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Der Müßiggänger: Roman
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eBook279 Seiten3 Stunden

Der Müßiggänger: Roman

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Über dieses E-Book

Arbeiten? Warum eigentlich, wenn man Hartz IV beziehen und in der Villa der Eltern wohnen kann?
'Der Müßiggänger' erzählt die Liebesgeschichte eines nicht mehr ganz jungen 'Privatiers', der wieder bei den Eltern eingezogen ist und in den Tag hinein lebt. Als Rainer sich dann jedoch Hals über Kopf in Jenny, eine junge Studentin, verliebt, verändert sich mehr, als ihm eigentlich lieb ist.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum7. Aug. 2015
ISBN9783739293479
Der Müßiggänger: Roman
Autor

Christian Günther

1961 in Hamburg geboren. Studium der Literaturwissenschaft. Lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Bonn. Bespricht als Deutschlehrer seine eigenen Kurzgeschichten im Unterricht, damit sie mehr Leser finden. Bisherige Veröffentlichungen: Ferragosto (Kurzgeschichte) 2022 in der eDition des VHV Verlags Berlin, Drei ältere Männer 2021 in der Zeitschrift mosaik (Salzburg). Drei Romane und ein Band mit Kurzprosa im Selbstverlag.

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    Buchvorschau

    Der Müßiggänger - Christian Günther

    Inhaltsverzeichnis

    I Sommer

    1 Schwimmbadgespräche

    2 Privatier

    3 Ein Tag im Leben des Rainer Dieterowitsch

    4 Entspanntes Schweigen

    5 Ljubóv

    6 Möbelpacker

    7 Wohngemeinschaften

    8 Call me

    9 Goodbye – Hello

    10 Im Supermarkt

    II Frühling

    11 Anstandsbesuch

    12 Pfannkuchen

    13 Der Kurier des Zaren

    14 Baba

    III Wieder Sommer

    15 Im Halbfeld

    16 An der Leine

    17 Tannhäuser

    18 Nachtportier

    19 Regrediert

    20 Exe

    IV Wieder Frühling

    21 Leuchten

    I Sommer

    1 Schwimmbadgespräche

    Ich parkte den Mercedes meines Vaters vor dem Arbeitsamt und ging in das Hochhaus hinein. Im Treppenhaus waren Fangnetze gespannt. In der langen Schlange, die sich vor der Annahme gebildet hatte, taten alle so, als seien sie erfolgreiche Arbeitnehmer und bestens integrierte Mitglieder der Gesellschaft. Ständig sahen sie auf ihre Armbanduhren und blätterten in Terminkalendern, um zu zeigen, was für viel beschäftigte Leute sie waren. Einige sprachen im Business-Ton in ihre Handys, andere reihten Bluff-erfahren in kleinen Gesprächen gekonnt Wörter wie „Arbeitsmarktnische, „Bewerbungsprofil und „Promotionsstipendium" aneinander.

    Als ich nach einer dreiviertel Stunde an der Reihe war, sagte mir die Angestellte, ich solle mich in den Wartebereich setzen. Nun konnte ich die Schlange von der Seite betrachten. Es wäre ganz gemütlich gewesen, wenn mich die Lautsprecheransagen von Namen und Zimmernummern nicht immer wieder aufgeschreckt hätten.

    Schließlich hörte ich meinen Namen und machte mich auf die Suche nach Zimmer 23. Als ich es gefunden hatte, klopfte ich an die Tür. Niemand antwortete. Ich klopfte noch einmal. Wieder kein Laut. Vielleicht hatte sich der Arbeitsberater gerade so in einen Zwischensnack verbissen, dass er nicht mal ‘Papp’ sagen konnte. Behutsam öffnete ich die Tür: Das Büro war leer. Ich schloss die Tür wieder und lehnte mich an die Wand. Erneut wurde mein Name durchgesagt. Also klopfte ich noch einmal. Diesmal rief jemand von drinnen „Herein". Der Arbeitsberater saß auf seinem Drehstuhl, als hätte er schon immer da gesessen.

    „Wo bleiben Sie denn? - Setzen Sie sich! Über Tränensäcken fixierten mich gerötete Augen. Seine Haut war gräulich und das Toupet leicht verrutscht. „Zeigen Sie mir mal die Bewerbungsschreiben, die Sie seit unserem letzten Termin verschickt haben.

    „Tut mir leid, die hab’ ich nicht dabei."

    „Was soll denn das? fuhr er mich an und bleckte seine kaffeebraunen Zähne. „Sie beziehen doch nicht erst seit gestern Hilfe zum Lebensunterhalt, Sie wissen doch, dass Sie uns Ihre Bemühungen um Arbeit nachweisen müssen.

    „Ich dachte, die Ablehnungsbescheide reichen." Ich begann, in meiner Papp-Mappe herumzukramen. Ich kramte und kramte - in der Hoffnung, er werde irgendwann abwinken. Aber er wartete. Als ich ihm schließlich doch noch ein Firmenschreiben aushändigte, warf er nur einen kurzen Blick darauf und ließ es dann wieder in meine Richtung segeln.

    „Pressesprecher des Flughafens Köln/Bonn Verächtlich stieß er Luft durch seine polypenverstopfte Nase. „Sie haben doch keinerlei Erfahrung in diesem Bereich.

    Ich zuckte mit den Schultern.

    „Nein, so geht das nicht, stellte er fest. „Wir lassen uns von Ihnen doch nicht veräppeln. Sie wissen, dass wir Ihnen die Bezüge sperren können, wenn Sie sich nicht bemühen. Also werden Sie mir am fünfzehnten kommenden Monats in mindestens zehn Fällen detailliert nachweisen, welche Anstrengungen Sie unternommen haben, um Arbeit zu finden.

    Er fasste dies als Ergebnis unseres Gesprächs schriftlich zusammen, druckte es aus und ließ es mich unterschreiben.

    Vor dem Arbeitsamt waren Strafzettel wegen Falschparkens verteilt worden. Ich knüllte das Knöllchen zusammen, ließ das Schiebedach zurückschnurren, schaltete das Radio ein und gab Gas. Zu den Klängen von ‘Good Vibrations’ glitt ich im leise rauschenden Automatik-Benz durch die sommerheiße Stadt in Richtung Schwimmbad. Der Fahrtwind umwehte mich angenehm, und ich freute mich auf meine Freunde.

    Es war nicht leicht, in der Nähe des Freibads einen Parkplatz zu finden, auf dem einem die überall herumschwirrenden Politessen nicht gleich ein Knöllchen verpassten. Seit Wochen trieb das heiße Wetter die Leute in die Schwimmbecken: Lückenlos reihten sich die abgestellten Autos der Badbesucher aneinander. Schließlich parkte ich den Wagen in einer abgelegenen Seitenstraße und begann, über den klebrigen Asphalt zu schlappen.

    Das Freibad lag in einer Senke zwischen zwei baumbestandenen Hügeln. Schon von weitem war das Gekreisch der Badenden zu hören. Inmitten hübscher Mädchen, versponnener Studenten, Kühltaschen schleppender Väter, ermahnender Mütter und aufgeblasene Krokodile tragender Kinder schob ich mich durch das eiserne Drehgestänge. Schnell zog ich mich um. Auf den meisten Spannerlöchern in meiner Umkleidekabine klebte Kaugummi, die anderen waren, soweit ich erkennen konnte, unbesetzt. Nicht dass ich mir viel daraus gemacht hätte. In meiner pinken Bermuda und mit schnalzenden Flip-Flops machte ich mich auf den Weg zu unserem Stammplatz. Kichernd Fritten essende Bikini-Mädchen kamen mir vom Imbiss entgegen. Ich kaufte mir zehn saure Zungen am Kiosk und schob mir gleich eins der Fruchtgummis rein. Mann, war das sauer. Supersauer! Supergut. Dann fiel mir ein, dass ich meine Wertsachen noch verstauen musste. Also ging ich nochmal zurück, brachte sie im Schließfach unter und band mir den Schlüssel ums Handgelenk. Als ich am Sprungturm vorbeiging, legte ein Fetti gerade eine Arschbombe hin, um ein paar Mädchen am Beckenrand nasszuspritzen. Er schaffte es, und die Mädchen kreischten auf. Ich stieg die schattenlose Hangwiese hinauf: Gutgeölt ließen sich hier die Sonnenanbeter sardinenmäßig grillen. Drei oder vier Oben-Ohne-Mädchen heizten mir auf dem schweißtreibenden Anstieg zusätzlich ein.

    Unser Stammplatz unter einem der Ahornbäume war noch frei. Von hier aus hatte man einen exzellenten Blick auf die gesamte Anlage. Ich legte mein Handtuch aus und schaute zur großen Uhr am Rand des 50-Meter-Beckens. Es war noch vor zwölf. Pitt und Back würden erst innerhalb der nächsten Stunde eintrudeln. Zeit, sich abzukühlen! Ich lief den Hang hinunter. Wunderbar, wie die Wassertropfen, die mir aus dem Duschkopf entgegenfielen, gegen den blauen Himmel glitzerten - ein Schock, wie kalt sie waren! Erfrischt hechtete ich mich ins Wasser und tummelte mich darin wie ein Seehund. Verspielt tauchte ich schönen Mädchen hinterher, schlug nahezu schwerelos unter Wasser Saltos und versuchte mich platschend im Delphin-Stil.

    Später lag ich auf meinem Handtuch in flirrendem Halbschatten, lutschte an einer sauren Zunge und schaute zum Himmel hinauf. Wenn ich, ohne zu blinzeln, lange ins Blau hineinstarrte, schienen sich dort oben weiße Punkte wie Schneeflocken zu lösen und herabzufallen.

    Strahlend blauer Himmel, ich saß im Schatten, Palmen rauschten über mir im heißen Wind, von Zeit zu Zeit fiel die pinkfarbene Blüte einer Bougainvillea in meinen Swimming Pool. Nun setzte ein Groove ein. Vor den Arkadenbögen meiner Villa schlenderten meine Backgroundsängerinnen auf hochhackigen Schuhen entlang. Bis auf ihre Tangas waren sie nackt. Ein schräges Sample erklang. Das war meine Musik. „All da bitches in da house?, rief ich mit tiefer Stimme zu ihnen hinüber und zog an meinem Joint. Jetzt bewegten sie ihre geilen schwarzen Ärsche im relaxten Rhythmus meines Songs. „Yeah! Yeah! Meine beiden Lieblingsfrauen kamen auf mich zu. Ihre Brüste erzitterten leicht bei jedem ihrer Schritte. Ich schaute an meinem Körper hinunter: I’m black and I’m proud - yo! Tricia schob ihre Sonnenbrille in ihr geglättetes Haar, schmiegte sich an mich und kraulte meine dicht gekräuselte Brusthaarmatte. Sie kühlte ihren heißen Busen an meinem dicken Bizeps, ich liebte ihren Geruch. Jetzt steckte mir Latifah ihre rosafarbene Zunge in den Mund, sie wusste, dass ich ganz wild nach ihrem Geschmack war. Gleichzeitig spielte sie mit meinen Amuletten, einem Stück Stoff aus Afrika, das nie gewaschen wurde und einem Bild von der Madonna mit Kind.

    Es platschte, und glitzernd spritzten Wassertropfen in den Himmel. Einen Augenblick lang standen sie still, dann fielen sie in einem prasselnden Schauer auf die Wasseroberfläche.

    Ich hatte mich gerade umgedreht, um ‘Die Brüder Karamasow’ weiterzulesen, eine Schwarte, an der ich schon den ganzen Sommer über knabberte, als plötzlich zwei Füße neben mir auftauchten. Weil auf ihnen jede Menge dicke, schwarze Haare wuchsen, erkannte ich sie gleich als die meines Sandkastenfreundes Pitt.

    „Weg mit dem Buch! Ist doch sinnlos. Und wenn schon, dann steig auf Hörkassetten um wie ich." Pitt war gut gebräunt, und seine Pläte spiegelte wie poliertes Mahagoni. Vom Kopf waren ihm die Haare auf die Brust gewandert. Wir nannten den Teppich da nur seinen ‘Flokati’.

    „Na, du Tier."

    Pitt hockte sich bequem hin und drehte sich erstmal eine Zigarette. Genussvoll rauchend fragte er, wie es beim Arbeitsamt gelaufen war. Ich erzählte ihm von den Auflagen, die mir der Vermittler gemacht hatte. „Das kriegen wir schon hin, meinte Pitt und musterte mich durch seine runde Brille mit seinen veilchenblauen Augen. „Ich kann dir ein paar Adressen von Läden geben, die dir den Eingang deiner Bewerbung sofort bescheinigen und dann schön schnell ablehnen.

    „Willst du nicht ins Wasser?" fragte ich.

    „Das hat Zeit. Gelassen ließ er den Blick über den Trubel schweifen. „In Italien gibt’s eine Organisation, die sich ‘Die glücklichen Arbeitslosen’ nennt. So was müsste man auch in Deutschland gründen. Die würden in deinem Fall dann den ganzen Bewerbungsscheiß für dich erledigen.

    „Krass."

    „‘Günter Krass’, würd ich sogar sagen." Pitt schmunzelte, wobei sich die niedlichen Grübchen in seinen B äckchen tiefer eindellten.

    Eine Mutter kam mit ihrem nackten Töchterchen zu unserem Baum gelaufen, hob die Kleine hoch und hielt sie so, dass sie in schönem Bogen gegen den Stamm pinkeln konnte.

    „Die Kleinen haben’s gut, sagte ich. „Die müssen nicht in diesem stinkenden Klo strullen.

    „Wer geht denn hier überhaupt aufs Klo? Was meinst du, was ich gleich im großen Becken mache?" scherzte Pitt.

    „Ich hab gehört, Urin soll Haie anlocken. Das wär doch für Pinkler das Aus, wenn man hier ein paar Haie ..."

    „Gute Idee. Ich sprech gleich mal mit dem Bademeister." Pitt legte seine Brille in einen Schuh und wollte losgehen. In diesem Moment fiel ihm aber eine Gestalt tiefer am Hang auf, die in einem absichtlich bescheuerten Watschelgang auf uns zueierte.

    Schnaufend ließ sich Back ins Gras fallen, rupfte Halme aus und biss hinein.

    „Nicht gefrühstückt?" Pitt grinste.

    „Bin direkt aus der Poofe hierher. Back spuckte die Halme wieder aus. „Schlechtes Gras.

    „Kommst du mit ins Wasser?" fragte Pitt.

    „Hab meine Badehose vergessen."

    „Ich geh dann schon mal."

    „Warum hat der’s denn so eilig?", wunderte sich Back.

    „Schätze, ihm ist heiß", sagte ich.

    Back raufte sich die roten Lockenhaare. „Wo krieg ich bloß auf die Schnelle eine Badehose her? - Vielleicht find’ ich ja eine. Er wuchtete seinen pummeligen Körper hoch. „Ich schau mich mal um.

    „Viel Glück. Eine Wespe hatte es auf die Fruchtgummis abgesehen. Ich verscheuchte sie mit dem dicken Taschenbuch und schnappte ein paar Unterhaltungsfetzen von zwei Mädchen nebenan auf. „Der is’ echt süß. - „Na ja ... ‘n geilen Arsch hat er. Ihre Hintern ruhten einträchtig nebeneinander wie zwei große Puddings: einmal Vanille, einmal Karamell. „Ich versteh’ nur nich’, dass er auf Tina, das Skelett, abfährt. Lautes Kaugummikatschen. „Was? Auf Tina? Da hab’ ich ja gestern der richtigen den Arm gebrochen. „Echt? „Ja. Nimm den Kaugummifaden da weg! Is beim Sport passiert. - „Heftig. - „Schmeiß mal die Chips rüber. … Die Chips! Nicht das Kaugummi, du Asi-Tusse!" Kichern.

    In diesem Augenblick stupste Back mich mit dem Fuß an. „Wie seh’ ich aus?"

    „Wie abgepacktes Mett."

    Back stutzte. „So fühl’ ich mich auch. Die nasse Badehose, die er einfach irgend jemandem geklaut hatte, war viel zu eng. „Da reicht ein Blick auf ein paar Möpse, murmelte er besorgt, „und das Ding platzt." Mit kleinen Schritten schlurfte er davon.

    „He, Knack und Back! rief ich ihm hinterher. „Du schaffst das schon. Ich schlug das Buch auf und blätterte darin herum. Ungefähr an der Stelle, wo ich stehengeblieben war, las ich: ‘„... ich bin furchtbar froh darüber, dass es dich so zu lieben verlangt! rief Aljoscha aus.’ - Typisch, diese Euphorie, dachte ich und übersprang ein paar Zeilen. ‘„Die Hälfte deiner Tat ist getan, Iwan, und erreicht: du liebst es ja, zu leben. Jetzt musst du dich nur noch bemühen, die zweite Hälfte zu vollbringen, dann bist du gerettet. - „Da rettest du mich bereits, und ich bin doch vielleicht noch gar nicht zugrunde gegangen! Worin besteht aber diese deine zweite Hälfte? - „Darin, dass man deine Toten aufwecken muss. Denn sie sind ja vielleicht niemals gestorben. - Nun, jetzt lasse mir Tee bringen. Ich bin froh, dass wir plaudern, Iwan.’ - Mit den Toten, ging mir durch den Kopf, sind wohl wichtige Leutchen der Menschheitsgeschichte gemeint. Der Kinderglaube an Gott und das Gute im Menschen verleiht dem jüngeren Bruder die Kraft, das Gespräch zu gestalten - bis hin zum Bestellen des Tees, haha.

    Die Mädchen nebenan knüllten ihre leere Chipstüte zusammen. Über mir rauschten die Blätter in einer leichten Brise. Ich döste ein.

    „Der macht Bubu." Das war Pitts Stimme.

    Ein kalter Tropfenregen ging auf mir nieder, und ich schreckte hoch. Back schüttelte sich so, dass sein Oberkörper wabbelte. „He, Alter! rief er und schlang sich sein Handtuch um die Hüften. „Oh, diese Freibad-Luder! Ich sag dir, nichts wie raus aus der Bux hier!

    „Wenn ich mich hier so umsehe ...", begann ich zu sinnieren.

    „Horch, Back, er faselt wieder!"

    „... frage ich mich ..."

    „Ja?" Pitt beugte sich vor.

    „... ob ..."

    „Wir sind ganz Ohr."

    „... alle diese hübschen Mädchen in festen Händen sind."

    „Jetzt ist es raus", resümierte Pitt ironisch.

    „Die 90-60-90 Geräte schon", antwortete Back.

    „Aber viele sind sicher auch solo. Was mich zu meiner zweiten Frage führt. Warum haben wir drei eigentlich keine Freundinnen?"

    „Ach, die Frage."

    „Die ist nun wirklich nicht neu. Die stellen wir uns doch jeden Tag. Das heißt..., schränkte Pitt ein, „ ... ich nicht mehr. Ich frag’ mich stattdessen: Was soll ich mit einer Freundin?

    „Ich glaub, ich hätt da ne Idee", meinte Back.

    „Dafür lohnt sich doch der ganze Aufwand nicht. Eine Frau bringt doch nur Stress. Aber wenn du unbedingt wissen willst, warum wir keinen Anhang haben, kann ich’s dir sagen. Pitt kam in Fahrt. „Frauen verachten arbeitslose Männer. Und das zu recht, denn wir sind Loser, die niemals eine Familie ernähren könnten.

    Back tat beleidigt: „Wenn ich wollte ..."

    „Papperlapapp", unterbrach Pitt ihn und fragte mich, wieviel ALG Zwei ich pro Monat bekäme.

    „Weiß ich gar nicht genau. Ich überlegte. „370 Euro vielleicht.

    „Du Heiopei weißt nich mal, wieviel Arbeitslosengeld du kriegst? Und warum beantragst du nicht wenigstens Wohngeld?"

    „Dann müsste ich ja wieder bei meinen Eltern ausziehen."

    „Eben! Schon mal drüber nachgedacht?"

    „Wenn du mich so fragst ..." Ich legte mich auf eine Seite und stützte den Kopf auf. Dann schob ich mir eine saure Zunge in den Mund und lutschte nachdenklich daran.

    Pitt winkte ab. „Und du, Knack und Back, alter Südstaatenpflanzer? Hast wie immer nur deine Cannabisstauden im Kopf, was?"

    „He, du bist ja gar nicht gut drauf! Lass uns mal ‘nen Zweiblatt aufbocken, Mann, grinste Back, kam aber plötzlich ins Grübeln und teilte uns mit dumpfer Stimme seine Gedanken mit. „Vielleicht hab’ ich zuviel Wurzelstimulanz verwendet ... jedenfalls haben die Kleinen schlappgemacht. Muss die Tage mal nach Lo fahren, neue Samen holen. Er zeigte auf mich, verfinsterte den Blick und sagte, wobei er die Stimme so verstellte, dass sie wie die Satans in einem Horrorfilm klang: „Und du kommst mit." Dann langweilte er uns mit weinerlichen Überlegungen, was er sonst noch mit den Pflanzen falsch gemacht haben könnte: Schlechte Lampen, falsche Erde, zuviel Wasser ...

    Pitt und ich stellten die Ohren auf Durchzug. Das alles hatten wir schon unzählige Male gehört.

    Endlich unterbrach Back sich selbst: „Oh ja, Baby, das machst du gut, sehr gut. Seht ihr die Nixe, die sich da trockenrubbelt? ‘Frau Doktor’, äffte er eine Szene aus einem Porno nach, „‘Frau Doktor, ich bin krank, sehr krank.’ - ‘Ja, was fehlt Ihnen denn?’ - ‘Ich habe Geilulitis, - oh ja.’ Wir kannten Backs gesamtes Repertoire und lächelten nur matt.

    Das Mädchen fühlte sich beobachtet und starrte ihn böse an.

    Pitt hatte den Kölner Stadtanzeiger mitgebracht und las die Stellenanzeigen, ich den Sportteil. Back löste ein Kreuzworträtsel, um einen Kleinwagen zu gewinnen.

    Irgendwann gingen wir ins Nichtschwimmerbecken und warfen uns dort einen Ball zu, den wir uns von einem kleinen Jungen geborgt hatten. So verging der Nachmittag.

    Als ich gegen Abend in Richtung Kiosk ging, um eine Runde Capri-Eis zu holen, begegnete ich Dima, meinem russischen Freund, der in Begleitung einer hübschen Blondine gerade zum Ausgang ging. Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihre feuchten, goldblonden Haare, die im Nacken eine Art Entenschwanz bildeten.

    „Göh weg", sagte Dima.

    „Aber, Dima, warum?"

    Dima, der aussah wie Nikita Chruschtschov in jung, lachte über seinen eigenen Witz und stellte uns einander vor. Jenny hatte Sommersprossen, grüne Augen, blaue Lippen und klapperte mit den Zähnen.

    Die Fragen, ob sie zu lange im Wasser geblieben oder ob ihr kalt sei, erschienen mir zu dumm, aber etwas anderes fiel mir auch nicht ein. Mein Sprachzentrum schien blockiert, und verlegen stand ich vor ihr rum.

    Dima rettete mich: „Jenny hat eingelegtes Gemüse gespielt, so lange war sie drin. ‘Willst du etwa ne Chlorgurke werden?’, hab ich immer wieder gefragt, aber sie hat nicht auf mich gehört. Ich musste sie rausziehen."

    „Chlorgurke - sehr charmant", sagte Jenny und lächelte.

    „Das stimmt doch. Zeig mal deine Hände. Aufgeweicht wie bei einer Wasserleiche." Dimas rollendes R verstärkte den dramatischen Effekt auf lustige Weise.

    Jenny tat so, als wolle sie mich mit ihren ‘Wasserleichen’-Händen greifen. Ich wich einen Schritt zurück, und sie lachte.

    Kurz darauf waren die beiden weg. Ich kaufte drei Capris, und als ich zurückging, wurde über Lautsprecher angekündigt, dass in einer Viertelstunde geschlossen werde.

    Schließlich musste uns drei einer der Bademeister hinausdrängen. Wir hatten ja Zeit. Vor dem Schwimmbad verabschiedeten wir uns. Die beiden setzten sich auf ihre Schrotträder und ließen sich den Hang hinunterrollen. „Also übermorgen Grillen um sieben!", rief ich ihnen noch hinterher. Meine Haare waren noch nass. Da war Pitts Glatze praktischer, dachte ich, während ich zum Auto zurückging. Als ich die Türen öffnete, um die heiße Luft herauszulassen, sah ich das Knöllchen. Wieder einmal hatte ich ein Parkverbotsschild übersehen.

    Das Haus meiner Eltern lag im Villenviertel der Stadt. Unter knorrigen Robinien, die vor wertvollen Immobilien standen, schoben uralte blaublütige Damen ihre Rolatoren langsam vor sich her. Einige hatten ihr Schoßhündchen an das Gestell gebunden.

    Im Salon stöckelte gerade meine Mutter auf Pfennigabsätzen über das Parkett. Seit der letzten Schönheits-OP sah sie aus wie eine Prostituierte. Wahrscheinlich war das der letzte Chic. Aus der zwischenzeitlichen Ladynase war ein freches Stupsnäschen geworden, und ihr Mund sah so aus, als würde er ein Dauerbussi geben. Ihre Augen wirkten größer und runder, nur leider konnte sie eins der gestrafften Lider nicht mehr ganz schließen. Deshalb musste sie ständig Tropfen in ihre Augen träufeln. Ihr Kullerbäuchlein hatte sie heute mehr schlecht als recht in einem Designer-Blazer verborgen.

    „Ah, schön dass du kommst, zirpte sie, als sie mich sah. Sie musste Gäste haben, denn sie befand sich im Konversationsmodus. Doch sofort schaltete sie auf Kommandeuse um: „Du kannst dich ausnahmsweise einmal nützlich machen. In der Küche stehen Tabletts mit Häppchen. Bring sie in den Garten.

    Schon von weitem war das Prosecco-Gelächter der Damenrunde zu hören. Ich ging über die Terrasse, trat auf den getrimmten Rasen und steuerte auf den Gartentisch unterm Birnbaum zu. Die alten Freundinnen meiner Mutter riefen „Ah und „Oh, als sie mich sahen. Schnell und erleichtert stellte ich jedoch fest, dass ihre Ausrufe den Leckereien auf meinem Tablett galten. Trotz ihres abenteuerlichen Sommerhuts erkannte ich die beste Freundin meiner Mutter, ‘das Füllen’, sofort am Wiehern. ‘Die Ballettratte’ klemmte sich eine Blätterteigpastete zwischen die dritten Zähne und hüpfte feengleich im Gras umher, während das angesäuselte ‘Funkemariechen’ schon wieder Kusshände in alle Richtungen warf. Jetzt hörte es damit auf, knetete sich den Waranhals, um das

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