Geheimnisvolle Melodie der Nacht
Von Jayci Lee
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Gebannt lauscht Cellistin Angie Han dem klassischen Stück. Geschrieben wurde es von dem geheimnisvollen Komponisten A.S., den niemand kennt. Doch plötzlich weiß Angie, wer es ist: ihr Ex-Lover Joshua Shin! Damals hat sie ihn ohne Erklärung verlassen, jetzt braucht sie ihn verzweifelt. Denn das Streichtrio mit ihren Schwestern steht vor dem Aus, wenn sie es nicht bald auf die Hitliste der Klassik schaffen! Mutig bittet sie Joshua um eine Komposition, und er erklärt sich bereit – allerdings unter einer pikanten Bedingung …
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Buchvorschau
Geheimnisvolle Melodie der Nacht - Jayci Lee
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2022 by Judith J. Yi
Originaltitel: „A Song of Secrets"
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2242 06/2022
Übersetzung: Ute Augstein
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751509077
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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PROLOG
Das alljährlich stattfindende Dinner der Neimans war eigentlich kein Event, das Joshua Shin normalerweise besuchte. Viel lieber verbrachte er unzählige Stunden im Büro und noch lieber vor seinem Klavier. Doch sein Großvater, dem es augenblicklich nicht besonders gut ging, hatte ihn gebeten, ihn an diesem Abend zu vertreten. Und da Joshua seinen Halabuji – was auf Koreanisch Großvater bedeutete – seit jeher vergötterte, war er der Bitte natürlich nachgekommen.
Er wusste, dass es sich um ein Fundraising für die südkalifornische Chamber Music Society handelte, die sich der Förderung von Kammermusik verschrieben hatte. Daher bestand natürlich die Gefahr, dass sie heute Abend auftreten würde. Liebe Güte, wie pathetisch das klang. Doch auch nach zehn Jahren gelang es ihm nicht, an sie zu denken, ohne diese beklemmende Traurigkeit zu empfinden.
Nachdem er das schmiedeeiserne Tor des Anwesens in Beverly Hills passiert hatte, stand er kurz darauf vor dem majestätisch wirkenden Herrenhaus im gregorianischen Stil. Er parkte seinen Tesla neben den zahlreichen Luxuslimousinen, die bereits in der Einfahrt standen, übergab einem Mitarbeiter des Parkservice die Schlüssel und fügte sich in sein Schicksal.
Bereits auf dem Weg durch das Foyer, das in den Ballsaal führte und in dem sich die neuangekommenen Gäste versammelten, wurde ihm ein Champagnerkelch in die Hand gedrückt. Da ihm immer noch unbehaglich zumute war, nickte er den anderen Gästen bloß höflich zu. Er betrat den Saal und nahm neben den smaragdgrünen Vorhängen eines deckenhohen Fensters Platz.
Auf der Suche nach dem Gesicht, von dem er viel zu oft geträumt hatte, ließ er den Blick automatisch durch den Festsaal schweifen. Eigentlich war es ziemlich unwahrscheinlich, dass Angie Han ausgerechnet an diesem Abend auftreten würde, immerhin gehörten der Chamber Music Society mehr als einhundert Mitglieder an. Da die Musiker das Gebäude allerdings durch den Hintereingang betraten und in den angrenzenden Räumen warteten, bis sie auf die Bühne gerufen wurden, würde er Angie ohnehin nicht vor ihrem Auftritt sehen – gesetzt den Fall, dass sie überhaupt hier war.
Verärgert zwang er sich, an etwas anderes zu denken. Seit einem Jahrzehnt schon war Angie nicht mehr Teil seines Lebens, und dabei sollte es auch bleiben. Warum ging sie ihm bloß nicht aus dem Sinn?
„Mr. Shin?", erklang in diesem Augenblick eine kultivierte Stimme hinter ihm.
„Ja?" Er drehte sich zu einem grauhaarigen Herrn in elegantem Anzug um.
„Mein Name ist Timothy Pearce. Ich bin der geschäftsführende Direktor der Chamber Music Society, erklärte der Mann. „Es überrascht mich, heute Abend nicht Ihren Großvater anzutreffen. Für gewöhnlich verpasst er keins dieser familiären Konzerte.
„Er bedauert es außerordentlich, heute Abend nicht dabei sein zu können, erwiderte Joshua, ohne auf den Grund der Abwesenheit seines Großvaters einzugehen. „Ich vertrete ihn heute.
„Nun gut, ich heiße Sie natürlich ebenfalls herzlich willkommen. Mr. Pearce musterte ihn aufmerksam und lächelte dann einnehmend. Ganz offensichtlich versuchte er einzuschätzen, ob Joshua genauso großzügig wie sein Großvater war. „Wir freuen uns, wenn wir auch die jüngere Generation für klassische Musik begeistern können.
„Ich teile die Musikvorlieben meines Großvaters, entgegnete Joshua wahrheitsgemäß. „Und da wir gerade darüber sprechen … Wer spielt heute Abend eigentlich?
„Wir haben eine ganz besondere Überraschung für unsere Gäste. Timothy Pearce’ Lächeln war noch breiter geworden. Offenbar sah er eine großzügige Spende in greifbarer Nähe. „Das Hana Trio.
Verzweifelt versuchte Joshua, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese Neuigkeit bestürzte. Das Trio bestand aus Angie, der Cellistin, sowie ihren beiden Schwestern, die Violine und Bratsche spielten. Obwohl es nicht ganz unwahrscheinlich gewesen war, sie heute Abend wiederzusehen, versetzte die Gewissheit ihn in Aufruhr.
„Sie haben doch schon von den jungen Damen gehört, oder? Als Joshua schwieg, sah ihn der andere Mann neugierig an. „Ein außergewöhnliches Trio, dem eine glänzende Karriere bevorsteht.
„Ja, selbstverständlich, brachte Joshua schließlich hervor. Seine Lippen fühlten sich plötzlich ganz taub an. „Ich kann’s kaum erwarten, sie spielen zu hören.
„Wunderbar. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend." Der Direktor entfernte sich, um ein älteres Paar zu begrüßen, das soeben den Ballsaal betreten hatte.
Was Joshua über seine Liebe zur Musik gesagt hatte, stimmte zwar, doch seine Verbindung ging weit darüber hinaus. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Musik sein Leben gewesen war. Er erinnerte sich, wie seine Finger über die Tastatur des Klaviers geflogen waren, an Melodien, die die Seele berührten, und glückliches Lachen, das sein Herz mit einer schier unverbrüchlichen Hoffnung erfüllt hatte. Doch dann hatte ihn die Realität mit brutaler Gewalt auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als sie alles zerstört hatte.
Tief in Gedanken versunken, bekam Joshua kaum mit, wie die Gäste allmählich den Saal verließen. Wie ferngesteuert folgte er den Menschen hinaus in einen imposanten Wintergarten. Von hier aus hatte man einen wunderbaren Ausblick auf die allmählich einsetzende Abenddämmerung, die über dem Park hereinbrach. Der Glanz der Lichterketten an der gläsernen Decke brachte den Abendhimmel zum Funkeln, und die geschmackvollen Leuchter, die sich überall im Raum befanden, unterstrichen die Erlesenheit des Veranstaltungsortes.
Als die Leute vor ihm Platz nahmen, entdeckte er am anderen Ende des Raums die provisorische Bühne. Und das war der Augenblick, in dem er sie sah. Angie. Alles um ihn herum verblasste zur Bedeutungslosigkeit, und sein Herzschlag war das Einzige, was er hörte.
Seitdem sie sich getrennt hatten, war aus dem entzückenden Mädchen eine atemberaubende Schönheit geworden. Das lange schwarze Haar, das sie normalerweise achtlos zu einem Zopf zusammengebunden hatte, fiel seidig schimmernd über ihre Schultern. Die hohen Wangenknochen verliehen ihren sanften Gesichtszügen eine verführerische Note. Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Glücklicherweise sah sie nach unten, und die schlanken Finger bewegten sich geschickt über das Cello, als sie und ihre Schwestern ihre Instrumente stimmten.
Bevor sie aufblicken und ihn ebenfalls sehen konnte, nahm Joshua im Schutz einer großen Pflanze neben der Tür Platz. Einige der vorbeigehenden Gäste beäugten ihn neugierig, bevor sie sich setzten. Doch schon bald wurde es ruhig, und das Konzert begann.
Bereits die ersten Musikklänge ließen ihn wohlig erschauern. Schon auf dem College war Angie eine talentierte und vielversprechende Musikerin gewesen. Doch inzwischen fühlte sich ihre Kunst wie Magie an, die seidenweich seine angespannten Sinne berührte. Als er seinen Großvater besucht hatte, hatte er das Debütalbum des Hana Trios bereits gehört, daher wusste er, wie harmonisch ihre Musik war. Doch es war etwas völlig anderes, sie live zu erleben. Die drei Frauen machten dem Namen ihrer Gruppe alle Ehre, denn auf Koreanisch bedeutete Hana so viel wie Einklang. Die drei Instrumente verschmolzen zu einer Einheit und verzauberten die Zuhörer.
Joshua schloss die Augen und spürte, wie besänftigend die Klänge auf seine aufgewühlte Seele wirkten. Er empfand nichts für Angie Han, noch nicht einmal mehr Wut. All die Verbitterung und der Schmerz, die ihn erfüllt hatten, waren nun kaum mehr als ein leises Echo aus der Vergangenheit. Zwar war es nicht einfach gewesen, aber irgendwann war es ihm gelungen, über Angie hinwegzukommen.
Die Darbietung des Trios war wirklich ein Genuss, und als sie endete, klatschte Joshua genauso begeistert wie die anderen Gästen. Insgeheim ärgerte er sich darüber, dass sein Herzschlag sich beschleunigte, und er fragte sich, was er tun sollte, wenn Angie ihn bemerkte. Im Schutz der ausladenden Topfpflanze beobachtete er das Trio, wie es aufstand und sich vor dem Publikum verneigte. Sein Unbehagen wuchs. Er benahm sich einfach lächerlich. Immerhin war Angie bloß eine Musikerin, er hingegen ein Geldgeber der Chamber Music Society. Wenn sie ihn sah, würde er sie höflich grüßen wie eine entfernte Bekannte, sie schnell wieder vergessen und einfach mit seinem Leben weitermachen. Entschlossen trat er aus dem Schutz der Pflanze hervor und gesellte sich zu den anderen Gästen im Wintergarten.
„Ladies und Gentlemen", hob Timothy Pearce die Stimme, um die aufgeregten Gespräche mit seiner Rede zu übertönen. Pflichtbewusst schenkte Joshua dem Direktor Gehör.
Plötzlich hatte er das unbestimmte Gefühl, dass ihn jemand beobachtete, und verspürte ein merkwürdiges Prickeln. Langsam drehte er den Kopf und sah, wie Angie ihn entsetzt anstarrte. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, und ihr Mund war wie für einem stummen Aufschrei leicht geöffnet.
Als sich ihre Blicke trafen, vermochte Joshua kaum noch zu atmen. Ihm wurde heiß, und unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten, als er sich daran erinnerte, wie unglaublich gut es sich angefühlt hatte, sie zu berühren. Nein. Er weigerte sich, auch nur das Geringste für diese Frau zu empfinden. Einen kleinen Augenblick noch hielt er ihrem Blick stand, bevor er ihr kaum merklich zunickte. Dann sah er weg und konzentrierte sich wieder auf die Rede von Pearce, der gerade sagte: „Sie sind ein Teil der Familie. Vielen Dank."
Nachdem der neuerliche Applaus des Publikums verklungen war, sah Joshua sich ein weiteres Mal nach Angie um, erhaschte jedoch nur noch einen Blick auf ihren Rücken, als sie den Raum durch die Tür hinaus in den Garten verließ. Zunächst war er enttäuscht, ärgerte sich jedoch gleich darauf. Nein, er bedauerte es nicht, nicht mit ihr gesprochen zu haben. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. Und auf den Austausch gezwungener Höflichkeiten konnte er sehr gut verzichten.
Während sich die Gäste auf den Weg ins Esszimmer begaben, machte Joshua Timothy Pearce ausfindig, um ihm einen Scheck zu überreichen. Wie Halabuji gewollt hatte, war er zu dieser Party gekommen und hatte sich die Vorstellung angehört. Seinem Großvater war es bestimmt egal, ob sein Enkel den restlichen Abend bei einem spießigen Abendessen in einem Raum voller fremder Menschen verbrachte oder nicht. Nachdem Joshua sich von dem Direktor verabschiedet hatte, lief er Richtung Eingangsbereich.
„Joshua", sagte da plötzlich jemand hinter ihm.
Beim Klang seines Namens drehte er sich abrupt um. Zögernd folgte Angie ihm in das Foyer, um schließlich in großem Abstand zu ihm stehen zu bleiben.
„Was willst du?" Er zuckte zusammen, als er hörte, wie verärgert er klang. Ein todsicheres Zeichen dafür, dass er nicht immun gegen sie war.
„Ich … ich wollte einfach nur Hallo sagen. Verlegen spielte sie mit ihren Fingern. „Und wissen, ob du … glücklich bist.
„Glücklich? Verbittert lachte er. „Darauf erwartest du doch nicht wirklich eine Antwort, oder?
„Es tut mir so leid, Joshua", beteuerte sie leise.
Bevor er wusste, was er tat, stürmte er auf Angie zu und blieb kurz vor ihr stehen. Plötzlich war er ihr so nah, dass er die Wärme spürte, die ihr Körper ausstrahlte. Betäubt von der betörenden Wirkung, die sie noch immer auf ihn hatte, starrte er sprachlos in ihr Gesicht. Keiner von ihnen bewegte sich, als das Gefühl der Vertrautheit sie umfing wie ein unsichtbarer Schleier. Die Spannung zwischen ihnen wurde immer stärker, während die Zeit stillzustehen schien. Erst das schwache Gelächter, das zu ihnen herüberdrang, riss Joshua aus seinem