Ferdinand liegt mir am Herzen: Fürstenkinder 68 – Adelsroman
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
»Tante Julia, bist du da?« »Ich bin in der Küche, Ferdinand«, kam die Antwort. »Stell dir mal vor, Carlos und Miguel haben sich heute auf dem Schulhof geprügelt. Sie mussten beide zum Rektor. Und Teresa hat mir in der Pause ein Stück Schokolade geschenkt. Das ist nett, nicht wahr. Und …« Ein Rumms ertönte aus dem Flur, dem ein weiterer Rumms und dann ein lautes Platschen folgten. Julia lugte aus der Küchentür und sah zwei Schuhe, eine Schultasche und eine Jacke, die kreuz und quer auf dem Boden verstreut lagen. »Ich habe mich auch bedankt, und da hat Teresa gesagt …« »Schuhe, Tasche, Jacke«, unterbrach sie ihn. »Okay, okay, okay«, trällerte Ferdinand vor sich hin, während er seine Sachen wegräumte. Julia musste lächeln. Es war jedes Mal das Gleiche, wenn der Junge aus der Schule nach Hause kam. Er hatte so viel zu erzählen, dass er alles andere vergaß, vor allen Dingen seine Manieren. Jetzt stürmte er in die Küche und flog seiner Tante um den Hals. »Hallo, Liebling«
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Rezensionen für Ferdinand liegt mir am Herzen
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Buchvorschau
Ferdinand liegt mir am Herzen - Johanna von Gladenow
Fürstenkinder
– 68 –
Ferdinand liegt mir am Herzen
Er weiß nicht, dass Neid und Intrigen ihn bedrohen
Johanna von Gladenow
Mit einem Ruck wurde die Tür aufgerissen, und eine fröhliche Kinderstimme rief:
»Tante Julia, bist du da?«
»Ich bin in der Küche, Ferdinand«, kam die Antwort.
»Stell dir mal vor, Carlos und Miguel haben sich heute auf dem Schulhof geprügelt. Sie mussten beide zum Rektor. Und Teresa hat mir in der Pause ein Stück Schokolade geschenkt. Das ist nett, nicht wahr. Und …«
Ein Rumms ertönte aus dem Flur, dem ein weiterer Rumms und dann ein lautes Platschen folgten. Julia lugte aus der Küchentür und sah zwei Schuhe, eine Schultasche und eine Jacke, die kreuz und quer auf dem Boden verstreut lagen.
»Ich habe mich auch bedankt, und da hat Teresa gesagt …«
»Schuhe, Tasche, Jacke«, unterbrach sie ihn.
»Okay, okay, okay«, trällerte Ferdinand vor sich hin, während er seine Sachen wegräumte.
Julia musste lächeln. Es war jedes Mal das Gleiche, wenn der Junge aus der Schule nach Hause kam. Er hatte so viel zu erzählen, dass er alles andere vergaß, vor allen Dingen seine Manieren.
Jetzt stürmte er in die Küche und flog seiner Tante um den Hals.
»Hallo, Liebling«, sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die blonden Locken. »Wie war es in der Schule?«
»Also«, hob er an. »Carlos und Miguel haben sich gestritten, und Teresa hat mir Schokolade geschenkt.«
Er schnappte sich einen Apfel aus der Obstschale. »Übrigens habe ich die Mathearbeit doch nicht verhauen.«
»Das freut mich.« Julia nahm ihm den Apfel aus der Hand. »Wir essen gleich. Du kannst dir später einen Apfel nehmen.«
Ferdinand guckte auf den Herd. »Das dauert bestimmt noch eine halbe Stunde. Und ich habe so einen Hunger.« Er zog das »so« in die Länge.
»Na gut, wenn du sooo einen Hunger hast, dann nimm ihn dir. Aber wasch dir bitte vorher die Hände.«
»Ich fange dann schon mal mit den Hausaufgaben an. Nachher bin ich mit Manuel verabredet. Wir wollen Fußball spielen.« Er legte den Kopf zur Seite und sah Julia mit einem zuckersüßen Lächeln an.
»Du hast doch nichts dagegen?«, fragte er.
»Natürlich nicht.«
Ferdinand winkte ihr zu und verschwand mit Apfel und Schultasche in seinem Zimmer. Sofort wurde Julia ernst. Ihr Blick wanderte zu dem Umschlag, der geöffnet auf der Arbeitsplatte neben dem Herd lag. Gott sei Dank hatte Ferdinand ihn nicht bemerkt. Sicher hätte er wissen wollen, was es mit ihm auf sich hatte. Ein Brief aus Deutschland. Das musste seine Neugierde wecken. Und was hätte sie ihm geantwortet? Sie verstand den Inhalt ja selber nicht genau. Nervös ging sie in der kleinen Küche auf und ab. Je länger sie über den Brief nachdachte, desto unruhiger wurde sie.
Ferdinand war ein sehr beliebter Junge. Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht zum Spielen eingeladen wurde oder selber Besuch bekam. Manchmal war Julia deshalb ein klein wenig traurig, denn sie hätte gern selber mehr Zeit mit ihm verbracht. Doch sie verbot ihm nie eine Verabredung, wenn nicht triftige Gründe dagegen sprachen. Alles andere wäre egoistisch gewesen. Heute jedoch war sie froh, als er sich mit einem »Tschüss, Tante Julia. Ich gehe jetzt zu Manuel«, verabschiedete.
Gleich nach dem Essen hatte sie José Lorca angerufen. Der Mann ihrer Freundin Pilar war Anwalt und hatte zum Glück noch am selben Nachmittag Zeit für sie. Sobald Ferdinand das Haus verlassen hatte, packte sie den Brief in ihre Handtasche und machte sich auf den Weg. Vorher warf sie noch einen Blick in den Spiegel. Kastanienbraune Locken umrahmten ein ovales Gesicht, unter dunklen Augen lagen tiefe Schatten. Vielleicht hätte sie ein bisschen Rouge auflegen sollen, um nicht ganz so blass auszusehen. Na ja, dafür war es jetzt zu spät.
Als sie durch die Straßen von Alicante in Richtung Zentrum ging, knöpfte sie fröstelnd ihre Jacke zu. Selbst hier in Spanien fühlte man deutlich den Winter. Es war Februar, in wenigen Wochen würde der Frühling mit aller Macht Einzug halten, aber im Moment pfiff ein kalter Wind durch die Gassen.
Im Januar vor sechs Jahren war sie auf spanischem Boden gelandet, um ihre große Schwester und deren Familie zu besuchen. Sie hatte gerade ihr Studium beendet und wollte in Spanien eine kleine Auszeit nehmen, bevor der Ernst des Lebens begann. Doch es war alles anders gekommen. Aus zwei Monaten waren sechs Jahre geworden.
Eine adrette Sekretärin mittleren Alters, die sich als Ines vorstellte, empfing sie und führte sie unverzüglich in das Büro des Anwalts. Nachdem sie Platz genommen und Ines ein Tablett mit Kaffee, Tassen und Keksen serviert hatte, legte Julia den Brief auf den Schreibtisch.
»Lies das bitte«, forderte sie José auf. »Und sag mir deine Meinung darüber.«
»Das ist ein starkes Stück«, erklärte er, nachdem er gelesen hatte. »Ferdinand ist der Sohn deiner Schwester Sonja.« Julia nickte. »Sonja und ihr Mann sind vor sechs Jahren bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen. Und sie wohnten damals schon seit einigen Jahren in Alicante.«
»Ja, sie haben sich hier kennengelernt. Meine Schwester ist vor zwölf Jahren nach Spanien gezogen. Sie hat in einem Hotel gearbeitet, und Alexander besaß eine kleine Immobilienfirma in der Stadt.«
Der Anwalt lehnte sich zurück. »Nach ihrem Tod hast du das Sorgerecht für das Kind bekommen.«
»Als sie starben, war ich bei ihnen zu Besuch. Es war selbstverständlich, dass ich blieb und mich um Ferdinand kümmerte.«
Nein, es war nicht ganz selbstverständlich gewesen. Julia war damals nur auf der Durchreise. Sie hatte ihr Diplom als Schmuckdesignerin in der Tasche und große Pläne im Kopf. Nach New York hatte sie gehen wollen. Erfahrungen sammeln. Die Welt erobern. Für ein Kind war im Grunde kein Platz in ihrem Leben. Sicher, später wollte sie einmal eigene Kinder haben. Aber nicht jetzt. Sie war 24 Jahre alt und fühlte sich viel zu jung, um die Verantwortung für so ein kleines Wesen zu übernehmen.
»Das ist jetzt … wie viele Jahre her?«, fragte José.
»Sechs«, antwortete Julia.
Sechs Jahre, in denen sie gelernt hatte, das Kind zu lieben. Mehr als sie jemals einen Menschen auf dieser Welt geliebt hatte. Die ersten Wochen waren schwierig gewesen, und Julia hatte oft gedacht, der Aufga- be nicht gewachsen zu sein. Tags-über war Ferdinand zornig, hatte geschrien und um sich geschlagen. Nachts war er in ihr Bett gekrochen und hatte leise weinend nach seiner Mama gefragt. Julia hatte versucht, ihm zu erklären, dass Mama und Papa nicht mehr lebten und nun im Himmel über ihn wachten. Aber das konnte er mit seinen vier Jahren nicht verstehen.
Im Laufe der Jahre hatte sich ein enges Band zwischen Julia und ihrem Neffen gebildet. Ferdinand war jetzt zehn Jahre alt, an seine Eltern erinnerte er sich nur verschwommen, auch wenn Julia regelmäßig die alten Fotoalben heraussuchte und ihm Geschichten von seiner Mutter und seinem Vater erzählte. Er sollte sie nicht vergessen.
»Was weißt du über die Familie deines Schwagers?«, wollte José wissen.
»Nichts. Ich kannte Alexander ja kaum. Anlässlich der Hochzeit habe ich ihn das erste Mal gesehen, und danach verbrachte ich zwei- oder dreimal meinen Urlaub bei Sonja und ihrem Mann. Außerdem hat Alexander den Namen meiner Schwester bei der Heirat angenommen. Wie er vorher hieß, wurde nie erwähnt. Ich habe auch nicht gefragt, es kam mir unwichtig vor.«
Gedankenverloren rieb José sich das Kinn. »Hm«, brummte er.
»Ist …«, Julia schluckte, »… ist dieses Schreiben ernst zu nehmen?« Ihre Stimme zitterte leicht.