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2 Gruselromane: Blutmühle, Golemrache
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eBook201 Seiten2 Stunden

2 Gruselromane: Blutmühle, Golemrache

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Über dieses E-Book

Der Inhalt dieses E-Books entspricht ca. 176 Taschenbuchseiten

Golem Rache

Was geschieht, wenn ein Magier, eine bedrohte Schönheit und zwei skrupellose Schurken aufeinandertreffen?

 Und welche Rolle spielt ein unheimliches Wesen, das definitiv kein Mensch ist?

 Ein Kurzroman aus der Welt europäischer Legenden und Überlieferungen.

Blutmühle

Das Grauen wird größer ...

... als die beiden Handwerksgesellen Christian und Leberecht eine einsame Mühle erreichen. In den Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg ist das Land ausgeblutet, und die Freunde irren zwischen Leichenfeldern umher. Als sie eine schöne Witwe treffen, scheint sich ihr Schicksal zum Besseren zu wenden. Aber dann erkennen Christian und Leberecht, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen sind.

Welches unaussprechliche Geheimnis verbirgt sich hinter den Mauern der Blutmühle?

Der Autor

Martin Barkawitz schreibt seit 1997 unter verschiedenen Pseudonymen überwiegend in den Genres Krimi, Thriller, Romantik, Horror, Western und Steam Punk.  Er gehörte u.a. zum Jerry Cotton Team. Von ihm sind fast dreihundert Heftromane, Taschenbücher und E-Books erschienen.

Aktuelle Informationen, ein Gratis-E-Book und einen Newsletter gibt es  auf der Homepage: Autor-Martin-Barkawitz.de

SpracheDeutsch
HerausgeberElaria
Erscheinungsdatum7. Jan. 2019
ISBN9783964651006
2 Gruselromane: Blutmühle, Golemrache

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    Buchvorschau

    2 Gruselromane - Martin Barkawitz

    1

    Es war kein Traum, sondern eine Vision, von der Doktor Samuel heimgesucht wurde.

    Der Alte befand sich an einem Ort, den er mit eigenen Augen noch niemals zuvor gesehen hatte. Und doch wusste oder ahnte er genau, um was für einen Platz es sich handelte.

    Es war die Allerheiligenkirche von Sedlec, allgemein als Knochenkirche bekannt.

    Geografisch war es kein weiter Weg vom Prager Ghetto bis zu der Kleinstadt Kutna Hora, auf deren Gebiet die Knochenkirche lag. Doch innerlich trennten Doktor Samuel Welten von diesem christlichen Gotteshaus, denn er selbst war fest im jüdischen Glauben verwurzelt.

    Und doch spürte er während seiner Vision eine Verbundenheit mit der Knochenkirche, die er nie zuvor gekannt hatte. Es war ein gleichermaßen befremdendes wie auch verblüffendes Gefühl. Da gab es diese zahlreichen fremdartigen Anbetungsgegenstände, die zu allem Überfluss auch noch aus Menschenknochen geformt worden waren: die beinahe menschengroßen Abendmahlskelche, das aus Knochen und Schädeln geformte Jesus-Monogramm, schließlich die mächtigen Beleuchtungskörper, die jeweils aus sämtlichen Knochenarten eines Menschenleibes bestanden.

    Doktor Samuel kam sich plötzlich vor wie einer der Zisterziensermönche, die den makabren Anbetungsraum einst geschaffen hatten. Er hatte das Gefühl, wie ein Geist durch das ihm aus eigener Anschauung fremde Kirchenschiff zu schweben. Und doch konnte er die Knochenberge in den Seitenschiffen und die Monstranzen neben dem Hauptaltar ganz deutlich vor sich sehen. Der Alte befand sich in einem seltsamen Zwischenzustand. Er begriff, dass seine momentanen Eindrücke nicht real waren. Und doch erkannte er, dass mächtige kosmische Kräfte ihm etwas mitzuteilen hatten. Es gab einen triftigen Grund dafür, dass seine Seele mit diesen starken Eindrücken eines ihm nicht vertrauten Gebäudes überflutet wurde.

    Was verband Doktor Samuel mit der Knochenkirche?

    Bevor er diese Frage für sich selbst beantworten konnte, erklangen heftige Schläge. Zunächst glaubte der Alte, dass jemand mit einem Hammer auf einen der unzähligen Totenköpfe eindreschen würde, die sich in der Knochenkirche befanden. Er hatte einmal gehört, dass es mehrere zehntausend sein sollten.

    Doch dann schlug Doktor Samuel die Augen auf. Er war offenbar am Schreibpult seiner Studierstube eingenickt. Und das monotone Geräusch stammte von einem Besucher, der beharrlich an die Tür klopfte.

    „Herein", krächzte Doktor Samuel und strich sich über seinen langen Bart.

    Ein Bote trat herein, ganz offensichtlich kein Bewohner des Ghettos. Er grüßte und überreichte Doktor Samuel einen Brief. Stirnrunzelnd brach der Alte das Adelswappen, mit dem das Schreiben verschlossen worden war. Er überflog die Zeilen.

    Nun würde er den Ort, der ihn soeben in einer Vision heimgesucht hatte, schon bald aus eigener Anschauung kennenlernen. Und Doktor Samuel ahnte, dass er von diesem Ausflug nichts Gutes zu erwarten hatte …

    2

    Weihrauchdämpfe drangen in die Nase des alten Mannes. Doktor Samuel wusste, dass die Christen in ihren Gotteshäusern gerne Räucherwerk verbrannten. Aber in diesem Beinhaus hatte er eigentlich solche Gerüche nicht erwartet. Die Friedhofskapelle in dem verträumten Ort Sedlec war alles andere als ein gewöhnlicher Anbetungsort. Sie wurde nicht umsonst Knochenkirche genannt, denn der Sakralraum und sämtliche Ornamente des Gotteshauses bestanden aus menschlichen Knochen und Totenschädeln, die zu bizarren Kunstwerken zusammengefügt worden waren.

    Doktor Samuel schritt langsam vorwärts, wobei der Saum seines schwarzen Kaftans den Steinboden berührte. Der Greis betrat zum ersten Mal in seinem langen Leben diese Totenstätte. Und doch fand er den genauen Verabredungsort auf Anhieb.

    Graf Ludwig wollte sich vor dem Wappen der Fürstenfamilie Schwarzenberger mit Doktor Samuel treffen. Diese Nachricht hatte den alten jüdischen Mystiker durch einen verschwiegenen Boten im Prager Ghetto erreicht, und er war von einer schwarzen Kutsche mit verhangenen Fenstern hierher gebracht worden. Doktor Samuel fragte sich, was der jüngste Sprössling einer der bedeutendsten Adelsfamilien der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie von ihm wollte. Und weswegen Graf Ludwig einen so melodramatisch anmutenden Treffpunkt gewählt hatte.

    Doch einstweilen war Doktor Samuel offenbar allein in der gotischen Kapelle, die von zahlreichen Kerzen in Knochenlüstern in ein geheimnisvolles Licht getaucht wurde. Und solange der weise Mann über den Grund seines Besuchs nur spekulieren konnte, betrachtete er eingehend das Wappen der Schwarzenberger.

    Es wurde von einer Reichskrone geziert, die ebenfalls aus menschlichen Gebeinen bestand. Das knöcherne Symbol dieser Reichsgrafen-Dynastie verkörperte nach Doktor Samuels Meinung sowohl große irdische Macht als auch unabwendbare Vergänglichkeit. Gewiss, die Schwarzenberger gehörten zu den tonangebenden Geschlechtern der Donaumonarchie, waren noch einflussreicher als die Familie, aus der Graf Ludwig stammte. Aber was nutzte ihnen diese Machtfülle, wenn sie in der Todesstunde nicht mehr ins Jenseits hinüber retten konnten als ein nackter Bettler?

    „Ich hatte dich mir älter vorgestellt."

    Doktor Samuel drehte sich um, nachdem dieser halblaute Satz gefallen war. Sein Gegenüber war ein blasser blonder Hänfling in einer Uniform der kaiserlichen Leibgardereiter. Graf Ludwig wirkte so kindlich, als ob er sich die martialische Montur von seinem Bruder ausgeliehen hätte. Aber so etwas hatte ein österreichischer Adliger natürlich nicht nötig. Und der weise Mann wusste, dass er den Bengel auf keinen Fall unterschätzen durfte. Graf Ludwig konnte Doktor Samuel so leicht töten wie ein Habicht eine Maus.

    Doktor Samuel lächelte und verneigte sich vor dem Jungen, der sein Urenkel hätte sein können. Es wunderte ihn nicht, dass er von dem Jungen geduzt worden war. Das passte zu der Verachtung, die ein österreichischer Adliger für einen Mann aus dem Ghetto empfand. Und doch wollte der junge Graf etwas von Doktor Samuel, sonst hätte er ihn wohl kaum zu diesem merkwürdigen Treffpunkt befohlen.

    „Erlaucht, ich bin Ihrer Aufforderung sofort gefolgt. Was kann Ihr ergebener Diener für Sie tun?"

    Graf Ludwig bewegte sich leise, obwohl er Reitstiefel trug. Deshalb hatte Doktor Samuel auch nicht mitbekommen, dass er sich von hinten angenähert hatte. Nun marschierte der Knabe in Uniform vor dem aus Gebeinen geformten Wappen hin und her, wobei er unruhig mit seiner Reitpeitsche spielte. Er warf dem Juden im Kaftan immer wieder kurze Seitenblicke zu. Doktor Samuel konnte nur schwer einschätzen, was im Kopf seines Gegenübers vor sich ging. Dabei war er eigentlich ein guter Menschenkenner.

    „Es geht um eine sehr delikate Angelegenheit, Doktor Samuel. Du wurdest mir von verschiedenen hochgestellten Persönlichkeiten empfohlen. Es heißt, dass du Zauberkräfte besitzt. Ich glaube eigentlich nicht an solchen Hokuspokus, aber der Zweck heiligt die Mittel."

    Doktor Samuel breitete lächelnd die Arme aus, ließ seine großen Altmännerhände aber gleich darauf wieder in den weiten Ärmeln seines Kaftans verschwinden.

    „Ich habe mich darauf spezialisiert, Probleme auch mit ungewöhnlichen Mitteln zu lösen, Erlaucht. In den Traditionen und Überlieferungen meines Volkes gibt es so manche diskrete Methoden, die dabei behilflich sind. Und diese Techniken stehen nicht immer in Übereinstimmung mit dem naturwissenschaftlichen Wissen, wie es an den kaiserlichen Hochschulen gelehrt wird."

    Der blasse Jungoffizier sah nicht so aus, als ob er die Erwiderung des alten Mannes verstanden hätte. Er zog ungeduldig die Augenbrauen zusammen.

    „Ich habe eine wichtige Aufgabe für dich. Und wenn du sie zu meiner Zufriedenheit meisterst, werde ich dich mit hundert Goldmünzen belohnen."

    Doktor Samuels Antwort bestand in einer noch tieferen Verneigung. Es kam öfter vor, dass er sogenannten Stützen der Gesellschaft aus der Klemme helfen sollte. Man liebte ihn nicht für diese Dienste, aber seine Auftraggeber wussten, was sie an ihm hatten. Besonders schätzten sie seine Verschwiegenheit. Ohne diese Eigenschaft wäre Doktor Samuel wohl nicht über neunzig Jahre alt geworden.

    „Hast du dich noch gar nicht gefragt, weshalb ich dich ausgerechnet hier in der Knochenkirche treffen wollte, Doktor Samuel?"

    „Ein Gardeoffizier kann nicht in das jüdische Ghetto von Prag gehen, ohne Aufsehen zu erregen. Selbst wenn Erlaucht inkognito erscheinen würde, bestünde die Gefahr, erkannt zu werden. Und dass Sie jemanden wie mich auf das Schloss Ihrer werten Familie einladen, hatte ich ebenfalls nicht angenommen."

    Graf Ludwig nickte mürrisch. Es war ihm anzumerken, dass er sich in Gegenwart von Doktor Samuel unwohl fühlte. Der Alte war dem Bürschchen offensichtlich unheimlich. Aber Graf Ludwig hätte sich lieber die Zunge abgebissen als das zuzugeben. Von Kindesbeinen an hatte man ihm beigebracht, dass er etwas Besseres war. Wahrscheinlich glaubte er inzwischen selbst daran.

    Der Blick des jungen Adligen wanderte über das aus Menschenknochen bestehende Schwarzenberger-Wappen und hinüber zu den Gebein-Monstranzen, Skelett-Leuchtern und Schädelpyramiden. Doktor Samuel fragte sich, ob der Milchbart plötzlich von einem Gefühl der eigenen Vergänglichkeit ergriffen wurde. Aber stattdessen suchte er offenbar nur nach den passenden Worten, um sein Anliegen vorzubringen.

    „Ich nehme an, dass du die schöne Lea kennst."

    Der Alte nickte langsam und versonnen.

    „Gewiss, denn Lea ist die schönste Blume im Prager Ghetto. Ihr Gang gleicht den Bewegungen einer orientalischen Schleiertänzerin und ihr anmutiger Körper ist so biegsam wie eine Weidenrute. Wenn auch nur eine Strähne ihrer glänzenden schwarzen Locken unter dem Tuch sichtbar wird, geraten die Männer schon in Ekstase. Wenn ich selbst sechzig oder siebzig Jahre jünger wäre, würde ich mir ebenfalls den Hals nach der schönen Lea verrenken, Erlaucht. – Bedauerlicherweise ist sie seit einigen Wochen spurlos verschwunden. Ihre Eltern weinen sich die Augen nach ihr aus."

    Das Uniformjüngelchen machte eine zustimmende Handbewegung. Doktor Samuels poetische Beschreibung des Mädchens schien bei ihm auf fruchtbaren Boden zu treffen.

    „Lea ist wirklich ganz entzückend, Doktor Samuel. Und wenn sich viele Männer bei ihr auch nur auf lüsterne Blicke beschränken, so gibt es doch einen Unhold, der sie ganz für sich allein haben will. – Baron Schacht hat die wundervolle Jungfer aus dem Ghetto verschleppen und in seine Bergfeste Geiergipfel schaffen lassen!"

    Der Alte benötigte einige Momente, um diese für ihn neue Information zu verdauen. Obwohl Doktor Samuel übersinnliche Kräfte besaß, war er doch nicht allwissend. Auch er hatte nur darüber spekulieren können, wo die junge Ghettoschönheit abgeblieben war. Baron Josef Schacht genoss einen zweifelhaften Ruf als Wüstling und Gewaltmensch. Es gefiel Doktor Samuel gar nicht, die schöne Lea in seinen Klauen zu wissen. Und schon gar nicht in der abgelegenen Trutzburg, die sich inmitten von lebensfeindlicher Einöde befand.

    „Das sind beunruhigende Neuigkeiten, Erlaucht. Nach dem, was ich über Baron Schacht gehört habe, wird er Lea gewiss nicht freiwillig wieder gehen lassen. Womöglich leugnet er sogar, mit ihrem Verschwinden etwas zu tun zu haben."

    „Darauf kannst du wetten, alter Mann! Ich kenne den Baron, er ist ein widerliches Rabenaas. Bedauerlicherweise verfügt seine Familie über einen sehr großen Einfluss bei Hofe. Daher besteht keine Möglichkeit, Druck auf ihn auszuüben. Und die Justiz frisst Schacht ohnehin aus der Hand. – Daher will ich dich damit beauftragen, Lea aus dieser Bergfeste zu holen und hierher in die Knochenkirche zu bringen."

    Nun verstand Doktor Samuel, weswegen Graf Ludwig mit ihm Kontakt aufgenommen hatte. Und er machte sich keine Illusionen über die Motive seines adligen Gegenübers. Der halbwüchsige Gardeoffizier wurde gewiss nicht von seinem guten Herzen oder von anderen edlen Motiven zu diesem Vorhaben gedrängt. Vielmehr war es Graf Ludwigs Lüsternheit, die ihn mit Baron Schacht wetteifern ließ. Der junge Adlige wollte die schöne Lea für sich allein haben, und dafür musste sie natürlich zunächst aus ihrer Gefangenschaft befreit werden.

    Und wenn Doktor Samuel sich weigerte? Das wäre keine gute Idee. Graf Ludwig sah nicht so aus, als ob er eine Zurückweisung mit stoischer Gelassenheit hinnehmen würde. Der Jüngling erinnerte den Alten an ein verzogenes Kind, das sein Spielzeug aus purer Langeweile zerstört. Also fügte er sich in sein Schicksal.

    „Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, den Auftrag von Erlaucht perfekt auszuführen", sagte der weise Mann, wobei sein Blick über das Gebein-Wappen schweifte. Es hing wie ein Damoklesschwert über ihm.

    3

    Der Golem war stark wie ein Ochse und unverwundbar wie ein Felsbrocken in den böhmischen Bergwäldern. Doktor Samuel hatte den künstlichen Menschen mit Hilfe von geheimen Zaubersprüchen und überlieferten Formeln in mühsamer Kleinarbeit aus Lehm geformt. Für den Greis war der Golem so etwas wie sein Sohn. Er redete sogar mit ihm, obwohl die stumme Kreatur nicht antworten konnte.

    Doktor Samuel stand in dem Verschlag, wo der Golem vor den Augen der Welt verborgen wurde. Nur das trübe Licht einer Petroleumlampe beleuchtete den Schuppen mehr schlecht als recht. Der Alte arbeitete mit einem Spachtel an den beeindruckenden Oberarmen des Monstrums. Eigentlich war der Golem schon fertig, aber Doktor Samuel konnte sich von seiner Kreatur einfach nicht lösen.

    „Du bist stärker als der kräftigste Gewichtheber auf dem Jahrmarkt, Golem. Und doch bist du kein Mann. Du wirst niemals verstehen, dass Männer wegen einer schönen Frau die größten Dummheiten begehen und sogar Blut vergießen. Es gibt nur eine Person, der du die Treue hältst, nicht wahr? Und diese Person bin ich."

    Der Kunstmensch überragte Doktor Samuel um mindestens zwei Haupteslängen. Der Golem hätte die Knochen des Alten mit einer einzigen Armbewegung zerschmettern können. Und doch hätte er niemals auch nur den kleinen Finger gegen den Mann erhoben, der ihn erschaffen hatte. Doktor Samuel fuhr mit seinem Monolog fort.

    „Ich spüre, dass mein langes Leben an seinem Ende angekommen ist. Aber ich bin gar nicht traurig, verstehst du? Es ist nämlich, als ob ein Teil von mir in dir weiterleben würde, Golem. – Gewiss, du kannst nicht klug reden und noch nicht einmal heilige Schriften lesen. Aber ich habe dich gelehrt, die Schwachen zu beschützen und das Böse zu bekämpfen."

    Die Lehmstatue blinzelte. Wenn man von ihr überhaupt in irgendeiner Form eine Antwort erwarten konnte, dann war diese soeben erfolgt.

    „Noch heute Nacht werde ich zum Geiergipfel aufbrechen", erklärte Doktor Samuel. „Ich bediene mich eines Kutschers, dem ich sein Gedächtnis nehmen werde. Er wird sich nicht daran erinnern können, mich dorthin gebracht zu haben. Und auch den Anblick seiner liebreizenden Fracht, die ich auf dem Rückweg mitzunehmen gedenke, wird er nicht genießen. Denn

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