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Verschlungene Wege
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eBook394 Seiten6 Stunden

Verschlungene Wege

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Über dieses E-Book

Dieser Roman Verschlungene Wege beschreibt das Leben von
vier Generationen einer adligen Familie. Mit allen Höhen und
Tiefen, mit Tugenden und Lastern. Von Moral und Unmoral,
Von Liebe, oder was man Liebe nennt. Von Lust, Sehnsüchten
und Hoffnungen, der Leidenschaft und den Verlust geliebter
Menschen. Zwischen all den Irrungen und Wirren, von heiler
Welt, von Glauben und Scheinheiligkeit, von Sein und Schein,
blüht immer wieder neues Leben. Schicksale an denen man
zerbrechen muss. Und solche an denen man sich neu orientieren
kann. Und dann kommt bei solch einem Schicksalsschlag,
in genau dieser Situation, ein Engel, ein Schutzengel, oder
nur ein Retter in höchster Not. Der alles am Ende auf den
Kopf stellt. Engel hin oder her. Ein Mensch wie jeder andere
auch. Mit Höhen und Tiefen, mit guten und mit schlechten
Eigenschaften, hellen und dunklen Seiten, aber so, dass nie
jemand dabei zu Schaden kam. Eher ein ganz stinknormaler
Mensch. Erzählt wird über das Leben, wie es ist, wenn reiche
Leute sich behaupten müssen und wenn arme Leute sich
behaupten müssen, von Charlotte der jüngste Tochter, der letzten
Generation.



Alle Handlungen, Personen und Orte
sind frei erfunden und entbehren jeglichen
Vergleich, mit lebenden oder verstorbenen
Personen und Namen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum26. Feb. 2015
ISBN9783734767616
Verschlungene Wege
Autor

Werner Sagan

Der Autor, Werner Sagan, wurde 1934 in Dresden geboren. Einem Ort, in dem sich der Konflikt zwischen Braun und Rot in Deutschland, als graues und bedrohliches Monster mit der aufgehenden Sonne immer höher schob. Zwischen den Wirren und den darauffolgenden Kriegsjahren hat er viel Leid, Neid, Elend und Hass gesehen. Mit der Flucht in den Westen sollte sich alles für ihn ändern. Über Berlin, Stade, Essen, Münster und Velbert gelang er mit seiner Lebensgefährtin in den Norden. Das Emsland mit seiner Weite und Ruhe soll die letzte Station sein. Hier in der Stille der Natur versucht er, mit seinen kleinen Romanen einen Leserkreis zu finden.

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    Buchvorschau

    Verschlungene Wege - Werner Sagan

    Inhaltsverzeichnis

    Verschlungene Wege

    Impressum

     „Verschlungene Wege"

    von Werner Sagan

    1.  Kapitel

    Charlotte, die jüngste Tochter der Familie von Breythenbach, stand im Herrenhaus in ihrem Zimmer und schaute hinaus, wie die Regentropfen unaufhörlich vom Himmel fielen und gegen die Fensterscheibe prasselten. Ein schlossähnliches Wohnhaus, am Niederrhein in der Nähe von Geldern, nahe der Holländischen Grenze gelegen. Die dunklen Wolken entluden mit lautem Getöse ihre nasse Fracht. Sämtliche Himmelsschleusen hatten ihre Pforten geöffnet und die Wassermassen stützten mit Wucht zu Boden. Überall bildeten sich kleine Rinnsale, die aus allen Ecken kamen und sich langsam zu kleinen Rinnsalen, später zu Bächen vereinigten. Es war mal wieder soweit >Land unter<. Draußen, ganz weit da draußen, noch vor Belgien- und Hollands Küste, hatte sich auf dem Meer ein Sturmtief gebildet. Jetzt zog es prasselnd über sie herein. Charlotte stand tief in ihren Gedanken versunken am Fenster. Wieder kam bei ihr die Erinnerung hoch, wie damals. Genauso ein Schietwetter, ja genauso, wie vor zehn Jahren. Da standen sie noch gemeinsam hier, Charlotte mit ihrer älteren Schwester Isolde und schauten am gleichen Fenster hinaus in die Dämmerung. Charlotte, damals siebzehnjährig, hatte noch ein Jahr bis zum Abitur. Isolde hatte dies alles schon hinter sich, zwanzigjährig auf dem Weg zum Abschluss einer Bankkauffraukarriere. Doch ihr Traum aber, sie wollte immer Tierärztin werden, so wie ihr Vater.

    Der Himmel hing an diesem Spätnachmittag im Mai, mit dicken, dunklen, drohenden Regenwolken verhangen, über der Linksrheinischen Gegend, kurz hinter der Holländischen Grenze um Geldern herum. Dunkle Nacht war es plötzlich. Blitze zuckten in der Ferne am Himmel, dann ein leichtes grollen des Donners der über das Land rollte. Das Gewitter schien noch weiter weg zu sein. Doch man sah die Gespenstischzuckenden Blitze immer näher kommen. Es ging Schlag auf Schlag. Kaum war der erste Blitz zur Erde gezuckt erfolgte ein lautes Krachen und Donnergrollen, schon folgte der Nächste. Unwillkürlich hielt Charlotte sich die Ohren zu und wich einen Schritt vom Fenster zurück in den Raum hinein. Hinter ihr in den Räumen hörte sie wie die Kinder sich lautstark unterhielten. Das laute Schreien der Kinder war Nebensache. Die Gedanken, ihre Gedanken ließen alles Augenblickliche verblassen. Sie war wieder in die Zeit zurückversetzt. In jene Zeit, an jenen Tag. Ein schicksalhafter Tag für die ganze Familie, der sie zur Frau reifen ließ. Er prägte die nachfolgenden Jahre.

    Es war ein Tag, wie so viele in ihrem jungen Leben. Ein Tag wie jeder andere. Doch ihre Gedanken verweilten an jenem bewussten Tag, genau an dem Tag, da ihre Mutter von einer Urlausreise aus den Bergen, um Obersdorf, wieder nachhause kommen sollte. Sie wollte über Bregenz, Konstanz nach Schaffhausen und von da weiter die linksrheinische Strecke fahren. Der Gedanke auf ein grandioses Schauspiel, mit Blick auf den Rheinfall bei Neuhausen-Schaffhausen. Vielleicht ließe sich ein Besuch ins innere von Schloss Laufen ermöglichen. Mutter wollte sich auf der Rückfahrt unbedingt noch so vieles ansehen. Es war für sie, die Baronin, eine Reise in vergangene Zeiten voller Glück und Harmonie. Voller Liebe und Glück,

    Zuversicht in die Zukunft, mit himmlischen Nächten und arbeitsreichen Tagen. Damals war Gunther noch an ihrer Seite. Diesmal sollte es eine Zeitreise in die Vergangenheit werden.

    Ihre Mutter war mit dem eigenen Wagen, einem schnuckeligen Coupe unterwegs. In ein paar Stunden wird sie wieder zuhause sein, die Schwestern waren in guter Stimmung. Sie hatten Blumen aus dem Garten zum Empfang von ihrer Mutter geholt. Den großen Tisch, an den sich immer die ganze Familie versammelte, geschmückt und die Vase mit den Frühlingsblumen stand in der Mitte. Der Urlaub in den Bergen von Obersdorf wird ihr gut getan haben. So dachte sie damals, als sie bei genau bei solchem schmuddeligen Regenwetter nach draußen blickten. Doch da wusste sie noch nicht dass sich in jener Stunde ihr Leben veränderte sollte. Das Ihrige und das ihrer älteren Schwester Isolde. Auch das Leben von Uta sollte an diesem Tag eine neue, bedeutungsvolle Wende bekommen. Die beiden Baronessen waren der ganze Stolz der Familie. Der Herr Baron, Gunther Heinrich von Breythenbach liebte seine Töchter abgöttisch. Obwohl er sich immer einen männlichen Nachkommen gewünscht hatte, der später einmal das große Anwesen weiterhin bewirtschaften und mehren sollte. Doch soweit sollte es nicht mehr kommen. Die Vermutung lag nahe, dass ein heimlicher Fluch auf dem Anwesen lag. Charlotte war realistisch genug um der eingebildeten, sagenhaften, unheilvollen, mit Geisterversionen umwobene Sache, ins Gesicht zusehen. Doch so recht, wollte es ihr auch nicht gelingen. In all den Jahren die hinter ihr liegen, ist sie all die Stellen an denen das Unheimliche passierte, abgeritten. Hat sie Stellen abgesucht und untersucht, ohne Ergebnis. Auf diesen Wegen gibt es weder Kaninchenbaue oder gar Fuchsbaue. Wo die Pferde mit ihren Hufen hätten hängen bleiben können. Weit und breit nichts Verräterisches. Ihrem Vater hatte ein anderes Schicksal getroffen, außerhalb ihres Anwesens. Keine Verbindung zu den vorausgegangenen Unfällen, aber das Ergebnis war immer das Gleiche. Sie lagen jetzt alle, zwei Meter unter der Erde begraben.

            Uta von Breythenbach hatte ihre Koffer geschlossen. Ein prüfender Blick glitt durch das Zimmer, dann begab sie sich an die Rezeption. Beschwingt eilte sie die Stufen aus der oberen Etage hinab über die breite Treppe aus Rosaschimmernden Marmor. Hier und da waren die Stufen leicht abgenutzt. Doch der warme Ton des Marmors hatte über die Jahre an Glanz verloren. Die letzte Stufe genommen, an der Rezeption wurde sie freundlich begrüßt. „Guten Morgen Frau Baronin, sie wollen uns wirklich schon verlassen? Ich hoffe sie hatten einen erholsamen und angenehmen Aufenthalt bei uns. Wir würden uns freuen wenn sie uns wieder beehren würden. Der Chef persönlich verabschiedete sich mit diesen Worten, von der Baronin. Wünschte ihr noch eine gute Heimfahrt. Dann rief er nach dem Boy und ließ die Koffer holen. Ein Hausdiener hatte bereits den Wagen der Baronin vor den Eingang gefahren. Wie immer wenn sie hier waren kümmerte man sich fürsorglich um ihr Wohlbefinden und das von ihrem Fahrzeug. Auch diesmal hatte man den Wagen reisefertig gemacht. Die Bremsen kontrolliert und aufgetankt. Natürlich hatte der Service seinen Preis. Doch dass störte die Baronin wenig. Diesmal war sie allein hier abgestiegen. Die Jahre vorher hatten meist sie mit Ehemann hier verbracht. Doch seit ihr Ehemann vor knapp einem Jahr verstorben war. War es diesmal ganz anders. Es sollte eine Reise in die Vergangenheit sein. Eine Prüfung für sie selbst. Die Bewältigung ihrer Trauer zum Verlust ihres Manns. Keine leichte Aufgabe wie sie feststellen musste. Erinnerungen lassen sich nicht unterdrücken. Sie verblassen auch nicht. Doch mit der Zeit gewinnt man an Abstand. Ein Rückblick auf die Jahre voller Gemeinsamkeiten. Nachdem sie die Trauer überwunden hatte und sie sich langsam wieder ins Leben zurückgekämpft hatte, fand sie den Mut dazu allein dorthin zu reisen, wo sie mit ihrem Ehemann wundervolle Zeiten verlebt hatte. Ihre beiden Töchter hatten ihr zu dieser Reise geraten. Sie hatten sie förmlich dazu gedrängt. Sie wollten dass ihre Mutter endlich wieder lächelt und am täglichen Leben teilnimmt. „Das Leben geht weiter, hatten ihre Kinder zu ihr gesagt. „Du musst jetzt an dich denken und natürlich auch an uns." Nach einigem Zögern hatte sie dann doch eingelenkt und sich entschlossen für ein paar Tage auszuspannen.

    Wie schnell doch ein paar Tage Urlaub vergehen. Die Koffer waren verstaut, mit einem dumpfen Plopp, schnappte der Kofferraum zu. Der Hausdiener überreichte ihr die Wagenschlüssel und wünschte ihr eine gute Fahrt. Sie steckte den Schlüssel ins Zündschloss, ein kurzer Dreh, der Motor sprang an und schnurrte wie eine Katze, die freundlich gestreichelt wird. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung. Langsam verschwand das Hotel im Rückspiegel. Uta lenkte ihr Fahrzeug gekonnt die enge kurvenreiche Straße hinab ins Tal. Ein herrliches Wetter mit Sonnenschein und wolkenlosen Himmel. Ein Blau, wie im Bilderbuch, kein einziges Wölkchen am Himmel trübte ihre Stimmung. Sie genoss die Fahrt. Im Radio erklang leise Musik zum Mitsummen. Uta war beschwingt. Heiter und fröhlich, wie schon lange nicht mehr. Sie hatte die Zeit der Trauer hinter sich gelassen und blickte zukunftbewusst auf das vor ihr liegende. Alles um sie herum war harmonisch. Die Gedanken kreisten um lang vergangene Zeiten. An glückliche Tage. Bei diesem Wetter, so dachte sie gerade, mache ich einen Abstecher an die Rheinfälle bei Schaffhausen. Über Immenstadt nach Bregenz von dort weiter nach Konstanz um den See herum die Kilometer Umweg lohnen sich bestimmt.

    „Was wollen sie von mir, fragte sie in die Stille des Raumes. Doch keiner der um sie herumstehenden Ärzte konnten sie verstehen. Schemenhaft mit der Beatmungsmaske und den ganzen Verbänden sah sie furchtbar aus. Im Bett lag ein Häufchen Elend. Ihre Gedanken kreisten wirr in ihren strapazierten Kopf herum. Wo um alles in der Welt bin ich? Was machen die Herren im weißen Kittel hier. Warum antwortet mir keiner. Einer der Ärzte bemerkte das Zucken ihrer Finger und meinte zu den anderen Herren in Weiß. „Meine Herren ich glaube Sie erwacht gerade! Gespannt schauten die Herren auf die Reaktionen der im Bett liegenden Patientin. Uta hatte ihre Augen geöffnet und schaute mit verwirrtem Blick von einem zum anderen. Wieder versuchte sie zu sprechen, doch der Schlauch in ihrer Nase und die Maske auf ihrem Mund verhinderte jedes laute Wort. Ein weißhaariger älterer Herr sprach bedächtig, mit leiser Stimme auf sie ein. Die Worte klangen unwirklich an ihr Ohr. Sie wollte sich die Ohren zuhalten, sie empfand die Worte, wie den Donner eines nahen Unwetters über sie herein prasseln. Doch sie konnte ihre Arme nicht bewegen, sie waren schwer wie Blei. Oh der Mann mit dem weißen Bart, wo hab ich ihn nur schon einmal gesehen? Sie schlummerte wieder hinüber in die Bewusstlosigkeit. Schleierwolken wohin sie auch schaute, der mit dem Bart, war das nicht…? Sie verspürte den Wunsch, er möchte doch noch einmal zu ihr sprechen, seine Stimme hatte etwas Angenehmes, etwas feierliches im Ton. Nur er solle doch nicht so schreien. Auf einen Wink vom behandelnden Arzt hin, kamen zwei Schwestern der Patientin zu Hilfe. Sie entfernten die Maske vom Mund und lösten ihre Hände aus der fixierenden Stellung. Behutsam und mit ruhiger Stimme sprach der Arzt erneut auf sie ein. Leise drangen die Worte in ihr geschundenes Hirn. Oh ja, da ist er wieder, ja, das ist die Stimme. Sie kehrte langsam aus dem Traum zurück und landete etwas unsanft auf der Erde. Ein Ruck ging durch ihren Körper. Eine der Schwestern hatte unwillkürlich an den Fuß des Bettes gestoßen. Sie schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht dicht über dem Ihren. Der Arzt hatte ihre Hand ergriffen und sprach mit leisen monotonen Worten. „Wenn Sie mich hören können drücken Sie bitte meine Hand. Oder blinzeln sie." Uta drückte die Hand. Unterdessen hatte er sich wieder Aufgerichtet und schilderte ihr ihren momentanen Zustand. Und das sie in einem Krankenhaus läge.

    Hans-Joachim Seiferts Urgroßeltern kamen aus Ostpreußen. Sie hatten sich in der Nähe von Oldenburg in Niedersachsen. Nach der Flucht, dem großen Treck aus Osten, dort angesiedelt. Der große Flüchtlings-Treck hatte sie dahin, nach Kriegsende, verschlagen. Das Land war groß und dünn besiedelt. Zum Kriegsende eine der ärmsten Gegenden in Westdeutschland. Das nackte Leben hatte man gerettet. Das letzte von Hab und Gut ging auf der Flucht verloren oder wurde gestohlen. Man konnte von Glück reden wenn die Familie zusammen blieb. Die Mutter hatte genug damit zutun alle beisammen zuhalten und selbst nicht unter die Räder zukommen. Ein Neuanfang, in einer neuen Umgebung, bei Menschen die selbst mit der Nachkriegszeit zu kämpfen hatten. Alle Neuankömmlinge brachten eine zusätzliche Mehrbelastung mit sich. Sie waren eben keine Einheimische, genauso wurden sie in dieser fremden Umgebung aufgenommen und behandelt. Waren es doch ganz arme Schlucker die weder Gut noch Geld besaßen. Hungerleider und Müßiggänger, sie lagen dem zusammengebrochenen Staat nur auf der Tasche, und diese war so leer, wie ein Sieb zum Wasserholen. Dabei wollten diese Menschen doch nur ein Zuhause haben, arbeiten können und sich eine neue Existenz aufbauen. Eines, aber konnte man ganz gewiss diesen Menschen nicht nachsagen, das sie faul und dumm waren. Hatten sie doch in ihrer alten Heimat Ost- und Westpreußen es zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Nicht alle waren Großgrundbesitzer oder besaßen Reichtümer. Doch fleißig waren sie allemal.

    Doch mit den Jahren raufte man sich zusammen, die hiesigen wie die zugewanderten. Schließlich wohnte man in nächster Nachbarschaft. Nachdem man gemerkt hatte die neuen Menschen aus dem Osten liegen uns nicht auf der Tasche. Nein sie konnten richtig zufassen und arbeiten. Kam man sich schrittweise näher. Freundschaften wurden geschlossen und Ehen. Es wuchs eine neue Generation heran. Die Vorurteile wurden geringer. Man ging freundschaftlich miteinander um. Sorgen und Nöte schweißten eine Gemeinschaft zusammen. Doch mit dem aufkommenden Wirtschaftswunder sollte sich dass bald ändern. Hans-Joachim gehörte zu der neuen Generation. Die weder Leid noch Not hat kennen gelernt. Es gab wieder alles zukaufen die Geschäfte führten ein großes Sortiment an Waren. Es wurde gebaut, die Wirtschaft boomte. Hajo so wurde er genannt. Wurde groß und größer. Erst die Grundschule und Hauptschule, später eine Lehre. Auf dem zweiten Bildungsweg studierte er an der Baufachhochschule und machte seinen Ingenieur. Bei einer großen Baufirma >BBB< fand er eine sehr gute Anstellung und wurde schon in sehr kurzer Zeit zum Baustellenleiter ernannt.

    Er war mit seiner Arbeit auf der Baustelle derart beschäftigt, dass er das Läuten des Telefons nicht hörte. Der Lärm der vielen Baumaschinen übertönte alles. Nach einer geraumen Zeit verstummte das Rufzeichen, der Anrufer hatte wieder aufgelegt. Hans-Joachim war mit seinen Gedanken wieder, …nein besser er war immer noch, bei der verunglückten jungen Frau.

    Sie muss in seinem Alter sein, vielleicht etwas jünger oder älter? So genau konnte er es nicht sagen. Nein sie ist bestimmt jünger. Es ist ein Moment in seinem Leben gewesen den er so schnell nicht mehr vergessen sollte.

    Er war gerade auf dem Weg zur Baustelle wo er als Baustellenleiter einen Posten hatte. In der Nähe von Immenstadt sollte eine Brücke über die Autobahn gebaut werden. Er selbst kam gerade nach einem Wochenende bei Freunden vom Bodensee und wollte die Straße von Dornbirn in Österreich, weiter über die Landstraße nach Immenstadt fahren. Die Abzweigung nach Bad Oberstaufen lag genauso hinter ihm wie die nach Kempten. Als vor ihm aus völlig unerklärter Ursache der entgegenkommende Wagen ins schleudern geriet. Die Fahrerin versuchte noch krampfhaft gegenzulenken doch da hob der Wagen schon von der Fahrbahn ab, überschlug sich zwei - dreimal und kam auf den Rädern völlig zerbeult auf einer Wiese, rechts neben der Fahrbahn, zum Stehen. Schnell trat er auf die Bremse, würgte den Motor dabei ab, brachte sein Fahrzeug zum Stehen. Achim Sprang aus dem Wagen, ließ alles stehen und liegen und eilte der Verletzten zur Hilfe. Mit einiger Anstrengung konnte er die Bewusstlose Frau weiter ins Freie ziehen, die Türen des Fahrzeuges standen offen. Er legte sie weit genug vom Fahrzeug weg auf die Wiese. Dann wählte er schnell den Notruf. Eine Säule die mit einem Telefonhörer auf Blauweissengrund, ganz in der Nähe stand, schilderte kurz den Unfall, und nannte den ungefähren Ort. Es war alles so schnell gegangen. Dann kümmerte er sich wieder um die hilflos im Gras liegende Frau. Sie hatte einige sichtbare Wunden an den Händen und im Gesicht, was ihr sonst noch fehlen sollte konnte er nicht feststellen. Der Wagen war nur noch Schrottwert. Der Kofferraum war aufgesprungen und der gesamte Inhalt lag verstreut auf der umliegenden Wiese. Die Verunglückte hatte bei ihren Unfall noch riesiges Glück gehabt. Einige Kilometer vorher war auf der Seite ein hundertmetertiefer Abgrund. Da wäre sie wohl nicht so glimpflich davon gekommen. Mit einigen Handgriffen hatte er die Wundennotdürftig verbunden. So etwas musste er können. Hans-Joachim war Ingenieur im Konstruktionsbau, da wurde so einiges verlangt. Und bei dem Fahren von großen Fahrzeugen hatte er sowieso einen Erstehilfelehrgang absolviert. Immer wieder redete er auf die am Boden liegende Frau ein, sie möge bitte wach bleiben. „Hallo, hallo, junge Frau nicht einschlafen, bitte nicht einschlafen. Ihre Augenlider fielen von ganz allein zu. Doch sie hörte von ganz weit aus der Ferne, wie man nach ihr rief. Hajo tätschelte ihre Wange und rief immer wieder:„Hallo nicht einschlafen, bitte nicht einschlafen. Dazwischen hielt er Ausschau nach dem Rettungsfahrzeug, als er über sich die Hubschraubergeräusche bemerkte. Mit den Armen ruderte er in der Luft herum um den Piloten aufmerksam zu machen. Doch dieser hatte die Unfallstelle und ihn bereit ausgemacht und setzte zur Landung an. Dann ging alles sehr schnell, Notarzt und Sanitäter, sowie Assistenzarzt sprangen aus dem Hubschrauber und eilten zu der Verletzten. Der Sani schleppte eine faltbare Trage heran. Die Verletzte wurde kurz untersucht, auf die Liege geschnallt, in den Helikopter geschoben. Die Rotorblätter drehten sich und der Vogel aus Aluminium erhob sich in die Lüfte. Immer leiser werdend entschwand er in Richtung Schweiz oder Österreich. Hajo hatte keine Zeit gehabt um genau nach der Kennung des Helikopters zusehen und die Richtung festzuhalten in der er abdrehte. Erst viel später sollte er erfahren dass der Helikopter aus Österreich, zufällig den Funkspruch aufgefangen hatte und sich zur Landung an der Unfallstelle entschloss.

    Der Helikopter war zu diesem Zeitpunkt näher am Geschehen. Die Verständigung untereinander ist meist effektiver als die über die Zentrale und der Einsatzleitung. In diesem Fall ging es ausschließlich um Menschenleben und nicht nur um eine Sache.

    Der dafür angeforderte Helikopter, zuständig für diesen Unfall, übernahm den Einsatz für den anderen.

    Die sofortige Verständigung mit den zuständigen Zentrale, der die jeweiligen Einsätze regelt, stand ständig in engen Kontakt untereinander. Die Lösung eines eventuell aufkommenden Problems, hatte sich somit förmlich in Luft aufgelöst. Der zuständige Pilot mit Einsatzbesetzung, ihm ist es im Grunde genommen egal, in welche Richtung er fliegen muss. Für sie zählt einzig und allein die schnelle Hilfe am Ort.

    Für beide Einsatzhelikopter mit Besatzungen lagen die zugewiesenen Einsatzorte wesendlich weiter weg. So kam es das die Frau in eine Klinik in Österreich gebracht wurde. Unterdessen war die Polizei am Unfallort eingetroffen und Hans-Joachim machte seine Aussage. Einige Beamten waren auf Spurensuche, vermessen der sichtbaren Spuren und hielten alles mit einer Videokamera im Bild fest. Mit einer anderen Kamera wurden noch so genannte Standbilder gemacht um wichtige Spuren festzuhalten. Anhand dieser Aufnahmen kann man mit viel Fantasie und Einfühlungsvermögen den Unfallhergang rekonstruieren. So gut es ging schilderte Hans-Joachim den Beamten was er gesehen hat. Er beteiligte sich an keiner Spekulation, nach dem man ihn fragte ob er irgendwelche Vermutungen hätte. Es war auf einer der Straßen die von Lindenberg über Bad Oberstaufen nach Immenstadt führen.

    Wieder schellte das Telefon und diesmal wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Leicht irritiert nahm er der Hörer zur Hand „ja bitte, wer ist da?, meldete er sich noch immer benommen von seinen Gedanken. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine Männerstimme. Hans-Joachim verstand die hälfte der Worte nicht. Endlich hatte er begriffen dass er mit Jemanden sprach. „Tschuldigung, ich habe sie nicht verstanden. Können sie bitte es nochmals wiederholen? Am anderen Ende der Leitung war die Polizei die vor einigen Tagen den Unfall aufgenommen hatte. Der Beamte wollte Hans-Joachim nur bitten den Hergang des Unfalls nochmals schriftlich, formlos auf ein DIN A vier Blatt zu fixieren. Der Polizist sagte ihm auch dass ja doch einige Zeit danach vergangen wäre und er vielleicht sich im Nachhinein an einige Einzelheiten erinnern könnte die er bei der ersten Aussage weggelassen hat oder die ihm gar nicht Bewusst wurden. Er notierte sich die Anschrift der Dienststelle in Lindenberg und er wolle sich sofort an die Arbeit machen.

    Nachdem Uta von Breythenbach von den lästigen Gerätschaften befreit wurde und sie ganz allmählich sich erinnern konnte dass sie einen Unfall hatte, kullerten bei ihr die Tränen. Der Wortführende Arzt sprach beruhigend auf sie ein. Eine Schwester reichte ihr ein Glas Wasser mit einem Trinkhalm, dankbar sog sie die Flüssigkeit ein. Endlich verschwand der widerliche Geschmack in ihrem Mund. Sie hatte auch ihre Umgebung erkannt und fragte jetzt mit fester Stimme wo sie jetzt wäre. Der Arzt schilderte ihr mit großer Geste dass sie im Stadtkrankenhaus in der Unfallklinik in Bregenz läge. Zwischendurch fragte er sie nach Erinnerungen über den Hergang beziehungsweise über die Ursache ihres Verkehrsunfalls. Mit leiser Stimme sagte sie den Umstehenden Ärzten dass sie sich an nichts erinnern könnte. Sie wäre sehr erstaunt gewesen nicht in ihrem Bett aufzuwachen. Dass wäre das Einzige woran sie sich augenblicklich erinnern könnte. Dann schloss sie die Augen und schlief auf der Stelle ein. Die Schwestern setzten ihr wieder die Sauerstoffmaske auf und schalteten die Überwachungsgeräte wieder ein. Sie blieb auf der Intensivstation, weiterhin unter Beobachtung.

    Charlotte und ihre große Schwester Isolde wunderten sich an jenen Abend das ihre Mutter noch nicht zurückgekommen ist. Sie müsste längst da sein, wenn sie heute Morgen, wie versprochen, früh gestartet ist. Und von Obersdorf bis Köln, wird es um die neunhundert Kilometer sein. Bei zügiger Fahrweise und keine Staus, braucht man für diese Strecke vielleicht zehn Stunden. Und von Köln geht es über die Autobahn noch ein ganzes Stück und dann nur noch Landstraße. 

    Langsam machte sich bei den beiden Schwestern, den jungen Frauen ein flaues Gefühl im Magen breit. Charlotte war gerade siebzehn geworden und Isolde hatte den zwanzigsten Geburtstag hinter sich. Beide Frauen hatten eine ansprechende Figur. Wenn man es nicht genau wüsste, sie betrieben beide keinen aktiven Sport, so hatten sie doch eine durchtrainierte Gestalt. Hin und wieder ritten sie mal durchs Gelände ihres Anwesens. Aber so richtigen Reitsport betrieben sie nicht. In ihren Gedanken malten sie sich die möglichsten und unmöglichsten Bilder aus. Was ist mit Mama passiert? Warum ruft sie nicht an? „Sag schon Isolde, was soll’n wir tun?, fragte verzweifelt Charlotte ihre Schwester. Doch diese stand genauso unwissend am Fenster wie sie und starrte hinaus in den Regen. Dann, etwas zögerlich, kam von Isolde der Vorschlag, im Hotel anzurufen. „Hast du schon mal auf die Uhr geschaut? Mitternacht ist vorbei, meinst du da geht noch jemand ans Telefon, sagte Charlotte etwas mürrisch zu Isolde. „Ich versuche es einfach mal, so herum zu sitzen und aus dem Fenster zu schauen, davon wird es auch nicht besser, also lass es uns versuchen. Isolde sprach’s und ergriff den Telefonhörer. Sie wählte die Nummer vom Hotel und lauschte dem lang gezogenen tüüüt, tüüüt, tüüüt. Nach einigen Freizeichen meldete sich eine verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung. Etwas abgehackt klang. „hier Hotel Berghof Obersdorf. Eine weile herrschte Stille. Dann die Frage: „Wer ist denn da? Jetzt ergriff Isolde die Gelegenheit und meldete sich: Hier ist Isolde von Breythenbach, ich wollte nur wissen ob meine Frau Mama ihr Hotel heute Morgen verlassen hat? Am Hotelhörer war es still. Im Hintergrund hörte man leises Rascheln von umgeblätterten Buchseiten. Dann meldete sich die Stimme wieder: „Frau von Reichenbach ist abgereist. Peng, machte es und es ward Stille im Hörer. Die andere Seite hatte bereits aufgelegt. Einerseits war Isolde erleichtert über die Auskunft, doch jetzt wurde es ihr plötzlich zur wissenden Sicherheit, hier muss etwas passiert sein. Sorgen machten sich breit. Eiskalt kroch das Gefühl immer höher zum Herzen. Sie bekam eiskalte Finger, die Knöchel liefen blau an. Sie drehte sich zu Charlotte herum mit aschfahlem Gesicht. „Mama ist heute, nein gestern Morgen, bereits abgereist, sagte sie zu Charlotte, die versucht hatte das Gespräch zu verfolgen. Charlotte lief ein eisiger Schauer bei den Worten über den Rücken. Zu ihrer Schwester gewandt sagte sie zögerlich fragend: „Meist du mit Mama ist etwas passiert? „Gänzlich Ausschließen können wir den Gedanken nicht. Zwischen den beiden herrschte eine lähmende Stille. Jede hing ihren eigenen Gedanken nach. Was ist nur geschehen?

    Diese Bange Frage hing über den Beiden wie ein grollendes Sommergewitter. Sie waren es die ihrer Mutter zu diesem Urlaub überredet hatten. Und nun dies. Sie fühlten sich wie durch die Mangel gedreht. Haben wir Schuld daran?

    Am nächsten Morgen erwachte Uta im Bett der Intensivstation der Stadtklinik in Bregenz. An diesem Morgen wusste sie dass mit ihr etwas passiert war. Sie wusste auch jetzt dass sie in einer Unfallklinik lag. Überall standen Geräte herum, hier tickte etwas da summte etwas. An anderer Stelle lief eine Zackenkurve durchs Bild. Dann blubberte es in dem Schlauch der an ihrer Hand in einen dicken Verband endete. Ihre Gedanken überschlugen sich. Es herrschte in ihrem Kopf ein augenblickliches Chaos. Sie drückte den in ihrer Hand befindlichen den Klingelknopf und diesen ganz energisch bis zum Anschlag. Es hatte den Anschein, sie wollte mit Gewalt alles Geschehene, so schnell wie möglich ungeschehen machen. Die Schwester eilte auf das Schellen sofort herbei. Erstaunt blickte sie zu der Patientin. Aus Uta sprudelte es wie ein Wasserfall heraus. „Meine Töchter, stammelte sie, „ich muss sie sofort anrufen, bestimmt sind sie schon in großer Sorge um mich! Die Schwester legte beruhigend ihre Hand auf den Arm von Uta und sagte mit ruhiger Stimme zu ihr, „Frau von Breythenbach ihre Angehörigen sind von der Polizei in Bregenz bereits unterrichtet worden. Eine kurze Stille, dann ein tiefer erleichternder Seufzer. Uta sagte laut in den Raum hinein, „Gott sei dank, meine Kinder wissen bescheid! Wieso in Bregenz? Ich bin in Österreich gelandet?" Die Schwester hatte den Arzt vom Zustand der Patientin unterrichtet und ihn mitgeteilt das Sie, die Patientin, aufgewacht und bei klarem Verstand sei. In der Zwischenzeit versuchte die Schwester die Kissen etwas aufzuschütteln und fragte Frau von Breythenbach was sie gern zum Essen haben möchte. Unterdessen war der Arzt eingetroffen und erkundigte sich über das Befinden bei der Patientin.

    Die beiden Schwestern zu Hause im Herrenhaus, hatten sehr wenig und dazu noch sehr schlecht geschlafen. Zudem wurden sie durch das übermäßig laute läuten der Türkglocke geweckt. Beide sprangen aus ihren Betten, warfen sich einen Morgenmantel über das Nachtgewand und eilten zur Haustür. Auf dem Weg dahin überlegten sie wer zu so früher Stund bei ihnen anschellt. Dann sahen sie schon durch die Glasscheibe der vergitterten Eingangstür zwei uniformierte Polizisten stehen. Hinter ihnen das flackernde Blaulicht.

    Beiden murmelten sie ein: „Oh mein Gott! Mit einem Ruck rissen sie die Tür auf. Noch ehe einer der Beamten etwas sagen konnte, fragten die beiden jungen Damen, wie aus einem Munde, die Herren von der hiesigen Polizeiwache: „Ist etwas mit Mama passiert? Der etwas ältere Beamte beschwichtigte und meinte mit beruhigender Stimme: „Aber meine Damen nun beruhigen sie sich erst einmal. Ganz besonnen und mit gewählten Worten, berichtete er den aufgelösten jungen Frauen. „Wie wir in der Nacht erfahren haben, liegt ihre Frau Mama mit einigen Blessuren in der Stadt-Klinik in Bregenz. Charlotte reagierte sehr aufgeregt und meinte zu dem Polizisten: „Wieso in Bregenz, dazu noch in Österreich? Was hat sie da nur gewollt? „Das können wir ihnen auch nicht sagen, wir wissen darüber zuwenig, ließ sie der jüngere Beamte wissen. „Wir haben hier die genaue Anschrift mit Telefonnummer von der Unfallklinik und den Namen des Behandelnden Doktors. Wenn sie also mehr wissen wollen, bitten wir sie mit dem Doktor im Bregenz Rücksprache zu nehmen. Wir haben soweit alles gesagt. Sie überreichten den Schwestern die Notiz mit Telefonnummer und Anschrift. Damit verabschiedeten sich die Beamten, stiegen in ihr Fahrzeug und fuhren vom Gelände, der von Breythenbach. Zurück blieben zwei völlig verstörte junge Damen die sich erst einmal sammeln und ihre Gedanken in geordnete Bahnen bringen mussten. Isolde, die ältere der beiden Schwestern ging mit der Notiz von der Polizei zum Telefon. Ihre Figur straffte sich, ein ernster Gesichtsausdruck dann ergriff sie den Hörer vom Telefon. Mit einer stocksteifen Geste hielt sie den Hörer ans Ohr und wartete auf den Gesprächsteilnehmer in Österreich. Endlich meldete sich eine Stimme mit deutlichem Schwyzerdütsch, „hier ist die Aufnahme der Bregenzer Unfallklinik, was kann ich für sie tun?

    „Hier spricht Isolde von Breythenbach, ich möchte bitte Herrn Doktor Cornelius Jäggli sprechen, …dringend."

    Isolde hielt den Hörer in einer aristokratischen, keinen Widerspruch duldenden Haltung am Ohr und wartete auf den Herrn Doktor. Die Dame am anderen Ende der Leitung fiel bei soviel Arroganz im Ton und in dieser herrischen Stimme nichts mehr ein. Ohne auch nur noch ein Wort zu der Anruferin zusagen, drückte sie den Verbindungsknopf, und legte den Hörer auf. Mit dem drücken der Weiterleitungsruftatste sollte es jetzt bei Herrn Doktor Jäggli im Büro läuten. Isolde wartete voller Ungeduld. Doch am anderen Ende der Leitung tat sich nichts. Sie war verstummt, Totenstille in der Leitung. Ein menschlicher Fehler, wie es oft vorkommt wenn der betreffende verärgert oder missgelaunt ist. Und die Dame am Empfang, in deren Händen die ankommenden Gespräche lagen. Hatte viel zu schnell den Hörer aus der Hand fallen lassen. Die Technik und der Mensch, dazu die Reaktionszeit, sie kann unterschiedlicher nicht sein. Zornig und wütend, mit unverhohlener Ignoranz, knallte sie den Hörer auf das Telefon und schimpfte wie ein betrunkener Pferdeknecht. Ja Isolde konnte ganz schön fuchtig werden, wenn es nicht so ging wie sie wollte. „Was bildet sich diese dumme Pute eigentlich ein? Bei diesen Worten von Isolde, hatte Charlotte, die sanftmütigere der beiden Schwestern, den Hörer an sich genommen, wählte nochmals die Nummer von der  Unfallklinik und wartete geduldig. Es meldete sich die gleiche Stimme wie beim ersten Mal. Charlotte trug ihre bitte vor. Die Stimme am anderen Ende sagte, wesendlich freundlicher zu Charlotte, „einen Moment bitte, Herr Doktor Jäggli, meldet sich gleich, bleiben sie bitte am Hörer. Charlotte wollte gerade etwas zu ihrer Schwester Isolde sagen da vernahm sie die Stimme am anderen Ende, „hier Doktor Jäggli, ein gebürtiger Schweizer, der im nahen Grenzland seine Tätigkeit in Österreich ausübte.

    „Frau von Breythenbach ihrer Mutter geht es den Umständen entsprechend gut. Bevor sie mich etwas fragen möchte ich sie bitten mir gut zuzuhören. Ihre Frau Mutter hatte einen Autounfall ohne Fremdeinwirkung. Sie hat sich mehrmals überschlagen und wurde mit Fibulafraktur des Unterschenkels sowie einer Fraktur von Ulna und Radius im Bereich des Unterarmes und die Commotio cerebri eingeliefert. Was wir auch bei der anschließenden Untersuchung festgestellt haben. Zur besseren Verständigung, ihre Frau Mutter wurde mit Hautabschürfungen, Gehirnerschütterung und Knochenbrüchen im linken Unterarm sowie im linken Unterschenkel bei uns eingeliefert. Wir haben ihre Frau Mutter, sofort in ein künstliches Koma gelegt, um sie schmerzfrei zu untersuchen. Dabei haben wir die soeben geschilderten Frakturen erkannt und die notwendigen Schritte eingeleitet. Das Bein konnten wir auf konservative Art behanteln, nur den Unterarm mussten wir mit einem Eingriff, richten und drahten. Innere Verletzungen konnten wir nicht feststellen. So, Frau von Breythenbach, jetzt können sie mich fragen."

    Charlotte hatte so viele Fragen an den Herrn Doktor Jäggli das sie gar nicht wusste wo sie anfangen sollte. „Herr Doktor Cornelius Jäggli, wie geht es unserer Mutter, was können wir für sie tun. Wenn unsere Mutter etwas benötigt dann besorgen sie ihr die Sachen wir übernehmen die Kosten. Ach ja, was müssen wir für Untersuchungen, Behandlungen und Aufenthalt entrichten. Wünschen Sie eine Vorauszahlung? Oder rechnen sie es im Ganzen mit uns ab? Wie sie vielleicht wissen unsere Mutter ist Privatpatientin. Hat es Sinn wenn wir nach Österreich kommen oder kann unsere Mutter schon bald nach Deutschland ausgeflogen werden? „Oh mein Gott, das sind ja eine Menge Fragen die sie da haben, meldete sich der Doktor. „Wir haben mit ihrer Mutter alle notwendigen Details besprochen und sie hat alles in die Wege geleitet. Heute, im laufe des Tages, kommt ihre Frau Mutter auf die Privatstation, dann haben sie die Möglichkeit mit ihr persönlich zusprechen. Bis dahin bitte ich sie noch um etwas Geduld. Wenn sie ihre Frau Mutter besuchen möchten so liegt die Entscheidung dafür ganz bei ihnen. In circa vier bis fünf, höchstens sechs Tagen werden wir sie nach Deutschland ausfliegen lassen, wir haben bereits mit dem dafür zuständigen Krankenhaus Kontakt aufgenommen. Ihre Frau Mutter wird sie heute noch anrufen und alles andere mit ihnen besprechen. Ich für meinen Teil habe sie mit allen notwendigen Auskünften versorgt. Grüezi meine Dame und einen schönen Tag noch." Dann hatte der Doktor in der Unfallklinik aufgelegt. Die Leitung war stumm und tot. Isolde hatte mit offenem Mund das Gespräch zwischen Charlotte und dem Doktor verfolgt. Erstaunt hatte sie feststellen müssen dass ihre kleine Schwester viel besser mit fremden Menschen umgehen konnte, als sie es jemals gekonnt hätte.

    Hans-Joachim saß über dem noch weißen Blatt Papier.

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