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Pumpernickel
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eBook130 Seiten1 Stunde

Pumpernickel

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Über dieses E-Book

Im kulinarischen Buch-Rampenlicht stehen andere, sei es, dass sie wie Spargel und Erdbeere jedes Jahr neu saisonal aufgewärmt werden, sei es, dass findige Vermarktungskünstler, die nebenher auch als Koch arbeiten, uns einreden wollen, wir bräuchten unbedingt eine meterlange Auswahl verschiedener Salz- und Pfeffersorten oder für jede Lebenslage ein anderes, immer sehr heilsames Öl (Olive, Argan, Kürbis und Konsorten lassen grüßen), den passenden opulenten Bildband gibt es wie selbstverständlich dann auch. Hingegen möchte unsere kleine kulinarische Reihe sich in kurzen, und doch sorgfältig erarbeiteten Monografien den randständigen Lebensmitteln widmen, die einfach gerade nicht "in" sind und trotzdem immer wieder in unserer Küche auftauchen - oder endlich mal wieder auftauchen sollten. Unserem Verlagssitz angemessen beginnen wir mit dem Pumpernickel, über den es aktuell nicht ein greifbares Buch gibt - und auch antiquarisch ist das Thema Pumpernickel sehr überschaubar.
SpracheDeutsch
HerausgeberOktober Verlag
Erscheinungsdatum16. Juli 2012
ISBN9783941895386
Pumpernickel

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    Buchvorschau

    Pumpernickel - Ulrich Elsbroek

    H1 Vom Arme-Leute-Essen zum

    Lifestyle-Produkt. Bedeutung

    Der Pumpernickel ist schwarz, er ist groß, und er ist grobkörnig. Es ist diese außergewöhnliche Herausforderung für die Sinne, die unser Grobbrot bereits in der ersten Darstellung Westfalens zu einem echten Wahrzeichen unserer Lebensart hat werden lassen. So beschreibt der Humanist Silvio Enea Piccolomini, der spätere Papst Pius II., im Jahre 1450 unseren Landstrich mit folgenden Worten: »Westfalen ist auch eine sehr kalte Gegend und von Frucht nicht gerade überfließende Region. Die Leute essen schwarzes Brot, das Getränk ist Bier«. Sie müssen wissen, dass der hochgebildete Gottesmann über viele Gegenden Europas mehr oder minder ausführliche Beschreibungen abgeliefert hat. Die über Westfalen gehört zu den besonders kurzen. Denn zu der gerade zitierten Sentenz kommt im Grunde (fast) nur noch die folgende hinzu: »Der Wein, der vom Rhein heraufgeführt wird, wird zu hohem Preis verkauft; nur die Reichen trinken davon, und das selten.« Mit anderen Worten: Die Westfalen sind arme Leute, sie können sich allenfalls Bier und Schwarzbrot leisten. Der im münsterländischen Laer geborene Werner Rolevinck stützt dieses Bild. In seinem um das Jahr 1478 erschienenen »Westfalenlob« beschreibt er den westfälischen Nachwuchs mit folgenden Worten: »In einer armseligen Hütte auf dem Lande steht ihre Wiege. Als kleine Kinder müssen sie schon das Vieh hüten. Mit bloßen Füßen trippeln sie über die harten Schollen. Ihre Kleidung besteht aus rauhem Hanfgewebe. Mit grobem Brot (= Schwarzbrot, d. Verf.) und Gerstengrütze stillen sie ihren Hunger.«

    Seitdem es das Licht der Welt erblickt hat, ist Schwarzbrot also immer dabei, wenn in Westfalen hungrige Mäuler zu stopfen sind – durch die Jahrhunderte hindurch. Drei Beispiele sollen dies illustrieren. Um das Jahr 1500 gestaltet ein unbekannter Meister ein berühmt gewordenes Glasfenster der Soester Wiesenkirche – das »Westfälische Abendmahl«. Es zeigt Jesus inmitten seiner Jünger. Die Gaumenfreuden bestehen aus Schwarzbrot, Bier, Schinken und einem Schweinskopf. Im Jahr 1669 erscheint der »Simplicissimus Teutsch«. Darin beschreibt der ausgemergelte Romanheld die Tafelfreuden in einem Frauenkloster namens Paradeis: »Das Paradeis fanden wir, wie wirs begehrten, und noch darüber anstatt der Engel schöne Jungfrauen darinnen, welche uns mit Speis und Trank also traktierten, daß ich in Kürze wieder einen glatten Balg bekam, denn da setzte es das fetteste Bier, die besten westfälischen Schinken und Knackwürst, wohlgeschmack und sehr delikat Rindfleisch, das man aus dem Salzwasser kochte und kalt zu essen pflegte; da lernete ich das schwarze Brot fingerdick mit gesalzener Butter schmieren und mit Käs belegen, damit es desto besser rutschte, und wenn ich so über einen Hammelskolben kam, der mit Knoblauch gespickt war und ein gute Kanne Bier daneben stahn hatte, so erquickte ich Leib und Seel und vergaß all meines ausgestandenen Leids. In Summa, dies Paradeis schlug mir so wohl zu, als ob es das rechte gewesen wäre.« Im Jahre 1793 schreibt der Bielefelder Arzt Consbruch über die Ernährung im Ravensberger Land: »Die Hauptnahrungsmittel des Landsmanns bestehen aus Mehlspeisen, Mehlsuppen, Mehlbreyen, Eyerkuchen, Pumpernickel, Kartoffeln, Rüben, Möhren, großen Bohnen, Erbsen und Kohl.« Diese drei Beispiele dokumentieren, dass Pumpernickel seit jeher zum kulinarischen Kernbestand der ländlichen Bevölkerung gehört.

    Vor allem ab dem 16. Jahrhundert macht sich der Pumpernickel in immer mehr Wohnstuben breit – auch in den besser betuchten Haushalten. Dies hing mit einem einsetzenden Bevölkerungswachstum zusammen. Weil immer mehr Mäuler gestopft werden mussten, besann man sich zusehends auf eine preiswerte Form der Nahrungsmittelproduktion. Während die Viehhaltung zurückging, wuchs der Getreideanbau sprunghaft an. Eine Chance für den Pumpernickel, denn immer mehr Zungen ließen sich unmittelbar von dem gleichermaßen süßen wie herzhaften Geschmack überzeugen. Mit wachsendem Erfolg, wie das folgende »Honorar« für einen westfälischen Seelsorger nachweist: »Für die Taufe«, so heißt es in einer Quelle, »erhielt der Pastor in Oesede in der Zeit um 1670 von den Voll- und Halberben ein großes Roggenbrot (Schwarzbrot) mit einem Stück Fleisch und einen Schilling, dazu 9 Pfennig für das öffentliche Gebet und von den Paten als Opfergeld mindestens 9 Pfennig.« Einziger Haken bei der Sache: »Das Brot wurde […] nicht gebracht, der Pastor mußte es holen lassen«. Dieser Hinweis war vermutlich dem Umstand geschuldet, dass das schwarze Brot der Westfalen ein echtes Schwergewicht war: Nicht selten wog es zwischen 40 und 60 Pfund. Wie auch immer: Im 19. Jahrhundert hatte sich der Pumpernickel – zumindest in der Stadt – als Delikatesse durchgesetzt, wie eine Münstersche Quelle verrät: »Der Schinken aber und der Pumpernickel sind schon mehr das Gemeingut Aller. Ein Stück Weißbrod, mit Butter bestrichen, als Einlage einige derbe Schinkenstreifen und das Ganze mit einer Pumpernickel-Schnitte von der Dicke eines Messerrückens zugedeckt, ist ein nicht zu verachtender Genuß und schmeckt herrlich«. Diese Darstellung zeigt, wie sehr sich die kostengünstige Arme-Leute-Nahrung zu einem alles verfeinernden »Sahnehäubchen« entwickelt hat. Damit ist der Anfang zum Lifestyle-Produkt gemacht.

    Wie es sich für einen echten Westfalen gehört: Gütertrennung gibt es nicht. Schon gar nicht bei der Herstellung des guten alten Schwarzbrots. Hier kommt alles gleichermaßen in den Teig. Tatsächlich besteht Schwarzbrot aus geschrotetem Roggen, bei dem alle Bestandteile verwertet werden: neben dem Mehlkörper zudem der Keimling, die Aleuronschicht sowie die Fruchtund Samenschale. Ein entscheidender Vorteil für den menschlichen Körper. Denn anders als bei herkömmlichen Mehlen kommen viele wundertätige Elemente zusammen. Alles in allem bietet der Pumpernickel folgende Stoffe:

    Kohlenhydrate liefern die Energie für den menschlichen Körper und machen den weitaus größten Anteil des Roggenschrotes aus.

    Pflanzliche Eiweiße sind für den Muskelaufbau und die Erneuerung der Körperzellen verantwortlich.

    Ballaststoffe haben eine verdauungsfördernde Wirkung und helfen bei der Absenkung der Blutfettwerte.

    Vitamine sorgen für einen reibungslosen Stoffwechsel.

    Mineralstoffe übernehmen wichtige Funktionen etwa beim Aufbau von Knochen oder bei der Blutbildung.

    Pflanzliche Fettsäuren können Herzund Kreislaufbeschwerden vorbeugen.

    Sie sehen: Pumpernickel bietet den gesamten Kosmos an Stoffen, die der Mensch für eine gesunde Ernährung in der einen oder anderen Weise benötigt. Ein gefundenes Fressen also für unsere gesundheits- und schlankheitsbewussten Zeiten.

    »Pumpernickel gehört zu Münster und dem Münsterland, wie Butter auf‘s Brot. Es ist ein fester und köstlicher Bestandteil der westfälischen Küche. Das ist seit Jahrhunderten so. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum der Päpstliche Gesandte Fabio Chigi im Jahr 1648 im Rahmen des Friedenskongresses zu Münster so abfällig über Pumpernickel als »unglaublichen Fraß« hergezogen ist. Wenigstens hat er in Rom die Bescheidenheit der Münsteraner lobend erwähnt: »Gott sei‘s geklagt, es gibt hier kaum etwas anderes als Regen und Pumpernickel.«

    Markus Lewe,

    Oberbürgermeister von Münster

    R1 Das Brot an sich.

    Was ist drin?

    Ein knochentrockener Westfale würde wahrscheinlich recht schmucklos zwei, und wirklich nur zwei Zutaten verbal in den Raum werfen, aus denen Swattbraut oder Pumpernickel besteht, und damit basta! Sollte er ein wenig kreativ-fantasievoll angehaucht sein – und auch solche Westfalen gibt es – nennt er möglicherweise vier Zutaten, von denen aber mitnichten auch nur eine einzige Farbstoff, Hefe oder Rübenkraut ist, die man zum Leidwesen der Traditionalisten dennoch in vielen Pumpernickel-Rezepten und -Produkten findet. Vielmehr könnte man als Zutat drei

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