In Vino Veritas?: Heute scheint Alles oder Nichts wahr zu sein
Von Otto W. Bringer
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Über dieses E-Book
Die Digitalisierung der Wirklichkeit hat jetzt alle Werte relativiert. Heute hat jeder Recht, der es behauptet. Beweise braucht es nicht, wenn es Millionen glauben. 4,82 Milliarden folgen Fake-News, Hassreden und Verschwörungs-Theorien auf Sozial Media. Und niemand klagt sie an. Den Autor ließ es nicht ruhen. Wer seinen Recherchen folgt, wird nachdenklich werden.
Otto W. Bringer
Otto W. Bringer, 89, vielseitig begabter Autor. Malt, bildhauert, fotografiert, spielt Klavier und schreibt, schreibt. War im Brotberuf Inhaber einer Agentur für Kommunikation. Dozierte an der Akademie für Marketing-Kommunikation in Köln. Freie Stunden genutzt, das Leben in Verse zu gießen. Mit 80 pensioniert und begonnen, Prosa zu schreiben. Sein Schreibstil ist narrativ, "ich erzähle", sagt er. Seine Themen sind die Liebe, alles Schöne dieser Welt. Aber auch der Tod seiner Frau. Bruderkrieg in Palästina. Werteverfall in der Gesellschaft. Die Vergänglichkeit aller Dinge, die wir lieben. Die zwei Seelen in seiner Brust.
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Buchvorschau
In Vino Veritas? - Otto W. Bringer
Eingeständnis
Das Thema WAHRHEIT beschäftigt mich bewusst oder unbewusst seit Kindertagen. Als Messdiener geglaubt, Brot und Wein werden in Leib und Blut Christi verwandelt. Auch noch nach dem Krieg für wahr gehalten, dass Gott mir einen Studienplatz an der in Bombennächten beschädigten Kunstakademie gegeben. Mich dann darauf konzentriert, ein guter Architekt zu werden. Anlass genug, zu träumen. Und diese Träume waren für mich wahr und wirklich. Mit der Zeit wissender geworden, musste ich erkennen, alles ändert sich, nichts bleibt, was es ist. Nur das Böse.
Grausame Realitäten ernüchterten mich. Putin rechtfertigt den Angriff auf die Ukraine. Neonazis ihre Parolen. Mafiose Verbrechen überall auf der Welt. Hassreden und Verschwörungs-Theorien auf Social Media. Gelogen wird überall, des Vorteils wegen. Wem oder was können wir noch glauben? Hat Wahrheit ausgedient? Ist sie wichtig für uns im Leben, zu wissen, was wahr und was falsch ist. Oder ist es viel einfacher, alles Ungeplante für wahr zu halten, was nicht gewünscht oder geglaubt. Wie aus heiterem Himmel da ist und für einen Moment glücklich macht. In diesem Buch versuche ich, es herauszufinden.
Otto W. Bringer
Panta rhei» – nichts bleibt
Nichts ist beständig, alles ändert sich. Fließt wie Wasser eines Stromes. An jeder Stelle ein neues, anderes als es vorher war. Diese Erkenntnis formulierte als erster «Heraklit» im antiken Griechenland. Nichts bleibt, was es ist, im Menschenleben und in der Natur. In einer Welt des steten Wandels suchen Menschen seit eh und je Halt. Etwas, das bleibt, auf dass sie sich verlassen können. Egal ob es real existiert oder nur in ihrer Fantasie besteht. Egal auch, ob es wahr ist oder nicht. Wichtig nur, man mag das, was man glaubt. Liebt es möglicherweise. Gerade das Verführerische lockt, nicht achtend der Folgen. Wie Adam und Eva der Verlockung nicht widerstanden. Obwohl Gott ihnen verboten hatte, Früchte von einem bestimmten Baum zu essen. Die Ungehorsamen für alle Zeiten aus dem Paradies vertrieben. Inklusive ihrer Nachkommen. Acht Milliarden Menschen sind es zurzeit. Zehn, wenn es so weitergeht.
Müssen wir also heute noch dafür büßen, dass die beiden Gott nicht gehorcht haben? In einer Welt leben, in der das Böse überwiegt? Ausgelöst von Menschen, die vor über Abermillionen Jahren gelebt. Und sicher nicht gebildet wie wir. Keine Universität besucht, keine Volkshochschule. Nicht gelernt, wahr von wahrscheinlich zu unterscheiden. Von absolut und relativ nie etwas gehört. Und wenn, ganz sicher nicht verstanden. «Einstein» für einen Stein gehalten. Für sie war wahr, was sie mit ihren Sinnen wahrnahmen, auch ohne es zu begreifen. Gesehen, gehört, gerochen und geschmeckt, gestreichelt oder getötet.
Die Frage aber bleibt: haben sie die Stimme Gottes gehört? Den noch niemand gesehen und schon gar nicht gehört hat. Nicht geträumt, sondern ihre ebenso unsichtbare Seele seinen Befehl wie ein Seismograph aufgefangen und ans Gehirn weitergeleitet. In einer Synapse, der Verbindung zweier Zellen im Gehirn, auch richtig verstanden?
Die Frage auch, wie haben sie diesen Baum erkannt, den Gott meinte? Er muss allein in einer Ebene gestanden haben. Oder von Gott irgendwie gekennzeichnet, sodass sie ihn finden mussten. Vorausgesetzt das Paradies ein Gärtlein mit einer übersehbaren Zahl von Bäumen. Kein riesengroßes Naturschutzgebiet. Wahrscheinlich hat er den Früchten nur dieses einen Baumes eine auffällige und somit verlockende rote Farbe gegeben. Sodass sie ihn finden mussten.
Die Frage, ob sie ihnen geschmeckt, ist leicht zu beantworten. Sonst hätte Gott sie nicht wegen Ungehorsams durch einen seiner Erzengel aus dem Paradies vertreiben lassen. Die Früchte müssen ihnen geschmeckt haben, weil Seltenes oder gar Verbotenes immer schmeckt. Männern besonders gut, wenn es von einer Frau angeboten. Eva hatte ihren Adam dazu verführt, zu kosten, was ihr selber gut geschmeckt. Bis heute als Verführung gepriesen. Oder Grund für Trennen oder Scheiden, wenn es nicht die Ehefrau ist.
Sind Adam und Eva nur noch Figuren des christlichen Glaubens? Jahrhunderte lang beliebte Vorlage für Künstler, Maler, Bildhauer und Schriftsteller. Nicht so sehr, weil sie laut Altem Testament die ersten Menschen waren. Sondern die Verführung des Mannes durch die Frau. Und damit wieder bei der Frage: Was ist wahr und was falsch? Verführt Eva den ahnungslosen Adam? Oder lässt er sich gerne verführen? Auf was können wir uns verlassen? Beides ist wahr, weil Realität. Ob man es glaubt oder nicht.
Es könnte nach dem Rausschmiss aus dem Paradies auch ganz anders gewesen sein. Allein auf sich gestellt, suchten die beiden Nähe und Intimität. Bis dahin unbekannte Lust hatte Folgen. Kinder kamen auf die Welt und die erste Gemeinschaft, eine Familie, entstand. In ihr die Aufgaben nach Alter und Fähigkeiten verteilt. Männer, ihre Söhne und deren Söhne mussten für Nahrung sorgen. Ständig unterwegs, Wild zu jagen, von dessen Fleisch sie sich ernährten. Schon früh gespürt, Fleisch ist Energie. Die Wissenschaft spricht von einer Zeit der Jäger.
Sie wird solange gedauert haben, wie es Wild gab, da wo sie lebten. Rehe, Büffel, Hasen, Fasane, Enten oder Fische aus Gewässern. Deren Fleisch sie über offenem Feuer brieten, aber auch alles andere nutzten. Nachhaltig würde man heute sagen. Kompensierten Mühe und Aufwand, indem sie aus dem Fell von Vierbeinern Umhang oder Beinkleid nähten, sich in der kalten Jahreszeit zu wärmen. Mit Nadeln aus durchbohrten Fischgräten und Garnen, die sie aus Pflanzenfasern oder in die Länge gezogenen Sehnen von Tieren hergestellt haben könnten. Vermutlich übernahmen Frauen diese Aufgabe, wenn die Tagesarbeit, Kochen, Hütte oder Höhle säubern erledigt war. Permanent damit beschäftigt, Kinder großzuziehen, Eltern und Großeltern, die bei ihnen lebten, zu versorgen. Wunden des bei der Jagd verletzten Mannes mit einem Sud aus Kräutern behandeln, deren Wirkung sie durch Ausprobieren entdeckt. Ihm stets und ständig zur Verfügung, wenn sexuelle Lust ihn juckte. In Gemeinschaft mit anderen fühlte ein jeder sich sicherer als allein.
Andere Familien entstanden und immer mehr bevölkerten das Land, sodass sie sich gegenseitig schon auf die Füße traten. Einer der Feind des anderen wurde. Neidisch auf dessen Jagderfolg, Landgewinn oder Söhne, die wiederum Familien gründeten. Mit der Zeit wuchsen solche Gemeinschaften über die eigene Familie hinaus. Gleiche Sprache, gleiche Sitten und Bedürfnisse ein Anlass für führungsstarke Männer, diese Menschen zu einem Clan zusammenzuschließen, einem Volk, sich besser verteidigen zu können. Mehr erreichen durch Zusammenarbeit aller. Jeder mit dem, was er am besten konnte. Es ergab sich von selbst, dass diese Männer zum Oberhaupt der Gemeinschaft gewählt wurden. Später je nach Leistung und Erfolg Grafen oder Herzöge. Die wieder wählten einen der ihren zum König oder Kaiser eines größeren Reiches. Überall rund um den Globus.
Das änderte sich nicht, als aus Jägern Sammler wurden. Sie blieben in Gegenden, solange sie von Gemüsen und Früchten leben konnten, die die Natur ihnen in Fülle bot. Fische in Bächen, Vögel und anderes Getier, das sich bei der Nahrungssuche ihren Standorten näherten.
Nicht anders auch, als die Menschen sesshaft wurden. Felder mit Gemüse und Obst bebauten, neue Sorten züchteten, die bessere Erträge abwarfen. In Häusern wohnten, viele Häuser zu Dörfern und Städten zusammenwuchsen. Wege und Straßen sie verbanden. Immer noch Gemeinschaften, die mehr Sicherheit garantierten als in früheren Zeiten. Aber auch, wie neueste Forschung entdeckte, Skelette aus dem sechsten Jahrtausend v. Chr. gefunden, die auf gewaltsame Auseinandersetzungen schließen lassen. Schicksale, selbst verschuldet oder nicht, schrieben sie Göttern oder Geistern zu. Opferten ihnen, um sie milde zu stimmen. Immer mal wieder von Archäologen entdeckte Motive lassen darauf schließen. Im sibirischen Nowosibirsk fand man in Felsen geritzt einen betenden Mann, eine betende Frau aus dem vierten Jahrtausend vor Christus.
Mit dem Christentum bekam alles einen Sinn: Es gibt einen Gott. Der sandte seinen Sohn Jesus auf die Erde, die sündige Menschheit zu erlösen. Kirche entstand und mit ihr die Bewertung von Gut und Böse. Im Mittelalter der Höhepunkt, als von allen Kanzeln das sich nahende JÜNGSTE GERICHT verkündet wurde. An dem, so hieß es, ein Urteil gefällt. Gute Menschen kommen in den Himmel, böse in die Hölle. Die meisten bereuten ihre Sünden, weil sie Angst hatten, versprachen sich zu bessern.
Andere ärgerte es im Diesseits schon, ungerecht behandelt zu werden. Revoltierten gegen die herrschende Oberschicht und machten sie für alles Elend verantwortlich. Grafen und Herzöge zogen sich bei solchen Aufständen in ihre Burgen zurück. Wie bei sich nähernden Feinden. Glaubten sich sicher hinter dicken Festungsmauern. Verteidigt von erfahrenen Rittern und Knechten, die Steine oder brennendes Pech auf die Köpfe der Angreifer warfen. Heute die meisten nur noch Ruinen. Ziel von Touristen, in Mauerresten das Leben von damals zu schnuppern.
Erhaltene Römische Amphitheater in Frankreich wurden Fluchtburgen für Adel und hohe Geistlichkeit, die Aufstände der ärmeren Bevölkerung fürchteten. Die Arenen in Arles, Nîmes und Orange zugebaut mit Palästen, Häusern, Viehställen, Gärten, einer Kirche. Eine richtige Stadt, mit allem, was zum Überleben nötig war. Erst 1830, als der französische Bürgerkönig «Louis-Philipp I.» den Schriftsteller «Prosper Mérimé» zum obersten Denkmalpfleger ernannt, änderte sich dieses Bild. Er ließ alle Arenen ausräumen, sodass die ursprüngliche Schönheit der antiken Bauten wieder sichtbar. Gelegentlich genutzt für Stierkämpfe und zirzensische Superlative. Heute besucht von Millionen Besuchern aus aller Welt. Die Aktualität antiker Theater-Stücke von damaligen Autoren zu erleben, Titus Plautus, Aischylos, Menander. Die Akustik fantastisch, selbst geflüstert auf den entferntesten Plätzen verstanden. Der Schrei von Euripides «Medea» lässt die Steine der Rotunde erzittern. Nachdem sie ihre Söhne ermordet hatte, um sich an ihrem ungetreuen Mann zu rächen.
Heute bewundern wir die Antike, besuchen ihre Bauten in Europa, studieren noch erhaltene Schriften, um das Leben der Menschen damals besser zu verstehen. Aber auch mehr von ihnen zu wissen. Herausfinden, ob sie Angst hatten wie wir. Sich fürchteten vor Krankheit, Sterben und Tod. Den Verlust geliebter Menschen oder überraschende Naturgewalten. Als im Jahr 79 der Vesuv ausbrach, die Städte Pompeji, Herculaneum, Stabiae und Oplontis mit mehr als 16.000 Einwohnern unter heißer Asche begrub. So schnell, dass sie nicht davonlaufen konnten. Der italienische Archäologe «Guiseppe Fiorelli» ließ Hohlräume in der steingewordenen Asche mit Gips ausfüllen. Nach Aushärtung Männer, Frauen und Kinder erkannt. Mit offenen Mündern einige, als hätten sie um Hilfe gerufen. Tausende jedoch sekundenschnell von der 900 ° C heißen Hitzewelle innerlich ausgetrocknet und total zerbröselt. 2021 riss im Ahrtal und anderen schmalen Tälern Hochwasser Häuser ein. Auch überraschend für alle, machten Straßen unbefahrbar, Menschen starben und Aberhunderte ohne Bleibe. In Tälern mit reißenden Flüssen, die nichts und niemand aufhalten konnte.
Wie verhielten sich Menschen in früheren Zeiten, als für sie vieles noch geheimnisvoll war? Furchterregender als heute. Die Ursache unbekannt, mit Augen, Ohren, Nase nicht oder zu spät wahrgenommen. Überraschend, bedrohlich, lebensgefährlich wie Pest und Cholera. Tsunamis, Erdbeben, Überschwemmungen, Hitzeperioden und kühle Sommer. Vereist Wege und Flüsse. Das, was wir Wetter nennen. Alles folgt Naturgesetzen, von denen viele immer noch unbekannt.
Vorhersagen für wenige Tage mögen heute gelingen, drohende Erdbeben und Vulkanausbrüche mit Tiefensonden gemessen und die Bevölkerung gewarnt. Alles das gab es damals nicht. Auch heute nicht im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien, das am 6. Februar 2023 bei einem Erdbeben bisher schon 48.000 Tote und 114.116 schwer Verletzte zu beklagen hat. Spontan kam Hilfe aus aller Welt. Damals glaubten sie an Götter, die ihnen halfen. Denen sie opferten,