Ich verstehe die Welt nicht mehr!: Mami 2056 – Familienroman
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Janna Rodenwald ließ den blauen, angenehm weichen Jersey durch ihre Finger gleiten. Prüfend betrachtete sie den Stoff und hielt ihn noch mal ins Licht. Auf keinen Fall wollte sie eine fehlerhafte Stelle übersehen. Zufrieden ließ sie den Stoff sinken und legte die zusammengesteckten Teile unter die Zwillingsnadel. Sie bediente das Fußpedal, und schon glitt die Nadel durch den Stoff. Janna war sich sicher, dass Timo das neue T-Shirt gefallen würde. Sie hatte besonders lange nach einem passenden Schnitt gesucht. Es war aber auch nicht leicht mit diesen Heranwachsenden: Heute war dies modern, morgen das – Janna konnte kaum Schritt halten, dabei war ihre eigene Teenagerzeit noch gar nicht so lange her. Aber normalerweise nähte sie ja auch keine Jugendkleidung, sondern historische Kostüme für Brautpaare. Janna seufzte und schnitt den Faden ab, als sie am Ende der Naht angekommen war. War das zu fassen? Morgen wurde ihr Kleiner tatsächlich elf Jahre alt! War es nicht erst gestern gewesen, dass sie ihn in den Armen gehalten und seine winzigen Ohren, seine klitzekleine Nase betrachtet hatte? Und jetzt war aus dem schreienden Neugeborenen ein nicht minder lauter, polternder Halbwüchsiger geworden, der mit Vorliebe seine verdreckten Schuhe im Flur stehen ließ und überdies grauenhafte Musik hörte. Alle hatten sie bei Timons Geburt gesagt: Sei froh, Janna, dass du noch so jung bist – da wirst du nie Probleme haben, dein Kind zu verstehen. Da konnte Janna nur lachen! Denn obwohl sie Timo schon mit 18 bekommen hatte, trennten sie Lichtjahre von den Ansichten und Neigungen ihres Sprösslings – wie es wohl den meisten Müttern, gleich welchen Alters, erging. Nähmaschine. Es wurde ihr nie zuviel, obwohl sie es tagtäglich im Atelier hörte. In ihrer Freizeit saß sie allerdings selten an der Maschine –, die verbrachte sie lieber mit ihrem Jungen und ihrer Mutter Carola.
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Buchvorschau
Ich verstehe die Welt nicht mehr! - Monica Lauterjung
Mami
– 2056 –
Ich verstehe die Welt nicht mehr!
Monica Lauterjung
Janna Rodenwald ließ den blauen, angenehm weichen Jersey durch ihre Finger gleiten. Prüfend betrachtete sie den Stoff und hielt ihn noch mal ins Licht. Auf keinen Fall wollte sie eine fehlerhafte Stelle übersehen. Zufrieden ließ sie den Stoff sinken und legte die zusammengesteckten Teile unter die Zwillingsnadel. Sie bediente das Fußpedal, und schon glitt die Nadel durch den Stoff.
Janna war sich sicher, dass Timo das neue T-Shirt gefallen würde. Sie hatte besonders lange nach einem passenden Schnitt gesucht. Es war aber auch nicht leicht mit diesen Heranwachsenden: Heute war dies modern, morgen das – Janna konnte kaum Schritt halten, dabei war ihre eigene Teenagerzeit noch gar nicht so lange her. Aber normalerweise nähte sie ja auch keine Jugendkleidung, sondern historische Kostüme für Brautpaare.
Janna seufzte und schnitt den Faden ab, als sie am Ende der Naht angekommen war. War das zu fassen? Morgen wurde ihr Kleiner tatsächlich elf Jahre alt! War es nicht erst gestern gewesen, dass sie ihn in den Armen gehalten und seine winzigen Ohren, seine klitzekleine Nase betrachtet hatte?
Und jetzt war aus dem schreienden Neugeborenen ein nicht minder lauter, polternder Halbwüchsiger geworden, der mit Vorliebe seine verdreckten Schuhe im Flur stehen ließ und überdies grauenhafte Musik hörte.
Alle hatten sie bei Timons Geburt gesagt: Sei froh, Janna, dass du noch so jung bist – da wirst du nie Probleme haben, dein Kind zu verstehen. Da konnte Janna nur lachen! Denn obwohl sie Timo schon mit 18 bekommen hatte, trennten sie Lichtjahre von den Ansichten und Neigungen ihres Sprösslings – wie es wohl den meisten Müttern, gleich welchen Alters, erging.
Nähmaschine. Es wurde ihr nie zuviel, obwohl sie es tagtäglich im Atelier hörte. In ihrer Freizeit saß sie allerdings selten an der Maschine –, die verbrachte sie lieber mit ihrem Jungen und ihrer Mutter Carola.
Glücklicherweise konnte sie sich heute den Luxus leisten, die Kleidung der Familie nicht mehr selbst nähen zu müssen.
Das war auch einmal anders gewesen. Es hatte eine Zeit in ihrem Leben gegeben, als Janna kaum wusste, wie sie sich und Timo ernähren sollte. Janna war froh, dass diese traurigen Jahre vorbei waren und sie Timo ein unbeschwertes und finanziell sorgenfreies Leben ermöglichen konnte. Und dass sie zu Hause nur noch aus reiner Freude nähen durfte. Dafür hatte sie hart gearbeitet, und nun konnte sie die Früchte ernten.
Just in dem Moment, als Janna das T-Shirt hochhalten und abschließend betrachten wollte, stürmte Timo ins Nähzimmer. Schnell ließ Janna den Stoff unter den Tisch gleiten und tat so, als reinige sie die Nähmaschine. – Etwas Besseres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. Doch Timo schöpfte keinen Verdacht. Er war viel zu sehr mit seinen Gedanken an die bevorstehende Feier beschäftigt.
»Hast du auch genug Chips eingekauft?«, fragte er atemlos, denn offenbar kam er direkt vom Bolzplatz, worauf seine verdreckten Hosen schließen ließen. Janna lächelte nachsichtig, denn immerhin hatte er daran gedacht, seine Schuhe im Flur auszuziehen, was durchaus nicht selbstverständlich war.
In diesem Punkt ist er wie sein Vater, dachte sie, als sie ihrem Jungen über die blonden Haare strich, die er von ihr geerbt hatte. Lars hat seine Schuhe auch immer irgendwo stehen gelassen.
Schnell verscheuchte sie diesen Gedanken an frühere Zeiten, räusperte sich und sagte: »Natürlich haben wir genug Chips, genug jedenfalls für eine ganze Fußballmannschaft, und so viele Kinder werden ja wohl nicht kommen.«
»Das nicht«, sagte Timo und baute sich vor Jannas Nähtisch auf. »Aber der Peter, der isst für zwei, und wenn nicht genug zu essen da ist, dann kriegt der schlechte Laune.«
In dem Moment kam Jannas Mutter Carola zur Tür herein und zwinkerte ihrem Enkel zu. »Was meinst du, was deine Oma gerade in der Küche gemacht hat?«
Timo schaute sie fragend an.
»Einen Kuchen hab’ ich gebacken«, sagte Carola, und sofort strahlte Timo übers ganze Gesicht. Schnell umarmte er seine geliebte Großmutter. »Oh, danke«, sagte er. »Du bist die beste Oma von der Welt.«
Auch Janna warf ihrer Mutter einen dankbaren Blick zu, denn sie hätte beim besten Willen nicht gewusst, wann sie auch noch einen Kuchen hätte backen sollen nach der Arbeit im Atelier und zu Hause. In solchen Situationen sprang immer ihre Mutter ein, und das wusste Janna durchaus zu schätzen. Seit der Geburt ihres Sohnes war Carola immer für Janna dagewesen, hatte ihr durch die ersten schwierigen Jahre geholfen und unterstützte sie auch jetzt noch, da Timo größer war, nach Kräften.
Zwar war sich Carola bewusst, dass ihre Tochter nicht ganz unschuldig an der jetzigen Situation war, doch die Hauptschuld trug ihrer Meinung nach immer noch Lars, Timos Vater. »Hätte er doch nur ein bisschen mehr Mumm in den Knochen gehabt«, hatte Carola einmal zu Janna gesagt, als Janna wieder geweint hatte, weil sie Lars so sehr vermisste. »Dann wäre unser aller Leben um einiges leichter verlaufen. Und du müsstest dir nicht die Finger wund nähen, um uns alle durchzubringen. Was kann ich schon mit meiner kleinen Witwenrente beitragen!«
Es stimmt. In den ersten Jahren nach Lars’ Verschwinden hatte Janna oft geweint und ihn herbeigesehnt. Doch auch diese Zeiten waren vorbei. Sie dachte immer noch oft an ihn, liebte ihn sogar noch. Doch heute überwog die Enttäuschung, dass er Timo und sie einfach im Stich gelassen hatte. Das konnte sie ihm nicht verzeihen.
Es war erst gestern gewesen, als Timo sie gebeten hatte, ihm von seinem Vater zu erzählen. Wie jedes Mal hatte Janna dann einen dicken Kloß im Hals und hätte am liebsten gesagt: »Dein Vater ist ein nichtsnutziger Feigling, der nicht mal deine Geburt abgewartet hat. Er hat einfach seine Sachen gepackt und ist gegangen –, und wir konnten sehen, wo wir bleiben.«
Das tat Janna natürlich nicht. Wie immer atmete sie tief durch – und erzählte Timo dann von den guten Seiten dieses Menschen, der ihre erste große Liebe gewesen war und den sie bis zum heutigen Tag liebte, wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war.
Wie war es sonst zu erklären, dass sie seitdem keine gescheite Beziehung aufbauen, sich auf keine neue Liebe einlassen konnte? Sie hatte sich dann und wann mit Männern zum Essen oder Kino verabredet, aber ein zweites Mal hatte sie kaum einen getroffen. Nur bei Marten Kleemann war es anders gewesen, und auch wenn keine Liebesbeziehung aus ihren ersten Treffen entstanden war, so doch eine tiefe Freundschaft.
»Auf Marten kann ich mich wenigstens verlassen«, sagte Janna und beendete mit diesem Gedanken auch die Arbeit an dem T-Shirt. Janna faltete es, verpackte es in Geschenkpapier und versteckte es in ihrem Nähkorb, weil sie sicher sein konnte, dass Timo freiwillig niemals zu Nadel und Faden greifen würde.
Dann folgte sie Timo und ihrer Mutter in die Küche und bewunderte dort die prächtige Torte, die reichlich mit Zuckerguss verziert war.
»Da wird sogar der Peter satt werden«, sagte Timo und umarmte seine Oma noch einmal, so fest er konnte. »Vielen, vielen Dank!«
Doch lange konnten seine Gedanken nicht bei einer Sache verweilen, und schon machte er sich los und rannte zur Wohnungstür. »Ich geh die Leonie besuchen und erzähle ihr von der Torte«, rief er, aber als er schon fast zur Tür hinaus war, drehte er sich noch mal um. »Wenn ich darf«, sagte er und schaute seine Mutter fragend an.
Janna nickte lächelnd. »Lauf nur«, sagte sie, denn sie war froh, wenn Timo zu seiner besten Freundin ging und