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Morgen 17 Uhr: Thriller
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eBook418 Seiten5 Stunden

Morgen 17 Uhr: Thriller

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Über dieses E-Book

Seit über zwanzig Jahren ist Alex auf der Suche nach den Mördern seiner Eltern, die im georgischen Bürgerkrieg von russischen Freischärlern erschossen wurden.
Er schließt sich deswegen damals tschetschenischen Separatisten an, welche jetzt einen Anschlag auf das Bolschoi Theater in Moskau planen.
Auf seiner Suche lernt Alex Bianca kennen, die in den Mord an ihrem eigenen Schwager verwickelt ist. Im Laufe der Zeit verdichten sich die Anzeichen, dass Alex den Mörder seiner Eltern in Biancas Ehemann Christoph gefunden hat.
Er beschließt daraufhin, ihm erst die Frau und das Vermögen zu nehmen.
Dann lässt er zum Tag des geplanten Anschlags die beiden in einer Tombola eine Reise nach Moskau inklusive Theaterbesuch gewinnen.
Christoph fliegt zwar mit nach Moskau, geht jedoch dann nicht ins Theater.
Aber es gibt einen Plan B.
Morgen 17 Uhr.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum5. Jan. 2016
ISBN9783740717292
Morgen 17 Uhr: Thriller
Autor

K. W. Robek

K. W. Robek, in Deutschland 1947 geboren und gelernter Bankkaufmann, hat nicht nur die Welt bereist, sondern auch in vielen Ländern gelebt. Heute wohnt er mit seiner Lebensgefährtin, dem Hund und der Katze am Rand des Naturparks Südheide. Mehr als 30 lehrreiche, lustige und spannende Geschichten für kleine Kinder hat er bisher geschrieben. Sie wurden für Kindergärten im Internet auf der Seite www.so-versteh-ich-das.de zusammengefasst. »Morgen 17 Uhr« ist sein erster erfolgreicher Roman und Thriller, erschienen im Jahr 2015 im Twenty Six Self-Publishing-Verlag, der ein positives Echo bei Presse, Kritikern und Kollegen erfährt. »Das Vermächtnis des Hackers« ist sein zweiter Roman, der an Spannung und Scharfsinn kaum zu überbieten ist.

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    Buchvorschau

    Morgen 17 Uhr - K. W. Robek

    52

    Kapitel 1

    »Es würde mich freuen, wenn ich an ihrem Tisch Platz nehmen darf.«

    In Gedanken versunken blickte Alex auf und war von der einen auf die andere Sekunde hellwach. Da stand sie vor ihm. Groß, schlank, rotbraunes und lang gewelltes Haar, leuchtend grüne Augen. Selbstsicher und mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht wartete sie auf Antwort.

    Alex suchte nach Worten und im Café nach freien Tischen, er fand beides nicht. Zum Glück, zumindest was die Tische betraf.

    »Hat ihnen schon mal jemand einen Wunsch abschlagen können?« fragte er endlich, erhob sich leicht und wies mit der Hand auf den freien Stuhl neben sich, »bitte nehmen sie doch Platz.«

    »Das Café ist ziemlich voll und ich möchte nur schnell einen Espresso trinken«, versuchte sie sich zu rechtfertigen, hängte dabei ihre kleine Handtasche über den freien Stuhl und nahm Platz, ohne dabei Alex aus den Augen zu lassen.

    »Eigentlich war ich bereits im Begriff zu gehen, habe auch schon mit dem Kellner abgerechnet, aber diesen Augenblick lasse ich mir natürlich nicht nehmen und leiste ihnen gerne noch Gesellschaft.«

    Normalerweise waren Alex seine Beziehungen zu Frauen eher zurückhaltend, aber bei so einer Erscheinung fiel das natürlich sehr schwer und Alex war ja schließlich nicht unattraktiv. Er war schlank, sportlich und muskulös, hatte kurze blonde Haare, blaue Augen und er war ledig und mit 39 Jahren im besten Mannesalter.

    Außerdem erregte bei dieser Frau ein kleines Detail seine Aufmerksamkeit. Ein perlmuttfarbenes, Gold umrandetes Amulett zierte ihr Dekolleté, auf dem eine kleine russische Matroschka-Puppe eingraviert war. Und so wanderte sein Blick hin und her, von der Puppe zum Dekolleté und wieder zurück.

    »Sorry«, stotterte er ein wenig, »aber ich glaube, dass ich sie jetzt von oben bis unten gemustert und fixiert habe.«

    »Ich habe ihre Blicke erstaunlicherweise genossen«, war ihre schnelle aber ehrliche Antwort, über die sie selbst erschrak und sie leicht zusammenzucken lies.

    »Dann ist es allerdings schade, dass sie diesem Genuss nur die Zeit eines Espressos widmen können«, flirtete Alex, »zumal mir meine Augen soeben erklärt haben, in keine andere Richtung mehr sehen zu wollen.«

    Alex fühlte sich jetzt irgendwie unwiderstehlich, und sein spontanes Kompliment nährte bei ihm die Hoffnung, diese Zusammenkunft noch etwas verlängern zu können.

    Sie nippte leicht verlegen an ihrem Kaffee, welchen ihr der Kellner mittlerweile gebracht hatte. Alex gefiel ihr. Schon als sie ihn beim Betreten des Cafés erblickte, überkam sie dieses sehnsuchtsvolle Verlangen und fast wäre sie auf den Flirt eingegangen, zumal es eine ihrer liebsten Leidenschaften war, anderen Männern allein durch ihre Erscheinung den Kopf zu verdrehen. Doch ihr Blick fiel zufällig auf die im Café hängende Wanduhr und statt zu flirten, nahm sie den letzten Schluck ihres Espressos.

    »Sie sind äußerst charmant«, sagte sie deshalb, »und das Gespräch verdient sicher eine Fortsetzung. Leider muss ich schon gehen. Wenn sie aber möchten, dann rufen sie mich doch einfach an. Bestimmt ist ein anderes Mal etwas mehr Zeit.«

    Sie legte ihre Visitenkarte auf den Tisch, das Geld für ihren Espresso, winkte Alex kurz mit der rechten Hand zu und verschwand genauso schnell wieder, wie sie gekommen war.

    »Bianca von Behrenfeld«, las Alex und steckte das Kärtchen ein, »was für eine Augenweide.«

    Gedankenversunken blickte er ihr nach, bis sie das Café verlassen hatte. Das Matroschka-Amulett hatte schon seine ganze Aufmerksamkeit erregt, aber zusammen mit dieser Frau hatte ihn das auch noch neugieriger gemacht.

    »Sicher werde ich sie einmal kontaktieren«, dachte er sich, seufzte fast unhörbar vor sich hin und ging ebenfalls.

    Bianca hatte die City langsam aber zielstrebig entlang der Einkaufspassage in Richtung des Stadtparks verlassen. Dass ihr Alex in relativ geringem Abstand folgen würde, konnten sie beide nicht ahnen.

    Es war ein wunderschöner Frühsommertag. Die Sonne schien bei strahlend blauem Himmel, die Temperatur war aber angenehm warm, noch nicht so sengend heiß wie im Hochsommer. Ein Grund mehr für viele Menschen, heute einmal einen Bummel durch den Stadtpark zu machen.

    Der Park war also gut besucht, als Bianca dort eintraf und in Richtung des großen Obelisken ging, der seit hunderten von Jahren am Eingang zum Park stand.

    Anscheinend wartete dort ein Mann auf sie, jedenfalls erhob er kurz seinen Arm, als er Bianca erblickte und ging auf sie zu. Bianca erwiderte den Armgruß ebenso kurz und blieb dann wartend stehen.

    Ein Motorrad fuhr in diesem Moment aus einer Parklücke. Hinter dem Fahrer saß noch eine zweite Person. Beide trugen schwarze Lederkleidung und ihre Helme hatten das Visier geschlossen.

    Der Mann, der auf Bianca zuging, drehte sich zu dem Motorrad um. Vielleicht hatte er noch das Mündungsfeuer aus der Pistole wahrnehmen können, welche der Beifahrer auf ihn gerichtet hatte.

    Drei Schüsse fielen.

    Als der Mann zu Boden sackte, gehörten jedenfalls für ihn Wahrnehmungen aller Art der Vergangenheit an. Das Motorrad beschleunigte rasant und raste an Bianca vorbei in Richtung Innenstadt.

    Schon beim ersten Schuss spürte Alex den Adrenalinschub in seinem Körper. Er war auf Stresssituationen trainiert und als das Motorrad auch an ihm vorbei fuhr, war alles in ihm in Hochspannung. Reflexartig drehte er sich um, und merkte sich das Kennzeichen des Fahrzeugs. Dann rannte er in Richtung des Tatorts. Zu seiner Überraschung lief er dabei direkt in Biancas Arme.

    Bianca wollte vor Entsetzen laut schreien, aber irgendetwas in ihr unterdrückte diesen Schrei. Im Gegenteil, sie merkte, wie sich ihr Körper bei diesem für sie doch völlig fremden Mann wohlig anschmiegte. Ihre Arme umklammerten seinen Oberkörper und sie drückte fest zu.

    Hier fühlte sie sich sicher und geborgen.

    Dieser Mann sah zwar genauso hart und undurchdringlich aus, wie all die Männer mit denen sie bisher Bekanntschaft gemacht hatte oder zwangsläufig machen musste, aber trotzdem, dieser strahlte auch irgendwo Sanftmut und Wärme aus. Ein Gefühl, dass sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gespürt hatte.

    Alex hatte viele Fragen, die er am liebsten gleich an Bianca gestellt hätte, aber irgendwie hatte er auch das Gefühl, sie erst einmal trösten zu müssen. Darum erwiderte er den Druck, den er durch Biancas perfekten Oberkörper spürte und genoss diesen intimen Moment.

    Gerade als er den Druck wieder lockern wollte, sah er einen Van mit verdunkelten Seitenscheiben langsam auf sich zukommen.

    Was dann geschah, passierte sonst nur in Actionfilmen.

    Alex drückte noch fester zu, hob Bianca einfach ein bisschen in die Höhe, lief ein, zwei Schritte nach vorne und warf sich mit ihr hinter ein Gebüsch auf den Boden. Schützend breitete er seine Arme über sie aus.

    Der Van fuhr langsam an ihnen vorbei, im Augenwinkel sah Alex an dessen Rückseite ein Behindertenschild.

    »Ist das alles, oder kommt jetzt noch etwas?

    Sagen sie mir bitte Bescheid, wenn sie ihre Hormone wieder unter Kontrolle haben«, schimpfte Bianca auf Alex ein, »ich habe ja schon viel erlebt, aber am helllichten Tag mit jemandem in die Büsche springen? Da kann ich mir doch angenehmere Orte und Zeitpunkte vorstellen.«

    Bianca konnte sich nicht mehr beruhigen, sie rappelte sich los und stand auf. Am liebsten hätte sie noch weiter geschimpft, aber ihre Kleiderordnung hatte doch sehr gelitten. Putzen, glatt streichen und striegeln waren ihr erst einmal wichtiger.

    Alex, der mittlerweile auch aufgestanden war, wies mit dem Arm auf das sich langsam entfernende Auto.

    »Ich dachte ...«, stammelte er.

    »... dass sie noch nicht zurück ins Heim wollten«, konterte sie und beide mussten unwillkürlich anfangen zu lachen.

    Allerdings dauerte es nicht lange bis sich die Fröhlichkeit wieder gelegt hatte, dann traten die Geschehnisse der letzten Minuten wieder in den Vordergrund.

    »Was ist da eben passiert?

    Wer hat da geschossen?

    Was war das für ein Motorrad?

    Wer ist dieser Mann?

    Warum sind sie gerade weggelaufen?«

    Routinemäßig spulte Alex seine Fragen herunter ohne wirklich auf eine Antwort zu warten. Er verschaffte sich stattdessen lieber einen Überblick über die aktuelle Lage.

    Nach dem Menschenauflauf zu urteilen, war der Mann dahinten definitiv tot, eine Hilfeleistung damit nicht mehr erforderlich.

    Polizei oder Rettungsfahrzeuge waren alarmiert, er konnte deren Sirenen bereits in der Ferne hören.

    Für den Seitensprung ins Gebüsch hatten sich keine Zuschauer interessiert, es gab ja auch spannenderes zu sehen.

    Blieb nur ein Punkt der wichtig und vorrangig zu klären war.

    »Müssen wir da jetzt hin, oder müssen wir hier weg?« lautete seine eindringliche Frage und dabei packte er Bianca fest an ihren Oberarmen.

    »Weg, ich möchte nichts wie weg.«

    Ihre Stimme klang kläglich, von der kurz aufgeflackerten heiteren Stimmung war nichts mehr übrig, die Angst hatte sich wieder in ihren Augen breit gemacht.

    Alex und Bianca kehrten zielstrebig aber nicht überhastet wieder zurück in das kleine Café in der Innenstadt, ohne dass sie weiter auffielen. Es waren dort zwischenzeitlich genügend Plätze frei geworden, sodass sie sich einen Tisch mit einem Sofa und zwei gepolsterten Sesseln mit Armlehnen aussuchen konnten, welcher zudem in einer ruhigen Ecke des Cafés platziert war.

    Kaum dass sie Platz genommen hatten, durchbrach Alex das bisherige Schweigen, um seine Fragen zu wiederholen.

    »Wer ist, oder besser gesagt, wer war dieser Mann?«

    »Warum sind sie mir gefolgt und wer sind sie überhaupt, dass sie Glauben, von mir dazu eine Antwort zu erhalten?«

    Bianca hatte auf dem Weg zum Café ihre Souveränität zurückgewonnen und sie war nicht bereit, diesen Fremdling auch nur ein kleines bisschen Schlauer als irgendwie nötig zu machen, zumindest jetzt noch nicht.

    «Okay«, lenkte Alex ein, »außer dass ich ihnen nicht absichtlich gefolgt bin, haben sie Recht. Aber sie müssen entschuldigen, ich hatte leider noch keine Möglichkeit mich ihnen vorzustellen.

    Mein Name ist Aleksandre Arweladse.

    Meine Freunde nennen mich Alex und ich würde mich glücklich schätzen, sie, beziehungsweise dich, dazu zählen zu dürfen.«

    »Angenehm«, erwiderte Bianca und erneut spürte sie dieses Kribbeln, dieses sehnsuchtsvolle Verlangen nicht nur nach Zärtlichkeiten.

    »Ein Satz von ihm und schon schmelze ich dahin«, dachte sie für sich. Doch sie riss sich noch einmal zusammen und fuhr mit sanfter Stimme fort:

    »Alex, ein schöner Name. Du wirst es sicher gelesen haben, ich heiße Bianca.«

    Für einige Sekunden herrschte absolute Stille an dem kleinen Tisch im Café, für Bianca kam es vor wie eine Ewigkeit. Zu lange um sich noch zu beherrschen und wie in Trance hörte sie sich sagen:

    »Wenn wir uns jetzt duzen, müssen wir auch Brüderschaft trinken und uns küssen.«

    Auch wenn Bianca über ihre eigenen Worte in Erstaunen geriet, was dann folgte, machte sie sprachlos, und das in jeder Hinsicht.

    Alex stand nämlich auf, griff Bianca unter die Achseln, hob sie hoch, umarmte sie, fasste mit der linken Hand fest in ihre Haare und mit der rechten Hand drückte er ihren Unterrücken an sich.

    Er küsste sie, erst kurz und zärtlich, dann langanhaltend und intensiv.

    Erst als Biancas Beine begannen, ihr den Dienst zu verweigern, ließ er sie wieder auf ihren Sessel nieder gleiten. Er setzte sich ebenfalls und sah erwartungsvoll direkt in ihre schönen, smaragdgrünen Augen.

    »Ich bin verheiratet.

    Der Tote ist der Bruder meines Ehemannes.«

    Bums. Das saß, und zwar tief.

    Diesen Szenenwechsel hatte Alex so nicht erwartet. Keine Anerkennung für seinen Kuss, und dann war sie auch noch verheiratet und der Erschossene demnach ihr Schwager.

    »Was geht mich das alles an«, hatte er selbst einen Moment lang gedacht und war auf dem Sprung, das Café einfach zu verlassen. Es dauerte schon eine Weile bis er sich wieder gesammelt hatte und seine Sinne alle wieder auf 'On' gesprungen waren. Dann erwachte aber in ihm die Neugierde und jetzt wollte er alles wissen. Er wollte Antworten auf seine Fragen hören.

    »Hattest du ein Verhältnis mit ihm?«

    Das schien für Alex die naheliegende Frage in diesem Moment zu sein, auch wenn er sich nicht im Klaren darüber war, ob die Antwort für den Mord oder für ihn selbst von Interesse sein würde.

    »Oder warum hattet ihr euch verabredet?«

    Die Frage traf Bianca offensichtlich unvorbereitet. Sie wollte Alex nur schockieren und hatte nicht bedacht, dass ihre kurze Ehrlichkeit weitere Fragen nach sich ziehen würde, wofür sie aber noch keine offiziellen Erklärungen parat hatte. Darum kam ihre Antwort nur zögerlich und klang nicht gerade überzeugend.

    »Nein«, begann sie, »er hatte Probleme mit seiner Frau. Ihre Ehe wurde nur noch pro forma aufrecht erhalten. Wie ich ihn verstanden habe, wollte er der Ehe aber wieder neues Leben einhauchen und hatte deswegen meinen Rat gesucht. Es sollte aber niemand wissen. Ich glaube, dass er sich geniert hatte.«

    »Führst du denn auch eine Pro-Forma-Ehe?«

    Es versetzte Alex schon in Erstaunen, dass ihn Biancas Eheleben mehr zu interessieren schien, als die Klärung dieser fadenscheinigen Begründung.

    »Nein, aber unsere Ehe ist aus finanziellen Gründen sagen wir mal eine Zweckgemeinschaft, jedenfalls ist es keine Liebesbeziehung.«

    Alex hatte den Eindruck, dass dies die erste ehrliche Antwort war, die Bianca ihm an diesem Abend gegeben hatte.

    Er fühlte in sich richtig die Erleichterung, Steine fielen von ihm ab. Für einen Moment war ihm der weitere Verlauf des Gespräches eigentlich egal, er musste sich schon zusammen reißen, um fortfahren zu können.

    »Hast du denn eine Idee, wer deinen Schwager erschossen haben könnte? Oder besser gesagt, wer den Auftrag dazu erteilt hat?«

    Bianca überlegte einen Augenblick.

    »Warum sitze ich hier überhaupt und versuche mich zu rechtfertigen? Warum gehe ich nicht einfach weg?«

    Aber wenn sie Alex wie einen Fremden behandeln würde, könnte er zur Polizei gehen, doch als Freund war sie ihm natürlich Erklärungen schuldig.

    Aber auch die Wahrheit?

    »Natürlich nicht«, begann sie deshalb, »aber ich will dir gerne in zwei Sätzen etwas über unsere Familie erzählen, dann kannst du dir vielleicht einen eigenen Eindruck über diese Situation machen. Wenn es dich interessieren sollte?«

    »Selbstverständlich, ich höre.«

    »Also, mein Mann und sein Bruder sind Eigentümer einer Metallwarenfirma. Aber im Grunde genommen werden über die Firma nur irgendwelche Geschäfte abgewickelt.«

    »Was meinst du mit 'irgendwelche' Geschäfte?«

    Dieses Wort hatte sofort die Aufmerksamkeit von Alex erregt und seine Sinne in Alarmbereitschaft versetzt.

    »Ich kümmere mich da nicht weiter drum, weiß lediglich, dass es immer um sehr viel Geld geht, welches ich dann auch gerne wieder ausgebe.«

    Alex musste schmunzeln und konnte sich dazu seinen Kommentar so gerade noch verkneifen.

    »In letzter Zeit fiel mir auf, dass mein Schwager oft mit ausländischen Geschäftspartnern telefoniert hat, einmal hörte ich auch den Namen Boeing. Vielleicht hilft das ja.«

    »Viel ist es nicht, aber man kann ja nie wissen«, sagte Alex leicht enttäuscht, »bleibt nur noch die Frage, warum du dort weggelaufen bist?«

    »Denk einmal selbst darüber nach, in welche Panik ich bei der Vorstellung geraten bin, Antworten an die Polizei, meinen Mann oder die Presse geben zu müssen, warum ich mich gerade zu diesem Zeitpunkt dort aufgehalten habe? Einen Zufall würde mir da doch niemand abnehmen.«

    »So gesehen hat sie Recht«, dachte sich Alex.

    Auch wenn Alex sein Verstand noch zweifelte und rebellierte, sein Herz wollte Bianca glauben und er entschied sich fürs Herz und dafür, sie erst einmal zu trösten.

    Darum strich er ihr durchs Haar und kraulte ihr den Kopf dabei ein wenig. Er wollte diese Situation noch länger genießen, suchte nach einem neuen, geeigneten Gesprächsthema. Sein Blick fiel wieder auf ihr Dekolleté.

    »Ist das Amulett von deinem Mann?«

    Bianca wollte eigentlich ihre Augen schließen und nur noch gekrault werden. Widerwillig und lustlos nahm sie das Amulett in die Hand und betrachtete es gedankenverloren.

    »Ja, ein altes Erbstück«, antwortete sie dann mit einem fast unhörbaren Seufzer, »und es war auch mein einziges Hochzeitsgeschenk.«

    Aber diese neue Vertraulichkeit währte nicht lange. Der Kellner kam und bat darum kassieren zu dürfen, das Café würde schließen.

    Bianca bestellte sich daraufhin ein Taxi, ließ sich Alex seine Telefonnummer geben und versprach, sich in den nächsten Tagen selbst bei ihm zu melden.

    »Wenn ich daran denke, was jetzt zu Hause noch alles auf mich zukommen kann, dann wird mir schlecht.«

    Doch Bianca schwenkte schnell wieder um, sie musste und wollte sich unbedingt mit positiven Gedanken verabschieden.

    »Aber trotzdem, auch wenn unsere Begegnung zu dem unglücklichsten Zeitpunkt stattgefunden hat, den man sich denken kann, Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh und glücklich ich bin, dich hier und heute überhaupt kennengelernt zu haben.«

    Das waren ihre letzten Worten bevor sie Alex noch einen Kuss gab, ihn noch einmal ganz fest an sich drückte und dann in Richtung Taxi verschwand.

    Alex war wie gelähmt, unfähig noch irgend einen vernünftigen Gedanken zu fassen.

    »Man sieht sich«, stammelte er ihr schließlich hinterher.

    Kapitel 2

    »Soll ich mich mit dieser Sache beschäftigen, oder soll ich mich da heraushalten?«

    Es war immer wieder diese eine Frage, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Alex hatte deswegen schlecht geschlafen.

    Eigentlich ging ihn das ja alles nichts an, aber da waren dann doch drei Punkte, die letztlich ausschlaggebend dafür waren, sich dieser Vorkommnisse ein wenig anzunehmen.

    Bianca, eine Frau mit einem russischen Amulett, die er wieder sehen und auch wieder küssen wollte

    Neugierde, denn irgendetwas muss an dieser Geschichte viel mehr als nur faul gewesen sein

    Geld, das konnte er riechen, und wenn ja, dann musste da auch für ihn ein bisschen zu holen sein

    »Nach dem Frühstück werde ich erst einmal ein paar Recherchen anstellen, mal sehen was sich ergibt«, sagte er sich, »wieder alles einstellen kann ich immer noch.«

    »Waffenlieferant auf offener Straße erschossen!«

    Diese Schlagzeile in der Tageszeitung sorgte dafür, dass Alex wieder ganz schnell vom gestrigen Tag eingeholt wurde. Mit einem gemütlichen Frühstück war es damit vorbei, und einige Passagen des Artikels sorgten sogar dafür, dass er sich aus dieser Sache niemals herausgehalten hätte. So las er unter anderem:

    »..... einer der Geschäftsführer der Firma Behrenfelder Metallwaren GmbH, Thomas von Behrenfeld, wurde gestern vor dem Eingang zum Stadtpark von vorbeifahrenden Motorradfahrern erschossen .....

    ..... er war nicht verheiratet und lässt seinen Bruder Christoph von Behrenfeld mit Familie zurück .....«

    »Also so viel zu der pro forma aufrecht erhaltenen Ehe dieses ledigen, armen Kerls«, dachte sich Alex.

    »Was für eine verlogene Schlange ist doch diese Bianca. Hat die mir doch gestern die ganze Zeit ein Märchen nach dem anderen aufgetischt.

    Aber wer zuletzt lacht!«

    Wie ein Tiger im Käfig lief Alex im Zimmer von einer Ecke in die andere. Die Idee, Bianca einfach anzurufen, um sie zur Rechenschaft für ihre Aussagen zu ziehen, verwarf er aber schnell wieder.

    Zum einen folgte auf die erste Lüge beziehungsweise erste Ausrede erfahrungsgemäß direkt die nächste, zum anderen würde sich seine Rufnummer auf Biancas Handy in diesem Moment sicherlich nicht gut machen.

    Außerdem viel ihm wieder das Motorrad ein.

    Er musste irgendwo in seinem Kopf ein Foto von dem Nummernschild gespeichert haben.

    Es dauerte eine Weile und ein paar Zimmerrunden, bis sich dieses Bild wieder wie ein Puzzle zusammengesetzt hatte, und dann sah er das Kennzeichen des Motorrads vor sich.

    »M-KW 13«, genau das war es, hundert Prozent.

    Es bedurfte auch nur der Länge eines Telefonats, einer kleinen Notlüge und viel Charme, und Alex wusste, dass das Motorrad auf eine Autovermietung zugelassen war.

    Wie aus dem Kennzeichen zu erkennen war, hatte diese ihren Sitz natürlich in München. Das war zum einen zwar eine nicht unerhebliche Entfernung, zum anderen aber viel besser als ein privater Eigentümer, der sein Motorrad als gestohlen gemeldet hatte. Da gäbe es dann nichts zu recherchieren, aber bei einer Autovermietung hatte man vielleicht doch ein paar Ansatzpunkte.

    Alex dachte nach und seine Euphorie sank auf den absoluten Tiefpunkt:

    »Niemand, der einen Mord plant, mietet sich auf seinen eigenen Namen ein Fahrzeug.«

    Einen Anruf bei der Vermietungsfirma konnte er sich also auch sparen. Aber dann hatte er eine Idee, mehr eine Hoffnung auf glückliche Umstände, und da es die einzige Möglichkeit war, um überhaupt weiterzukommen, rief er dort doch an.

    »Autovermietung Wilhelmi, einen schönen guten Tag, was kann ich für sie tun?« fragte eine durchaus freundliche, männliche Stimme.

    »Aleksandre Arweladse, ebenfalls einen schönen guten Tag. Ich hoffe sehr, dass sie etwas für mich tun können. Ein Bekannter von mir mietet sich bei ihnen hin und wieder ein Motorrad.«

    »Sie meinen das gestern?«

    Alex traute seinen Ohren kaum.

    Bingo, eine Quasselstrippe am Telefon. Sein Plan könnte funktionieren.

    »Genau. Freut mich, dass ich bei ihnen gleich an der richtigen Stelle bin. Wenn ich mich nicht irre, bestellt und reserviert er doch vorher immer die Maschine, wenn er eine braucht, oder?«

    »Ja, das macht er meistens einen Tag, manchmal aber auch schon eine Woche vorher. Und er ist immer zuverlässig, wir hatten noch nie Ärger mit ihm.«

    Alex machte in Gedanken Luftsprünge vor Freude. Er ging jetzt aufs Ganze.

    »Nein, das Glaube ich ihnen aufs Wort, das wäre auch nicht seine Art, ist schon ein toller Typ. Ich möchte mit ihm mal wieder eine Tour machen, es soll aber für ihn eine Überraschung sein, dann ist das Wiedersehen immer am schönsten.«

    »Ja, das stimmt«, plärrte der Vermieter dazwischen.

    »Ich gebe ihnen meine Handynummer. Wenn er wieder eine Maschine reserviert, dann schicken sie mir bitte eine SMS.

    Keinen langen Text, schreiben sie nur das Datum und die Uhrzeit der Reservierung. Dann weiß ich, dass es von ihnen kommt und wann ich dort sein muss.

    Kann ich mich da auf sie verlassen?«

    »Hundert Prozent. Für unsere Kunden machen wir doch alles.«

    Alex hinterließ noch seine Handynummer, verwies noch einmal auf strikte Geheimhaltung, bedankte sich artig, nicht ohne den Hinweis, sich bei gegebenem Anlass dafür revanchieren zu wollen, und legte auf.

    Wenn die Luftsprünge vorhin nur in Gedanken ausgeführt wurden, dann waren sie jetzt echt. Und wie echt.

    Alex freute sich riesig, er hatte Spaß an dem Fall gefunden, er war stolz auf sich selbst, seine Idee, seine Redegewandtheit, seine Überzeugungskunst.

    Wie auch immer, in jedem Fall war dort eine Lunte gelegt. Hier musste er nur noch warten.

    Irgendetwas an dem Zeitungsartikel hatte doch auch noch seine Aufmerksamkeit erregt. Alex begann erneut zu lesen.

    »Waffenlieferant auf offener Straße erschossen!«

    Schon beim ersten Wort fiel es ihm wieder ein.

    »Nicht oberflächlich werden«, ermahnte er sich.

    Wenn sich unser Provinzblättchen also schon traute, einen Toten als Waffenlieferanten zu bezeichnen, dann würden die Waffengeschäfte sicher nicht illegal sein. Mit Waffen jeder Art war schon immer Geld zu verdienen, und bei legalem Handel erst recht.

    »Hat Bianca gestern nicht auch erwähnt, den Namen Boeing gehört zu haben?«

    Alex dachte bei diesem Namen natürlich erst einmal an Flugzeuge, klar.

    »Aber gehört Boeing im Rüstungshaushalt der USA nicht auch zu den ersten fünf unter den Lieferanten?«

    Alex seine Nase juckte immer, wenn es irgendwo nach Geld oder Waffen roch, jetzt roch es nach beidem, darum vibrierte sie förmlich.

    »Ich wusste heute Morgen schon, dass hier auch Geld im Spiel ist, aber jetzt bin ich mir sicher. Das wird in jedem Fall interessant werden.«

    Er hatte jetzt noch die Zeit, also beschloss er, diese Metallwarenfirma im Branchenverzeichnis zu suchen und dann mal etwas näher unter die Lupe zu nehmen.

    »Warum hat sich Bianca mit ihrem Schwager ausgerechnet hier bei uns verabredet?«

    Diese Frage schoss Alex als erstes durch den Kopf, als er vergeblich versuchte Informationen über das Unternehmen ausfindig zu machen. Er kannte so ziemlich alle Firmen im Ort und der Umgebung, zumindest dem Namen nach, aber Behrenfelder Metallwaren, die Firma hatte er auch noch nie gehört.

    Er sah sich Biancas Visitenkarte genauer an und fand zu seiner Verwunderung auf der Rückseite ihre komplette Anschrift notiert.

    »Aber da hat die Dame wirklich ein Problem«, sagte Alex zu sich selbst, »da wäre ich auch weggelaufen.«

    Wegen Eheproblemen des Schwagers wurde das Treffen sicher nicht vereinbart, denn dieser war ledig. Aber was machten dann beide gemeinsam fast hundert Kilometer von ihrem Wohnort entfernt?

    Das gab Erklärungsbedarf, aber reichlich.

    Bei seiner Recherche über das Unternehmen stieß Alex durch die dortige Industrie- und Handelskammer noch auf die folgenden Fakten:

    Thomas und Christoph von Behrenfeld waren beide sowohl Geschäftsführer, als auch alleinige Gesellschafter der GmbH.

    Der Geschäftszweck war der Handel sowie die Ein- und Ausfuhr von Metallwaren aller Art.

    Die Firmenanschrift war auch die Privatanschrift der beiden Brüder.

    Da keine Waren produziert wurden, auch kein gesondertes Firmengelände zur Verfügung stand, ging Alex davon aus, dass auch kein Personal beschäftigt war, abgesehen vielleicht von Reinigungskräften oder ähnlichem.

    »Also nicht viel mehr als eine Briefkastenfirma?

    Und dann aber viel Geld machen?

    Und dann alles legal?«

    Alex war auf der Suche nach Antworten, fand aber immer mehr ungelöste Fragen.

    Also beschloss er, sich diese Firma beziehungsweise Biancas Wohnadresse demnächst einmal unauffällig und aus nächster Nähe anzusehen.

    Kapitel 3

    »Hatten sie ein Verhältnis mit Thomas von Behrenfeld, ihrem Schwager?«

    Kriminalkommissar Tim Behnke fiel bei seinen Vernehmungen und Untersuchungen gerne einmal direkt mit der Tür ins Haus. Da die Fragen nicht in dieser Form erwartet wurden, machten nach seinen Erfahrungen Menschen bei ihren Antworten meistens Fehler.

    Er wurde mit dem 'Mordfall Thomas von Behrenfeld' betraut, denn dass es sich um einen Mord handelte, war nach dem Stand der gestrigen Ermittlungen eindeutig. Es war der erste Mordfall, der ihm anvertraut wurde, es war allerdings auch der erste Mordfall, welchen es bisher im ganzen Revier zu lösen galt.

    Dass er heute beschlossen hatte, sofort die Reise zur Familie von Behrenfeld anzutreten, lag unter anderem an einigen Fotos, die ihm am Morgen durch einen aufmerksamen Pressefotografen zugestellt wurden.

    Da saß er nun in der überdimensional großen Empfangshalle der Villa Behrenfeld und ihm gegenüber hatte die aufreizend gekleidete Bianca von Behrenfeld zum Verhör Platz genommen.

    Sie war vielleicht der Meinung, um ihren ermordeten Schwager nicht trauern zu müssen, er war der Meinung, neben ihr so ärmlich wie Inspektor Colombo auszusehen.

    »Ob ich ein Verhältnis mit Thomas hatte?« wiederholte Bianca die Frage des Inspektors, um dann nach einer kurzen Atempause fortzufahren.

    »Ich wurde bei einer Verkehrskontrolle einmal gefragt, ob ich etwas getrunken habe.«

    Den verständnislosen Blick und offenen Mund des Kommissars hatte Bianca erwartet, seine damit verbundene Sprachlosigkeit genau einkalkuliert. Genau in dem Moment, als er glaubte sich wieder gefangen zu haben, sagte sie:

    »Sorry Herr Kommissar, aber die Frage dieses Polizisten war genauso dumm wie ihre soeben.«

    Kommissar Behnke fühlte sich jetzt sogar wie Inspektor Colombo, irgendwie nicht für voll genommen.

    »Natürlich stehen Menschen in einer Familie miteinander in irgendeinem Verhältnis, genauso wie

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