Tom lebt gefährlich: Fürstenkinder 72 – Adelsroman
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Es war ein wunderschöner Tag Mitte September. Trotz der Wärme kündigte sich bereits der nahende Herbst an. Die Sonne schien mild durch das Laubwerk der hohen Bäume und zauberte goldene Tupfen auf den Boden. Bald schon würden sich die Blätter färben. Dann wetteiferten die herrlichsten Rot- und Gelbtöne miteinander. Spätsommer und Herbst sind die schönsten Jahreszeiten, dachte Caroline von Harland, eine junge Frau von Ende Zwanzig. Die Hitze des Sommers neigt sich dem Ende zu, und die Kälte des Winters ist noch nicht angebrochen. Über ihrem zarten Gesicht mit den edel geschwungenen Wangenknochen und den großen blauen Augen, die in einem anziehenden Kontrast zu dem goldblonden Haar standen, lag eine unbewältigte Trauer. Während Caroline ihren Gedanken nachhing, zupfte sie ein paar welke Blättchen von einem Busch. Zu ihrer Überraschung hatte sie einen frischen Strauß Blumen auf dem Grab vorgefunden. Jemand musste in den frühen Morgenstunden hier gewesen sein. Zärtlich strich die junge Frau über den Grabstein und fuhr mit den Fingern das Sterbedatum nach. 17. September. War es wirklich schon sechs Jahre her? Noch immer brannte der Schmerz in ihrem Inneren, wenn auch nicht mehr so heiß und allumfassend. Caroline konnte sich kaum an jenen schicksalhaften September erinnern. Damals war sie in einen Nebel der Verzweiflung gesunken. Sie war nahe daran gewesen aufzugeben, und die Ärzte befürchteten das Schlimmste. Nur die Angst vor einem weiteren Verlust hatte ihr Kraft zum Weiterleben verliehen.
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Rezensionen für Tom lebt gefährlich
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Buchvorschau
Tom lebt gefährlich - Johanna von Gladenow
Fürstenkinder
– 72 –
Tom lebt gefährlich
… und Caroline war völlig ahnungslos
Johanna von Gladenow
Es war ein wunderschöner Tag Mitte September. Trotz der Wärme kündigte sich bereits der nahende Herbst an. Die Sonne schien mild durch das Laubwerk der hohen Bäume und zauberte goldene Tupfen auf den Boden. Bald schon würden sich die Blätter färben. Dann wetteiferten die herrlichsten Rot- und Gelbtöne miteinander. Spätsommer und Herbst sind die schönsten Jahreszeiten, dachte Caroline von Harland, eine junge Frau von Ende Zwanzig. Die Hitze des Sommers neigt sich dem Ende zu, und die Kälte des Winters ist noch nicht angebrochen.
Über ihrem zarten Gesicht mit den edel geschwungenen Wangenknochen und den großen blauen Augen, die in einem anziehenden Kontrast zu dem goldblonden Haar standen, lag eine unbewältigte Trauer. Während Caroline ihren Gedanken nachhing, zupfte sie ein paar welke Blättchen von einem Busch. Zu ihrer Überraschung hatte sie einen frischen Strauß Blumen auf dem Grab vorgefunden. Jemand musste in den frühen Morgenstunden hier gewesen sein. Zärtlich strich die junge Frau über den Grabstein und fuhr mit den Fingern das Sterbedatum nach. 17. September. War es wirklich schon sechs Jahre her? Noch immer brannte der Schmerz in ihrem Inneren, wenn auch nicht mehr so heiß und allumfassend. Caroline konnte sich kaum an jenen schicksalhaften September erinnern. Damals war sie in einen Nebel der Verzweiflung gesunken. Sie war nahe daran gewesen aufzugeben, und die Ärzte befürchteten das Schlimmste. Nur die Angst vor einem weiteren Verlust hatte ihr Kraft zum Weiterleben verliehen.
Jenseits der Friedhofsmauer erschollen laute Kinderstimmen. Caroline lächelte. Diesen weiteren Verlust hatte sie nicht hinnehmen müssen, und sie dankte Gott jeden Tag dafür.
Wie oft balancierten die Zwillinge Klara und Tom über einen umgefallenen Baumstamm. Es waren temperamentvolle Kinder, die ständig herumtollten und tobten. Doch sobald sie den Friedhof besuchten, ging eine Veränderung in ihnen vor, von der sich selbst ihre Mutter überrascht zeigte. Sie legten ihre Wildheit ab und benahmen sich ruhig und besonnen, ja, geradezu würdevoll. Mit ernsten Gesichtern standen sie Hand in Hand und schauten auf das Grab. Jedes Mal fragte Klara mit leiser Stimme: »Was macht er jetzt?« Und jedes Mal antwortete Tom: »Er passt auf uns auf.«
Dann holten sie eine Vase, füllten sie mit Wasser und stellten ihre mitgebrachten Blumen hinein. Sie taten dies mit einer Sorgfalt und Inbrunst, die sie sonst nie an den Tag legten. Auch heute hatte sich dieses kleine Ritual abgespielt. Weil es sich um den Jahrestag handelte, hatten die Kinder ihr Taschengeld zusammengelegt und sich einen prächtigen Strauß gekauft.
»Glaubst du, er freut sich über gelbe Rosen?«, hatte Klara gefragt. »Es waren die schönsten Blumen, die wir im Laden finden konnten.«
»Natürlich«, antwortete Caroline. »Gelbe Rosen waren seine Lieblingsblumen.«
In Wirklichkeit hatte Thomas die einfachen Feld- und Wiesenblumen geliebt.
»Nichts kann die Schönheit der Natur übertreffen«, hatte er stets betont. Aber das hätte Caroline niemals ihren Kindern gesagt. Sie waren so stolz auf ihren Strauß. Nachdem Caroline eine Weile gemeinsam mit den Kindern des Toten gedacht hatte, schickte sie die beiden zum Spielen auf eine angrenzende Wiese. Sie wollte ein paar Minuten allein sein. Seit sie vor sechs Jahren Witwe geworden war, ging sie Woche für Woche an diesen Ort, um Thomas von ihren Sorgen und Freuden zu erzählen. Es war ihr ein inneres Bedürfnis, ihn auch über den Tod hinaus an ihrem Leben teilhaben zu lassen.
»Auf dem Gestüt läuft alles bestens«, teilte sie ihm mit. »Wir haben momentan ein paar vielversprechende Fohlen. Apollo hat letzten Sonntag das große Springturnier gewonnen. Er hat sich diese Saison gut gemacht. Auch finanziell geht es aufwärts. Ich glaube, wir sind über dem Berg. Seit dein Bruder Stefan …« Sie wurde von einem Schrei unterbrochen. Eine aufgeregte Klara rannte auf sie zu.
»Mama, Mama! Tom ist vom Baum gefallen.«
So schnell sie konnte, folgte Caroline ihrer Tochter, die sich wieder umgewandt hatte und zurück zu der großen Wiese lief. Unter einer mächtigen Kastanie fand sie Tom. Er schaute schuldbewusst zu seiner Mutter und rieb sich den Arm.
»Es ist überhaupt nichts passiert«, erklärte er mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Der blöde Ast ist gebrochen, und ich bin ein winziges Stück gestürzt.« Er drehte sich zu seiner Schwester. »Petze! Kannst du nicht den Mund halten?«
Beleidigt streckte ihm Klara die Zunge heraus. »Ich wollte nur helfen«, sagte sie. »Das nächste Mal lasse ich dich einfach liegen.«
»Hört auf, euch zu streiten«, ermahnte Caroline streng. Sie schaute am Baum hoch. Deutlich erkannte man, wo der Ast abgesplittert war, und Caroline bekam einen riesigen Schreck. Tom war aus der Höhe von fast drei Metern gefallen. »Ist dir schlecht?«, fragte sie aus Angst vor einer Gehirnerschütterung.
»Nein, es ist alles in Ordnung. Nur der Arm tut ein bisschen weh.«
Vorsichtig untersuchte Caroline ihren Sohn. Nachdem sie festgestellt hatte, dass ihm nichts Ernsthaftes fehlte, forderte sie ihn auf aufzustehen. Die Kinder standen still nebeneinander und wagten es nicht, ihre Mutter anzusehen.
Das Abenteuer ist zum Glück noch einmal gut ausgegangen, dachte sie, während sie die beiden Blondschöpfe zärtlich betrachtete. Am liebsten hätte sie die Kinder in den Arm genommen und an sich gedrückt, doch sie wusste, dass in dieser Situation Strenge angebracht war.
»Viele Äste dieses Baumes sind morsch. Deshalb habe ich euch verboten, auf ihn zu klettern«, sagte sie ernst. »Was habt ihr euch dabei gedacht.«
Klaras braune Augen füllten sich mit Tränen, und schluchzend schlang sie ihre Arme um Caroline.
»Sei nicht böse, Mama. Bitte«, flehte sie.
Sanft strich Caroline über das helle Lockenköpfchen ihrer Tochter. »Ich bin nicht böse auf dich. Allerdings bin ich sehr ärgerlich. Ihr müsst auf mich hören.« Sie beugte sich zu den Kindern und sprach in Augenhöhe zu ihnen. »Verbote haben einen Sinn. Ich möchte euch nicht den Spaß verderben. Ich hoffe, das wisst ihr. Ich verbiete gewisse Dinge, weil sie gefährlich sind. Verstanden?«
»Wir tun es auch bestimmt nicht wieder«, versprach Klara einigermaßen getröstet.
»Und du, Tom?«
Der Junge starrte trotzig an seiner Mutter vorbei. Im Gegensatz zu seiner Schwester besaß er strahlend blaue Augen, die meist unternehmungslustig blitzten. Momentan jedoch waren sie zu zwei düsteren Schlitzen verengt.
»Tom, ich warte«, sagte Caroline.
»Also gut«, brummelte Tom. »Ich gehe nicht mehr auf den Baum.«
Caroline nickte zum Zeichen dafür, dass mit seinem Versprechen die Sache für sie erledigt war.
»Dann wollen wir jetzt nach Hause gehen.«
Sie schlugen den Feldweg ein, der sie direkt zum Gutshof bringen würde. Vor ihnen breitete sich die Münsterländische Parklandschaft aus. Wiesen wechselten sich mit Hecken und kleinen Wäldchen ab.
Missmutig stapfte Tom ein paar Meter vor Caroline den Weg entlang. Er grollte ihr immer noch. Seine Mutter hatte überhaupt keine Ahnung. Er konnte hervorragend klettern. All seine Freunde bewunderten ihn, weil er behende wie eine kleine Katze jeden Baum erklomm. Wenn dieser Ast nicht nachgegeben hätte, hätte er es bis zur Spitze geschafft. Hinter sich hörte Tom das Lachen seiner Schwester und Mutter. Augenblicklich bedauerte er es, davon ausgeschlossen zu sein. Möglichst unauffällig drehte er sich um. Da traf ihn der Blick seiner Mutter. Sie lächelte freundlich und auch ein wenig traurig. Das gab ihm einen Stich. Seinetwegen sollte sie nicht traurig sein.
Tom verlangsamte seine Schritte, bis er neben Caroline ging. Dann schob er ganz sacht seine kleine Hand in ihre große.
»Es tut mir leid, Mama«, sagte er reumütig. »Hast du mich jetzt wieder lieb?« Caroline legte ihren Arm um seine schmalen Schultern.
»Ich habe dich immer lieb, Tom. Gerade deshalb muss ich manchmal streng sein.«
Im Stillen dachte Caroline, dass sie es künftig schwer