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FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE
FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE
FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE
eBook341 Seiten3 Stunden

FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE

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Über dieses E-Book

Franklin ist eigentlich ein gewöhnlicher Junge mit den typischen Problemen eines Zwölfjährigen! Wenn da nur nicht diese eine rätselhafte Fähigkeit wäre. Gemeinsam mit seinem nicht weniger rätselhaften Freund Sir Knaggels versucht er, das Geheimnis seiner Begabung zu entschlüsseln. Bald müssen die beiden aber erkennen, dass ihre Nachforschungen sie auf die Spur eines Gegners führen, der die Menschheit heimlich beobachtet. Sie geraten dabei in eine abenteuerliche Schnitzeljagd, die sie zunächst quer durch Franklins Heimatstadt und dann quer durch die Raumzeit bis an die Grenzen allen Vorstellungsvermögens führt.

Ein absolut zauberhaftes, magisches Buch, das ohne Zauberer und Magier auskommt. Es zeigt, zu welch zauberhaft-verrückten Dingen die Wirklichkeit, in der wir leben, fähig ist und lässt die Grenze zwischen aktueller Wissenschaft und Fiktion verschwimmen.

Wenn du schon immer wissen wolltest, was ein Kaninchen, ein Handy, das Mathegenie Kurt Gödel, Sagittarius A*, Rattenurin, ein Fußballspiel und einen Fangschreckenkrebs verbindet, dann solltest du dieses Buch lesen.

Ein spannender, humorvoller, gewaltloser, kurvenreicher, wissenschaftlich "up-to-dater" Lesespaß, der sich selbst nicht zu ernst nimmt. Leserinnen und Leser von zehn bis sechzehn Jahren und sicher viele Erwachsene - nicht nur Nerds, die aber natürlich besonders - werden sich bestens unterhalten fühlen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum18. Mai 2021
ISBN9783347293656
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    Buchvorschau

    FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE - Dr. Tobias Albrecht

    Buch 0x01

    0x01: Der Sonderling

    1

    Franklin oder genauer gesagt Franklin Benjamin war, wenn man ihn nicht näher kannte, nicht von einem ganz gewöhnlichen 12-jährigen Jungen zu unterscheiden.

    Er war eher groß für sein Alter, dünn und schien in allen Gelenken etwas zu beweglich zu sein.

    Wenn er mit seinem Schulranzen, der meist schief auf seinem Rücken hing, über den Pausenhof schlenderte, wirkte es fast, als hätte er keine Knochen und bestünde aus Gummi.

    Sein aschblondes Haar, mal vom Friseur, mal von seinem Papa geschnitten, neigte dazu dicht zu wuchern. Deshalb sah es, wenn ein Haarschnitt überfällig war, so aus als er trüge eine Mütze auf dem Kopf.

    Dass er aber alles andere als gewöhnlich war, erlebte bereits die Hebamme bei seiner Geburt in der Klinik. Nachdem er seinen ersten Atemzug mit einem kurzen Schrei getan hatte, war er augenblicklich verstummt. Sein Blick war in eine Ecke des Kreissaales gewandert und dort haften geblieben.

    Der besorgten Mutter von Franklin, die natürlich wissen wollte, warum das Kind so ruhig sei, sagte die Hebamme alles wäre in Ordnung.

    Später berichtete sie aber dem diensthabenden Gynäkologen in ihrer Pause: »Ich sage dir, der Bursche hat nur kurz Luft geholt und dann auf einen riesigen mintgrünen Käfer gestarrt, der in der Ecke des Kreissaales saß. Dann wurde er mucksmäuschenstill und hat gelächelt. Und ich schwöre dir, der Käfer hat sich daraufhin auf die Hinterbeine gestellt, zu dem Jungen umgedreht, die Fühler in seine Richtung gestreckt und zwei oder drei Pirouetten gedreht. Dann hat er sich im Takt zur Musik aus dem Kreissaallautsprecher hin- und hergewiegt. Hast du schon mal einen Käfer gesehen, der so was macht?«

    »Du spinnst dir was zusammen, Hannah«, meinte der Arzt, schob sich einen Kaugummi in den Mund und schnippte das Papier in die Gitteröffnung der Klimaanlage. »Erstens können Neugeborene nur zwanzig Zentimeter weit sehen und zweitens wird hier alles mehrmals täglich geputzt und ist desinfiziert und steril. Da schwirrt kein Käfer rum und schon gar kein so seltsamer, wie du meinst. Außerdem hat der Kreissaal keine Fenster – wo soll der Käfer denn hereingekommen sein? Wann hast du eigentlich zuletzt frei gehabt?«

    »Ich bin nicht übermüdet und nicht gestresst, wenn du das meinst!«, kläffte die Hebamme zurück.

    Der Arzt zuckte mit den Schultern, spuckte den kaum gekauten Kaugummi ebenfalls zielsicher durch das Lüftungsgitter und stand auf: »Ich muss wieder los, vergiss es einfach und nimm dir ein paar Tage frei!«

    Aber vergessen konnte die Hebamme das ihr ganzes Leben lang nicht mehr. Noch Jahre nach ihrer Pensionierung erinnerte sie sich an den Sonderling Franklin Benjamin und erzählte die Geschichte seiner Geburt ihren Enkeln, die ihr mit weit aufgerissenen Augen zuhörten. Sehr zum Leidwesen der Eltern, die die Erzählung natürlich bereits tausendmal gehört hatten und sich mit verdrehten Augen anblickten.

    Franklins Eltern fielen die Besonderheiten des Jungen ebenfalls rasch auf. Nie mussten sie die Wiege abdecken, denn keine Mücke setzte sich jemals auf das Gesicht des Kindes, und keine Schnake stach ihn jemals.

    Hätte man seine Mutter gefragt, ob Franklin irgendwann einmal ein Tier verletzt hätte, so hätte sie erstaunt und stirnrunzelnd geantwortet: »Ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht, aber wenn ich genau nachdenke, hat er meines Wissens nicht einer einzigen Fliege irgendetwas zu leide getan.«

    2

    Die Geschichte seines ungewöhnlichen Vornamens ist rasch erzählt.

    Franklins Eltern Karl und Carlotta Benjamin, meist belächelt wegen ihrer ähnlichen Vornamen, lebten in einer Kleinstadt im Süden Deutschlands in einem kleinen Haus mit wucherndem verwunschenem Garten.

    Karl, der in einer kleinen Internet-Verlagsdruckerei als Korrekturleser, Verleger und manchmal auch als Drucker in einer Person arbeitete, steckte ständig seine Nase in irgendwelche Bücher oder Manuskripte und hatte keine Zeit für Hobbies. Er war der Prototyp eines Bücherwurmes. Nicht zu groß, ein gemütliches Bäuchlein vor sich herschiebend, Glatzkopf mit zwei listigen Äuglein über einer Stupsnase und darunter liegend: ein grauen Seehundschnauzbart. Seine Brille schien immer ein bisschen schief auf seiner Nase zu sitzen und war irgendwie zu klein für seinen Kopf.

    Manchmal schob Carlotta ihr Handy mit einem Selfie oder einem Foto des Abendessens zwischen die Nase ihres Mannes und das Buch, in das er gerade starrte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, wenn er mal wieder geistig völlig abwesend war. Beide brachen dann meist in ein großes Gelächter aus.

    »Ich dachte du wärst in deinem Hexengarten? Was hast du denn heute Leckeres zum Abendessen gezaubert?«, witzelte Karl dann meist, worauf Carlotta ihre Standardantwort schmunzelte: »Das erfährst du, wenn du mir sagen kannst, ob heute die Sonne schien, oder ob es geregnet hat! Du wirst eines Tages noch an deinem Schreibtischstuhl festwachsen!«

    Carlotta selbst – gut einen Kopf größer als ihr Mann, mit langen roten Haaren (sicherlich der Grund für Karl, sie im Spaß Hexe zu nennen) und einem immer lächelnden Gesicht, optisch locker zwei Klassen über Karl spielend – war hingegen der Meinung, ihr Garten sähe großartig aus.

    Nachdem sie wegen der Kinder von Automechanikerin auf Hausfrau umgesattelt hatte, tobte sie sich zumeist dort und im Haushalt aus.

    Interessanterweise pflanzte sie alles nach einem auf den ersten Blick chaotisch wirkenden Schema an. Dieses war nicht nach Pflanzen oder Gemüsearten geordnet, sondern nach den Gerichten, die sie liebte. So wuchsen Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten und Paprika auf einem wilden Haufen für ihr berühmtes Letscho, Karotten und Erbsen beieinander für Kindergemüse und der Mais zwischen den Bohnen und den Chilis für mexikanische Gerichte. Hier und da spitzte eine Kartoffelpflanze durch das Tohuwabohu.

    »Denn Kartoffeln passen ja zu allem«, pflegte sie zu sagen.

    Zudem brachte Carlotta es nicht übers Herz, irgendein Unkraut auszurupfen oder einen Busch zurückzuschneiden.

    »Hier nisten Vögel, dort tummeln sich Hummeln und der Maulwurf macht den Boden locker«, belehrte sie Karl, wenn dieser sich murrend durch den Gartendschungel gequält hatte und mal wieder über einen Maulwurfshügel gestolpert war.

    Für Franklin war dieser Garten natürlich der ideale Abenteuerspielplatz, zumal er mit zweckentfremdeten technischen Geräten aus Carlottas Automechanikerzeit vollgestopft war.

    So waren eine Kraftstoffpumpe zur Bewässerungsanlage, unterschiedliche Scheinwerfer zu Pflanzenleuchten und sogar das Chassis eines Multivans zu einem Gewächshaus geworden.

    »Modifikationen« nannte Carlotta diese Umbauten auf Nachfragen staunender Besucher.

    Wen wunderts, dass Carlotta, als es um die Namensgebung ihres ersten Sohnes ging, ein technisch versiertes praktisches Namensvorbild und Karl ein geistig gebildetes vorschwebte.

    Nach endlosen Diskussionen hatte Karl sich schließlich an die Stirn geschlagen: »Heureka! Das ich jetzt erst dahinter komme! Dabei lag die Lösung unseres Problems die ganze Zeit in unserem Familiennamen vor unseren Augen!«

    »Verstehe kein Wort!«, hatte Carlotta gebrummt und sich den hochschwangeren Bauch gerieben.

    »Natürlich Benjamin Franklin, er war Erfinder, also Praktiker, Buchdrucker und Gelehrter in einer Person und nebenbei noch Gründervater der Vereinigten Staaten von Amerika«, rief Karl und hüpfte jubelnd wie ein Gummiball umher.

    Und so kam es, dass der Sprössling den Namen Franklin erhielt. Franklin Benjamin.

    Doch dass an ihm nicht nur sein Name außergewöhnlich war, sollte Franklin erst viel später erfahren nämlich…

    3

    …als Franklin sieben Jahre alt war und bereits einen Bruder namens Paul im Alter von fünf Jahren hatte, machte die Familie einen Ausflug an einen nahegelegenen Fluss. Dort war der Lieblingsplatz der Benjamins.

    Aber dieser Tag sollte anders verlaufen als gewöhnlich und das Leben von Franklin schlagartig und für immer verändern.

    Am Flussufer lag eine Grillstelle herrlich unter den Bäumen.

    Der Fluss umströmte den Grillplatz halbmondförmig und das Flussufer war dort relativ flach.

    Natürlich machten sich die Buben einen Spaß daraus Steine, Stöcke und alles Mögliche, was sie so fanden, ins Wasser zu werfen.

    »Hey, schau mal her!«, neckte Paul seinen Bruder Franklin. »Da ist ein Goldstück im Wasser!«

    Und als Franklin sich vornüberbeugte, um besser sehen zu können, versuchte Paul ihn von hinten ins Wasser zu stoßen.

    Mit wild rudernden Armen konnte Franklin sich gerade noch ausbalancieren und landete auf dem Po.

    Paul warf sich vor Lachen auf den Bauch und trommelte mit den Fäusten auf den Boden.

    »Muahahaha, du hättest mal dein Gesicht sehen sollen!«, gluckste er.

    Doch ehe Franklin sich umdrehen und aufstehen konnte, um Paul die Gemeinheit so richtig heimzuzahlen, krabbelte ein dunkelblauer mindestens dreißig Zentimeter langer, finster dreinblickender Süßwasserkrebs aus dem Wasser und über Franklin hinweg direkt auf Paul zu. Dieser glotzte wie versteinert und stammelte: »Da, da, da, urg, hilf mir!«

    Als der Krebs noch ein paar Schritte näher kam und Paul in die Nase zwickte, war »Aaaargh, auweh!« das Einzige, was man von ihm zu hören bekam.

    Und ehe noch irgendjemand darauf reagieren konnte, war der Krebs bereits wieder zurück in den Fluss verschwunden.

    Während seine Eltern ungläubig auf die ganze Szene starrten und Paul verdutzt seine rote Nase rieb hörte Franklin, wie der Krebs unter Wasser kicherte: »Muahahaha, jetzt solltest du aber mal dein Gesicht sehen. Du stößt so schnell niemanden mehr ins Wasser!«

    Und hoch oben in der Luft ergänzte ein vorbeifliegender Storch: »Und schon gar nicht Franklin Benjamin!«

    In diesem Augenblick an einem schönen Junitag wurde Franklin schlagartig klar, dass er entweder verrückt war, oder die Sprache der Tiere verstehen konnte.

    0x02: Die Missgeburt

    Knaggels erblickte als eines von sieben Geschwistern an einem strahlenden Frühlingsmorgen das Licht der Welt.

    Liebevoll leckte ihm seine Mutter über den Kopf und wunderte sich, dass er bereits ein Fell trug und er sie, im Gegensatz zu seinen Geschwistern, die nackt und blind neben ihm lagen, aus zwei vorn am Kopf liegenden orange leuchtenden Augen anblickte.

    Wie groß er auch schon war!

    Sie überlegte stirnrunzelnd, als Wievielten sie ihn wohl geboren hatte, verwarf den Gedanken dann aber schnell wieder. Zählen war noch nie ihre Stärke gewesen.

    Knaggels glänzendes tiefschwarzes Fell war von einem feinen blauen Muster durchzogen und wenn man genau hinblickte, konnte man erkennen, dass es dem eines Leoparden ähnelte.

    Unheimlich war jedoch, dass er die Farbe und die Oberfläche seines Fells wie ein Krake seiner Umgebung anpassen konnte und dadurch nahezu unsichtbar wurde.

    Oft erschrak seine Mutter fast zu Tode und klopfte sich ihre Hinterläufe wund, wenn er wie aus dem Nichts neben ihr auftauchte.

    Des Weiteren hatte er einziehbare spitze Krallen an seinen vier Pfoten, welche ihm ermöglichten, flink wie ein Eichhörnchen auf Bäume hinauf und kopfüber wieder herunter zu klettern.

    Leider weigerte sich sein linkes Ohr beharrlich nach oben zu stehen und fiel ihm immer wieder wie ein Monokel vor sein linkes Auge, insbesondere wenn er nach unten blickte. Er schüttelte das Ohr deshalb in unregelmäßigen Abständen in die korrekte Position zurück.

    Da er sich, um das Herabfallen des Ohres zu vermeiden, immer sehr aufrecht hielt und deshalb etwas eitel und hochnäsig wirkte und mit dem Monokelohr wie ein alter Lord aussah, hatte er bald den Spitznamen Sir Knaggels bekommen.

    Dies ärgerte ihn überhaupt nicht, sondern gefiel ihm sogar so gut, dass er sich bald selbst nur noch als Sir Knaggels vorstellte, wenn andere ihn nach seinem Namen fragten.

    »Mein Name? - Sir Knaggels – Sie haben schon richtig gehört«, pflege er dann in seinem etwas näselnden Tonfall zu sagen.

    Dieser entstand, weil seine riesigen Augen derart viel Platz in seinem Kopf einnahmen, dass sich die Nasengänge wohl irgendwie um sie herumgeschlängelt haben mussten.

    Ansonsten war er in Größe, Gewicht, Ohrenlänge und anderen Äußerlichkeiten nicht von seinen Hasengeschwistern zu unterscheiden.

    In seinem Kopf sah es jedoch völlig anders aus. Während sich das Gehabe und tumbe Gelaber der anderen Tiere seiner Rotte lediglich um Hüpfen, Fressen, Schlafen, Angst und Verstecken drehte, zählte Sir Knaggels bereits als kleines Häschen alle Blüten auf der Wiese und berechnete die Anzahl der Bäume im Wald.

    Sein Rechengenie bewahrte ihn eines Tages davor von Claas dem Roten, dem schlauesten Fuchs des Waldes, gefressen zu werden.

    Denn als Claas sich einmal unbemerkt an Sir Knaggels herangeschlichen hatte, der völlig blind für seine Umgebung aus der Länge des Schattenwurfs eines Baumes dessen Höhe zu errechnen versuchte und dazu mit einem Stöckchen seine Formeln in den Boden ritzte, erhaschte der Fuchs kurz vor dem tödlichen Angriff einen Blick auf Sir Knaggels Formeln.

    Jeglicher Hunger und jegliche Mordlust verließen ihn augenblicklich.

    Vorsichtig kroch Claas neben das Häschen, kratzte sich seinen Bart und versuchte die Rechnung zu verstehen.

    »Außergewöhnlich elegant gelöst«, murmelte er über Sir Knaggels Schulter hinweg in dessen Ohr.

    Sir Knaggels wäre vor Schreck beinahe in Ohnmacht gefallen: »Wie Sie meinen Herr Fuchs«, stotterte er und vergaß vor lauter Angst sich zu tarnen.

    »Keine Sorge! Ich fresse niemanden, von dem ich etwas lernen kann! Im Übrigen kannst du mich Claas nennen!«

    Und so kam es, dass Sir Knaggels endlich einen fast ebenbürtigen Gesprächs- und Rechenpartner gefunden hatte.

    Leider sollte diese Bekanntschaft der Tropfen sein, der das Fass innerhalb der Hasenrotte zum Überlaufen brachte.

    Ein paar Tage später, als er munter hopsend von einem Ausflug mit Claas zurückkam, erwartete die vollversammelte Rotte Sir Knaggels auf der Waldlichtung.

    Streng blickte der Älteste in seine Richtung, während Sir Knaggels Mutter weinend neben ihm stand.

    »Was ist passiert? Hab´ ich etwas angestellt oder falsch gemacht?«, näselte Sir Knaggels und blickte fragend in die Runde.

    Besorgte und traurige Hasengesichter starrten ihn an. Ganz hinten schniefte jemand.

    »Lange, lange, laaaange haben wir deine Anomalie erduldet, aber nun ist es damit vorbei!«, krächzte der Alte, sichtlich bemüht respektvoll zu klingen. »Die Rotte hat genug, sie hat Angst vor dir!«

    »Vor mir? Wieso? Ich tue doch niemandem etwas!«, stammelte Sir Knaggels.

    »Du weißt Dinge, die kein Hase wissen kann, die kein Hase wissen darf! Dinge, die wir alle nicht verstehen…«

    »Und Claas der Rote hat gestern seinen Schwager gefressen, den fetten alten Herrn Möhrerich hi,hi«, hörte Sir Knaggels weiter hinten jemanden flüstern.

    »…und deshalb ist es leider meine Pflicht, dich aus der Rotte zu verbannen«, fuhr der Älteste fort.

    »Und damit dürfte dann auch sein einfältiger Sohn als nächster Rottenführer feststehen«, flüsterte es noch einmal.

    »Ruhe! Die Vollstreckung des Urteils erfolgt sofort. Sir Knaggels kann sich verabschieden und hat dann aufzubrechen. Zerstreut euch, die Versammlung ist geschlossen«, endete der Alte und verschwand nach einer schwankenden Drehung von der Bildfläche.

    Sir Knaggels und seine Mutter blieben allein auf der Lichtung zurück.

    Fassungslos blickte sie Sir Knaggels aus verweinten Augen an. »Der Alte will nur seine Nachfolge sichern, keiner hat Angst vor dir! Keiner!«, brach es aus ihr heraus.

    »Mach dir keine Sorgen um mich, ich wollte sowieso von hier fortgehen und die Welt entdecken. Wir werden uns ganz bestimmt wiedersehen«, sagte Sir Knaggels und drückte ihr einen Kuss auf das Schnäuzchen.

    Rasch drehte er sich um, damit sie nicht sehen konnte, wie ihm die Tränen die Wangen hinunterkullerten und ohne ein weiteres Wort zu sagen, hoppelte er schnell davon.

    0x03: Sir Knaggels auf Wanderschaft – Teil 1

    Sir Knaggels wanderte den ganzen Tag, bis er den Waldrand erreichte. Seine anfängliche Trauer war verflogen und er überlegte, wohin er gehen und was er mit seinem Leben anfangen sollte.

    Da legte sich plötzlich eine Krallenklaue von hinten auf seine Schulter. Sir Knaggels erstarrte.

    »Wohahaha, ich kann dich also immer noch überraschen! Und wenn du überlegst, vergisst du immer noch dich zu tarnen, was?«, lachte Claas der Rote, dem die behaarte Pfote gehörte. »Ich habe schon gehört, was dir passiert ist - ehrlich, das war nur eine Frage der Zeit, bis der alte Rottenführer durchdreht. Ich hätte ihn schon lange gefressen, wenn er nicht so zäh wäre. Mach dir nichts draus! Du bist zu Höherem bestimmt, als deine Tage mit Gänseblümchenzählen im Wald zu verbringen.«

    »Ich werde die ganze Welt erkunden und irre Dinge sehen«, sagte Sir Knaggels.

    »Du ahnst nicht einmal, wie recht du damit hast! Leider kann ich dich nicht begleiten, denn jenseits des Waldes beginnt das Reich der Menschen und dort bist du als Fuchs nicht erwünscht«, meinte Claas. »Aber ich kann dir eine ganze Menge über sie erzählen.«

    Und das tat er dann auch.

    Sir Knaggels ohnehin schon große Augen drohten ihm aus dem Kopf zu quellen, während er staunend hörte, was Claas ihm berichtete.

    Als dieser geendet hatte, schüttelte er Sir Knaggels Pfote und brummte: »Wandere des Tags getarnt, schlafe des Nachts auf den Bäumen, bleib stets wachsam, denn der Feind lauert in vielerlei Gestalt. Und verbirg deine besonderen Talente vor den Menschen, bis du den einen findest, dem du vertrauen kannst. So wirst du dein Schicksal erfüllen! Lebwohl! Ich hoffe, dass wir uns irgendwann einmal wiedersehen. Es war mir eine große Ehre dich persönlich kennengelernt zu haben!«

    Daraufhin schüttelte er sein Fell und trottete munter pfeifend in den Wald zurück.

    Doch viele Waldbewohner schwören immer noch, sie hätten Claas den Roten, schlausten aller Füchse, gefürchtetsten Jäger des Waldes und abgebrühtesten Schundnickel aller Zeiten in jener Nacht heulen und weinen gehört.

    Sir Knaggels blickte ihm nach bis er verschwunden war, tarnte sich und begann in Richtung der vor ihm liegenden offenen Ebene zu laufen.

    0x04: Kleinstadtgeschichten eines Jungen

    Wer 12 Jahre alt ist und seit Jahren die Sprache der Tiere versteht fällt auf, ist eine Sensation, wird weltberühmt. Das möchte man meinen! Weit gefehlt! Wer 12 Jahre alt ist und seit Jahren die Sprache der Tiere versteht, für den wird dies so selbstverständlich und normal sein wie Atem holen. Und ebenso selbstverständlich und normal wird es, dass einem sowieso keiner glaubt. Letztendlich hält man irgendwann den Mund und verschweigt seine Gabe gegenüber anderen.

    Nicht anders erging es Franklin Benjamin.

    Zahlreiche seiner Beweisversuche waren als süße Zaubertricks beklatscht oder staunend als Zufall belächelt worden. Immerhin war er ja »nur« ein Kind.

    Zudem waren auch die Tiere stets darauf bedacht, Franklins Gabe geheim zu halten, weshalb seine Beweise in entscheidenden Situationen einfach nicht funktionieren wollten.

    »Es ist besser so, glaub mir«, krächzte mal ein Rabe, nachdem er Franklin total blamiert hatte. »Wenn die Welt von deiner Fähigkeit erfährt, ist es mit deiner und unserer Ruhe vorbei. Sie werden Experimente mit dir und uns machen, und du wirst nie wieder tun und lassen können, was du willst!«

    Und so kam es, dass Franklin sich wie jeder andere Sechstklässler vorwiegend mit seinen Alltagsproblemen herumschlug – und davon hat man als 12-jähriger wahrlich genug!

    Dennoch kann eine derartige Gabe auch im Geheimen oft nützlich sein.

    So auch als an einem Dienstagmorgen der entscheidende Test im Englischunterricht anstand.

    Franklin, der tags zuvor wenig Lust auf Wörterübungen gehabt und trotz heftigen Widerstands der Eltern den ganzen Nachmittag im Garten mit seinen Freunden Fußball gespielt hatte, sollte hier kalt erwischt werden.

    Frau Lange, die Klassenlehrerin, wie immer in schwarzer Bluse und schwarzem Rock, schüttelte in gewohnter Manier ihr ebenso pechschwarzes schulterlanges Haar und tirilierte, die Hände in die Hüften gestemmt, ihre bereits legendäre Ansage: »So! Heute sind ein paar Wörterchen abzufragen!«

    »Was für eine Kacke!«, flüsterte Franklin seinem Sitznachbarn Bernhard zu. »Ich hätte nie gedacht, dass die Lange das heute schon durchzieht. Sonst sind die Klassenarbeiten bei ihr doch immer donnerstags, weil sie freitags zwei Hohlstunden zum Korrigieren hat.«

    »War doch klar! Diesen Freitag ist doch Pädagogischer Tag, da will sich keiner von den Lehrern zusätzliche Arbeit aufhalsen«, antwortete Bernhard.

    Oh Mann, wie konnte ich das vergessen?, schoss es Franklin durch den Kopf. Das wird dann heute eine schöne Bescherung geben.

    Denn Franklin war als äußerst ordentlicher Schüler schlechte Noten eigentlich nicht gewohnt.

    »Holt ein liniertes A4 Blatt heraus und schreibt Name und Datum an den Rand. Die Überschrift lautet: Test Nummer vier. Diese bitte mit Lineal unterstreichen. Ich beginne!«, zwitscherte Frau Lange, ohne auf das Murren der Schüler zu achten.

    »Es geht um Begriffe aus der Natur. Es ist wie immer ganz einfach, ich sag´s auf Deutsch und ihr schreibt´s auf Englisch hin…«

    »…erstens die Nüsse!«

    Verdammte Kacke – keine Ahnung, Franklin grübelte vor sich hin.

    »…zweitens, der Baum!«, ging es munter weiter.

    »…drittens, das Eichhörnchen!«

    »…viertens, der Wald!«

    »…fünftens, das Getreide!«

    »…sechstens, der Regenwurm!«

    Franklin trat der Schweiß auf die Stirn.

    Das kann doch nicht wahr sein. Ich weiß überhaupt nichts und das ausgerechnet heute. Ich muss mich doch erinnern können. Wir haben das im Unterricht erst neulich durchgenommen.

    Aber je mehr er sich das Hirn zermarterte, desto weniger fiel ihm ein.

    »Nuts, tree, squirrel, forrest, corn, earthworm!«, piepste es auf einmal in Franklins Kopf.

    Franklin blickte sich erschrocken um.

    »Nuts, tree, squirrel, forrest, corn, earthworm! Schreib´s halt hin, Doofkopf, es geht ja schon weiter«, fiepte es erneut. »…siebtens, der Nebel!«

    »…achtens, der Himmel!«

    »…neuntens, die Erde!«

    »…und zehntens, das

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