Das Experiment
Von Otto W. Bringer
()
Über dieses E-Book
Erfolge und Niederlagen wechseln sich ab, wirklich real werden sie nicht. "Muss ich selber eine Schnecke sein, um Schneckenhäuser für Menschen bauen zu können?", fragt er sich und probiert es aus. Das Experiment scheint zu gelingen.
Roman oder Parabel? Kleine Menschen wollen oft größer sein, um respektiert zu werden, schaffen Großes und bringen andere dazu, nachzudenken. Über Groß und Klein. Oder umgekehrt.
Otto W. Bringer
Otto W. Bringer, 89, vielseitig begabter Autor. Malt, bildhauert, fotografiert, spielt Klavier und schreibt, schreibt. War im Brotberuf Inhaber einer Agentur für Kommunikation. Dozierte an der Akademie für Marketing-Kommunikation in Köln. Freie Stunden genutzt, das Leben in Verse zu gießen. Mit 80 pensioniert und begonnen, Prosa zu schreiben. Sein Schreibstil ist narrativ, "ich erzähle", sagt er. Seine Themen sind die Liebe, alles Schöne dieser Welt. Aber auch der Tod seiner Frau. Bruderkrieg in Palästina. Werteverfall in der Gesellschaft. Die Vergänglichkeit aller Dinge, die wir lieben. Die zwei Seelen in seiner Brust.
Mehr von Otto W. Bringer lesen
Visionen des Fritz Piccolo und der Punkt über dem i: Hautnah erlebt von seinem Privatsekretär Justus und dessen Intimfreund Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLiebe deinen Nächsten wie dich selbst: Das Gegenteil erlebt und recherchiert, zwei Seelen auch in meiner Brust Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenItalien mit allen Sinnen: Tagebuch-Aufzeichnungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGewalt ausüben oder vermeiden?: Schicksalsfrage seit Kain & Abel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Weltbeweger Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch bin nicht, der ich bin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAuge um Auge Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchönstes und Schlimmstes geschieht in der Nacht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Macht der Meinung: gesprochen, gedruckt oder digitalisiert Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWas wäre, wenn Tote wieder auferstünden: Begegnungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Haar in der Apokalypse: Das aufregende Leben eines Schafhaares von Anno 1356 bis zum Jüngsten Gericht. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFräulein Quakis Versuche, ein Mensch zu werden: Novelle Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAdieu: Nichts bleibt – und lieben wir es noch so sehr Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMann Gottes: und die Frau aus dem Gulag Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMaskerade 2020/21 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKatzenjammer: Zu viel genossen, gewollt und vor allem zu viel geliebt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Metamorphose des Herrn Fuchs Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFräulein Quakis Versuche, ein Mensch zu werden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErst kommt die Mode und dann kommt die Moral ...: Wer im Mainstream schwimmt braucht einen Rettungsring Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPorcus das charakterlose Schwein: Fast ein Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFrankreich mit allen Sinnen: Tagebuch-Aufzeichnungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOTTO will er nicht heißen: weil es so altbacken klingt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenALTER EGO, das andere Ich: Ein Geständnis Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tod der Rose: Aus den Tagebüchern meiner Frau Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWer bist Du, Papa?: oder: Der lange Weg zu mir Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIn Vino Veritas?: Heute scheint Alles oder Nichts wahr zu sein Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Rotweinfleck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlt wie Methusalem: Nur eine Redensart Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Das Experiment
Ähnliche E-Books
Eifel-Rallye: Der 6. Siggi-Baumeister-Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer tollkühne Theophil Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Pitter: Korlinger Geschichten I Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Abenteuer des Ahornblattes Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer doppelte Professor Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Böse über der kleinen Stadt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKönig und Kärrner Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDAS HAUS DER MONSTER - DIE MONSTER SIND ZURÜCK: Gruselroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVerkaufte Erleuchtung: Baden-Württemberg-Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Mädchen und der Leuchtturm Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHENRY JAGT DEN MONDRUBIN: Ein komischer UFO-Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie toten Lebensretter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Anfang und vom Ende: Erzählungen, Kurzgeschichten, Dialoge Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSolferino: Kleine Geschichte eines großen Schauplatzes Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnd – Wo ist das Paradies Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Struwwelpeter oder lustige Geschichten und drollige Bilder Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Struwwelpeter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Flug des Falken: Die rebellische Jugend des Friedrich Engels Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDIE AUTORIN AM RANDE DES UNIVERSUMS: Monika Niehaus zum 70. Geburtstag Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGoethes Doppelspiel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDu bist es vielleicht: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKleine Zeiten: Die Geschichte meiner Großmutter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBefreiungsgeschichten: Über Süchte und Zwänge Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie seltsamen Geschichten des Doktor Ulebuhle Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWie der Tagedieb den Mittwoch stehlen wollte: Geschichten und Gedichte aus Kinderhand für Kinder Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer blinde Zeuge Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSternstunden II Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas große Spiel, oder mit Lachdatte, Mängehatte und Poklapier Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Geheimnis von Wildenwald Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Allgemeine Belletristik für Sie
Der Struwwelpeter - ungekürzte Fassung: Der Kinderbuch Klassiker zum Lesen und Vorlesen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Ilias & Odyssee Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGrimms Märchen: Mit hochauflösenden, vollfarbigen Bildern Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Denke (nach) und werde reich: Die 13 Erfolgsgesetze - Vollständige Ebook-Ausgabe Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Dienstanweisung für einen Unterteufel Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Das Gilgamesch-Epos: Die älteste epische Dichtung der Menschheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGriechische Mythologie: Theogonie + Die Götter + Die Heroen: Heldensagen und Heldendichtungen (Herkules + Der Trojanische Krieg + Theseus + Die Argonauten) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen1984 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tod in Venedig Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHarry Potter und der Stein der Weisen von J K. Rowling (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer kleine Hobbit von J. R. R. Tolkien (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenItalienisch lernen durch das Lesen von Kurzgeschichten: 12 Spannende Geschichten auf Italienisch und Deutsch mit Vokabellisten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchneewittchen und die sieben Zwerge: Ein Märchenbuch für Kinder Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Germanische Mythologie: Vollständige Ausgabe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Fremde von Albert Camus (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAnnas Tagebuch: A Short Story for German Learners, Level Elementary (A2): German Reader Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGerman Reader, Level 1 Beginners (A1): Eine Begegnung im Zug: German Reader, #4 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Edda - Nordische Mythologie und Heldengedichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWalter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke: Neue überarbeitete Auflage Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJames Bond 01 - Casino Royale Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Sämtliche Creative Writing Ratgeber: 5 x Kreatives Schreiben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStefan Zweig: Gesamtausgabe (43 Werke, chronologisch) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Frau ohne Schatten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenImmanuel Kant: Gesammelte Werke: Andhofs große Literaturbibliothek Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeinrich Heine: Gesammelte Werke: Anhofs große Literaturbibliothek Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Metamorphosen: Bücher der Verwandlungen: Mythologie: Entstehung und Geschichte der Welt von Publius Ovidius Naso Bewertung: 5 von 5 Sternen5/580 Afrikanische Märchen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Das Experiment
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Das Experiment - Otto W. Bringer
Aller Anfang ist klein
Philippe war klein. Als 6jähriger einen Kopf kleiner als alle anderen in seiner Klasse. Er blieb klein als Erwachsener, wie Charles Aznavour. 1,50 m in etwa. Mit dem er über siebenundzwanzig Ecken verwandt ist, meint man es charakterlich. Wie er ehrgeizig. Sehr ehrgeizig. Wie kleine Menschen oft danach streben, größer zu sein als sie sind. Die fehlenden Zentimeter ausgleichen durch Anstrengung. Hoch gesteckte Ziele. Der größte zu sein in ihrem Metier. Der Erfinder des Taschenschirms „Knirps" war auch 1,50 m klein, sein Schirm 25 cm kurz. Weltweit berühmt, weil unerhört praktisch. Soweit aber ist Philippe noch nicht.
Philippe hatte noch einen zweiten Vornamen: Emmanuel. Wie der Sohn Johann Sebastian Bachs. Ein fast so großer Komponist wie sein Vater. Unser Philippe Emanuel aber ganz und gar nicht musikalisch. Das Gegenteil eher. Als Baby schon krähte er lauthals Protest, wenn seine Mama ihm ein Schlaflied vorträllerte. Sich bemühte, ihrer Stimme einen weichen Klang zu geben. Damit ihrem kleinen Philippe endlich die Augen zufielen. Der aber griff nach den Bauklötzchen, die seine Mama ihm immer wieder aufs Kissen legte, wenn er sie in hohem Bogen auf den Boden geworfen hatte. Spielmaterial eines geborenen Genies.
Eines Abends schien er eingeschlafen, atmete lauter als sonst. War seine Mama aus dem Zimmer, begann er mit den Klötzen zu bauen. Schob das Kissen beiseite und begann die würfelförmigen, 5 × 5 × 5 cm dicken Kuben aufeinander zu stapeln. Einen nach dem anderen, nicht gerade akkurat. Aber sie blieben aufeinander. Schwankten ein bisschen. Schwankten mehr, legte er einen neuen Klotz darauf. Bis zum dreizehnten. Dann fiel der Turm zusammen. Überlegte, woran liegt das? Die Matratze zu weich? Jetzt könnte einer zweifeln, dass ein zweijähriger Bub schon physikalisch denken kann. Aber Philippe war wie gesagt ein Genie. Kletterte aus dem Bettchen, nahm das Kissen mit und schleppte es bis in die Ecke des Zimmers.
Holte die Bauklötze durchs Gitter aus dem Bett auf den Boden, der ein glatter Boden war. Schön blank gebohnertes Parkett aus Eichenholz, im Fischgrätmuster verlegt. Setzte den ersten Klotz, den zweiten, dritten aufeinander. Wunderte sich gar nicht, dass der Turm noch beim dreiundzwanzigsten Bauklotz stand und nicht schwankte. Ob er sich fragte: bin ich bin ein Zauberkünstler? Einer, der Häuser bauen kann, Kirchen und Türme, so hoch bis jenseits der Wolken? Ein kinderfreundlicher Mensch würde es ihm unterstellen.
Vielleicht sogar ganz klitzekleine Häuser zu bauen, wie Schnecken sie auf ihrem Leib herumschleppen, wo sie auch sind? Häuser, in die sie gerade hineinpassen, ziehen sie sich zusammen. Maßgeschneidert, Platz gespart. Hätte er sie schon gekannt.
Philippe aber unzufrieden. Stieß den Turm aus dreiundzwanzig Bauklötzen mit dem Ellenbogen um, dass es klickerte und kleckerte, der letzte Klotz nur noch klock machte. Holte sich das Kissen aus der Zimmerecke und zog es sich über den Kopf. Stellte sich vor den Spiegel an der Wand. Und sah die Bescherung. Kleiner Mann im großen weißen Haus noch kleiner als er war. Machte ein paar Schritte und dachte: „Großes, weißes Haus auf Wanderschaft." Der Mensch in ihm unterwegs zu neuen Zielen. Unterwegs und dennoch zuhause. Jeden Tag. Jede Nacht. Weißes Haus über dem Kopf.
Das wichtigste bei Menschen und den meisten Säugetieren, geschützt zu sein unter einem Dach. In dem man sich wohl fühlt, weich wie ein Kissen, in das man sich verkriecht, wenn ’s draußen unwettert. Hat je einer in einem solchen Haus gewohnt? Von Zelten abgesehen sind sie alle aus hartem Stein. Wände, Böden ebenso. Überall lauern Gefahren, sich zu verletzen. Beule am Kopf, Schulter verrenkt, Knöchel gebrochen. Und erst die Treppenstufen. Schwindelanfälle, wenn sich die Stufen zehnmal aufwärts wendeln. Und das soll menschenwürdig sein? Ehrlich. Haus wie ein Kissen ist optimal.
Jetzt kann einer denken, verrückte Geschichte die vom wandernden Haus. Das weich ist wie ein Kissen. So etwas gibt es nicht. Weil es so etwas nicht geben kann. Nicht geben darf. Wo kämen wir denn hin, wenn alle Menschen auf Wanderschaft gingen? Unterwegs zu neuen Zielen. Sich niederließen für eine Weile da, wo es ihnen besonders gut gefiel. Niemanden um Erlaubnis fragen. Die Behörden hätten ein Problem. Und erst die Politiker. Flüchtlinge sind es nicht, weil sie ständig weiterziehen. Residenten auch nicht, weil sie keine festen Häuser bauen. Vorübergehende Hotelgäste auch nicht, weil sie nirgends nächtigen, zu Abend essen und zahlen. Sie wandern und wandern und fressen das Grün der Blätter von Löwenzahn, Klee und Sauerampfer. Und niemand hat einen Schaden davon. Für den Fall, dass solche Menschen Schnecken sind.
Philippe Emmanuel war Klassenbester in Mathematik und Physik. Schon in der Quarta wie Galilei und Einstein interessiert an dem, was jenseits ihrer Berechnungen existieren könnte. Neugierig wie ein Kind sagt man. Wohl dem, der ein Kind ist und bleibt ein Leben lang. Der Himmel soll ihnen sicher sein, heißt es in der Bibel. Eine der meistdiskutierten Stellen.
Als er noch nicht in der Schule war, streifte er mit seinem Großvater durch Wälder und Auen. Sie wohnten damals in Bergheim, nicht weit von Sélestat im Elsass. Die Gegend bis zum Rhein flach mit Pappelreihen entlang von Kanälen. Wenig bebaut, hie und da ein Wochenendhäuschen. Gewundene Wege, eine schmale asphaltierte Straße nach Colmar. Hin und wieder ein Hügel mit Heide oder Ginster. Ein Kiefernwäldchen. Steinkreuz am Weg mit unlesbarer Inschrift. Die Bank davor eingeknickt, vermoost. Lauter Kleinigkeiten. Die große Welt weit weg. Mooriges Gelände linksseits gurgelt und gluckst gedankenlos vor sich hin.
Grande-père kannte sich hier gut aus. Als Professor in Botanik und Biologie ein As. Streifte er an Wochenenden mit seinem Enkel durch Wälder und Auen, konnte er ihm alles erklären. Seine Neugier wecken, die er nie mehr verlor. Viele verschiedene Pilze wachsen im Herbst unter den Bäumen, wie hoch geschossen. Fliegenpilze, weiße Punkte auf ihren roten Hüten. „Vorsicht giftig, riet er ihm, „bloß nicht berühren
. Aber schön fand Philippe sie doch. Schöner als die Maronenröhrlinge, die sich zu einem wenig ansehnlichen Haufen zusammendrängen. Nicht so königlich aussehen wie ein Fliegenpilz. Dass Unbekömmliches immer so schön sein muss, verstand er damals nicht.
Auch nicht, dass Steinpilze mit den dicken braunen Hüten die leckersten sein sollen. Verdrehte Welt, dachte er und suchte etwas, was schön und gleichzeitig lecker ist. Oder so andersartig, dass man es lieben muss. Da sah er plötzlich ein seltsam gemustertes, blassgelbes Tier über den Weg kriechen. Wie ein dicker Wurm mit zwei Fühlern, die sich ständig hin und her bewegen. Eine Art Haube auf dem Rücken. „Großpapa, was ist das für ein komisches Tier? „Phlip
, so nannte er den Kleinen gelegentlich, „das ist eine Schnecke, un Escargot. Wie der Name unserer Familie. Einer unserer Vorvorfahren soll das Schnecken-Pfännchen erfunden haben.
Deshalb heißen wir so. Wenn wir Dich in der Schule anmelden, dann mit dem Namen Philippe Emmanuel Escargot."
Im Elsass spricht man beide Sprachen. Klein Phlip war es so gewohnt. Im Elternhaus sprach man Alemannisch und Französisch. Hochdeutsch lernte er erst in der Schule. Grand-père erzählt weiter: „Als deutsche Truppen 1940 wieder einmal unser Land besetzt hatten, schien es Deinen Eltern besser, ihren Namen «Escargot» bei der Behörde ins deutsche «Schnecke» umschreiben zu lassen. Dein Urgroßvater, gerade gestorben, hat es zum Glück nicht mehr erlebt. Er war stolz, ein Franzose zu sein. Blieb der Jean Paul Escargot. Stets wehte die Trikolore an seinem Haus. Um Mitternacht zum 14. Juli jedes Jahres zog er seine Gardeuniform an, nahm seine Trommel, wirbelte die Schlegel und sang die Nationalhymne. So laut, dass die Nachbarn aus den Betten sprangen: „Allons enfant de la patrie."
Als ich in die Schule ging, rief mich der Deutschlehrer schon mal: Hallo Schneck. Als wollte er prüfen, ob ich ʼs verstanden hatte und eine zwei in Deutsch verdiene. Klingt schon lustig, fand Philippe Schneck ohne e.
Seit dieser ersten Begegnung lassen ihn Schnecken nicht mehr los. Es machte ihm Spaß ein Schneck zu sein, rief laut: „Ich bin ein Schneck, ein Schneck, ein Schneck, trallera, trallera." Dachte, es fehlt mir nur das Haus auf meinem Rücken. Eines Tages werde ich es bauen. Fasziniert von seiner runden Form, wie übergestülpt. An beiden Seiten gedreht wie die Schnecken mit Rosinen und Zuckerguss aus der Bäckerei. Beobachtete das langsame Auf und Ab des Schneckenleibes, sich selbst mit der Haube auf dem Rücken vorwärts zu bringen. Haus kann man es schon nennen, dachte er.
Es ist Schneckenzeit. Abends kocht Mama Schneckensuppe, Elsässer Spezialität. Weinbergschnecken sind lecker, weil sie den Geschmack von Glück auf die Zunge legen sollen. Besonders, wenn sie komplett im eisernen Pfännchen gegart werden. Die Schnecke mit Kräuterbutter fest gestopft im eigenen Haus. Mit Salz, viel Knoblauch und Petersilie gewürzt, ein Fest für die Götter. Philippe ist skeptisch. Muss man jetzt auch das Haus essen, weil es mit gebraten wurde? Sieht seine Eltern greifen es mit einer Zange, halten es fest, zupfen das Fleisch mit einer kleinen Gabel heraus, stecken es in den Mund. Macht es genauso und es schmeckt. Schmeckt ihm gut. Schön und lecker, wie er es sich wünschte.
Aber das Haus? Was macht man mit all den Häusern? Achtzehn leere Häuser sind es, die nach dem Essen auf leeren Tellern liegen. Zu nichts mehr nutze. Was er so liebt, soll in den Mülleimer. „Pas du tout, je veux construire une maison pour mois. Ein Haus aus leeren Schneckenhäusern bauen kein Problem, denkt er. „Man klebt sie einfach aneinander, übereinander zu einer Pyramide.
Aber das sieht nicht mehr schön aus. „Viele leere Schneckenhäuser sind Abfall. Ein einziges das Ideal. Nicht im Grundbuch einzutragen, weil man mit ihm ständig unterwegs ist. Bis ans Ende der Welt, möglicherweise."
Schnecken tragen ihr Haus auf dem Rücken, wohin sie auch kriechen. Schleichen wäre treffender gesagt. Schleimige Spuren hinterlassen, wo sie auch waren. Ein Detektiv könnte ihnen leicht folgen, wären sie Verbrecher. Zum Glück brechen Schnecken keine Gesetze. Können nicht davonzulaufen wie Hunde, wenn sie ihr Häuflein fallen gelassen. Flitzen schon gar nicht wie klitzekleine Ameisen. Die nichts hinterlassen als Eifer. Schnecken sind vom Schöpfer gewollte Symbole der Langsamkeit. Die Menschheit zu mahnen, ihren Tätigkeitsdrang zu bremsen und nachzudenken. Bevor sie aktiv werden. Großpapas Schlussfolgerung Jahre später.
Grand-père hatte ihm immer alles genau erklärt. Kannte Philippes Neugier. Und wollte sie befriedigen. Wundert sich schon gar nicht mehr über das phänomenale Gedächtnis des kleinen Phlip. „Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum", scherzt er. Schon als Dreijähriger begabt, hoch begabt. Begabter als alle im Kindergarten. Die Leiterin meinte, man könne ihn gleich aufs Realgymnasium schicken. Lesen und schreiben konnte er schon mit dreieinhalb. Das Einmaleins in der ersten Klasse sowieso. Großpapas Erzählungen über die Wunder der Natur, die Vorzüge der Langsamkeit in seinem Kopf gespeichert wie in einem Computer. Vergleicht sie mit dem Lehrstoff an der Schule und meint, er könnte vieles besser machen. Anders vor allen Dingen.
Erinnert, gerade vier Jahre, mit Grand-père vor einem seltsamen Hügel stand. Angelehnt an den borkigen Stamm einer Kiefer. Aus Erde und abertausend kleinen Zweigen, Nadeln und Blättchen. Sah winzige Krabbeltiere mit drei Körperteilen. Nur lose miteinander verbunden, wie es schien, was sie sehr beweglich machte. Bauch mit sechs Beinchen, dicker Schwanz und kleiner Kopf mit zwei langen Fühlern. Eilig, eilig Zweiglein und Blättchen auf ihrem Rücken schleppen. Pflanzenteile und Harz von Nadelbäumen. Alles schön zu verkleben, damit es fest wird und ein Haus, das nicht zusammenbricht.
Für viele hundert, hunderttausende Ameisen in einem Nest. Das man einen Ameisenhügel nennt. Vielhundert mal größer als sie selber sind. Bis zu zwei Meter hoch und bis zu fünf Meter im Durchmesser. Für den kleinen Phlip war es ein Kunstwerk. Mit Fleiß gebaut, oberirdisch und so tief in die Erde gegraben wie hochgetürmt.
Jetzt weiß er, dass Ameisen alle zwei Wochen ihre Gänge reinigen, damit sich keine Schadstoffe bilden. Sich orientieren durch ausgesendete Düfte, Ultraschall und einen ausgeprägten Tastsinn. Sogar eine Art Antenne zwischen Bauch und Schwanz, das Notsignale aussendet. Wenn sie verschüttet wurde. Weiß, dass viele hundert Straßen in ihrem Innern den Verkehr regeln. Besser als jedes Ampelsystem in modernen Städten.
Als Großpapa es ihm damals erzählte, hatte er noch keine Pläne. Jetzt will er auch solche Häuser bauen. Für viele Menschen. Die wissen, was sie zu tun und zu lassen haben. Der Ameisenstaat ist die bestorganisierte Demokratie. Mit mehreren Königinnen, Männchen, die ihre Eier befruchten und Hundertschaften von fleißigen Arbeitern. Die im Handumdrehen Soldaten sind, nähert sich ein Feind. Sind die Eier gelegt, kehren die Königinnen zurück in ihr Elternhaus oder gründen eine neue Kolonie.
Heute denkt er, Frankreich könnte sich ein Beispiel an ihnen nehmen. Die überbordende Bürokratie durchlüften. Die ENA allen Begabten öffnen, nicht nur den Eliten. Damit die Besten das Land verwalten. Der Beste Präsident wird. Nicht weil er die ENA absolviert, sondern seine Wahlversprechen einlöst. Aber … welcher Staat ist ideal? Politiker reden zwar von morgens bis abends, versprechen das Blaue vom Himmel. Und können es nicht einlösen. Weil sie die Sorgen ihrer Bürger nicht wirklich kennen. Utopien im Kopf. Beamte wollen sich keine Blöße geben, die ihre Pension gefährdet. Philippe wollte schon als Schüler der école maternell alles wissen. Fragte seinem Grandepère Löcher in den Bauch. Las Bücher aus seinem Schrank. Noch bevor er den Dreisatz beherrschte. Die französischen Könige aufzählen konnte.
Ein Bienenstock, las er, ist anderes als ein Ameisenhügel. An geschützter Stelle in der Natur kunstvoll zusammengebautes Zuhause für ein ganzes Volk. Wabenhaus nennt man es. Oder von Imkern als Korb oder Rahmen an eine Stelle gehängt, wo sie sie beobachten können, ihren Honig ernten. Arbeitsbienen erkennen den Vorteil und nutzen das Menschenwerk. Bauen es aus mit sechseckigen Waben, exakt 120 Grad jeder Winkel. Alle absolut gleich groß, aus hauchdünnem Wachs in Form gedrückt, korrigiert. So lange bis es passt. Gebaut und