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Die Witwe und der Rockstar
Die Witwe und der Rockstar
Die Witwe und der Rockstar
eBook473 Seiten6 Stunden

Die Witwe und der Rockstar

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Über dieses E-Book

Katapultiert in die Welt der Stars überwindet eine Kriegswitwe ihren Kummer und findet auf die wohl ungewöhnlichste Art eine neue Liebe und das mit einer gänzlich unerwarteten Persönlichkeit.

Vivienne Stark, Autorin und Kriegswitwe, verbringt beinahe zwei Jahrzehnte damit, ihrem Leben aus dem Weg zu gehen. Als sie dann einen Bestseller schreibt, wird sie in ein ungewolltes Rampenlicht geworfen. Um die Sache noch komplizierter zu machen, ruiniert auch noch ein Betrüger die wohltätige Organisation, die sie gegründet hat, um den Familien gefallener Soldaten zu helfen.

Will Foster, Sänger der berühmten Band Static Neverland, schätzt sich selbst als ganz normaler Typ ein, der einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Umringt von jungen Frauen auf der Suche nach Ruhm und Geld wurde Will schon zu oft das Herz gebrochen und er beschließt, es nicht noch einmal so schnell zu vergeben. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, Vivienne kennenzulernen, was seine Meinung geradezu auf den Kopf stellen könnte.

Außergewöhnliche Umstände führen dazu, dass zwei Menschen eine unverhoffte Liebe finden. Doch können sie die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit und die aktuellen Hindernisse überwinden und ihre Beziehung am Leben erhalten?

SpracheDeutsch
HerausgeberJ.A.
Erscheinungsdatum23. Mai 2018
ISBN9781547531110
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    Buchvorschau

    Die Witwe und der Rockstar - J.A. Thomas

    DIE WITWE

    U  n  d   D  E  R

    Rockstar

    J.A. THOMAS

    Widmung

    Für Vati

    Dich wollte ich vor allen anderen stolz machen. Leider hat es länger gedauert und du konntest es nicht mehr miterleben, aber ich hoffe, dass es mir dennoch gelungen ist.

    Für Nevada

    Es ist nicht gerade Waiting for the Sunrise, aber ich glaube, es würde dir trotzdem gefallen.

    ––––––––

    Danksagungen

    Meiner Mutter, Jeff und Amy: Endlich habe ich es geschafft!

    Danke, Laura, für deine Schönheit und danke dir, Chris, für dein Talent. Ich freue mich jetzt schon auf viele weitere Fotoshootings.

    Ich danke meinen ganz besonderen Freunden, von denen einige vielleicht denken, dass sie bestimmten Charakteren ähneln.

    Du weißt, wer im Buch du bist.

    Bitte verklag mich nicht.

    Dieses Projekt wäre niemals ohne den WRITE CLUB möglich gewesen!

    Ganz besonderer Dank geht an Natalie und Mary! Danke, dass ihr so viel gegeben habt. Jason, Brian, Philly und Matt, ihr wart unglaublich wichtig für dieses Projekt und ich kann euch nicht genug danken. Und an all die ehemaligen WC-Mitglieder: Ihr habt mir jahrelang unglaublich wertvolle Kritik und großzügige Unterstützung gegeben. Ich habe es allein euch zu verdanken, dass ich immer weitergearbeitet habe.

    Den Mitgliedern von Powerhouse Summit: Ihr seid GROSSARTIG! Ich bin euch auf ewig dankbar für eure Ratschläge, Hilfe und Ermutigungen, dieses Buch tatsächlich rauszubringen.

    Kapitel 1

    »Guten Morgen und Danke für Ihren Anruf beim technischen Kundendienst der Glendale Bank. Mein Name ist Joe. Wie kann ich Ihnen heute behilflich sein?«

    Mist. Ich spuckte den Schluck Kaffee, den ich gerade genommen hatte, zurück in den Becher.

    »Ja, guten Morgen! Ich habe Probleme, mich in meinen Account einzuloggen. Mir wird immer angezeigt, dass das Passwort ungültig ist.« Mit einem Taschentuch wischte ich den kleinen Tropfen Kaffee weg, der an meinem Kinn herunterlief.

    »Ich verstehe. Damit helfe ich Ihnen sehr gerne. Wie ist Ihr Vor- und Nachname, bitte?«

    »Vivienne Stark.« Um sicherzugehen und buchstabierte es ihm. Ich hörte zu, wie Joe auf der Tastatur, die ich nicht sehen konnte, herumtippte, und stellte mir einen Kopf und zwei Hände vor, die ohne Körper in der Luft schwebten. Ich beantwortete all seine Fragen, um meine Identität zu bestätigen, und wartete darauf, dass er mein Passwort zurücksetzte. Er sagte, dass ich mich erneut einloggen sollte und vergewisserte mir, dass er am Apparat bleiben würde, um zu sehen, ob das neue Passwort funktionierte.

    »Es hat geklappt!« Lächelnd sah ich zu, wie die Seite mit meinen Finanzen langsam lud, spürte dann jedoch, wie mir das Grinsen wieder aus dem Gesicht rutschte und mein Herz anfing zu rasen. Beide Konten standen auf null. Was zur Hölle? Ich versuchte, beide anzuklicken, um die Details zu sehen, aber es erschienen nur Fehlermeldungen auf dem Bildschirm, eine nach der anderen, die verkündeten, dass die Konten geschlossen wurden.

    »Ähm, Joe? Meine Konten stehen auf null und mir wird angezeigt, dass die Konten geschlossen wurden. Gibt es da ein Problem auf Ihrer Seite?«

    »Ich habe keinen wirklichen Zugriff auf Ihre Konten, Frau Stark. Da müsste ich Sie an unseren Kundendienst weiterleiten.«

    »Bitte tun Sie das«, presste ich durch zusammengebissene Zähne, genervt von all den bisherigen Verspätungen an diesem Morgen. Zuerst funktioniert das Passwort nicht. Dann zwanzig Minuten in der Warteschleife auf einen Technikfreak warten. Und jetzt sind meine Konten leer und geschlossen? Was zur Hölle?

    Zum Glück brauchte ich nur eine Minute in der Warteschleife zu warten. Zwei Minuten länger und ich wäre wahrscheinlich ausgerastet.

    »Guten Morgen und Danke für Ihren Anruf beim Kundendienst der Glendale Bank. Mein Name ist Maria, wie kann ich Ihnen heute behilflich sein?«

    »Guten Morgen, Maria. Ich schaue mir gerade meine Kontoübersicht im Internet an und mir wird angezeigt, dass kein Guthaben auf meinem Girokonto und Sparkonto ist. Das verwirrt mich ein wenig. Könnten Sie sich das mal ansehen?« Ich gab mir extreme Mühe, ruhig und freundlich zu bleiben.

    »Natürlich. Damit helfe ich Ihnen sehr gerne. Wie ist Ihr Vor- und Nachname, bitte?«

    Ich rollte mit den Augen und bestätigte noch einmal, dass ich wirklich ich war. Dann wartete ich darauf, dass Maria mir sagen würde, dass es sich nur um eine Macke des Computers handelte oder dass das System sich gerade in der Mitte eines Updates befand. Oder dass irgendjemand ganz woanders einen riesigen Fehler gemacht hatte, aber dass letztendlich alles in Ordnung sei.

    Zum Glück hielt ich nicht die Luft an, während ich wartete.

    »Frau Stark? Hier steht, dass gestern Ihr gesamtes Guthaben abgehoben wurde und die Konten geschlossen wurden.«

    »Was?«, kreischte ich in den Hörer. »Von wem?« So viel zum Thema ruhig bleiben.

    »Lassen Sie mich nachsehen.«

    Ich konnte noch mehr Getippe hören, das so schnell raste wie mein Herz. Mir perlte der Schweiß auf der Oberlippe.

    »Anthony Lyleson hat die Konten geschlossen und einen Bankscheck in Höhe von 762.412,36 Dollar eingelöst.«

    »So ein Scheißkerl!« Mein Herzrhythmus erreichte einen neuen Höhepunkt und es strömte so viel Adrenalin durch meinen Körper, dass ich zu zittern begann. Meine Achselhöhlen brannten von prickelndem Schweiß. »Ich dachte, dass beide Kontoinhaber unterzeichnen müssen, um Geld abzuheben oder um einen Scheck ausgestellt zu bekommen? Wie konnte er das ohne meine Unterschrift machen?«

    »Sie sind zurzeit nicht in Kalifornien, Frau Stark?«

    »Nein, ich bin in Michigan.« Ich hoffte, dass ich mich nicht gleich übergeben müsste.

    »Einen Moment, bitte.«

    Mir war etwas schwindelig, als ob ich gleich in Ohnmacht fallen würde. Ich beugte mich auf meinem Stuhl vorn über und steckte meinen Kopf zwischen die Knie. Meine frisch gefärbten, roten Haare umgaben meinen Kopf und hingen bis zum Boden. Der leichte Geruch von Ammoniak stieg mir in die Nase und brachte mich wieder zu Sinnen. Anthony Lyleson. Tony Scheiß-Lyleson. Der Mann, dem ich die Verantwortung für meine wohltätige Stiftung übergeben hatte, war ein verlogenes, diebisches Rattenschwein.

    »Ihre Unterschrift war auf dem Scheck, den er vorgelegt hat, Frau Stark. Ich kann ein Bild davon an die E-Mail-Adresse schicken, die wir hier in unserer Akte haben.« Marias Mangel an Emotionen schürte meinen anwachsenden Wutanfall.

    »Tun Sie das!«, bellte ich und setzte mich aufrecht hin. Ich holte tief Luft, was die schwindelerregenden Kopfschmerzen nur noch schlimmer machte und meinen Schädel zum Pulsieren brachte.

    Während ich auf die E-Mail wartete, sprang ich auf und begann, auf dem knarrenden Holzfußboden im Wohn- und Esszimmer hin- und herzugehen. Jedes Knarren erfüllte meine Ohren und vermengte sich mit dem Rauschen meines Blutes, das mir die Venen hoch und in meine Schläfen schoss. Wenn das keine Migräne verursachte, dann wusste ich auch nicht. Was zur Hölle sollte ich bloß tun? Eine Dreiviertelmillion Dollar auf und davon. Puff! Ich blinzelte eine Welle frustrierter Tränen weg, als Maria wieder mit ihrer emotionslosen Art zu sprechen begann.

    »Wenn das eine unbefugte oder betrügerische Transaktion war, Frau Stark, muss ich Sie an unsere Abteilung für Betrugsermittlung weiterleiten.«

    »Nein, warten Sie!«

    Ich wollte zuerst die E-Mail erhalten, bevor ich Maria in die Untiefen des Telefonweltraums entkommen ließ. Zu spät. Die Warteschleifenmusik dröhnte plötzlich wieder in den Hörer und ich zuckte heftig zusammen. Ich stieß einen schrillen Schrei aus, der das Trommelfell der Telefonistin, die mir abermals für meinen Anruf dankte und fragte, wie sie mir helfen könnte, sicher platzen ließ.

    Mir helfen? Sie könnte mir vielleicht helfen, indem sie die Zeit zurückdrehte! In dem Augenblick verkündete ein Klingelton eine neue Email und ich ließ mich wieder auf meinen Stuhl vor dem Laptop sinken. Während ich mit der Betrugsermittlerin sprach, öffnete ich den Anhang der Mail und mir fiel sofort die schlechte Fälschung meiner Unterschrift auf, die unter der von Anthony Lyleson auf einem Scheck der »Leben einer Witwe«-Stiftung stand. Schlimm genug, dass die Unterschrift meiner eigenen überhaupt nicht ähnelte, aber Tony war auch noch dumm genug gewesen, meinen Namen falsch zu schreiben. Er hatte ein »n« vergessen.

    Ich verbrachte den Rest meines Morgens damit, mit den Bankangestellten zu diskutieren. Der Versuch, sie davon zu überzeugen, dass ich diese Veruntreuung nicht bewilligt hatte, erwies sich als vergeblich. Ich hörte auch auf mitzuzählen, wie oft ich sie fragte, ob ich wirklich meinen eigenen Namen falsch schreiben würde. Letztendlich stimmten sie zu, dass die Transaktion ein Betrug war, aber sie gaben nicht zu, dass es sich um einen Fehler ihrer Seite handelte, und sie übernahmen keinerlei Verantwortung. Es müsse ein Polizeibericht ausgefüllt und eine Ermittlung eingeleitet werden und meine Anwesenheit in Kalifornien wäre zwingend notwendig. Sie eröffneten ein neues Konto, für das alleine ich autorisiert war. Ich musste sofort Gelder von meinem privaten Konto dorthin überweisen, damit die Schecks, die an zahlreiche Familien gesendet wurden, nicht zurückgewiesen werden würden. Mist, das wäre das Letzte, was diese armen Familien jetzt brauchten. Die Glendale Bank versprach hoch und heilig, dass sie jeden Scheck, der vor der Überweisung ankäme, selbst auszahlen würden. Sie schworen auch mit erhobener Hand, dass sie mich direkt und umgehend kontaktieren würden, wenn einer der Schecks verdächtig aussehe.

    Ich glaubte nicht daran, dass die Polizei Tony schnappen würde. Er hatte wahrscheinlich das Land verlassen, sobald er aus der Bank gekommen war. Genau wie Andy Dufresne aus Die Verurteilten, nur dass Andy ein guter Kerl war und Tony sich als Ruin meiner Existenz herausstellte.

    Ich rief auch meinen Agenten an, Jake Rushmore, um ihm zu erzählen, was passiert war. Er rastete noch mehr aus als ich, machte sich jedoch mehr Sorgen um die negative Publicity als um das verloren gegangene Geld.

    »Du musst sofort hierherkommen«, schnaubte er durch die Leitung, nachdem er eine Reihe von Flüchen von sich gegeben hatte.

    »Ich weiß ...«

    »Ich mein es ernst. Beweg deinen Arsch noch heute ins Flugzeug!«

    »Jake, ich ...«

    »Ich werde Ariadne sagen, dass sie deinen Flug buchen soll. Ari! Gehen Sie sofort online und schaffen Sie mir Vivienne Stark noch heute Abend nach Los Angeles!«, schrie er und ich konnte mir vorstellen, wie sein Gesicht einen immer dunkleren Magentaton annahm.

    Mit geschürzten Lippen hörte ich zu, wie er über Schadensbegrenzung und Pressemeldungen laberte und darüber, wie er mich so bald wie möglich ins Fernsehen bringen wollte. Natürlich befasste er sich nicht mit den Hunderten von Witwen, Witwern und deren Familien, denen die Stiftung helfen sollte. Das wäre schließlich meine Sorge. Arschloch, dachte ich eher unfreundlich.

    Ich hielt das Telefon weg von meinem Ohr und rief so laut ich konnte seinen Namen.

    »Jake!«

    »Was?!«

    »Schick mir einfach die Infos per Mail und dann komme ich.«

    »Okay. Es sollte bald alles bei dir ankommen. Wir reden später.«

    Obwohl ich mich bei dem Gedanken an Essen gerne übergeben hätte, ging ich in die Küche, um mir ein Sandwich zu machen. Wenn mein Blutzuckerspiegel noch weiter sinken würde, würde ich wahrscheinlich ins Koma fallen, noch bevor ich mich auf den Weg nach Kalifornien machen könnte. Ich mischte etwas Thunfisch und Mayonnaise und strich es auf eine Scheibe Brot. Ich versuchte, kleine Bissen zu mir zu nehmen und langsam zu kauen, aber das Essen wollte einfach nicht meinen Hals herunterrutschen. Es kam nicht an dem Schuldkloß vorbei, der sich dort festgesetzt hatte. Ich warf das Sandwich zur Seite und griff nach dem Telefon. Ich rief meine lokale Bank an und überwies fast meine gesamten Ersparnisse. Das war aber noch lange nicht genug, nicht einmal die Hälfte dessen, was Tony gestohlen hatte. Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um.

    »Kriegswitwe« war nicht gerade der Titel gewesen, den ich mir für meine lebenslange Visitenkarte gewünscht hatte – dafür hatte ich »Autorin« vorgesehen. Indem ich aber eine fiktive Version meiner persönlichen Tragödie veröffentlicht hatte, war ich für immer mit beiden verbunden. Das Leben einer Witwe wurde mein Lebenswerk. Ursprünglich hatte ich es als E-Book auf Amazon selbst veröffentlicht. Doch nur eine kurze Zeit später hatten Mundpropaganda und soziale Medien es wie eine Erfolgsrakete ins All geschickt. Ein Verlag hatte mir einen Vertrag angeboten und innerhalb von sechs Monaten stand das Buch auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde für den National Book Award nominiert.

    Dafür, dass alles als tränenverschmierter und schwafelnder Tagebucheintrag begonnen hatte, war der Erfolg überwältigend – und niemand war davon mehr schockiert als ich. Zwölf Jahre lang war es lediglich eine Geschichte über den schweren Kummer in meinem Herzen gewesen. Jeden Tag erbrach ich die Worte aufs Papier, um mich von der Qual zu befreien. Doch anstatt damit alles hinter mir zu lassen, blieb ich in meinem Kummer eingehüllt. Ein Leben voller Schmerzen und Verlust erschien einfacher, als leben und lieben neu zu erlernen.

    Nach etwa vierzehn Jahren begann ich mit dem Gedanken zu spielen, meine Erfahrungen in ein Buch umzuwandeln. Ich könnte versuchen, es zu veröffentlichen, vielleicht würde es sogar etwas Geld einbringen. Ich könnte »ich« in »sie« und »ihr« umformulieren. Könnte »ihr« einen Namen und ein Happy End geben. Die Hauptfigur könnte eine neue Liebe finden und ein richtiges Leben führen, selbst wenn mir das nicht gelingen würde. Ich stellte diese Idee meinen Freunden aus der Schreibgruppe vor und sie waren sofort begeistert. Sie kannten meine Geschichte und glaubten, dass sie für die Männer und Frauen, die das Gleiche durchmachten, sehr bewegend sein würde.

    Als Das Leben einer Witwe immer bekannter wurde, erhielt ich Tausende von Briefen und E-Mails, deren Worte meine eigene Pein und Qual nur zu gut beschrieben. Eine Menge Hinterbliebene schrieben mir, dass das Buch sie sehr berührte und ihnen Hoffnung gab, selbst wenn sie die meiste Zeit beim Lesen geweint hatten. Sie fragten, wie ich ihre Gefühle und Gedanken so gut verstehen konnte, und bedankten sich bei mir dafür, dass ich »ihre« Geschichte erzählt hatte. Da es sich um ein fiktives Buch handelte, behielt ich das Geheimnis, nämlich dass es auf meinen eigenen Lebenserfahrungen beruhte, sorgsam behütet für mich. Nur meine Familie, meine Freunde und Jake wussten davon.

    Zuvor hatte ich bereits eine beträchtliche Anzahl von Büchern – Romanzen und Frauenliteratur – selbst veröffentlicht, was mir einen bescheidenen Lebensstil außerhalb der Bürojobschublade ermöglichte. Das Leben einer Witwe brachte dann das große Geld ein. Ich brauchte mir keine Sorgen mehr um Rechnungen zu machen. Eigenmarken anstelle von Markenartikeln einzukaufen, gehörte der Vergangenheit an. Und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich eine Vision von Sparkonten und Rentenvorsorge in meiner Zukunft. Alle außerhalb meines engsten Kreises glaubten wahrscheinlich, mein Leben wäre perfekt.

    Doch es fehlte etwas. Ich war mir ziemlich sicher, dass das Universum mir sagen wollte, dass ich die Vergangenheit loslassen, nach vorne schauen, meine Identität als Witwe abwerfen und wieder wie ein normaler Mensch leben sollte. Für mich war dieser Vorschlag angsteinflößend. Stattdessen zermarterte ich mir den Kopf und suchte nach einer Möglichkeit, Gutes zu tun und etwas zurückzugeben, ohne dass ich noch mehr von mir preisgeben musste, als ich es bereits getan hatte. Ich wollte Menschen helfen und gemeinnützige Arbeit leisten und somit mein Glück an andere weitergeben. Dabei wollte ich aber nicht großtuerisch oder zu demonstrativ wirken.

    Die Idee war am Ende nicht einmal meine eigene gewesen. Etwa sechs Monate nach dem anfänglichen Medienhype um Das Leben einer Witwe bat mich eine wohltätige Organisation, die Veteranen unterstützte, um eine Spende und fragte mich, ob ich Werbung für sie machen könnte. Ich war sofort mit der Spende einverstanden, wies allerdings die Idee, Werbung für sie zu machen, zurück. Wenn ich meinen Namen für etwas hergeben würde, dann für etwas, das ich selbst kontrollierte. Und so entstand die »Leben einer Witwe«-Stiftung. Offiziell sollte die Stiftung Witwen, Witwer und Kinder gefallener Soldaten unterstützen. Mir persönlich erlaubte es jedoch auch, mich in der Sicherheit meines Witwendaseins zu verstecken und das wirkliche Leben zu vermeiden.

    Ich spendete ein Drittel des Profits, den das Buch einbrachte, um die Stiftung ins Rollen zu bringen. Ich begann, meine Freunde, meine Familie und sonst alle, die ich kannte, anzurufen, um weitere Spenden zu erhalten. Meine Mutter und meine Freunde halfen mir dabei, lokale Spendensammlungen zu organisieren und Flyer rauszuschicken, und unterstützten mich auch bei anderen alltäglichen Arbeiten, die in der jungen Organisation anfielen. Wie sich später herausstellen sollte, war es mein erster Fehler gewesen, Jake die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen zu lassen. Plötzlich überschlug sich alles – Spenden kamen aus dem ganzen Land, als es bekannt wurde, dass ich die Stiftung gegründet hatte. Ich brauchte jemanden, der all die harte Arbeit machen konnte, auf die ich so überhaupt nicht vorbereitet gewesen war. Jake gab mir eine Namensliste, die ich durcharbeiten sollte. Sie führte angesehene Leute auf, die in der Vergangenheit bereits für große gemeinnützige Organisationen verantwortlich gewesen waren. Tony Lylesons Name war nicht auf dieser Liste. Es war mein Pech, dass er auf einer der Spendensammlungsaktionen aufgetaucht war, die wir organisiert hatten. Er quatschte mich expertenhaft voll und ich biss an wie ein dummer Barsch aus dem Lake St. Clair.

    Innerhalb von sechs Wochen wurde Tony Lyleson Manager der »Leben einer Witwe«-Stiftung, was mir ermöglichte, zu meinem Leben voller Unklarheiten in St. Clair Shores, Michigan, zurückzukehren. Er überredete mich, die Stiftung nach Los Angeles zu verlagern, da er dort wohnte. So könnte er bei einer Reihe von Prominenten für Spenden und große Namen für die Stiftung werben. Er versprach mir einen Erfolg für die Stiftung jenseits von allem, was ich mir je vorgestellt hatte. Er spann Geschichten über Benefizveranstaltungen im Fernsehen und berühmte Rockstars und Bands, die dort auftreten würden. Tony überzeugte mich, dass die »Leben einer Witwe«-Stiftung eines Tages genauso philanthropisch wie das Rote Kreuz sein würde. Ich war wie hypnotisiert von seiner charismatischen Leidenschaft und anscheinenden Hingabe für eine Sache, die mir so sehr am Herzen lag. Die Vorstellung, dass ich endlich mehr auf der Welt bewirken konnte – nicht nur mit schrulligen Romanen – und gleichzeitig in dem Ort bleiben konnte, in dem ich geboren und aufgewachsen war, machte mich versessen. So einfach vertraute ich ihm, so einfältig.

    Jetzt waren all meine Träume zerstört – wie die jedes Soldaten, der im Krieg gewesen war. Scheißkerl!

    Ich warf den Pappteller mit dem Rest Sandwich in den Müll, stapfte ins Schlafzimmer und verzog auf dem ganzen Weg das Gesicht, da meine Magensäure ein erstklassiges Sodbrennen aufwühlte. Ich sackte auf der Bettkante zusammen und ließ beschämt den Kopf hängen. Ich konnte niemandem etwas vorwerfen – außer mir selbst.

    Ich wischte mir mit dem Ärmel übers Gesicht und schniefte laut. Ich ließ mich aufs Bett fallen, starrte eine Weile an die Decke und ließ die Tränen fließen bis das Haar an meinen Schläfen komplett durchnässt war. Mir war egal, wie viel Zeit verstrich, und ich dachte über all die Dinge nach, die nicht irgendwie eindeutig beantwortet werden konnten. Wie konnte ich nur so blind gewesen sein? Warum hatte ich nicht schon gestern die Konten überprüft? Warum hatte die Bank einen Scheck angenommen, auf dem meine Unterschrift eindeutig nicht der in den Akten ähnelte?

    Ich hätte mich genauso gut fragen können, warum eigentlich kein Kobold mit einem Topf voller glänzender Goldmünzen an meiner Türschwelle auftauchte. Ich drehte den Kopf zur Seite und mein Blick fiel wie automatisch auf die Urne. Sie stand neben der Vitrine mit der amerikanischen Flagge auf dem Wandregal. Über beide hatte ich Bruce’ abgenutzte Erkennungsmarken gehängt. Es spielte keine Rolle, dass es schon siebzehn Jahre her war. Ich spürte immer noch ein starkes Verlangen nach meinem besten Freund an meiner Seite, nicht nur als Asche in einem Gefäß aus Edelstahl.

    »Was soll ich bloß tun, Bruce? Ich wollte doch nur anderen Menschen helfen.« Meine Stimme bebte im Einklang mit meiner Unterlippe.

    Ich hatte zwar nicht wirklich auf eine Antwort gewartet, aber als die Türklingel genau dann ertönte, als ich aufhörte, mit dem leeren Zimmer zu sprechen, machte ich mir beinahe in die Hose. Verdutzt setzte ich mich in Bewegung, spurtete aus dem Schlafzimmer, den Flur entlang und zur Vordertür meines kleinen Einfamilienhauses. Ich stieß die Tür auf und ein FedEx-Zusteller strahlte mich an. Sein Lächeln zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, als er sah, wie schrecklich ich aussah. Er streckte seinen Arm aus, um mir einen flachen Briefumschlag entgegenzureichen.

    »Vivienne Stark?«, fragte er und schaute mir dabei nicht in die Augen.

    »Ja.«

    »Bitte hier unterschreiben.«

    Ohne zu zögern, öffnete ich die Fliegengittertür und lehnte mich hinaus, um meinen Namen in die kleine Box auf dem Unterschriftenpad zu kritzeln. Ich bedankte mich bei ihm, während er die Stufen meiner Veranda heruntersprang, und ging zurück ins Haus. Ich riss den Briefumschlag auf, neugierig und ängstlich was mich erwartete. Was jetzt?

    ★★★★★

    Mich an den Armlehnen von Sitz 24E festzuklammern, half nicht, meine Befürchtung zu beseitigen, dass das Flugzeug auf der Landebahn wie ein feuriger Ball der Zerstörung abstürzen würde, statt so sanft und präzise wie üblich zu landen. Hätte ich zu Fuß nach Kalifornien gehen können – ich hätte ich es getan. Allerdings hatte ich nicht genug Zeit für einen etwas längeren Spaziergang.

    Stattdessen verließ ich den Detroit Metro Flughafen um fünf Uhr abends auf dem Flug, den Jake für mich gebucht hatte. Als das Flugzeug endlich an dem Flugsteig zum Stehen kam und ich hörte, wie die zugeschweißte Tür mit einem Zischen aufging, begann ich wieder zu atmen. Normalerweise bin ich eine sehr höfliche Person, lasse andere Menschen vorgehen, halte ihnen die Tür auf, solche Sachen halt. Wenn aber Fliegen involviert ist, ist Vorsicht angesagt! Ich griff mein Handgepäck aus dem Gepäckfach und kam einem Businessmann und einer älteren Dame etwas zu nahe, um meinen Arsch so schnell wie möglich aus dem Flugzeug zu kriegen.

    Mit meinem Koffer endlich in der Hand, nachdem ich zwanzig Minuten lang beim Gepäckförderband gewartet hatte, eilte ich durch den Flughafen und hinaus in die schwüle Nacht. Ich spähte umher. Jake hatte mir versichert, dass ein Wagen auf mich warten und mich zu meinem Hotel bringen würde, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von EJR Productions, einer der weltweit größten Filmproduktionen. EJR bezahlte, weil sie die Rechte von »Das Leben einer Witwe« für eine Kinoadaption kaufen wollten und ich jetzt tatsächlich nach Kalifornien gekommen war. Ein anderes Unternehmen, Gleaming Bee Pictures, wollte ebenfalls die Rechte haben. Es sah so aus, als würde es tatsächlich einen Bieterstreit geben.

    Nach all dem Untreuedrama an diesem Morgen war ein förmliches Kaufangebot eines Filmstudios das Letzte, was ich von FedEx erwartet hatte. Als ich Jake anrief, um ihm davon zu erzählen, erbebte er beinahe vor Aufregung, weil er im gleichen Augenblick einen ähnlichen Briefumschlag von Gleaming Bee Pictures in den Händen hielt. Ich wagte nicht, mich zu fragen, ob die Umstände überhaupt noch grotesker werden konnten. Diese Art von Energie wollte ich nicht in das Universum hinausschicken.

    Ich erblickte einen großen, schlanken Mann, der à la »Men in Black« gekleidet war und ein Schild mit meinem Namen hielt. Während ich mit meinen Armen wie eine Verrückte in der Luft herumwedelte, bemerkte ich nicht, dass ich innerlich immer nervöser wurde. Es spielte keine Rolle, dass Jake mir geschrieben hatte, dass ich nach einem Auto mit Fahrer Ausschau halten sollte. Das bedeutete schließlich nicht, dass tatsächlich jemand auf mich warten würde. Ich klang wahrscheinlich idiotisch, als ich mich fünf Mal bei dem Mann dafür bedankte, dass er meine Tasche nahm. Er nickte und lächelte freundlich, während er mir die Autotür aufhielt, damit ich hineinschlüpfen konnte. Herr Men-in-Blacks Name war Marvin und er fragte mich, ob ich vor dem Hotel noch irgendwo anders Halt machen wollte. Ich ließ mich in den weichen Ledersitz des Lincoln Town Cars sinken, schüttelte verneinend den Kopf und schloss die Augen. Die Uhr verkündete zwar, dass es kurz nach zehn war, aber wegen der Zeitverschiebung fühlte es sich für meinen Körper an, als wäre es mitten in der Nacht.

    »Nur zum Hotel, bitte.«

    »Okay, Frau Stark.«

    Während der Wagen den Freeway entlangraste, entwarf ich schnell eine kurze E-Mail an meine Mutter in Michigan, um ihr zu versichern, dass ich gut angekommen war. Sie hatte mich zwar gebeten, sie sofort anzurufen, wenn ich da wäre, aber ich würde sie auf keinen Fall um ein Uhr morgens wecken. Sie näherte sich ihren Achtzigern und ich wollte sie nicht ihrer wohlverdienten Ruhe berauben. Ich wusste, dass sie später ihre E-Mails und Facebooknachrichten auf ihrem Computer am Frühstückstisch lesen würde. Ich gab mich lieber mit dem Geschimpfe ab, das ich sicher erhalten würde, wenn ich das nächste Mal mit ihr sprechen würde.

    Marvin lieferte mich heil am Ritz Carlton ab und ich war sprachlos bei dem eleganten Anblick des Hotels. Meine Schritte hallten durch die riesige Lobby, obwohl ich lediglich ein Paar alter, hochgeschnittener Converse trug. Alles funkelte und glitzerte. Der Geruch von hochwertigen Reinigungsmitteln gemischt mit dem Duft von frischen Blumen erfüllte die Luft.

    Die junge Frau an der Rezeption checkte mich ein, lächelte mit professioneller Leichtigkeit und reichte mir zwei Plastikkarten als Zimmerschlüssel. Mit eingeübtem Tonfall beschrieb sie mir den Weg zum Aufzug und fragte, ob ich Hilfe mit meinem Gepäck benötigte.

    »Nein, das geht schon. Ich mach das.« Ich erwiderte ihr Lächeln und ging in die Richtung, in die sie gedeutet hatte.

    Ich fuhr bis zum zwölften Stock und genoss das vibrierende Gefühl in meinem Magen, als der Aufzug mit einem sanften Ruck zum Stehen kam. Ich bin nur ein einfaches Mädchen vom Land aus bescheidenen, vorstädtischen Verhältnissen, weswegen mich die opulente Suite, die man mir gegeben hatte, stark beeindruckte. Als ich auf den flauschigen Teppich trat, sank ich beinahe einen ganzen Zentimeter ein. Die weißen und cremefarbenen Streifen an der Wand waren mit klitzekleinen Kristallen besetzt. Alle Möbel waren strahlend weiß und mit dem weichsten Leder bespannt, das ich je berührt hatte. Das übergroße, breite Doppelbett sah einladender aus als ein Pulitzerpreis für Belletristik. Na ja, fast.

    Als ich meinen Koffer auf das Bett hievte, dudelte mein Handy plötzlich »Cadillac Ranch« von Bruce Springsteen in meiner Handtasche. Ich warf mich quer auf das Bett und ging gerade noch rechtzeitig ran.

    »Du hast es geschafft.« Jake klang erleichtert, als glaubte er, ich hätte vielleicht kalte Füße bekommen.

    »Ja, ich bin hier.« Ich rollte mich auf den Rücken und versuchte, ruhig zu atmen.

    »Ruh dich gut aus. Der Wagen holt dich morgen früh um genau 06:30 Uhr ab. Nach Good Day L.A. fährst du zu den NBC-Studios. Danach habe ich eine Reservierung für uns um 13:00 Uhr zum Mittagessen gemacht und danach treffen wir uns mit der EJR-Produktion um 15:00 Uhr. Es wird ein anstrengender Tag.«

    »Meinst’e?« Ich konnte hören, wie er auf der Tastatur herumtippte.

    »So. Ich habe es dir gerade per Mail geschickt und schicke dir auch noch eine SMS.«

    »Danke.« Ich konnte meinen Sarkasmus nicht verstecken. Ich hatte doch ein offenes Rückflugticket nach Michigan. Musste er wirklich meinen ersten Tag in Kalifornien so vollpacken? Wie blöd war das denn?

    »Die Pressemitteilung ist vor ein paar Stunden rausgegangen und ich habe hunderte von Telefonanrufen gemacht. Ich will lieber die Flamme kleinhalten, bevor die mit dem Untreuequatsch ankommen.« Jake klang so erschöpft wie ich mich fühlte. »Der Anwalt will 10.000 Dollar Vorschuss.«

    »Na, zum Glück habe ich mein Scheckbuch mitgebracht«, murmelte ich.

    »Was hast du gesagt?«

    »Wann treffen wir uns mit der Bank und der Polizei?« Ich rieb mir mit der Hand über Augen und Stirn. Der Schwall an neuen Informationen bereitete mir Kopfschmerzen.

    »Übermorgen früh. Die Anwaltskanzlei hat gesagt, dass sie jemanden schicken. Ich habe ihnen gesagt, dass wir einen Partner wollen, da wir so viel Scheißgeld wegen denen ausgeben werden.«

    Ich setzte mich langsam auf und ächzte, als ein Muskel in meinem unteren Rücken damit drohte, aus seiner Verankerung zu springen. Mist, das war wirklich das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte.

    »Warum treffen wir uns schon so früh mit EJR?« Ich wimmerte fast und zuckte ein wenig zusammen. »Ich meine, warum treffen wir uns nicht zuerst mit dem Anwalt, der Polizei und der Bank?«

    »Weil die Bank uns eben keinen früheren Termin gegeben hat«, sagte Jake, langsam mehr mit Herablassung als Geduld in der Stimme. »Sie wissen, dass sie in der Patsche stecken und uns Geld schulden, wissen aber noch nicht, wie sie ihre Ärsche retten können. Und mit EJR treffen wir uns zuerst, weil sie im Moment das meiste Geld anbieten.«

    »Außerdem spendieren sie die Hotelkosten.« Ich sah mich um und fragte mich, wieviel das Zimmer wohl kostete. Ich wollte es nicht einmal wissen. Ich hockte mich hin, um meinen Koffer unter die Kommode zu schieben.

    »Das stimmt. Geh erst mal ins Bett und morgen früh sprechen wir gleich noch mal.«

    »Kommst du nicht mit?« Ich hatte gehofft, dass ich während des Interviews mit jemandem mental Händchen halten konnte.

    »Nein, ich habe noch Radiozeugs zu tun. Ich treffe dich dann im Restaurant zum Mittagessen. Ich habe dein Tagesprogramm an Marvin geschickt.«

    Ich nickte anerkennend wegen all der Details, die Jake organisiert hatte, und sagte ihm, wie dankbar ich war. Ich war allein schon so verwirrt darüber, dass ich in Kalifornien war, extrem wütend über meine derzeitige finanzielle Situation und hätte niemals alles so kompetent arrangieren können wie er. Na ja, er und seine Sekretärin Ariadne. Ich nahm mir vor, Ari eine Kleinigkeit zu schicken, aus Dank für ihre harte Arbeit. Jake bekam seine fünfzehn Prozent, er brauchte kein Geschenk.

    Ich legte auf, stöpselte mein Handy ein, um es aufzuladen, und stellte meinen Wecker auf viertel vor sechs. Ich hatte Angst, dass ich vielleicht auf die Schlummertaste drücken oder, Gott bewahre, das verdammte Ding ganz ausstellen würde. Also rief ich zusätzlich die Rezeption an und bestellte einen Weckruf für sechs Uhr. Jetzt war ich mir sicher, dass ich nicht verschlafen und die ganze Arbeit in den Sand setzen würde. Beruhigt zog ich mein T-Shirt und meine Shorts an und kroch ins Bett.

    Ich atmete tief ein, kuschelte mich in das weiche, kühle Bett, unter die bauschige Daunendecke, und schlang meine Arme um eins der gigantischen Kissen. Meine Augenlider wurden immer schwerer, als ich eine meiner vielen Entspannungsübungen machte, die mir beim Einschlafen helfen sollten.

    Dann lag ich dort. Und schlief nicht ein.

    ★★★★★

    Wie versprochen, wartete Marvin um genau 06:30 Uhr unten auf mich. Ich hatte noch immer mein T-Shirt, die Yogahose und meine schwarzen Chucks an, brachte aber ein elegantes Wickelkleid aus brauner Seide und einfache, schwarze Pumps mit, die ich bei meinen Fernsehauftritten tragen wollte. Wegen meiner fast komplett schlaflosen Nacht sah ich allerdings schrecklich aus. Mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht fragte Marvin mich, ob ich gut geschlafen hätte. Ich sah ihn nur finster an. Kaum hatte er die Tür hinter mir geschlossen, schrie mein Handy bereits: »SMS!«. Sie war von Jake, der sichergehen wollte, dass ich pünktlich und auf dem Weg war.

    Bist du unterwegs?

    Ich antwortete mit »ja« und rief dann meine Mutter an. Sie nahm bereits nach dem ersten Klingeln ab.

    »Du hättest mich anrufen sollen!«, schimpfte Olivia Forest.

    »Und du hättest wissen müssen, dass ich das nicht tue.« Wir lachten. »Es war schon nach eins, Mama. Ich war zu müde.«

    »Okay, ich vergebe dir. Wo bist du jetzt?«

    »Ich bin im Auto, auf dem Weg zum Fernsehstudio.«

    »Welches denn? Kann ich zuschauen? Wird es live ausgestrahlt?« Ihre Fragen schossen hervor wie ein Schnellfeuer.

    »Weiß ich nicht, weiß ich nicht und weiß ich nicht.« Ich schüttelte den Kopf und lehnte ihn zurück gegen den Sitz. »Ist auch egal. Ich kann dir später die Links zum Fernsehsender schicken.«

    »Wehe, wenn nicht!«, drohte meine Mutter. »Die Umstände tun mir natürlich unendlich leid, aber du weißt ja, dass ich dich gerne im Fernsehen sehe!«

    »Mmpf.« Ich stöhnte. Dann musste ich lächeln. Die auf ewig stolze Mama. »Ich verspreche, dass ich dir alles per Mail schicke, wenn ich dazu komme. Ich habe

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