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Und ich immer dazwischen: Aus dem Tagebuch eines Zweiflers
Und ich immer dazwischen: Aus dem Tagebuch eines Zweiflers
Und ich immer dazwischen: Aus dem Tagebuch eines Zweiflers
eBook193 Seiten2 Stunden

Und ich immer dazwischen: Aus dem Tagebuch eines Zweiflers

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Über dieses E-Book

"UND ICH IMMER DAZWISCHEN
heißt:
Zwei Herzen schlagen in meiner Brust
und will sagen:
Zwei Seelen wohnen in meiner Brust."

Der Gedanke, dass es für seine gespaltene Präsenz eine Erklärung geben muss, hat den Autor auf der Suche in seine Vergangenheit beflügelt. Den Widerspruch zwischen Anspruch und Realität mit einem Quäntchen Humor zu bewältigen, war seine Intention. Ein Leben rückwärts abzuspulen, von der Gegenwart bis zur Geburt ist eine Herausforderung.

"Der Rückblick auf mein ambivalentes Leben soll helfen, hinter meine Kulisse zu schauen, mir selbst auf die Schliche zu kommen. Wenn dir ein Marmeladenbrot aus der Hand fällt, landet es immer auf der belegten Seite. Das ist kein Zufall, dafür gibt es eine Erklärung."
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Dez. 2020
ISBN9783347204355
Und ich immer dazwischen: Aus dem Tagebuch eines Zweiflers

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    Buchvorschau

    Und ich immer dazwischen - Josef Franz Kaspar

    2020

    Der Zweifel ist`s, der Gutes böse macht.

    (Goethe, Iphigenie auf Tauris)

    Die Zukunft hat begonnen

    „Alles Gute zum Geburtstag, Seppl!"

    Diese Stimme kommt aus dem Fernsehgerät, und die Person, die sich auf dem Bildschirm bewegt, hat sich seit fünfundvierzig Jahren nicht verändert. Freudentränen füllen meine Augen:

    „Danke Mama! Schön, dass du daran gedacht hast. Wie geht es dir und Papa?"

    Keine Antwort. Der Film steht, zeigt nur noch ein Bild von meiner Mutter. Sie kann nicht antworten, denn sie existiert nicht. Sie ist nur ein digitales Hologramm, das von meinen Super-8-Filmen angefertigt wurde.

    Heute Nachmittag hatte ich mir einige meiner alten Filme über den rasselnden alten Filmprojektor angeschaut. Eine kurze Sequenz aus der Weihnachtszeit 1975. Meine Mutter und mein Vater sitzen fast unbeweglich auf dem alten Sofa, als würden sie fotografiert. Eine Hand meiner Mutter bewegt sich zu ihrer Nase und mein Vater zieht genüsslich an einer Zigarette. Neben dem Sofa steht der Christbaum, der wirkt, als spiele er die Hauptrolle in dieser Szene, umgeben von einer einfachen, düster wirkenden Wohnungseinrichtung in den Farben dunkelbraun bis beige, eingezwängt in enge Raumverhältnisse. Alles ist plötzlich so gegenwärtig.

    „Ich möchte euch für alles danken, was ihr für mich getan habt"

    liegt mir auf den Lippen. Was würde ich dafür geben, meinen Eltern das Leben angenehmer zu gestalten, ihnen den einen oder anderen Wunsch zu erfüllen.

    „Ich bin wieder in eurer Nähe, habe ein Haus in Bodenmais. Ich komme euch morgen abholen und dann koche ich für euch. Ja, ich kann inzwischen kochen, auch wenn ihr das nicht glaubt. Für Papa mache ich einen Schweinebraten, der ihm bestimmt schmecken wird. Mama, ich weiß, dein Schweinebraten ist unübertrefflich. Gut, dann koche ich etwas, das ihr noch nie gegessen habt: Paella mit Garnelen. Mama, du brauchst dich um Küche und Abwasch nicht zu kümmern. Ich habe eine Spülmaschine. Kennst du nicht? Ich zeige sie dir und erkläre dir alles. Ihr könnt auch hier in meinem Haus in meiner Ferienwohnung übernachten, und wenn sie euch gefällt, könnt ihr sogar hier einziehen. Schade, dass ihr zu meinem siebzigsten Geburtstag nicht dabei sein konntet. Alle waren da: Ida, Kathi, Annerl, Rosi, Waldemar. Bis auf Fritz, der leider nicht mehr lebt, und Anna, die, wie ihr wisst, weit weg in Amerika lebt. Ida hat sogar eine Geburtstagsrede gehalten; das hat es noch nie gegeben. Und Waldemar hat mit seiner Band den Abend musikalisch gestaltet."

    Wenn ich meine Super-8-Filme digitalisieren lasse, könnte man dann von einigen Ausschnitten digitale Hologramme herstellen. Bevorzugt von den Personen, die nicht mehr am Leben sind. Sie könnten digital weiterleben, praktisch digital unsterblich werden.

    Machbar ist es schon heute. Für manche Menschen ein Traum, für andere ein Alptraum. Leben und Vergänglichkeit wird damit in Frage gestellt, der Schizophrenie Tür und Tor geöffnet. Würden damit Erinnerungen zerstört oder wieder aufgefrischt? Ist die Grenze zwischen Realität und Illusion noch nachvollziehbar? Ich weiß es nicht, denn ich bin gespalten.

    März 2020

    Ich fühle mich wie eine Eidechse, die unter den Steinen hervorkriecht, um die Sonne auf ihrer Haut zu spüren, ihren Stoffwechsel als Wechselbluter wieder anzuregen. Nach diesem Winter, der eher durchgehend wie ein unangenehmer, nasskalter November war, wirkt die Frühlingssonne wie ein Lebenselixier. Gestern erst kam ich aus dem Bayerischen Wald hierher nach Südhessen und war begeistert von der Blütenpracht, die der Frühling hier schon ausgesät hat.

    So einen Tag muss man in der freien Natur verbringen, muss den Kopf der Sonne entgegen strecken und die nasse Kälte des Winters abschütteln wie eine überflüssige Hülle. Wir lassen uns nicht einsperren in den vier Wänden, die uns nun schon die längste Zeit des Winters umgaben. Wir müssen raus, auch wenn alle Warnungen vor einer Pandemie des Corona-Virus Zurückhaltung in sozialen Kontakten verlangen. Schließlich stärkt die Sonne unser Immunsystem und frische Luft unsere Atemwege. Was also sollte uns davon abhalten, ein Ausflugsziel an der Bergstraße anzusteuern. Man bewegt sich in der sauerstoffreichen Luft des Odenwaldes, sitzt im Freien ohne sichtliche Nähe zu eventuell Infizierten und stärkt sein Immunsystem durch UV-Strahlung.

    Auch meine Frau Ute ist davon überzeugt, dass eine Wanderung vom Fürstenlager bei Bensheim-Auerbach zum Kirchberghäuschen in exponierter Lage über Bensheim das geeignete Event für einen Mittwoch im März ist. Eingepackt in Übergangskleidung mit Thermovlies und Notfall-Schal fahren wir, nein, man könnte sagen „schweben wir" in ihrem gelben Nissan Juke auf der A5 entlang der Bergstraße und bewundern die Blütenpracht auf beiden Seiten der Autobahn. Der Staatspark Fürstenlager, der eigentlich im 18. Jahrhundert zu einem Badbetrieb ausgebaut werden sollte, jedoch wegen versiegender Quellen als Bad wieder aufgegeben wurde, ist heute ein wunderbares Ausflugsziel mit exotischer Vegetation. Mammutbäume, Sicheltannen, Sumpfzypressen, Buschkastanien, Ginkgos und vor allem im Frühjahr herrlich blühende Magnolien begleiten unseren Einstieg auf dem Weg zum Kirchberghäuschen.

    Als wir dieses nach ca. vierzig Minuten erreichen, wundern wir uns über das rotweiße Absperrband, das über viele Tische des Biergartens gewickelt ist. Gleich am Zugang zum Biergarten empfängt uns der Betreiber der Gastronomie mit dem Hinweis, dass er heute wegen des Corona-Virus nur 18 Plätze belegen dürfe und alle Gäste einen Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten haben. Wir sollten uns gedulden, bis ein Platz für uns frei würde, könnten aber schon Speisen und Getränke bestellen. Er selbst bedauere diese Anordnung, die auch für ihn bei einem Sitzplatzangebot von ca. 200 Sitzplätzen einen enormen wirtschaftlichen Verlust bringe. Wahrscheinlich wird das Kirchberghäuschen ab morgen dann bis auf weiteres ganz geschlossen werden.

    Wir haben Glück und bekommen einen Biertisch für ca. acht bis zehn Personen mit herrlicher Aussicht über Bensheim nur für uns Beide. Direkt hinter unserem Tisch steht eine herrlich rot blühende japanische Zierquitte. Ich kann nicht widerstehen, sie mit meinem Smartphone zu fotografieren und dieses Foto Freunden per WhatsApp zu senden. Dass ich damit einen Sturm von Nachrichten auslösen würde, war mir in diesem Augenblick nicht bewusst. Von Vorwürfen über Leichtfertigkeit bis hin zu Verschwörungstheorien zur Pandemie wird mein Smartphone bis an die Leistungsgrenze des Akkus mit WhatsApp-Nachrichten versorgt. Eine Nachricht, die darauf hinweist, dass das Corona-Virus gegen Alkohol empfindlich sei, verstärkt meine Absicht, noch ein zweites Weizenbier zu trinken und auch meine Frau entscheidet sich für ein zweites Glas Wein. Weil unser geräumiger Platz mit der herrlichen Aussicht zu längerem Verweilen einlädt, bestellen wir uns weiteren „Nachschub". Der Weg zurück zum Fahrzeug braucht dann einige Schritte mehr als der Hinweg, aber wir kommen zufrieden mit der Erkenntnis, alles richtig gemacht zu haben, schließlich wieder heil zu Hause an. Doch die Nachrichten zur Pandemie verdichten sich, die Medien bedienen fast nur noch ein Thema: Corona-Virus und seine Folgen. Aktienkurse fallen ins Bodenlose, Panikkäufe in Supermärkten, Drogerien und Apotheken führen zu Verknappung, Firmen und Betriebe schicken ihre Beschäftigten in Kurzarbeit oder nach Hause, Kindergärten, Schulen und öffentliche Einrichtungen, Sporteinrichtungen, Skibetriebe und Hotels schließen ihre Pforten. Reisen, Flüge, Veranstaltungen, Konzerte, Sportwettkämpfe, national wie international, werden abgesagt. Homeoffice und Videokonferenzen werden in verschiedenen Arbeitsbereichen unverzichtbar. Der soziale, gesellschaftliche Alltag bricht zusammen und viele Unternehmen stehen vor dem Aus. Ist es Schicksal oder kann das jemand gewollt haben?

    Einige Nachrichten spielen das Problem ironisch herunter und lassen mich wenigstens zwischendurch auch mal über die ausgebrochene Hysterie lachen. Nachdem Toilettenpapier in allen Supermärkten ausverkauft ist, geht ein Foto durchs Internet, auf dem man eine Toilettenpapierrolle im Fond eines Autos sieht, und darüber steht der Text: „Die Polizei rät: Lassen Sie keine Wertgegenstände von außen sichtbar im Fahrzeug liegen."

    Andere wieder verbreiten Verschwörungstheorien und versuchen wirtschaftliche Interessen oder Machtinteressen hinter der Verbreitung des Virus auszumachen.

    Dennoch verunsichern die täglichen Hiobsbotschaften und Widersprüche zur Pandemie, die über alle Medien auf mich einwirken. Ist das ganze nur ein Medienspektakel, das in vier bis sechs Wochen vorüber ist oder steckt dahinter ein Interesse von Machthabern oder gar wirtschaftliches Interesse? Am Ende weiß ich nicht mehr, wer oder was ich in diesem Räderwerk bin.

    Beim Versuch, in mich rein zu horchen, verfolge ich meinen Atem und vernehme ein leicht rasselndes Geräusch. Sollte ich vielleicht besser zum Arzt gehen und mich auf das Corona-Virus testen lassen? Seit vielen Jahren beschäftigen mich Herzrhythmusstörungen und mit zweiundsiebzig Lenzen gehöre ich schließlich zur Risikogruppe. Mein Herz fängt wieder an zu stolpern und vermittelt mir ein Gefühl, als würden zwei Herzen in meiner Brust schlagen.

    Solidarität

    Am 25. Januar 2020 wurde ihm per WhatsApp ein Video zugespielt, das vom Ausbruch einer Epidemie in China handelte. Darauf waren Menschen mit Atemschutzmasken und Schutzkleidung zu sehen, die Kranke oder Verletzte, welche auf der Straße zusammengebrochen sind, bergen. In den TV-Nachrichten erfuhr Seppl dann, dass in der chinesischen Stadt Wuhan ein neuartiges, hochansteckendes, lebensgefährliches Virus ausgebrochen sei, an dem schon viele Menschen durch eine mysteriöse Lungenkrankheit gestorben sind. Er empfand dieses Video aus dem Internet zuerst als Panikmache. Als sich die Seuche aber in relativ kurzer Zeit nach Europa ausbreitete, war ihm nicht mehr zum Lachen zu Mute.

    Nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO informiert wurde und der Erreger in den Laboren unter Hochdruck untersucht wurde, fand man heraus, dass es sich um ein neuartiges Corona-Virus handelt, das den Namen 2019-nCoV bzw. Covid-19 erhielt.

    Das Virus machte nicht vor Ländergrenzen Halt. Der erste Fall außerhalb Chinas war in Thailand, dann ein Fall in Japan und schließlich USA und Europa. Am 21. Februar waren in China 75000 Menschen infiziert und 2200 dem Virus erlegen. Einen Tag später starb in Italien ein 78 jähriger Mann an der Corona-Infektion und eine Woche später gab es weltweit 80000 Infizierte.

    Im März, wurden Schulen, Kindergärten und Ländergrenzen geschlossen oder streng überwacht, Aus- und Einreiseverbote verhängt, Veranstaltungen und Messen abgesagt und schließlich sogar Ausgeh- und Versammlungsverbote verordnet. Unternehmen ordneten Kurzarbeit an oder schickten ihre Mitarbeiter in häusliche Quarantäne. Die Touristikbranche stand kurz vor dem Zusammenbruch, die Aktienmärkte stürzten ins Bodenlose. Italien mit mehr als 4000 Corona-Todesfällen setzte Militär ein, um die infizierten Toten zu Krematorien zu transportieren. „Social-Distance" wurde zum Schlagwort im Zusammenleben der Menschen, Städte wurden zu Geisterstädten, Homeoffice und Videokonferenzen zu unverzichtbaren Instrumenten der Arbeitswelt.

    Am 18. März wandte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer TV-Ansprache an die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Seppl fand ihre Rede gut und verantwortungsvoll.

    Der Appell an die Nation, Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitmenschen zu tragen, gefiel ihm besonders an ihrer Rede. Solidarität ist ein wesentliches Merkmal in einer Demokratie. Das hatte nichts damit zu tun, dass Seppl selbst schon 72 Jahre alt war und zur Corona-Risikogruppe gehörte. Konnte er deshalb Solidarität von der jüngeren Generation erwarteten? Natürlich konnte er verstehen und auch nachvollziehen, dass die demographische Entwicklung zur Überalterung der deutschen Bevölkerung für die nachfolgende Generation eine finanzielle und volkswirtschaftliche Belastung darstellt. Durch den Lockdown der Corona-Pandemie wird die Touristikbranche zusammenbrechen, heißt es in den Medien. Warum nutzt man die Kreuzfahrtschiffe, die nun in der Pandemie in den Häfen dahindümpeln, nicht für sinnvollere Zwecke, dachte er sich. Man könnte sie zu Quarantäne-Stationen für ältere Risikopatienten machen, statt diese in Pflege- und Altersheimen wegzusperren. Da wären alte Menschen besser vor Infektionen von außen geschützt, und das Leben auf dem Meer wäre bestimmt entspannter als hinter den Heimmauern. Was aber, wenn ökonomische Interessen im Vordergrund stehen und überalterte Schiffe dazu dienen könnten, die demografische Alterspyramide abzubauen? Bei diesem Gedanken wurde

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