Vergessen was ich gelernt: Prosa und Lyrik
Von Barbara Fatzer
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Über dieses E-Book
Barbara Fatzer
Barbara Fatzer, 1948 in Frauenfeld geboren. Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Zürich. 1978-1984 Aufenthalt in Dar es Salaam (Tansania) und in Ebolowa (Südkamerun). Ab 1984 freie Journalistin in der Schweiz. 1999 Tod von Lebenspartner Peter Hasenfratz. 2001-2011 Redaktorin und Öffentlichkeitsbeauftragte beim Amt für Archäologie Thurgau.
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Buchvorschau
Vergessen was ich gelernt - Barbara Fatzer
Lesen heisst
durch fremde Hand träumen.
Fernando Pessoa
Diese Texte sind für alle, die mich immer wieder
ermunterten oder aufforderten zu schreiben
Inhalt
Inselgeburt
Wir wandern über die Erde
Landleben
Westwärts liegt das Paradies
Die Seidenschnurfalte
Er wird kommen
Aufbruch zur Reise
Chaled oder die Zuneigung zu einem Polizisten
Schlag doch schnell mal nach
Mit Frankyboy nach Hagar Qim
Unguja Ukuu
Sansibar
Totensee
A travers le Cameroun
Sand wie Meer
Fata Morgana
Sémaphore
Blau in Blau
Maiennächte
Lindenduft
Schätze hinter Glas
Der Weg nach Westen
Ausflucht – Einsicht oder das grosse Warten
Meine Freundin Vera aus Radkersburg
Die Künstlerin
Wort-Schöpfung
Katastrophen-Bericht
»Da ist nichts von Liebe«
Orakel oder El Amor Brujo
Klinikaufenthalt
Frühe Liebe
Letzter Schultag
Steinzeit
Eva
Spiel
Penelope
Sacré-Coeur
In Stein Gehauen
Vergessen was ich gelernt
sérieusement blessée
Lebenswasser
I.
Inselgeburt
ich bin das ufer
das ende der welt
rauh und beständig
kantig mein rand
fest verankert im land
das mich hält und hält
und nie mich gehen lässt
in die grenzenlosigkeit
meine sehnsucht nicht kennt
eigen zu werden
und ich bin das grosse Wasser – das kommt und geht – immer aus der fülle ins leere – und dann wieder zurück – nicht weiss woher und heimat nicht sucht – ich bleibe nie und bin doch stetig wieder da
was war es
zeit, unendlichkeit
dass ich geformt
geschunden
mich verliere
zwischen
fest und flüssig
mich nie
entscheiden kann
und doch
bin ich
klarheit
strenge linie
den andern
ich bin das grosse Wasser – das dich formt und dich überspült – ich komme und gehe – breche dich und baue auf, du bist nicht ohne mich. trenne, was nicht zu dir gehört und lass dich neu formen aus der heissen tiefe
ich bin das grosse wasser, weiss nicht, woher ich komme, wohin meine unzähmbare kraft sich ergiesst, und doch bin ich stetig da, erschaffe neu, was Leben bringt.
Wir wandern über die Erde
Wir kommen von den hellen, noch sonnnenbeschienenen Bergen herunter in die sich verdunkelnde Ebene. Ein kühler Luftzug berührt uns, da die verbliebene Erdwärme hochzieht. Es fällt uns schwer, unserem Weg im schwachen Licht zu folgen. Meine Begleiter machen sich daran, einen Rastplatz für die Nacht zu finden. –
In der Höhe schwächt sich der rötliche Widerschein ab, schnell werden die nochmals aufglühenden Felsen grau, die Dämmerung überspielt die scharfen Konturen und lässt die Weite vor uns in sich versinken. Es ist ein neues, fremdes Land, das sich hier unten für uns auftun will. Wir wandern über die Erde.
Es wird dunkler. Weit vor uns, in diesem noch nicht überblickbaren Flusstal, sehen wir ein flackerndes Feuer. Wir eilen darauf zu. Männer sitzen darum herum, Wanderer wie wir. Sie haben bereits genug Holz zusammenzutragen für ein grösseres Feuer, um Essen zuzubereiten.
Wir dürfen bleiben, für Stunden Wärme spüren. Gemeinsam teilen wir unsere Vorräte; über dem Feuer kocht Nahrung, ihren kostbaren Duft verbreitend.
Mein Feueropfer sind vertrocknete Blüten eines kurzen Bergsommers; bereits verblassen die lichtvollen Bilder daran – wie leicht dort oben alles war. Du bist neben mir – du lächelst, weil dich eine gleiche Erinnerung trifft, du verstehst meine Geste. Es ist eine Übereinstimmung, wortlos wissen wir um einander, es ist ein Augenblick, der unendlich scheint und doch schon die Trennung anzeigt.
Dem Flusslauf entlang steht dünner Nebel, der manchmal durch einen lautlosen Hauch sachte in Bewegung kommt. Darüber sehen wir unruhige Sterne, die ihr kaltfremdes Licht aussenden. – Noch gehört die Zeit uns, die kurze kostbare Zeit, in der wir uns finden, das eine im anderen. Die Ahnung von Heimat pflanzt sich in uns ein.
Fahles Licht liegt über der grossen Ebene, der frostkalte Morgen holt uns in die Wirklichkeit zurück. Die letzten Momente des Beisammenseins hat der Schlaf genommen; einander nah, hatten wir uns im Traum verloren, in dem das Starke der Gemeinsamkeit verebbte.
Unsere Wege sind vorgezeichnet; hier haben sie sich gekreuzt, jetzt streben sie wieder auseinander, wir werden ihnen weiter folgen. Wir wissen um die Erfüllung, nun können wir unseren neuen Orten zugehen. Wir sind reich geworden.
Wir wandern über die Erde.
Landleben
Sie war immer früh auf den Beinen. Beine, die nun krumm geworden waren und sie nicht mehr weit trugen. Im Sommer gegen fünf Uhr, um mit dem schnauzerartigen Bobbi einen Spaziergang zu machen, im Winter um sechs Uhr. Melken musste sie nicht mehr, ihre letzte Milchkuh hatte sie verkauft, als ihr das Heuen zu beschwerlich wurde. Aber die Gewohnheit, früh aus den Federn zu steigen, war so stark in ihr, dass sie nicht länger im Bett hätte bleiben können.
Sie