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AUF VERSCHNEITEN STRASSEN: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!
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AUF VERSCHNEITEN STRASSEN: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!
eBook269 Seiten3 Stunden

AUF VERSCHNEITEN STRASSEN: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!

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Über dieses E-Book

John Russell fuhr in zuversichtlicher Stimmung nach Glasgow. Er hatte den Ronaldsons erklärt, geschäftlich in der Stadt zu tun zu haben, und er hatte sich auch tatsächlich im Central Hotel ein Zimmer für die Nacht genommen. Am Morgen würde er dann nach Dunoon und zur Kakadu zurückfahren.

McBrides Idee, statt Nitroglyzerin eine Gipsschere zu nehmen, war gut. Trotzdem war Russell entschlossen, notfalls den Safe sprengen zu lassen, gleichgültig, wieviel Lärm es machen würde. Und wenn nötig, würde er helfen, seinen Mitarbeitern gewaltsam einen Weg zurück von der Yacht zu bahnen...

Der Roman Auf verschneiten Straßen von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1960; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum27. März 2020
ISBN9783748733690
AUF VERSCHNEITEN STRASSEN: Der Krimi-Klassiker aus Schottland!

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    Buchvorschau

    AUF VERSCHNEITEN STRASSEN - Bill Knox

    Das Buch

    John Russell fuhr in zuversichtlicher Stimmung nach Glasgow. Er hatte den Ronaldsons erklärt, geschäftlich in der Stadt zu tun zu haben, und er hatte sich auch tatsächlich im Central Hotel ein Zimmer für die Nacht genommen. Am Morgen würde er dann nach Dunoon und zur Kakadu zurückfahren.

    McBrides Idee, statt Nitroglyzerin eine Gipsschere zu nehmen, war gut. Trotzdem war Russell entschlossen, notfalls den Safe sprengen zu lassen, gleichgültig, wieviel Lärm es machen würde. Und wenn nötig, würde er helfen, seinen Mitarbeitern gewaltsam einen Weg zurück von der Yacht zu bahnen...

    Der Roman Auf verschneiten Straßen von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999) erschien erstmals im Jahr 1960; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    AUF VERSCHNEITEN STRASSEN

    Erstes Kapitel

    Nur ein leichtes Holpern und die vorbeihuschenden Lichter der Landebahnbefeuerung waren für die Passagiere des Stratokreuzers die Anzeichen dafür, dass die Maschine auf der Rollbahn von Gander in Neufundland aufgesetzt hatte. Majestätisch rollte das Flugzeug über die Betonpiste zum Empfangsgebäude, während das Motorengeräusch in ein helles Singen überging.

    Wenige Sekunden später führte die Stewardess die Passagiere hinüber in das Flughafenrestaurant, wo eine Mahlzeit auf sie wartete. Mechaniker und Tankwarte standen bereit, um sich während der kurzen Zwischenlandung der Maschine anzunehmen. In kleinen Gruppen strömten die Reisenden, die sich noch vor wenigen Stunden, bei ihrem Start in New York, völlig fremd gewesen waren, in die zentralgeheizte Halle. Die kalte Dunkelheit der Nacht hatte sie erschauern lassen.

    Ein großer schlanker Mann ohne Hut, den schweren braunen Mantel lässig über die Schultern geworfen, polierte mit dem Taschentuch seine beschlagene randlose Brille. Sein sonnengebräuntes Gesicht mit dem gepflegten Bärtchen verriet deutlich Verwirrung, als er kurzsichtig auf seine Armbanduhr starrte. Langsam drehte er sich zu dem Arm in Arm hinter ihm drein schlendernden Paar um.

    »Muss man die Uhr jetzt anderthalb Stunden vor- oder zurückstellen?«, fragte er. »Ich habe schon wieder vergessen, was uns die Stewardess gesagt hat.«     

    »Vor«, erwiderte Dwyatt Ronaldson grinsend. »Aber ich verliere auf diesen Flügen jedes Zeitgefühl. Ich richte mich nur nach meinem Magen, das ist der sicherste Zeitmesser - stimmt’«, Liebling?« Er lächelte die neben ihm gehende Frau an, die sich tief in ihren kostbaren Nerzmantel gehüllt hatte.

    »Leider wahr, Liebling«, stimmte sie zu. »Ehe wir uns aber ans Frühstück machen, oder was immer man uns hier servieren mag, vergiss nicht, dass du Diät halten musst!«

    »Vielen Dank«, sagte der Fremde. »Ihnen mag es vielleicht albern erscheinen, aber eine genau gehende Uhr ist für mich eine Lebensnotwendigkeit. Wahrscheinlich eine von diesen Eigenschaften, die Sie als Amerikaner zu dem Schluss verleiten, dass alle Engländer einen Spleen haben. Nun...« Er zögerte. »...nochmals meinen Dank. Ich will mal sehen, was es hier für Zeitschriften gibt.«

    Er setzte die Brille auf und ging davon.

    »Netter Mensch«, bemerkte Ronaldson. »Schön, Julia, dann hol diesen vermaledeiten Diätzettel heraus und lass uns gehen.«

    Sie schlenderten durch die große Halle des Flughafengebäudes. Ronaldson, eine schwere Gestalt mit einem runden Gesicht, trug einen hellgrauen Anzug, einen grauen Hut und einen schwarzen Mantel mit Gürtel. Seine Frau war schlank und brünett. Ihre hübschen Beine steckten in mit weißem Pelz besetzten Stiefelchen. An ihrer linken Hand trug sie außer einem schlichten Goldreif einen Ring, an dem drei Brillanten funkelten. Sie gaben ihre Mäntel an der Garderobe ab und wurden von einer kanadischen Kellnerin zu einem Tisch geführt. Das Mädchen reichte ihnen die Speisekarte und wartete auf die Bestellung.

    »Überlass das mal mir, mein Lieber«, sagte Julia lächelnd. »Wir nehmen etwas Leichtes.«

    »Da ist man nicht einmal ein ganzes Jahr verheiratet, und schon wird man von seiner Frau herumkommandiert, als hätte man eine zehnjährige Ehe hinter sich«, brummte der Amerikaner resigniert. »Wie wär’s denn mit Tomatensaft und - nun, vielleicht könnte ich noch ein kleines Steak haben?«

    »Hm.« Julia schüttelte energisch den Kopf. »Porridge, Toast und Kaffee. Das genügt vollkommen.«

    Die Kellnerin notierte die Bestellung und blieb dann zögernd stehen.

    »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte sie errötend. »Sind Sie nicht die Schauspielerin Julia Martin? Ich habe Sie vor ein paar Jahren in Montreal gesehen, als ich im Urlaub drüben war. Wir sollen zwar die Fluggäste nicht behelligen - aber ich muss Ihnen sagen, dass ich ganz einfach begeistert von Ihnen war.«

    »Ex-Schauspielerin«, korrigierte Julia lächelnd. »Jetzt bin ich nichts anderes als eine hausbackene Ehefrau, meine Liebe. Immerhin vielen Dank für Ihr reizendes Kompliment. Und nun bringen Sie uns schnell etwas zu essen. Ich habe gewaltigen Hunger, und im Augenblick brauche ich mir keine Sorgen um meine Figur zu machen.«

    Die Ronaldsons. waren mit ihrem Frühstück beschäftigt, als der Fremde mit zwei Zeitschriften in der Hand das Restaurant betrat. Er machte eine knappe Verbeugung vor dem Ehepaar und ging weiter zum nächsten Tisch.

    »Na, haben Sie Ihren Lesestoff bekommen?«, rief ihm der Amerikaner zu. »Sagen Sie, haben Sie da etwa das Yachtsmans Monthly? Sind Sie an Booten interessiert?«

    Der Fremde nickte. »Ja. Allerdings ist mein Interesse daran mehr oder weniger akademisch.«

    »Dwyatt«, warf Julia ein. »Du kannst doch den Herrn nicht wie einen armen Sünder da stehen lassen. Wollen Sie sich nicht zu uns setzen, Mr...?«

    »Russell«, stellte sich der neue Bekannte vor. »John Russell.«

    »Dwyatt Ronaldson. Und dies ist Julia, meine Frau«, sagte der Amerikaner und machte eine einladende Geste. »Setzen Sie sich, dann können wir uns über Boote unterhalten.«

    »Wenn es Ihre Gattin nicht langweilt, sehr gern«, erwiderte John Russell mit strahlendem Lächeln. »Fräulein, würden Sie mir, bitte, Rührei mit Schinken, Tee und Toast bringen?«

    »Seit ich mit Dwyatt verheiratet bin, habe ich mich an seine Leidenschaft für Boote gewöhnt«, meinte Julia seufzend. »Lassen Sie sich also nicht stören - ich esse inzwischen. Unsere Maschine bleibt ja nicht den ganzen Tag hier. Oder ist es jetzt Nacht, Mr. Russell?«

    »Der Tag beginnt gerade, Mrs. Ronaldson«, erwiderte Russell. »So viel habe ich inzwischen von Ihrem Gatten gelernt.«

    Die beiden Männer unterhielten sich noch immer über Boote, als ihr Flug über den Lautsprecher aufgerufen wurde.

    »Setzen Sie sich doch zu uns, bei uns ist noch ein Platz frei«, lud Ronaldson den neuen Bekannten ein. »Wir könnten dann unser Gespräch fortsetzen. Was meinst du, Julia?«

    »Von mir aus gern«, entgegnete seine Frau. »Aber übertreibe es bitte nicht, Darling. Sonst werde ich noch seekrank.«

    Nachdem man die Maschine bestiegen und sich angeschnallt hatte, nahm Ronaldson das Gespräch wieder auf.

    »Ich sagte Ihnen bereits, dass ich eine große Yacht besitze. Die Kakadu ist ein Prachtschiff, ein hochseefester Fünfhunderttonner. Ich habe sie vor drei Jahren von einem Engländer gekauft, der die Unterhaltskosten nicht länger bestreiten konnte - dank Ihrer Steuergesetzgebung, nebenbei gesagt. Die Yacht wurde kurz vor dem Krieg im Clyde gebaut, und gegenwärtig wird dort die Maschinenanlage überholt. Aber was Sie vor allem interessieren wird - ich habe auf der Yacht ein schnittiges Sechsmeterboot. Sie glauben nicht, wie großartig es sich damit segeln lässt. Ich musste erst noch ein größeres Geschäft abschließen und konnte mich nicht eher frei machen. Jetzt fliegen wir zunächst nach London, ich habe dort ebenfalls noch geschäftlich zu tun, leider! Aber anschließend geht es nach Norden. Die Überholung der Kakadu muss jetzt beendet sein, und in den allernächsten Tagen wird sie ihren Liegeplatz an der Küste wieder einnehmen. Dort wollen wir an Bord gehen.

    Sie müssen wissen, mein Großvater war der jüngste Sohn des Clan-Oberhauptes der Ronaldsons. Der letzte des anderen Zweigs, ein alter Knabe hoch in den Achtzig, starb vor einigen Jahren. Dank dieser Tatsache bin ich zum Chef des Clans avanciert, ob Sie es glauben oder nicht. Auf unserer Reise schlagen wir also gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Wir fahren zu der Clan-Versammlung nach Schottland - es handelt sich um eine Jubiläumsversammlung; vor genau zweihundertfünfzig Jahren ist nämlich der Ronaldson-Clan entstanden. Anschließend machen wir eine vierwöchige Kreuzfahrt durchs Mittelmeer. Und außerdem habe ich noch - wie gesagt - in London Geschäfte zu erledigen.«

    Er schwieg, als die Motoren auf volle Touren gingen und die Maschine laut donnernd die Betonpiste entlangrollte. Immer schneller glitt die Maschine dahin, dann ein leichtes Erbeben, und der Riesenvogel erhob sich in die Luft. Rasch gewann er an Höhe, und als die Motoren schließlich ihr gleichmäßiges Lied sangen und die Passagiere die Sicherheitsgurte gelöst hatten, nahm Ronaldson das Gespräch wieder auf.

    »Ich bin aus der Konservenbranche, müssen Sie wissen - Ron-Konserven. Wir verkaufen mehr Dosen im Jahr, als es überhaupt Büchsenöffner gibt.«

    »Du wirst langweilig, mein Lieber«, warf seine Frau schläfrig ein. »Du hast Mr. Russell überhaupt noch nicht zu Wort kommen lassen. In welcher Branche sind Sie denn tätig, Mr. Russell? Hoffentlich stört es meinen teuren Gatten nicht, wenn ich mich danach erkundige.«

    »Import-Export, Mrs. Ronaldson. Meine Agentur ist für rund ein halbes Dutzend Firmen tätig«, erwiderte Russel und fügte mit einer wegwerfenden Geste hinzu: »Alles kleinere Unternehmen. Darum war ich in New York, ich verhandelte mit einigen Kunden und orientierte mich über die Möglichkeiten des amerikanischen Marktes. Wir brauchen in England Dollars, wie Sie wissen.«

    »Soweit ich unterrichtet bin, ist England ja recht gut ins Geschäft gekommen«, meinte Julia. »Besonders in den Warenhäusern findet man auffallend viele britische Erzeugnisse. Wenn ich nur an diese entzückenden Pullis denke...«

    »Na, diese entzückenden Pullis sind für Vogelscheuchen gut«, prustete ihr Mann los. »Du weißt schon, was ich meine, Darling.«

    »Allerdings«, erwiderte Julia, »aber warte nur, mein Lieber. Du wirst selbst wie eine Vogelscheuche aussehen, wenn du deinen Kilt anziehst. Er trägt nämlich einen Kilt, Mr. Russell. Sein Clan hat ein ganz entzückendes Muster.«

    Die Unterhaltung drehte sich um dies und das, um Boote, um allgemeine Themen, und erneut um Boote, während die Stewardess Drinks und Zeitschriften anbot, Süßigkeiten, Zigaretten, und schließlich Kissen und Decken brachte. Das Licht verlöschte - nur einige schwache Birnen brannten -, und die Passagiere fielen erneut in Schlaf, während das Flugzeug sich mit gleichbleibendem Dröhnen seinen Weg hoch über dem Atlantik bahnte.

    Natürlich regnete es, als die Maschine auf dem Londoner Flughafen landete. Als die Passagiere die Gangway hinabstiegen, schien mindestens einer von ihnen zu bedauern, dass der Flug zu Ende war.

    »Ich habe mich sehr gefreut, Sie und Ihren Gatten kennengelernt zu haben, Mrs. Ronaldson«, sagte John Russell. »Ich hoffe nur, dass Sie unsere Fachsimpelei über Boote nicht zu sehr gelangweilt hat. Aber wenn man eine Leidenschaft für den Wassersport

    »Aber ich bitte Sie«, unterbrach Julia ihn lachend. »Es hätte gar nicht netter sein können. Tja, und nun sind wir wieder einmal in England. Komisch, wenn man sich überlegt, dass wir hier Ausländer sind.«

    »Amerikaner sind in England immer willkommen, und besonders hübsche Amerikanerinnen«, erwiderte Russell galant. »Ich muss mich nun leider verabschieden, aber vielleicht begegnen wir uns irgendwie wieder, Mr. Ronaldson

    »Aber klar!«, entgegnete Ronaldson herzlich. »Und ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass mein Vorname Dwyatt ist. Ich habe einige Wochen geschäftlich in London zu tun. Wir wohnen im Selwyn. Ein ruhiges Haus, man kriegt dort sogar Eiswasser, und Zentralheizung ist auch vorhanden. Auf unserem Konsulat nennt man es Klein-Amerika. Raffen Sie uns doch gelegentlich an. Wir könnten dann mal zusammen essen gehen.«

    Die zwei Männer schüttelten sich die Hände, und mit einer Verbeugung vor Julia wandte sich Russell ab und ging zur Zollabfertigung...

    »Weißt du, Dwy, wenn er die Brille abnehmen würde, könnte er sämtliche Stars in Hollywood in den Schatten stellen«, meinte Julia, während sie ihm nachsah. »Aber du brauchst deshalb nicht eifersüchtig zu werden, Darling. Mr. Cornedbeef ist nach wie vor mein ein und alles.«

    »Nun mal Schluss, Julia!«, protestierte ihr Mann. Dann fügte er hinzu: »Er ist tatsächlich ein netter Mensch. Ein großer Bootsnarr. Ich erzählte ihm von unserem Segelboot auf der Kakadu. Er scheint eine ganze Menge davon zu verstehen - nach seinem Reden zu schließen.«

    Als sich Mr. John Russell einige Minuten später außer Sichtweite befand, schien er jedoch kein Interesse mehr an Booten zu haben. Nachdem er die Zollabfertigung hinter sich gebracht hatte, zog er die Yachtzeitschriften aus der Manteltasche und beförderte sie in den erstbesten Papierkorb. Dann stellte er Aktentasche und Koffer auf dem dicken Teppich der Halle ab und betrat eine Telefonzelle. »Harry? Hier Russell. Bin gerade angekommen.«    

    »Hat alles geklappt?« Die Stimme am anderen Ende des Drahtes klang ängstlich.

    »Hätte nicht besser klappen können. Du hast keine Vorstellung, wie naiv diese Yankees sind. Du kannst also mit den weiteren Vorbereitungen beginnen. Ich werde unsere Freunde jetzt vierzehn Tage in Ruhe lassen und dann den Hauptangriff starten. Ruf mich morgen im Büro an und unterrichte mich, wie die Dinge stehen. Übermorgen fährst du am besten nach Norden.«

    Russell legte den Hörer auf, trat in die Halle und ergriff sein Gepäck. Er pfiff ein Lied vor sich hin, das verdächtig nach einem Seemannslied klang.

    Für die lange Fahrt zu dem Bürohaus im Temple nahm er ein Taxi. Das Gebäude lag in der Nähe der Themse. Am Haupteingang befand sich unter den vielen Firmenschildern auch eins mit der Inschrift Handelsagentur Russell. Er bezahlte das Taxi und erwiderte forsch den Gruß des Portiers. Dann lief er die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, wandte sich nach rechts und öffnete die Tür zur Handelsagentur Russell. Drei Stenotypistinnen hämmerten auf ihren Schreibmaschinen, und ein älterer Angestellter erhob sich hinter seinem Schreibtisch neben einem glühenden Heizofen.

    »Willkommen, Mr. Russell! Hatten Sie eine gute Reise?«

    »Ausgezeichnet, Lloyd. Kommen Sie doch gleich mit.«

    Russell öffnete die Tür zu seinem Privatbüro und warf die Aktentasche auf den großen Eichenschreibtisch.

    »Na, wie stehen die Dinge?«

    »Leider ziemlich ruhig im Augenblick, Sir. Mit der letzten Lieferung von Haushaltsartikeln nach Portugal gibt es einige Schwierigkeiten. Der Hersteller kann den Termin nicht enthalten, und unsere Agenten in Portugal dringen auf Lieferung.«

    »Machen Sie Dampf hinter die Sache, Lloyd. Machen Sie dem Hersteller klar, dass dies unser letzter Auftrag war, wenn wir das Zeug nicht sofort bekommen. Ich fahre jetzt nach Hause. Will mich etwas ausruhen, und dann habe ich auch noch ein paar Akten durchzusehen - das Resultat der Reise.«

    »Neue Aufträge, Sir? Wir könnten sie brauchen!«

    »Ein paar«, erwiderte Russell. »Aber ich habe einige wichtige Kontakte angeknüpft, die sich schon in naher Zukunft bezahlt machen werden.«

    »Dann hat sich Ihre Reise also gelohnt?«, fragte der Angestellte interessiert.

    »Sehr«, erwiderte Russell lächelnd. »Und das ist noch zu milde ausgedrückt.«

    Summendes Stimmengewirr, hin und her eilende Kellner, dezente Beleuchtung und amüsante Wandgemälde gaben dem Restaurant seine eigene Note.

    Die Ronaldsons saßen in einer Nische und genossen einen zarten Rostbraten, als sie eine hochgewachsene Gestalt bemerkten.

    »Nun schau mal, Julia, wer da kommt!«, sagte der Amerikaner.

    John Russell, in dunkelgrauem Anzug, weißem Hemd und mit einer weinroten Krawatte, verbeugte sich lächelnd.

    »Ich wollte gerade essen«, sagte er. »Da entdeckte ich Sie und musste natürlich herüberkommen.«

    »Wunderbar!« Der Amerikaner strahlte. »Noch gestern sprach ich mit Julia über Sie. Die letzten zehn Tage waren ziemlich hektisch für mich, müssen Sie wissen. Aber ich hatte immer gehofft, dass wir uns noch einmal begegnen würden.«

    »Boote und immer wieder Boote!«, seufzte seine Frau. »Setzen Sie sich, mein Freund. Wenn Sie warten wollen, bis Dwyatt einfällt, was sich gehört, können Sie alt und grau werden.«

    »Vielen Dank!« Russell setzte sich auf den Stuhl, den ihm ein Kellner zurechtgerückt hatte. »Ich hatte ebenfalls viel, zu tun in den letzten Tagen. Aber übermorgen ist Schluss damit! Ich mache Ferien. Einmal richtig ausspannen - keine Briefe, kein Telefon, keine Konferenzen!«

    »Das freut mich für Sie, Mr. Russell... äh... John. Ich habe endlich meinen Mann so weit gebracht, dass er das gleiche tut. Unsere Yacht ist überholt und wartet in Schottland auf uns. Morgen fahren wir hinauf.«

    »Großartig«, sagte Russell. »Dann ist dies also Ihr letzter Abend in London? Hören Sie - wenn Sie nichts anderes vorhaben -, wollen wir ihn nicht gemeinsam verbringen? Wir könnten ins Varieté gehen und in ein paar Clubs, die ich kenne. Was halten Sie davon, Mrs. Ronaldson?«   

    »Was meine Person anbetrifft - einverstanden! Aber nennen Sie mich doch Julia! Und was meinst du, Dwy?«

    »Ich könnte mir nichts Netteres denken, Darling. Aber zunächst sollten Sie Ihr Menü bestellen, John. Der Kellner lungert schon die ganze Zeit um den Tisch herum.«

    Zum Abendessen traf man sich in einem kleinen Restaurant im Westend. Anschließend führte Russell seine Gäste in eine Operette, die erst seit zwei Wochen aufgeführt wurde, so dass es ein Kunst. stück gewesen sein musste, dafür noch Karten zu beschaffen. Julia, in einem austernfarbenem Brokatkleid und einer schweren Perlenkette, verfolgte die Aufführung mit dem kritischen Blick der ehemaligen Schauspielerin. Sie war des Lobes voll. Anschließend besuchte man noch ein Nachtkabarett, speiste in einem verqualmten Nachtclub und unternahm schließlich noch in John Russells großer Jaguar-Limousine eine Fahrt durch die nächtliche Stadt.

    »Wie ruhig es hier ist, wie sauber und gepflegt die Straßen«, meinte Julia, als der Wagen durch die fast ausgestorbenen Vorstädte glitt. »Auf diese Weise habe ich noch nie einen Abend beschlossen. Und ich muss sagen - es war einer meiner schönsten Abende überhaupt.«

    »Ich bedaure sehr, dass wir uns wahrscheinlich nie wiedersehen werden«, erwiderte Russell mit einem Seufzer. »Sie reisen morgen ab, und ich verlasse London ebenfalls, um Urlaub zu machen. Nach menschlichem Ermessen werden sich unsere Wege nie wieder kreuzen.«

    »Wohin fahren Sie denn eigentlich, John?«, fragte Ronaldson.

    Haben Sie schon feste Pläne?«

    »Nein, eigentlich nicht. Ich werde mit dem Wagen durch Cornwall streifen. Im Vorfrühling ist es dort wunderschön.«

    »Ach, zum Teufel mit Cornwall! Sie kommen zu uns auf die Kakadu!« Der Amerikaner machte eine Handbewegung, um den Protest, den er zu erwarten schien, abzuwehren. »Auf der Yacht stehen eine ganze Menge Kabinen leer. Wir haben nur ein paar Freunde an Bord. Bedenken Sie doch, wie wir zusammen segeln könnten!« Er schlug sich begeistert auf die Knie.

    »Eine gute Idee!«, unterstützte ihn seine Frau. »Sie kommen zu uns, John. Wir würden uns sehr freuen, Sie bei uns zu haben.«

    »Aber... aber gewiss würde ich Ihre Einladung sehr gern annehmen, es ist wirklich zu liebenswürdig...« Russell ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.

    »Kein Aber! Es ist also abgemacht«, erklärte der Amerikaner fest. »Heute haben wir Dienstag... wir erwarten Sie also am Samstag auf der Kakadu. Dann werden Sie einmal schottisch-amerikanische Gastfreundschaft kennenlernen, mein Lieber!«

    »Und Dwy im Kilt! Diese Gelegenheit können Sie sich unmöglich entgehen lassen«, rief Julia lachend.

    Russell kapitulierte mit einem Lächeln. Kurze Zeit später setzte er das Ehepaar vor seinem Hotel ab. Einen letzten Drink lehnte er mit dem

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