus, gleich ins Werk zu fahren. Der Chef wollte diese Angelegenheit sofort regeln. Von der hiesigen Polizei wird auch jemand anwesend sein. Der Mann heißt MacTaggart.« Er lachte. »Ich hätte nie geglaubt, dass aus dir noch mal ein Privatdetektiv würde, Craig.«
»Das bin ich doch gar nicht.« Craig Kennan wandte den Blick nicht von der Straße. Es herrschte ziemlich starker Verkehr, und er musste sich erst an den Ford gewöhnen. »Meine offizielle Bezeichnung ist Schadenregulierer. Ich bin Angestellter von Marques and Beechland, der Versicherungsgesellschaft, bei der Polley-Bland die meisten Risiken decken lässt. Wenn ein großer Schaden gemeldet wird schickt man Leute wie mich los, damit wir uns einmal gründlich umsehen und dann einen Bericht schreiben. Das ist alles. Keine aufregende Verbrecherjagd, sondern ganz seriöse Geschäftspraktiken.«
Spence zuckte die Achseln. »Entschuldige, mein Junge. War nur ein Scherz. Du weißt also Bescheid, was es hier gegeben hat? Der Raubüberfall und all das Drum und Dran?«
»Ja, ich bin im Bilde.« Kennan entspannte sich ein wenig und gab Gas. Die Tachonadel zeigte auf sechzig Meilen. In seinem Koffer hatte er einen Schnellhefter mit den nötigen Unterlagen, die ihm die Schadensabteilung von Marques and Beechland zusammengestellt hatte. In Gedanken ließ er noch einmal rasch die Hauptpunkte Revue passieren.
Polley-Bland Kraftwerkbau - ein großer Konzern in New England, Spezialisten für Großkraftwerke im Werte von vielen Millionen Dollar. Eine jener Firmen, für die nur Regierungsaufträge interessant waren. Vor zwei Jahren hatte man die Produktion in dem neuerrichteten britischen Werk aufgenommen. Man versuchte, neue Märkte für die riesigen Generatoren zu erschließen, die eine ganze Stadt mit Strom versorgen konnten; für die großen ölgekühlten Transformatoren mit einer Leistung von mehreren Tausend Kilovoltampere, für die elektronischen Schaltanlagen. Man hatte das neue Werk in der Nähe von Glasgow errichtet, dem Hafen und Industriezentrum von Schottland, der Stadt, die die amerikanischen Soldaten im zweiten Weltkrieg als raueste, aber auch freundlichste Stadt in Westeuropa kennengelernt hatten.
Es gab gute Gründe für diese Wahl. Andere amerikanische Industriekonzerne hatten bereits in diesem Gebiet Zweigstellen gegründet. Reifen und Traktoren, Büromaschinen, ja, sogar Limonaden und Rasierklingen wurden hier hergestellt. Eine solche Geschäftsgründung war denkbar einfach: man schickte eine kleine Gruppe Stammpersonal samt Familie aus den Vereinigten Staaten herüber und besetzte alle übrigen Arbeitsplätze mit Schotten. Im Augenblick beschäftigte Polley-Bland rund dreitausend Einheimische. Mit der Zeit wurden diese Leute immer vertrauter mit der amerikanischen Arbeitsweise, und nun übernahmen sie bereits Schlüsselpositionen. Es würde nicht mehr lange dauern, und ein großer Teil des amerikanischen Personals konnte sich wieder auf den Weg machen, um in irgendeinem anderen Winkel der Welt ein neues Zweigwerk zu errichten. Das konnte in Indien sein, oder - wenn sie sehr viel Glück hatten - in Australien.
Und nun hatte es in dem neuen Werk von Polley-Bland Schwierigkeiten gegeben.
Ungünstig wirkte sich vor allem aus, dass es nach dem britischen Arbeitsgesetz nicht statthaft ist, Löhne und Gehälter per Scheck zu zahlen, stand in der Aktennotiz, die Kennan erhalten hatte.
Das war der Grund gewesen, warum der Chefkassierer noch gearbeitet hatte, als das Feuer ausgebrochen war. Mit einem Teil seines Personals war er damit beschäftigt gewesen, die Lohntüten für die Nachtschicht fertigzumachen. Die gesamten Lohngelder hatten sich in dem großen Geldschrank befunden, so dass die Angestellten der Tagesschicht dann die Arbeit fortsetzen konnten.
»Dreißigtausend Pfund!«, murmelte Kennan.
Spence nickte. »Das sind rund hunderttausend Dollar. Eine Menge Geld. Und die Burschen haben alles mitgenommen. Inzwischen sind sechs Tage vergangen, und so viel uns bekannt ist, hat die Polizei keine blasse Ahnung, wo die Banditen stecken.«
In Spences Stimme hatte ein spöttischer Unterton geschwungen, und das veranlasste Kennan zu der Frage: »Was hältst du eigentlich von den Beamten, die die Ermittlungen leiten?«
»Sie sind recht tüchtig«, gab Spence achselzuckend zu. »Aber die Gegend hier oben ist reichlich unwirtlich, wenn man einmal von der Hauptstraße abbiegt. Und darum tappen sie anscheinend noch im Dunkeln.«
Kennan wich zur Straßenmitte aus und überholte einen Schwarm von Radfahrern, alle in kurze weiße Hosen und grüne Trikots gekleidet.
»Verrücktes Volk!«, brummte sein Begleiter. »Manche von diesen Radsportlern fahren hundert Meilen am Tag. Einfach verrückt!«
Kennan knurrte zustimmend. Dann meinte er: »Und nun erzähl mir mal von dem Feuer. Nach meinen Unterlägen beträgt der angerichtete Schaden rund doppelt so viel wie die Lohngelder, die diese vorgeblichen Feuerwehrmänner geraubt haben.«
Spence nickte, kurbelte das Fenster herunter und warf seine Zigarettenkippe hinaus.
»Ken Ferras, unser Generaldirektor, kann dir da genauere Angaben machen«, erwiderte er. »Die Kantine ist kein großer Verlust. Der Schaden im Elektroniklager beschränkt sich auf zwei kleinere Räume mit Werkzeugen. Ernsthafter Schaden entstand vor allem in der Trafohalle. Wir arbeiten gerade an einem Terminauftrag, und dieser Brand hat uns einen schlimmen Schlag versetzt.«
»Wie schlimm, Gerald?« Kennan warf seinem Begleiter einen kurzen Seitenblick zu.
»Sehr schlimm.« Spence zuckte die Achseln. »Ich bin in dieser Hinsicht kein Fachmann.« Offensichtlich war ihm das Thema unangenehm, und er fragte rasch: »Wann warst du eigentlich zuletzt in Albany, Craig?«
»Vor zwei Jahren. Damals zogen meine Eltern von Albany weg. Sie leben jetzt unten in Duchess County. Der alte Herr züchtet Hühner, und Mutter richtet alle zwei Monate das Haus neu ein. Zwischendurch haben sie dann mächtig viel Langeweile. Und wie geht es