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Tage im Grünen
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eBook168 Seiten2 Stunden

Tage im Grünen

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Über dieses E-Book

In einer Zeit, in der die Menschheit in die natürlich gezeugten Nats und die genetisch optimierten Mods gespalten ist, kämpft der Nat-Mod-Mischling Ibrahim um Erfolg und Anerkennung. Doch die disziplinierten und leistungsorientierten Mods akzeptieren ihn nicht als ihresgleichen, während er selbst jedweden Kontakt mit den Nats zu meiden versucht, die als Abschaum der Gesellschaft gelten. Durch einen Zufall macht Ibrahim dann jedoch die Bekanntschaft der jungen Gaunerin Mina und kurz darauf schon ist nichts mehr, wie es einmal war.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum15. Nov. 2017
ISBN9783742767592
Tage im Grünen

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    Buchvorschau

    Tage im Grünen - E. K. Busch

    I

    Er betrachtete einige Fetzen von Plastik, die zwischen die Steine geraten waren. Mit jeder Welle zappelten sie. Manchmal blitze ein verblasstes Schriftzeichen auf. Symbole vergangener Sprachen, die kein Mensch mehr beherrschte.

    Er konnte nicht sagen, dass ihn die Herkunft des Abfalls sonderlich interessiert hätte, aber da war etwas Unvorhersehbares, Lebendiges in der Bewegung und das weckte für einen Moment seine Aufmerksamkeit.

    Schließlich wandte er gelangweilt den Blick ab und dem Horizont entgegen. In der Ferne meinte er einen schwachen Lichtschein auszumachen, doch der Dunst war dicht an diesem Abend und das Licht blieb nicht mehr als eine Ahnung. Er fröstelte und spürte die Nässe des Steins durch den Stoff seiner Hose dringen. Der Nebel schlug sich kalt auf seiner Haut nieder und er schloss das graue Sakko.

    Er wusste mit einem Mal nicht mehr, wieso er hierher gekommen war. Es war bereits spät, er war müde und hungrig. Er hätte nach der Arbeit einfach nach Hause fahren sollen, wie er es üblicherweise tat. Er konnte nicht sagen, warum er auf einmal ans Meer hatte denken müssen. Nach seiner Schicht war er wie gewöhnlich in seinen Wagen gestiegen und hatte den Heimweg eingeschlagen. An der letzten Kreuzung war ihm dann auf einmal dieser Gedanke gekommen. Und was vielleicht noch seltsamer als der Gedanke selbst gewesen war: Er hatte einfach den Autopiloten abgestellt und war weiter geradeaus gefahren, hatte erst sein Viertel links liegen und schließlich die ganze Stadt hinter sich gelassen. Nun saß er hier auf diesem nassen Stein, der vor Algen glitschig war und von grünlicher Farbe und blickte auf das trübe Wasser hinaus, das nach fischiger Fäule roch, nach Abwasser und Salz.

    Vielleicht hatte er sich versichern wollen, dass es noch da war: Das Meer. Vielleicht aber gab es auch gar keine Erklärung für sein seltsames Verhalten an diesem Abend. Dieser Gedanke beunruhigte ihn und er befand, dass er besser zurück zum Wagen gehen und nach Hause fahren sollte. Doch irgendetwas ließ ihn noch einen Moment verharren und er starrte hinaus dorthin, wo er im Dunst den Horizont vermutete. Kaum einen Moment später weckte das Knacken von Geäst seine Aufmerksamkeit. Beinahe hastig blickte er sich um, richtete sich dann auf. Angestrengt starrte er ins Dunkel.

    Die Sonne war mittlerweile untergegangen und auch das Dämmerlicht erloschen. Nur die Scheinwerfer der Fahrzeuge, die hin und wieder der Küstenstraße folgten, erhellten für einige Sekunden das Ufer, ehe sie die nächste Kurve nahmen und den Strand wieder dunkel zurückließen. Es war nichts zu sehen in der Finsternis.

    Er wischte seine feuchten Hände an seiner Hose ab und beschloss nun bereits zum zweiten Mal zurückzukehren zum Wagen. Er war kein ängstlicher Mensch, doch es gab keinen Grund, länger zu bleiben an diesem Ort. Dann jedoch machte er in der Ferne eine schemenhafte Gestalt aus. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er blickte auf sein Handgelenk. Doch auf der Anzeige seiner Uhr erschien weder ein Name noch ein Bild. Lediglich die unspektakulären Schlagzeilen des Tages zogen lautlos dahin.

    Verunsichert starrte er ein weiteres Mal in den Schatten. Vermutlich hatte ihm seine Fantasie einen Streich gespielt und er war doch ganz allein hier draußen. Warum auch hätte jemand diesen verlassenen Ort aufsuchen sollen?

    Doch dann wanderte ein weiterer Streifen Scheinwerferlicht über den Strand und es bestand kein Zweifel mehr: Da war eine Person und sie kam direkt auf ihn zu.

    *

    Es war eine Frau, klein und zierlich. Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, jemals eine Person von solch zerbrechlich wirkender Statur gesehen zu haben. Zwei schlanke Fesseln ragten unter einem langen, flatternden Rock hervor. Zusammen mit einem einfachen T-Shirt schien das Kleidungsstück dem schmächtigen Körper nur unzureichenden Schutz vor dem kalten Wind zu bieten. Fast meinte er ihr Gerippe unter dem dünnen Stoff ausmachen zu können.

    Ihr dunkles Haar wehte der Frau immer wieder ins Gesicht. Andauernd strich sie die langen Strähnen mit ihren knochigen Fingern nach hinten, kam jedoch nicht an gegen den Wind.

    Er fragte sich, ob es Grund zur Besorgnis gab. Etwas am Anblick der Fremden erweckte sein Misstrauen. Ob es nun ihre gespenstische Erscheinung war oder der bloße Umstand, dass er ihr an diesem verlassenen Ort begegnete, der doch höchstens zum Umschlagplatz von Hehlerware oder Drogen taugte.

    »Ich habe oben am Straßenrand Ihren Wagen stehen gesehen«, erklärte die Fremde nun ohne Umschweife und riss ihn damit aus seinen Überlegungen. Sie schien sichtlich erleichtert, auf ihn getroffen zu sein. Ihre Vertrauensseligkeit verwunderte ihn.

    »Ich dachte, Sie könnten mich vielleicht zurück in die Stadt nehmen«, fügte sie hinzu und fingerte eine verirrte Haarsträhne aus ihrem Mundwinkel, der sich zu einem schüchternen Lächeln bog.

    Ihre Stimme war fester als er in Anbetracht ihres zarten Körperbaus erwartet hatte, jedoch auch belegt und ein wenig gehetzt. Es war, als stünde sie unter großem Druck oder fürchte sich vor etwas. Und tatsächlich blickte sie immer wieder zurück in die Dunkelheit, als wolle sie sich versichern, dass da niemand war, der ihr folgte.

    »Welchen Grund hätte ich das zu tun?«, fragte er nüchtern und blickte prüfend in ihre dunklen Augen, die von einem Schatten aus verlaufener Wimperntusche umgeben waren.

    Er hatte tatsächlich wenig Interesse diese Fremde mitzunehmen. Vermutlich würde ihm die ganze Angelegenheit nichts als Ärger einbringen.

    Da die Frau ihn lediglich unverwandt anstarrte, fügte er hinzu: »Was suchen Sie hier draußen überhaupt?«

    »Das ist eine längere Geschichte.« Sie schluckte trocken, blickte sich dann ein weiteres Mal um. Fröstelnd schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper. »Ich erzähle sie Ihnen gerne auf dem Weg zum Wagen. Aber hier im Wind ist es fürchterlich kalt.« Damit machte sie bereits kehrt und begann, dem schmalen Trampelpfad hinauf zurück zur Straße zu folgen. Ihr dunkles Haar flatterte im Wind. Auf dem unbefestigten Weg war ihr Gang unsicher und einige Male schien sie einem Sturz nur knapp zu entgehen. Ihm fiel auf, dass ihr langer Rock bereits an mehreren Stellen in Fetzen hing und noch dazu einen schmutzigen Saum besaß. Er folgte ihr widerwillig.

    »Ich hatte mich hier draußen verabredet«, erklärte sie nun und blieb einen Moment stehen. Sie schien sich eine Verschnaufpause gönnen zu müssen. Ihr Atem ging rasselnd, dann hustete sie. Offensichtlich war sie bei schlechter Gesundheit.

    »Verabredet? Hier draußen?«

    Auf seinen argwöhnischen Blick setzte sie hinzu: »Ja, aber ich habe es mir anders überlegt.«

    »Sie waren verabredet und haben es sich anders überlegt?«, wiederholte er ein weiteres Mal ihre Worte und hob kritisch seine Augenbraue dabei.

    »Kann man seine Meinung denn nicht ändern? Es schien mir eben keine gute Idee mehr zu sein.«

    Ihr schnippischer Ton irritierte ihn. Er hatte nur selten mit Nats und ihren absonderlichen Gefühlsausbrüchen zu tun. Zudem bestärkte ihre heftige Reaktion sein Misstrauen.

    Einen Moment musterte er sie eindringlich, wandte dann ein: »Dann muss es sich wohl um eine äußerst zwielichtige Angelegenheit handeln. Ich wüsste nicht, warum man diesen Ort sonst für eine Verabredung wählen sollte.«

    Offensichtlich wusste sie nicht, was sie auf diesen Einwand erwidern sollte, so dass sie nun das Thema wechselte. »Jedenfalls war ich auch gar nicht hier verabredet, sondern etwa fünf Kilometer die Straße hinauf.« Sie deutete mit einem Nicken Richtung Norden.

    »Dann haben Sie sich bis hierher ja bereits recht mühelos durchgeschlagen.«

    Es war nicht klar, ob sie seinen spöttischen Ton ignorierte oder nicht bemerkte. Ungerührt fuhr sie fort: »Jedenfalls war das die völlige Einöde dort oben.« Sie deutete ein weiteres Mal die Straße hinauf. »Nur ein verlassenes Hotel, das schon ziemlich heruntergekommen war. Deshalb wollte ich auch nicht bleiben. - Aber der dumme Wagen hat mich nicht mehr mitgenommen zurück in die Stadt. Auf einmal waren die Türen verriegelt und dann ist er auch schon weggefahren.«

    »Die Schuld an Ihrer misslichen Lage liegt also beim Leihwagen?«, fragte er nach und konnte sich einen spöttischen Unterton nicht verkneifen. Auf ihren verdutzten Blick setzte er hinzu: »Mir ist ja bekannt, dass Ihr Nats nicht sonderlich vorausschauend handelt. Aber sein letztes Hemd für eine Fahrkarte zu geben und nicht an die Rückfahrt zu denken....«

    Sie schien nun ärgerlich und starrte ihn unter tiefen Brauen an. »Was spielt es denn für eine Rolle, wer Schuld hat? Sie können auch einfach sagen, dass Sie mich nicht mitnehmen wollen. Dass sie mit einer wie mir nichts zu tun haben wollen. - Ich werde schon irgendwie zurück in die Stadt kommen. Ein Drittel habe ich immerhin schon geschafft. - Was kümmert es Sie auch, wenn ich mich hier mühsam im Straßengraben voranschleppe durch den Abfall und Dreck!? Wer kein Geld hat, muss eben laufen! So ist das nun mal!«

    Die Heftigkeit ihrer Worte irritierte ihn. Es war ihm völlig unverständlich, wie man sich so echauffieren konnte. Natürlich waren die Nat für solch absonderlichen Gefühlsausbrüche bekannt. In Anbetracht ihrer jämmerlichen Gestalt aber hätte er der Frau eine dermaßen ungestüme Reaktion kaum zugetraut.

    Er verzog tadelnd das Gesicht und entgegnete trocken: »Wenn man sich schon auf solch dubiose Geschäfte hier draußen einlässt, muss man wohl damit rechnen, übers Ohr gehauen zu werden.«

    Einen Moment starrte sie ihn nur an, dann brach sie unvermittelt in Tränen aus. Er war ebenso angewidert wie fasziniert von ihrem Mangel an Selbstbeherrschung und fuhr nach kurzem Zögern fort: »Belehren Sie mich gerne eines Besseren: Aber wenn ich Sie jetzt mitnehme, dann wird früher oder später die Polizei bei mir klingeln und mich fragen, was ich mit Ihnen zu schaffen habe.«

    Einen Augenblick noch schluchzte sie, dann rieb sie sich ihre geröteten Augen und erklärte: »Wenn Sie ohnehin schon alles wissen, warum informieren Sie dann nicht gleich die Behörden und...«

    Als ihr erneut die Tränen in die Augen schossen, schüttelte er den Kopf und wandte ärgerlich ein: »Ich weiß gar nichts über Sie und Sie können mir glauben, dass es mir auch ganz recht so ist. Ich will mir sicherlich keinen Ärger einhandeln Ihretwegen.«

    Einen Moment herrschte Schweigen und sie wischte sich erneut die Augen, rieb sich dann fröstelnd ihre Arme.

    »Also wollen Sie mich hier einfach stehen lassen?«

    Er musterte ihr verquollenes Gesicht. »Jeder Mensch ist selbst für sich und sein Tun verantwortlich.«

    Nun stiegen ihr erneut Tränen in die Augen. »Sie wissen doch gar nicht, wieso ich...«

    »Wollen Sie mir jetzt irgendeine Mitleid heischende Geschichte auftischen?«

    Er konnte nicht sagen, ob sie vor Wut weinte oder vor Verzweiflung. Es war ihm auch einerlei. Er würde jetzt zum Wagen zurückkehren und nach Hause fahren. Was kümmerten ihn diese Nat und ihre Probleme? Sie hatte sich ihre Misere ganz allein selbst zuzuschreiben.

    Er schob sich also an ihr vorbei, um weiter dem Trampelpfad hinauf zu folgen, als sie auf einmal seinen Ärmel packte. Er blieb genervt stehen, auch wenn es vermutlich klüger gewesen wäre, sich loszureißen und sie einfach zu ignorieren.

    »Ich kann Sie verstehen«, sagte sie dann. »Ich kann verstehen, dass Sie mich nicht mitnehmen können. Also vergessen Sie's einfach!«

    Ihr Sinneswandel überraschte ihn. Sie wischte sich noch einmal das Gesicht.

    »Ich habe es mir schon gedacht, als ich Ihren Wagen gesehen habe. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.« Sie rang sich ein Lächeln ab und schluchzte dann recht unvermittelt.

    »Was hat das mit meinem Wagen zu tun?«

    »Sie gehören doch zu denen, oder nicht?«, erwiderte sie nun. »Wenn Sie mich mitnehmen würden, dann bekäme das Ihre Firma doch irgendwie heraus. Und dann würde es früher oder später in Ihrer Akte stehen. Und das ist doch die größte Angst von euch Mods, oder nicht: Dass eure Akten durch irgendeinen Eintrag gebrandmarkt werden könnten. Das ist eine richtige Paranoia unter euresgleichen. Eure Akten sind euch heilig.«

    Er sah sie einen ganzen Moment fest an. Heilig. Das Wort erfüllte ihn mit Abscheu und Widerwille. Und obwohl er wusste, dass er es später bereuen würde, meinte er schließlich: »Dann machen Sie schon. Ehe ich es mir noch einmal anders überlege.«

    *

    Im Wagen war es angenehm warm. Sie schien sichtlich erleichtert, nun wo sie auf dem weichen Sitz saß. »Vielen Dank. Das muss Sie große Überwindung kosten.«

    Er nickte kaum merklich, während sich der Wagen von der Straße

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