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Die Magier von Art-Arien - Band 4: Großmagie
Die Magier von Art-Arien - Band 4: Großmagie
Die Magier von Art-Arien - Band 4: Großmagie
eBook293 Seiten4 Stunden

Die Magier von Art-Arien - Band 4: Großmagie

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Über dieses E-Book

Noch immer zweifeln Leondara und Naoki an der Rechtmäßigkeit des Bundes zwischen ihrer Wahltochter Solinacea und dem Drachen. Unterstützt von Archon fordern sie einen Beweis seiner Würdigkeit. Als Darius diesem Wunsch nachkommt, erfüllt sich eine uralte Prophezeiung und die Zukunft Art-Ariens erscheint in einem neuen Licht.

Mokor, der dunkelmagische Großmeister, drängt darauf, sein Heer zum Sieg zu führen und passiert die Eisebene. Kann die magische Allianz diesem erneuten Angriff standhalten? Welche Rolle spielen die menschlichen Völker in einer solchen magischen Schlacht?

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum26. März 2018
ISBN9783743862654
Die Magier von Art-Arien - Band 4: Großmagie

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    Buchvorschau

    Die Magier von Art-Arien - Band 4 - Sophie André

    Qindie

    Qindie steht für qualitativ hochwertige Indie-Publikationen. Achten Sie also künftig auf das Qindie-Siegel! Für weitere Informationen, News und Veranstaltungen besuchen Sie unsere Website: http://www.qindie.de/

    Danksagung

    Mein besonderer Dank an dieser Stelle gilt all jenen Menschen, die zum Entstehen meiner Geschichte beigetragen haben – natürlich meiner Familie und ganz besonders meinen beiden Kindern, ohne die es Darius, den Drachen, nie gegeben hätte, allen treuen Lesern und Kritikern der Bookrixcommunity und ganz besonders Katrin B. und Divina Michaelis für ihre kreativen und hilfreichen Korrekturen.

    Ein besonderes »Gratias ago!« sei den Königen der Spielleute gewidmet, Corvus Corax, für deren wundervolle, unnachahmliche Musik, die mir Anregung und Inspiration beim Schreiben war.

    Ein großes Dankeschön euch allen und nun viel Spaß beim Lesen der ›Magier von Art-Arien‹!

    Sophie André

    Karte der Vier Provinzen

    Eine großformatige Darstellung der Karte und weitere Skizzen zum Buch finden Sie auf meiner Homepage unter

    http://www.sophie-andrae.de/intro.html

    Kapitel 1: »Komm Schwimmer!«

    Darius erzählt:

    Während ein Mann namens Sinan Istakhrasus auf dem Forum von Chromnos' Hauptstadt vierzig Peitschenhiebe erhielt und damit eine Erschütterung der Macht herbeiführte, die keiner von uns auf diese Art erwartet hätte, lebten wir in Art-Arien im Genuss einer lang andauernden Ruhe. Keiner von uns ahnte, welche seltsamen Entwicklungen sich hinter der magischen Grenze begaben. Nachdem endlich auch der letzte Gast Schuma und unsere Burg verlassen hatte, konnten Solinea und ich die Ruhe finden, nach der wir uns so sehr sehnten.

    Ich erinnere mich noch gut, dass wir manchen Abend still zusammen in dem kleinen Burggarten saßen oder von einem der Türme aus ins Land sahen. Oftmals ließ mich meine Gefährtin dann an ihren Gefühlen und ihren Gedanken teilhaben und ich tat es ihr gleich und ließ sie mehr von mir wissen, als ich je einem Wesen offenbart hatte, Atreus eingeschlossen. Jeder Tag, der verging und jede Nacht, die sie an meiner Seite verbrachte, führte uns ein wenig näher zueinander und ich liebte sie dafür.

    Nicht dass ich über dieser Euphorie die Tatsachen vergessen hätte. Mehr als einmal nahm ich den mentalen Kontakt zu Solineas anderem Gefährten und meinem Freund Nashoba auf und schon bald fanden wir Wege, wie wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten konnten. Damals, ganz am Anfang dieser neuen Erfahrungen, konnte sich keiner von uns beiden vorstellen, dass wir gemeinsam und gleichzeitig mit Solinacea leben sollten. Wir kamen überein, dass immer einer von uns bei ihr sein würde, während der andere seinen Aufgaben nachkam. Kampftraining, Grenzüberwachung, die Führung unserer Länder, das alles erschien uns ebenso wichtig wie unsere Gefährtin und eine gute Lösung schien in jener Teilung zu liegen. So lebten wir in jenen ersten Mondumläufen und es kam Nashoba und mir gut vor.

    Dann, irgendwann im Sommer, als wir gerade alle in Tsiigehtchic waren, gesellte sich Archon zu uns. Der alte Primus der Elementemagier hatte eine lange Reise hinter sich und wahrscheinlich eine Vielzahl schwieriger Gespräche, denn er kam von Dakoros, wo er versucht hatte, Leondara und Naoki in ihrem Beharren gegen unsere Gefährtenschaft aus dreien umzustimmen. Ihretwegen hatten wir noch nicht das »Omnia vincit amor« beschworen und ihretwegen sah ich Solinea mehr als einmal still nach Südwesten über das Meer starren, als könne sie so ihre Wahlmutter zum Einlenken bewegen.

    Archon unverhofft erscheinen zu sehen, war für mich inzwischen ein gewohnter Anblick und so begrüßte ich den alten Freund ohne große Überraschung.

    »Darius!«, ergriff der Primus sofort das Wort und zog mich am Arm zu einem kleinen Weg über die Klippen. »Mein lieber Sohn!«

    Das war ihm zu einer neuen Gewohnheit geworden, Nashoba und mich als seine Söhne zu bezeichnen. Vielleicht wollte er damit ein wenig die Ablehnung der Dakoraner wettmachen. Vielleicht amüsierte ihn auch die Vorstellung, einen Wolf und einen Drachen zum Sohn zu haben – wer weiß das schon? Mich irritierte seine Anrede nicht wenig. Doch Archon ließ sich von solchen Nichtigkeiten nicht beirren.

    »Was für ein Glück, dich hier allein anzutreffen«, eröffnete er seine Rede. »Ich wollte schon lange einmal mit dir sprechen und nun habe ich eine hervorragende Gelegenheit dazu.«

    Erstaunt sah ich den Alten an. Was gab es, dass er es nicht vor allen benennen konnte? Doch ich sah ein feines Lächeln auf seinem Gesicht, das anzeigte, dass ich mich bereits verraten hatte. Archon! Der Seher! Wie hätte auch nur ein kleiner Gedanke vor ihm verborgen sein können?

    An jenem Tag kam er sofort zu dem, was ihn bewegte. »Ist euch, Nashoba und dir, eigentlich klar, was ihr bei Solinacea anrichtet, indem ihr euch derartig aus dem Weg geht?«

    Forschend musterten mich seine blauen Augen und für einen Moment verschlug es mir die Sprache. Archon war schon immer sehr direkt gewesen, doch hier hatte er etwas in unser Verhalten hineingedeutet, was nicht da war.

    »Nashoba und ich, wir gehen uns nicht aus dem Weg!«, brummte ich unzufrieden und der Alte lachte.

    »Aber natürlich tut ihr das, mein Lieber! Sobald er Tsiigehtchic betritt, brichst du mit Solinea auf, gibst sie hier ab wie eine Ware und verschwindest an die Grenze. Und umgekehrt macht es der Minági genauso. Ihr besprecht euch nicht mehr halb so viel wie früher, und sei es auch nur zu euren kriegerischen Aufgaben. Das stimmt doch, oder?«

    Archon verwirrte mich. Sah es für ihn so aus, als gingen wir uns aus dem Weg? War Nashoba nicht einer meiner besten Freunde? Und wenn wir das taten, auch wenn es uns selbst noch nicht aufgefallen war, zumindest nicht mir, was mochte Solinea darüber denken? Vermutlich hatte der Primus mir angesehen, dass ich nachdachte, denn er ließ mich lange in Ruhe. Dann, leise, brach er das Schweigen.

    »Du weißt, dass ich vieles sehen kann, was euch verborgen bleibt. Trotzdem hätte es dir auffallen können. Dir und natürlich auch Nashoba, weil sie sich hier ebenso verhält wie auf der Drachenburg.« Archon musterte mich abschätzend.

    Dennoch wusste ich, dass er es auf seine Art gut meinte. Er würde nicht mit mir hier allein auf den Klippen stehen, wenn er nicht annahm, dass ich seinen Rat verdient hatte. So war er schon immer gewesen und mit den Jahrzehnten hatte ich den Magier wirklich schätzen gelernt. Trotzdem erkannte ich nicht, worauf er hinauswollte.

    »Solinacea verhält sich nicht ungewöhnlich!«, murmelte ich. Das zumindest wäre mir auf jeden Fall aufgefallen. Wann immer ich sie bei mir hatte, verbrachten wir so viel Zeit zusammen, wie es irgend ging. In dem halben Jahr seit dem Ritual hatte ich zum Beispiel mehr über Heilkunst erfahren als je zuvor. Und so, wie ich von ihr lernte, nahm sie an, was ich ihr geben konnte – magisches Wissen, meine Erkenntnisse und Gedanken über Schuma, alles, was ich über meine menschlichen Gefolgsleute wusste und natürlich auch die Kampfkunst der Dämonenkrieger. So, wie wir uns liebten, ergänzten wir uns im täglichen Leben und es war einfach ein Genuss, das zu erleben.

    Archon war mir offenbar still in meine Gedanken gefolgt, während ich mein Zusammenleben mit Solinea bedachte, denn er lächelte freundlich.

    »Aber sicher, Darius, geht es meiner Tochter bei dir gut. Daran habe ich auch nie gezweifelt. Und auch bei Nashoba fühlt sie sich nach wie vor wohl. Das ist es nicht, was ich meine.« Er fasste sich nachdenklich in den langen Bart.

    »Um es dir einfacher zu machen also. Frei heraus! Was tut Solinacea, wenn sie in Schuma ankommt, hmmm?«

    Das also meinte er. Ach Archon! Ich grinste. Es war aber auch zu witzig! Immer wenn ich Solinea auf die Burg brachte, nahm sie als Erstes ein langes, heißes Bad. Ich gönnte ihr diesen Luxus, den sie in Tsiigehtchic natürlich nicht haben konnte, nur zu gern. In vielen Dingen war meine schöne Aimée anspruchslos. Kleider, Schmuck, aufwändige Frisuren, das alles interessierte sie nicht. Mich störte es nicht. Ich liebte sie so, wie sie war und nicht wegen einem Kleidungsstück, das sie trug. Doch wenn ich ihr mit ein wenig heißem Wasser Wohlbefinden schenken konnte, dann sollte sie es haben. Warum denn nicht?

    »Was, bei unserer geliebten Göttin, stört dich an einem Bad?«, fragte ich verständnislos. »Gibt es etwas Harmloseres als so ein kleines Vergnügen?«

    Archon lachte. »Nein! Natürlich nicht. Es ist nur so, dass Solinacea immer bereits gebadet hat, wenn du sie abholst. Dass sie es bei dir ein zweites Mal tut, hat einen bestimmten Grund.«

    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. So ein Unsinn! »Es tut ihr eben gut! Ich glaube, Archon, du siehst Gespenster!«

    Der alte Elementemagier wurde schnell wieder ernst bei meiner unbedachten Rede. »Nun ja! Du erkennst es nicht. Es ist auch gut verborgen. Solinacea ist nicht dumm.« Archon musterte mich ernst. »Im Sommer, als ihr mit diesem Unfug angefangen habt, hast du ihr einmal bei ihrer Ankunft gesagt, sie rieche nach Wolf und Wildnis. Erinnerst du dich daran?«

    Mit einem Mal verstand ich, worauf Archon hinauswollte. Ja, er hatte recht. So etwas hatte ich gesagt. Es war einfach dahergeredet gewesen und hatte mir nicht viel bedeutet. Ja, es war eher scherzhaft gedacht. Aber es stimmte schon, dass Solinea danach baden gegangen war.

    Wenn sie es also weiterhin tat, um den anderen Teil ihres Lebens von mir fern zu halten, dann hatte Archon recht. Das konnte nicht gut für sie und uns alle drei sein.

    Archon nickte. »Das Problem ist, dass sie von Nashoba einen ähnlichen Kommentar zu hören bekam. Und so versucht sie, strikt zwischen Tsiigehtchic und Schuma zu trennen, um keinem von euch weh zu tun. Sie erzählt dir nichts von ihrem Zusammensein mit Nashoba und er erfährt nicht, was sie mit dir in Schuma erlebt. Eine Zeit lang mag das funktionieren, aber langfristig wird es ihr erheblich schaden. So könnt ihr nicht weitermachen, Darius!«

    Archon hatte recht und ich wusste es. Aber auch, wenn ich nun sah, was wir falsch machten, würde es schwierig werden, viel daran zu ändern. Das Leben der Inokté und der Dämonenkrieger unterschied sich so grundlegend voneinander, dass eine Annäherung schwer werden würde. Und jeder von uns hatte sein Volk anzuführen. Auch dieser Aufgabe mussten wir gerecht werden. Dazu mussten wir dort leben, wo man uns brauchte. Was also sollten wir tun?

    Der Primus sah schnell, dass er bei mir ein offenes Ohr für die Sorgen seiner Tochter gefunden hatte. Und er hatte sich schon mehr Gedanken über uns gemacht, als wir es selbst getan hatten.

    »Im Prinzip ist es doch sehr einfach«, begann er, mir seine Vorschläge zu unterbreiten. »Ganz zu Beginn eurer Gefährtenschaft haben euch die Glaiventräger Loyalität geschworen. Erinnerst du dich?«

    Und ob ich das tat. Es war eine unverdiente Geste von Seiten Shayans und meiner Männer gewesen, für die ich ihnen immer noch dankbar war. Ich nickte.

    »Du weißt gewiss auch noch, wem ihr Treueschwur galt, nicht wahr?«

    Sicher wusste ich das, hatte es mich doch ziemlich erstaunt, dass sie auch Nashoba darin einbezogen hatten.

    »Shayan hat damals schon mehr von dem verstanden, was ihr tatet, als ihr. Wenn also die Glaiventräger Nashoba anerkennen, dann kann er als einer der Euren gelten. Oder?«

    Wieder nickte ich. Auch, wenn ich mir darüber noch keine besonderen Gedanken gemacht hatte, war ich mir sicher, dass der Minági bei meinen Leuten anerkannt war.

    »Und du glaubst auch, dass Solinea bei den Dämonen und den Inokté zuhause ist, nicht wahr?«

    »Natürlich ist sie das! Hier sowieso, und in Schuma wird sie nach der Seuche regelrecht verehrt.«

    Archon grinste. »Fehlt nur noch einer, damit ihr hier wie dort kommen und gehen könntet, wie ihr wollt. Wann also wirst du um Aufnahme bei den Inokté bitten, Darius?«

    Laut auflachend war ich dem Ende von Archons Rede gefolgt. Dieser alte Fuchs! Aber so einfach war es dann doch nicht.

    »Selbst, wenn mich die Inokté als einen der Ihren anerkennen würden – das Problem der Führung wäre damit noch lange nicht gelöst.«

    Archon schüttelte ungeduldig den Kopf. »Natürlich wäre es das! Jeder von euch hat einen überaus starken Stellvertreter, der ihn unterstützen kann. Oder glaubst du nicht, dass Atreus und Tahatan fähig wären, an eurer Stelle Entscheidungen zu treffen? Ihr verfügt alle vier über die Kunst der Teleästhesie, so dass ihr euch selbst über weite Strecken hinweg beraten könntet. Das sind alles Ausreden, Darius! Und ich werde sie nicht akzeptieren, wenn ihr damit meine Tochter unglücklich macht. Weder von dir noch von Nashoba!«

    Gutmütig wedelte der Alte mit seiner Rechten durch die Luft, um seine harten Worte etwas zu entkräften.  »Ich weiß ja, dass ihr Solinacea nicht absichtlich weh tut. Keiner von euch beiden. Und ich weiß auch, dass ihr das schon hinbekommen werdet, wenn ihr nur in Ruhe darüber nachdenkt und euch besprecht.«

    Jetzt lächelte der Alte offen und trat leutselig noch ein wenig näher. Leise und geheimnisvoll fuhr er fort. »Doch ich habe in Dakoros etwas erreicht, was als Erfolg gelten könnte, wenn du bereit bist, für die Anerkennung durch Leondara etwas zu tun.«

    Nun also nahm das Gespräch seine bedeutende Wendung und ich richtete meine volle Konzentration auf Archon. »Was erwartet die Priesterin?«

    Archon zuckte mit den Achseln. »Du kennst sie, Darius, und weißt, wie schwierig sie sein kann. Dennoch scheint derzeit ihre Vernunft stärker als ihr Stolz zu sein und sie ist bereit, euren Bund anzuerkennen, wenn du wie Nashoba einen Beweis deiner Würdigkeit erbringst.«

    Das … Ich holte erst einmal tief Luft. Das war eine unerhörte Unverschämtheit. Was dachte sich diese Frau, dass sie von mir verlangte, mich zu beweisen? Hatte ich nicht schon genug für Art-Arien gegeben? War ich nicht bereit gewesen, für Solinacea zu sterben? Genügte das etwa nicht?

    Archon sah, was in mir vorging und legte begütigend eine Hand auf meine Schulter. »Deshalb wollte ich mit dir allein sprechen, Darius. Ich weiß, dass sie dich damit schwer beleidigt. Ich weiß auch, dass es nicht nötig ist, dir einen erneuten Beweis deiner Liebe abzufordern.«

    Langsam löste ich meine geballten Hände und versuchte über das Gehörte nachzudenken. Vielleicht war es gut, erst einmal alles anzuhören, was Leondara durch Archon sagen ließ. Ich wusste, wie sehr Solinea unter dem Verhalten ihrer Wahlmutter litt. Sie war so behütet aufgewachsen!

    Andererseits sah ich auch, wie sehr uns das Fehlen der dakoranischen Schwertmeister auf die Dauer schwächte. Wenn das, was sie verlangte, machbar war … Ich zuckte mit den Achseln.

    »Was also will sie von mir?«

    Archon schmunzelte. »Du siehst ein bisschen aus, wie ein mürrischer Kater, dem man gerade auf den Schwanz getreten ist und der dennoch sein Futter will.«

    Er grinste und ich drohte ihm spielerisch mit der Faust. »Treib es nicht zu weit!«

    »Schon gut! Ich halte mich schon zurück! Leondara hatte keine klaren Vorstellungen, wie du dich beweisen könntest. Also habe ich einen Vorschlag gemacht.«

    Langsam sah ich Archons Geschick und seine heimlichen Spielzüge klarer. »Du hast also für mich verhandelt, mein Freund. Was hast du ihr angeboten?«

    Nachdenklich wurde ich von dem Alten gemustert. »Ich dachte mir, da du ja nicht irgendein Inokté sein willst, wenn dich der Stamm denn aufnimmt, dass ein Sonnentanz das Richtige für dich wäre. Damit beweist du dich vor Leondara, aber auch vor den Inokté, du ehrst Solinacea, indem du ihr deinen Ritus widmest und Nashoba bekommt so die Gelegenheit, dir die Stellung innerhalb seiner magischen Krieger zu gewährleisten, die dir zusteht.«

    Fassungslos starrte ich den Alten an. Was für ein geschickter Winkelzug! Was für ein Spiel mit den Möglichkeiten! Ich lachte leise auf, schon gar nicht mehr wütend auf die Dakoraner. Man konnte Archon nur gernhaben, diesen alten Fuchs.

    Aber trotzdem! »Was, um alles in der Welt, ist ein Sonnentanz?« fragte ich nun doch nach.

    »Das kann dir Nashoba am besten erklären. Frag ihn danach und erzähl ihm auch gleich alles andere. Er wird dir bestimmt ein offenes Ohr schenken!«

    »Aber willst du ihn denn nicht selbst begrüßen?«

    »Ich? Nun ja, später ganz sicher. Aber bis dahin werde ich zu Solinacea gehen. Sie braucht von dem, was ihr vereinbart, nicht alles zu hören.«

    Sprachs und machte sich auf den Rückweg ins Dorf. Ich aber suchte mir einen windgeschützten Platz und nahm mir ein wenig Zeit, über das Gehörte und Besprochene nachzudenken.

    »Komm Schwimmer«

    Darius war kein dummer Mann und so brauchte er nicht lange, um zu verstehen, dass Archon mit seinen Vorbehalten gegenüber ihrer derzeitigen Lebensweise recht hatte. Und auch wenn die Unterschiede zwischen Schuma und Tsiigehtchic erheblich waren, so gab es doch manches, was ihm am einfachen täglichen Leben der Inokté gefiel. Erstmals war ihm das schon im Frühjahr klargeworden, als er zusammen mit Solinea darauf gewartet hatte, dass Nashoba von seiner Verletzung genas und sie ihre gemeinsame Zukunft planen konnten.

    Damals hatten ihm die Wölfe ein eigenes Tipi eingerichtet und Darius war erstaunt gewesen, wie eigenartig und doch wohlig sich diese für ihn neue Behausung angefühlt hatte. Die Kreisform des Zeltes, die ihn zunächst irritiert hatte, war ihm bald wie ein Schutz und eine tröstliche Hülle vorgekommen, die weichen, stark duftenden Felle, das im Frühjahr beinahe ständig glimmende Feuer, all das hatte ausgesprochen beruhigend und besänftigend auf ihn gewirkt, zu einer Zeit, in der er über seine Zukunft stark verunsichert gewesen war.

    Darius war sich schnell darüber im Klaren, dass es ihn weit weniger stören würde, zeitweise mit den Inokté zu leben, als er es zunächst angenommen hatte. Andererseits wusste er von früheren Begegnungen mit dem Minági, wie schwer es diesem fiel, längere Zeit in geschlossenen Räumen auszuhalten. Nashoba hatte sich zwar nie darüber beschwert, aber wann immer er auf der Drachenburg zu Gast gewesen war, ließ sich seine Unruhe nach ein paar Tagen nicht übersehen. Der Drache hatte ihn dafür manchmal belächelt. Dennoch, wenn er ganz ehrlich war, verstand er seinen Freund. Er wusste, wenn er den Ideen von Archon Gestalt geben wollte, musste er den ersten Schritt tun. Besser ein kalter Winter in Ipioca als Traurigkeit in Solineas Augen. Also machte er sich auf die Suche nach seinem Inoktéfreund, um ihn zu einem offenen Gespräch zu bewegen.

    Nashoba war an jenem Tag leicht zu finden. Die Ruhe an der Grenze und die friedliche Stille im Dorf waren etwas, das der Minági ganz bewusst genoss. Selten kam er dazu, das Land und die Natur, die er zu schützen geschworen hatte, auch zu beobachten und zu genießen. An jenem Morgen war er daher schon früh aufgebrochen, um sich an der Mündung des Eisenflusses den Beginn der Lachswanderung anzusehen.

    Für die Inokté war die Ankunft des ›Schwimmers‹, wie sie den Lachs respektvoll nannten, mehr als eine Sicherheit in der Nahrungsversorgung. Im Zug der Lachse und dem großen Lebenszyklus, der mit ihrer Wanderung in Verbindung stand, sahen sie das Wirken eines mystischen Schöpfers.

    Nashoba kannte die Mythen und Legenden um den ›Schwimmer‹ genau und auch wenn er manche Dinge einfacher sah und nicht unbedingt in die Ankunft der Lachse das Wirken einer geheimnisvollen Magie hineindeutete, so war er von dem alljährlichen Wiederkehren dieses Naturschauspiels fasziniert.

    Darius ertappte ihn dabei, wie er auf einem Felsenüberhang am Ufer des Eisenflusses kniete und leise ein uraltes Lied seines Volkes sang. »Komm Wolf, komm Schwimmer …«

    Es war etwas in der Gestalt seines Freundes, was Darius still nähertreten ließ. Zum ersten Mal sah er den Minági frei von den Zwängen des Krieges, still in eine friedliche Meditation versunken, eins mit seinem Land und mit sich. Ein neuer Respekt dem Älteren gegenüber regte sich in dem Drachen und er wünschte sich, auch eines Tages eine solche Ruhe und Weisheit erlangen zu können.

    Nashoba, dem die Ankunft des Freundes nicht entgangen war, der sich aber auch in seinen Betrachtungen nicht stören lassen wollte, winkte Darius näher. Der folgte seiner einladenden Hand nicht ungern. Wollte er doch erfahren, was den Minági an den Fluss gelockt hatte und zu dessen leisem Gesang Anlass gab. Dann, als auch er sich über die Klippe beugte, sah er es: Unzählige Fischleiber mit silbern schimmernden Schuppen und flinken Flossen drängten sich in die Flussmündung. Tausende und abertausende Lachse waren auf dem Weg zu den Plätzen ihrer Kindheit, zu den weit im Land gelegenen Quellen des Flusses.

    Dort, so erklärte ihm Nashoba nun leise, lagen die Kiesbänke, die Laichplätze, von wo aus jene Lachse vor einigen Jahren ins Meer gezogen waren. Dorthin würden sie nun zurückkehren, um ihrerseits zu laichen und zu sterben.

    »Nicht viele von ihnen werden tatsächlich an den Quellläufen ankommen«, erklärte der Inokté seinem Freund. »Der Weg dorthin ist für sie ein Kampf auf Leben und Tod. Mancherlei Gefahren drohen: Greife, Bären, die Sonne, Niedrigwasser. Dennoch wird ein jeder von ihnen dieses Risiko auf sich nehmen. Keiner der Fische, die du hier siehst, wird je lebend ins Meer zurückkehren. Der Zyklus ihres Lebens beginnt und endet an den Quellen. Und dennoch sind sie voller Mut, stetig, unaufhaltsam.«

    Lächelnd sah Nashoba zu Darius, der bei den Erklärungen des Minági wie gebannt auf die unüberschaubare Menge von Fischleibern starrte.

    »Und sie werden ihr Ziel erreichen. Die Lachse als Art werden erhalten bleiben. Ja, noch mit dem Fleisch ihrer verwesenden Körper werden sie die neue Generation ernähren.« Ein wenig beschämt über seinen emotionalen Ausbruch wandte Nashoba den Blick wieder auf den schäumenden Fluss. »Es fasziniert mich. Es fasziniert mich, wie sich dieses Schauspiel Jahr für Jahr wiederholt. So vieles hängt vom Zug der Lachse ab: das Überleben der Adler und der Grizzlybären, das Gleichgewicht der Natur und auch das Leben meines Stammes im kommenden Winter.«

    Freundlich

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