Das schaffst du nie!: Der neue Dr. Laurin 117 – Arztroman
Von Viola Maybach
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Über dieses E-Book
Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt.
Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen.
Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert.
»Danke, mein Großer«, sagte Maren Mühlberg und gab ihrem ältesten Sohn Jonas einen Kuss auf die Wange. »Wenn ich dich nicht hätte!« »Du hast doch noch fünf weitere Kinder, helfen die dir nicht?«, fragte er, als er sich zu ihr hinunterbeugte – sie war deutlich kleiner als er. Um genau zu sein: fünfundzwanzig Zentimeter. Er gab ihr nun seinerseits einen Kuss. »Hab ich gern gemacht, Mama.« »Die anderen helfen mir auch, aber niemand so wie du«, erwiderte sie mit einem Lächeln. Sie sagte einer Kollegin Bescheid, dass sie ein paar Sachen in ihrem Spind verstauen müsse, und so schnappte sich Jonas die beiden schweren Einkaufstaschen, die er gerade erst abgestellt hatte, und folgte ihr. In den Aufenthaltsraum durfte er nicht mit, also wartete er vor der Tür, bis seine Mutter wieder herauskam. Sie war erst achtundvierzig Jahre alt, aber zum ersten Mal ging ihm auf, dass sie älter aussah, als sie war – und wenn er jetzt so darüber nachdachte, wunderte ihn das nicht. Sie hatte, wie er, blonde, etwas störrische Haare und blaue Augen. Sie waren die einzigen in der Familie, die so aussahen. Sein Vater war dunkelhaarig und braunäugig, und seine fünf Geschwister waren es auch. Vielleicht, dachte er, hängen wir deshalb so aneinander, Mama und ich, weil sie mir ihre Haare und ihre Augen vererbt hat. Nur die Größe nicht, die hatte er von seinem Vater. »Du hast viel mehr gekauft, als wir brauchen!«, sagte sie.
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Der neue Dr. Laurin
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Buchvorschau
Das schaffst du nie! - Viola Maybach
Der neue Dr. Laurin
– 117 –
Das schaffst du nie!
Unveröffentlichter Roman
Viola Maybach
»Danke, mein Großer«, sagte Maren Mühlberg und gab ihrem ältesten Sohn Jonas einen Kuss auf die Wange. »Wenn ich dich nicht hätte!«
»Du hast doch noch fünf weitere Kinder, helfen die dir nicht?«, fragte er, als er sich zu ihr hinunterbeugte – sie war deutlich kleiner als er. Um genau zu sein: fünfundzwanzig Zentimeter. Er gab ihr nun seinerseits einen Kuss. »Hab ich gern gemacht, Mama.«
»Die anderen helfen mir auch, aber niemand so wie du«, erwiderte sie mit einem Lächeln. Sie sagte einer Kollegin Bescheid, dass sie ein paar Sachen in ihrem Spind verstauen müsse, und so schnappte sich Jonas die beiden schweren Einkaufstaschen, die er gerade erst abgestellt hatte, und folgte ihr. In den Aufenthaltsraum durfte er nicht mit, also wartete er vor der Tür, bis seine Mutter wieder herauskam.
Sie war erst achtundvierzig Jahre alt, aber zum ersten Mal ging ihm auf, dass sie älter aussah, als sie war – und wenn er jetzt so darüber nachdachte, wunderte ihn das nicht. Sie hatte, wie er, blonde, etwas störrische Haare und blaue Augen. Sie waren die einzigen in der Familie, die so aussahen. Sein Vater war dunkelhaarig und braunäugig, und seine fünf Geschwister waren es auch. Vielleicht, dachte er, hängen wir deshalb so aneinander, Mama und ich, weil sie mir ihre Haare und ihre Augen vererbt hat. Nur die Größe nicht, die hatte er von seinem Vater.
»Du hast viel mehr gekauft, als wir brauchen!«, sagte sie.
»Hab ich nicht«, behauptete Jonas, obwohl es natürlich stimmte, aber so war die Regel: Sie tadelte ihn, obwohl sie natürlich froh war über alles, was er gekauft hatte, und er war froh, dass er seinen Eltern auf diese Weise wenigstens etwas von dem zurückgeben konnte, was sie für ihn taten. Sie ließen ihn studieren, obwohl ihr Leben sehr viel einfacher gewesen wäre, wenn er die Schule schon vor Jahren abgeschlossen, eine Lehre begonnen und zu Hause einen Teil des verdienten Geldes abgegeben hätte. So, wie es in seiner Familie seit Generationen üblich war.
Sein Vater arbeitete bei den städtischen Entsorgungsbetrieben, genauer: bei der Müllabfuhr, und seine Mutter war Verkäuferin in diesem Kaufhaus, das immerhin zu der Sorte gehörte, die man ›gehoben‹ nannte. Es war kein Billigmarkt, wo etwa Kleidung verramscht wurde, die irgendwo in Asien unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt worden war. Hier gab es ordentlich gefertigte Markenware. Seine Mutter arbeitete gern hier, sie war Textilfachverkäuferin, und wenn sie Kundinnen oder Kunden bedienen konnte, die sich eine Beratung von ihr wünschten, war sie glücklich.
Auch sein Vater schätzte seinen Job, den er zu Beginn als Übergangslösung angesehen hatte, mittlerweile sehr. Nicht, dass die Müllabfuhr sein Traum gewesen war, aber er und seine Kollegen waren ein gutes Team und wurden anständig bezahlt, sie arbeiteten schnell und zuverlässig zusammen, und er konnte sich den Wechsel auf einen Arbeitsplatz, der vielleicht ruhiger und gemütlicher gewesen wäre, längst nicht mehr vorstellen. Natürlich, wenn es kalt und nass war, aber auch bei großer Hitze, stöhnte er schon mal, aber im Großen und Ganzen fühlte er sich wohl an seinem Platz. Und er machte seit einiger Zeit Sport, weil ihm sein Hausarzt dazu geraten hatte. Seitdem ging er in ein Fitnessstudio, und tatsächlich traten seine Rückenschmerzen, unter denen wegen der harten körperlichen Arbeit mehr oder weniger alle seine Kollegen litten, viel seltener auf.
Da Jonas‘ Eltern sechs Kinder hatten, war das Geld, so lange Jonas denken konnte, mehr als knapp gewesen, dabei hatte seine Mutter nie aufgehört zu arbeiten. Ihm war es ein Rätsel, wie sie das geschafft hatte: den Haushalt, die Kinder, die Arbeit. Natürlich hatte sie eine Weile nicht Vollzeit arbeiten können, aber trotzdem … Er erinnerte sich freilich, dass sie eine Zeit lang immer nur müde und erschöpft ausgesehen hatte, bis ihr Hausarzt eingeschritten war: Er hatte dafür gesorgt, dass ihr eine Kur bewilligt worden war, und so war seine Mutter einmal für vier Wochen im Schwarzwald gewesen.
Im Einzelnen wusste er nicht mehr, wie sie sich zu Hause durchgewurstelt hatten, aber irgendwie war es gegangen. Er selbst war sechzehn gewesen, Nina, seine jüngste Schwester, gerade sechs. Er lächelte unwillkürlich, als ihm wieder einfiel, wie erwachsen er sich damals vorgekommen war, denn sein Vater hatte zu ihm gesagt: »Du wirst mir helfen müssen, Jonas, allein schaffe ich das nicht. Ich konnte eine Woche Urlaub nehmen, aber deine Mutter bleibt ja vier Wochen weg. Wir werden uns alle anstrengen müssen, damit das hier nicht im Chaos endet.«
Sie hatten es hingekriegt, ziemlich gut sogar nach den ersten Tagen, an denen so gut wie gar nichts geklappt hatte. Aber dann hatten sich alle zusammengerissen, und am Ende der vier Wochen waren sie ein sehr gut aufeinander eingespieltes Team gewesen. Vor allem: Sie waren es geblieben, denn sie hatten darauf geachtet, dass ihre Mutter sich nie wieder überanstrengen musste, und so war es bis heute geblieben. Nicht, dass Maren Mühlberg besonders zart oder anfällig gewesen wäre, aber es war natürlich immer noch so, dass ihr Leben vor allem aus Arbeit bestand.
»Frau Mühlberg, kannst du mal kommen?«, rief eine Kollegin.
Jonas hatte seine Mutter mal gefragt, warum sich im Kaufhaus die Angestellten alle duzten, sich aber trotzdem mit den Familiennamen anredeten. »Weil die einmalig sind – wenn nicht gerade drei Müllers oder Meiers dabei sind. Bei den Vornamen gibt es dagegen immer Verwechslungsgefahr«, hatte Maren geantwortet, aber sie hatte dabei gelacht und mit den Schultern gezuckt, was heißen sollte, dass sie es selbst nicht so genau wusste.
Er nutzte die Gelegenheit, sich zu verabschieden, zumal er sah, dass es zwei Kundinnen gab, die offensichtlich nach einer Verkäuferin Ausschau hielten. »Bis bald, Mama«, sagte er, küsste sie noch einmal auf die Wange und verließ das Kaufhaus.
Er atmete auf, sobald er draußen war. Die Luft da drin fand er zum Schneiden, während seine Mutter immer behauptete, er übertreibe, sie merke davon nichts. »Da musst du mal in so einen Billigladen gehen – da wird dir richtig schlecht, so riecht es da überall nach Chemie. Bei uns haben sie ein sehr gutes Belüftungssystem, glaub mir.«
Er glaubte ihr, trotzdem war auch die Luft des gehobenen Kaufhauses ›Lindemayer‹ nichts für ihn. Er sah auf die Uhr und setzte sich eilig in Bewegung, um rechtzeitig zu seinem Seminar an der Uni zu kommen. Er studierte Jura, bald würde er sein erstes Examen machen – ein Examen, bei dem ein großer Teil der Studierenden erfahrungsgemäß durchfiel. So war es offenbar schon immer gewesen, und so würde es wohl auch bleiben. Er machte sich keine großen Sorgen, bislang war er gut durch das Studium gekommen. Nicht, dass er sich einbildete, besser als die anderen zu sein, aber er war härter im Nehmen: Er arbeitete mehr, weil er seine Eltern so bald wie möglich finanziell unterstützen wollte. Da er einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni hatte, tat er das auch jetzt schon, aber natürlich nur in sehr bescheidenem Umfang. Von den Geschwistern war