Unvorhergesehene Wege: Sophienlust - Die nächste Generation 99 – Familienroman
Von Simone Aigner
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Thomas Angermann strich bedächtig Butter auf seine Brötchenhälften. Die Morgensonne schien durch die hohen Fenster in das Esszimmer, das mit mahagonifarbenen Möbeln etwas gediegen eingerichtet war. Durch das gekippte Fenster drang milde Sommerluft, die den Duft von gemähtem Rasen und süßen Blüten mitbrachte und die schneeweißen Vorhänge sanft aufbauschte. Thomas griff nach dem Glas mit der Erdbeermarmelade und bemühte sich, die leidende Miene seiner Frau Klara zu ignorieren. Er hatte es so satt, ihr ständiges Jammern und Klagen, dass sie keinen Nachwuchs bekommen konnten. Er konnte schließlich nichts dafür, auch wenn er selbst gar keine Kinder wollte. Nie gewollt hatte, um genau zu sein. Das Gesicht seiner Ex-Freundin Julia erschien vor seinem inneren Auge. Ihr gemeinsames Kind, von dem er nicht einmal den Namen wusste, mochte bald zur Schule gehen. Er war nicht sicher. Er hätte nachrechnen müssen. Klara stieß ein tiefes Seufzen aus, wohl, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Notgedrungen sah er von seinem Frühstück auf und zu ihr. Klara schlug die Augen nieder. Sie wusste sehr genau, wie anstrengend und zermürbend er ihr ständiges demonstriertes Elend fand. Mit unruhiger Hand nahm sie ihre Kaffeetasse. Das sicher nur noch lauwarme Getränk schwappte gefährlich nahe an den Rand der Tasse. Sie nippte daran, verzog das Gesicht und stellte die Tasse zurück. »Wenn ich es nicht besser wüsste …«, begann sie vielsagend.
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Unvorhergesehene Wege - Simone Aigner
Sophienlust - Die nächste Generation
– 99 –
Unvorhergesehene Wege
Unveröffentlichter Roman
Simone Aigner
Thomas Angermann strich bedächtig Butter auf seine Brötchenhälften. Die Morgensonne schien durch die hohen Fenster in das Esszimmer, das mit mahagonifarbenen Möbeln etwas gediegen eingerichtet war. Durch das gekippte Fenster drang milde Sommerluft, die den Duft von gemähtem Rasen und süßen Blüten mitbrachte und die schneeweißen Vorhänge sanft aufbauschte.
Thomas griff nach dem Glas mit der Erdbeermarmelade und bemühte sich, die leidende Miene seiner Frau Klara zu ignorieren. Er hatte es so satt, ihr ständiges Jammern und Klagen, dass sie keinen Nachwuchs bekommen konnten. Er konnte schließlich nichts dafür, auch wenn er selbst gar keine Kinder wollte. Nie gewollt hatte, um genau zu sein. Das Gesicht seiner Ex-Freundin Julia erschien vor seinem inneren Auge. Ihr gemeinsames Kind, von dem er nicht einmal den Namen wusste, mochte bald zur Schule gehen. Er war nicht sicher. Er hätte nachrechnen müssen.
Klara stieß ein tiefes Seufzen aus, wohl, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Notgedrungen sah er von seinem Frühstück auf und zu ihr. Klara schlug die Augen nieder. Sie wusste sehr genau, wie anstrengend und zermürbend er ihr ständiges demonstriertes Elend fand. Mit unruhiger Hand nahm sie ihre Kaffeetasse. Das sicher nur noch lauwarme Getränk schwappte gefährlich nahe an den Rand der Tasse. Sie nippte daran, verzog das Gesicht und stellte die Tasse zurück.
»Wenn ich es nicht besser wüsste …«, begann sie vielsagend. Der Satz blieb offen.
Thomas hätte gerne einen Blick in die Tageszeitung geworfen, doch das bedeutete neue Vorwürfe. Er wusste, worauf sie anspielte. Bei einer Schwangerschaft rebellierte häufig der Magen der werdenden Mutter gegen das koffeinhaltige Getränk. Doch Klara hatte eine Fehlbildung an ihrer Gebärmutter und konnte nicht schwanger werden, das hatten ihr mehrere Gynäkologen bestätigt. Er beschloss, auf ihre angedeutete Unpässlichkeit nicht einzugehen.
»Liebes, denk bitte daran, dass wir morgen Nachmittag bei Magnus und Elvira Weber eingeladen sind. Das Wetter soll wunderbar werden, ich gehe davon aus, dass die Party im Garten stattfindet.«
Er schob den Teller mit seinen Brötchen zur Seite, nahm sich ein Ei aus dem abgedeckten Körbchen und stellte es in seinen Eierbecher. Obwohl er sich auf diese Handlung konzentrierte, nahm er wahr, dass sich Karlas Augen mit Tränen füllten. Der Appetit auf sein Frühstück verging ihm endgültig.
»Ausgerechnet bei Webers, mit ihren drei Kindern.« Sie fing an zu schluchzen. »Du musst absagen, Thommi. Ich halte das einfach nicht aus.«
»Klara, bitte.« Ungehalten legte er das Messer weg, mit dem er das Ei hatte aufschlagen wollen. »Darüber haben wir doch schon geredet. Weber ist einer meiner besten Kunden. Ich kann ihn unmöglich vor den Kopf stoßen.«
»Dann geh alleine hin.« Tränen strömten über ihre Wangen und ihre Schultern zitterten. Es machte ihn wütend, er konnte es nicht ändern.
»Kommt nicht infrage. Du vergräbst dich hier, gehst kaum unter die Leute und versinkst immer tiefer in deinem persönlichen Drama. Wie soll denn das mit uns weitergehen? Ich habe eine fröhliche, lebensfrohe Frau geheiratet und jetzt …«
»Ja, ja. Gib nur mir die Schuld. Du hast ja recht, es liegt ja auch an mir.«
Thomas rang um Beherrschung. Er hatte sich in Rage geredet, wie so oft in letzter Zeit, obwohl er wusste, davon wurde nichts besser.
»Selbst wenn, medizinisch gesehen, dein Körper für unsere Kinderlosigkeit verantwortlich ist, so frage ich mich doch, was in dich gefahren ist. Du weißt seit über fünfzehn Jahren, dass du nicht schwanger werden kannst. Ich wollte nie Kinder, das habe ich dir auch immer wieder gesagt. Und nun baust du, seit wir verheiratet sind, ein Drama daraus. Dachtest du, mit unserer Ehe wird alles anders? Du wirst vielleicht doch schwanger, zufällig und unerwartet sozusagen? Und ich werde doch noch freudig Vater? Was ist denn los mit dir?«
Stumm und unter weiteren Tränen hatte sie seinem entrüsteten Ausbruch zugehört. Nun nahm sie ihre Serviette und trocknete sich das Gesicht. Ihre Augen waren rot und verquollenen und auch auf den Wangen und um den Mund zeichneten sich Rötungen ab. Die dunkle Wimperntusche war verschmiert.
»Du hast leicht reden. Du bist ja schon Vater. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso du dein Kind nie kennenlernen wolltest.«
Er presste die Lippen aufeinander. Sie drehten sich im Kreis, diese Gespräche hatten sie schon unzählige Male geführt.
»Wie dem auch sei«, versuchte er, die unschöne Diskussion zu beenden. »Wir gehen morgen Nachmittag um 15 Uhr zu Webers. Vielleicht macht es dir Freude, das weiße Kleid zu kaufen, das wir letzthin in der Stadt in Monis Boutique gesehen haben.«
Klara knüllte ihre Serviette zusammen.
»Mir macht gar nichts mehr Freude«, erwiderte sie mit monotoner Stimme.
Thomas schwieg. Seine Energie war aufgebraucht und das schon seit einer Weile. Vielleicht sollte er Klara zu einem Arzt schicken. Es war doch nicht mehr normal, wie sie sich in ihre Kinderlosigkeit hineinsteigerte, von der sie doch schon lange wusste. Natürlich war ihm klar, dass die Konfrontation mit den drei kleinen Kindern von Webers ihr noch einmal deutlicher machte, was ihr vermeintlich fehlte. Die Zwillinge Mona und Grit, die zwischen den Gästen herumtoben würden und nebenher tatsächlich niedlich aussahen mit ihren blonden Locken und den hübschen Kleidern, die Elvira Weber ihnen so gerne anzog, ebenso, wie Baby Matteo. Der Junge war jetzt ein halbes Jahr alt.
Unvermittelt fiel seine Empörung in sich zusammen und wich Kraftlosigkeit. Eine Ehe auf dieser Basis der Selbstzerstörung konnte und wollte er nicht führen. Trotz allem liebte er Klara immer noch. Oder nicht? Rasch verdrängte er die zweite Möglichkeit, auch wenn er im tiefsten Inneren wusste, ihr Verhalten machte die Gefühle, die er für sie hatte, kaputt.
»Ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann«, sagte er resigniert. Flüchtig ging ihm der Gedanke an eine Adoption durch den Kopf. Sofort ließ er die Idee wieder fallen. Es blieb dabei. Er wollte keine Kinder in seinem Leben haben. Julias ungeplante Schwangerschaft seinerzeit hatte ihre Beziehung ruiniert. Sie hatte das Kind unbedingt bekommen wollen, obwohl er sich absolut nicht in der Rolle eines Vaters sah.
Klara zerbröselte ihr Hörnchen, das noch unangerührt auf ihrem Teller lag.
»Ich würde gerne dein Kind kennenlernen«, sagte sie, sah auf und blickte ihn mit unbewegter Miene an. Thomas merkte, wie in seinem linken Mundwinkel ein Nerv zu zucken begann, wie immer, wenn er sich in die Enge gedrängt fühlte.
Etliche Sekunden rang er um eine Antwort.
»Du weißt, dass ich das nicht möchte«, erwiderte er schließlich, während es ihm heiß den Rücken hinunterlief. Er kannte Klara gut genug, sie würde ihm so lange zusetzen, bis er nachgab. Im tiefsten Inneren hatte er schon eine ganze Weile gefürchtet, dass sie das Kind irgendwann kennenlernen wollte.
»Es geht hier nicht nur um dich«, erwiderte sie, noch immer mit monotoner Stimme.
»Wir reden ein anders Mal darüber. Ich muss jetzt ins Büro.« Thomas legte seine Serviette neben den Teller. Er hatte so gut wie nichts gegessen. Das konnte er in seiner Kanzlei nachholen. Der erste Mandant kam um zehn Uhr, da blieb genug Zeit.
*
Denise von Schoenecker saß im Büro des Kinderheims Sophienlust und überprüfte die Kontoauszüge, als aufgeregtes Hundegebell aus dem Garten durch das gekippte Fenster drang. Sie stand auf und sah hinaus.
Ihr Sohn Dominik, allgemein Nick genannt, stand auf dem Rasen und verteilte etwas an einige der Kinder, die hier im Heim wohnten. Denise sah Heidi und Kim, die beiden Grundschulkinder, die Geschwister Leon und Marie, mit vier und drei Jahren die beiden Kleinsten, die derzeit in Sophienlust ein Zuhause gefunden hatten, und den zehnjährigen Simon. Eifrig hielten sämtliche Kinder Nick, dem das Kinderheim gehörte, die Hände entgegen.
Die Dogge Anglos und der Bernhardiner Barri sprangen herum, wedelten und bellten.
Denise lächelte. Offenbar hatte Nick, der in der Stadt Maibach zum Einkaufen gewesen war, Leckeres für die Hunde mitgebracht, das die Kinder ihnen nun geben durften.
Reihum hielten sie den Tieren die Nascherei hin. Den Anfang machte die kleine Heidi mit den blonden Zöpfen, die der allgemein bekannten Ansicht war, mit ihren inzwischen acht Jahren schon recht groß zu sein.
Kim, der als Baby als Bootsflüchtling nach Deutschland gekommen war, reichte Anglos einen Hundekeks. Kim war ein Jahr jünger als Heidi und ging in die zweite Klasse der Grundschule in Maibach. Mit der deutschen Sprache hatte er noch ein paar Schwierigkeiten, doch diese würde er mit der Zeit in den Griff bekommen.
Auf der Terrasse, an einem der vielen Tische, saßen einige größere Kinder. Pünktchen, die eigentlich Angelina Dommin hieß, beugte den Kopf mit den rotblonden krausen Haaren über ein Schulbuch. Mit dem Kosenamen wurde sie gerufen, weil sie sehr viele Sommersprossen hatte.
Ihr gegenüber saßen Martin und Fabian, und machten ebenfalls Schularbeiten. Fabian sagte etwas, zog ein missmutiges Gesicht