Der blinde Passagier: Dr. Norden Extra 206 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
»Nach allem, was Sie so erzählen, tippe ich auf einen gebrochenen Knöchel«, erklärte der Pfleger Sascha. Die Rollstuhlräder quietschten über den Boden der Notaufnahme. Es war noch früh am Tag. Trotzdem brummte es im Bauch der Klinik bereits wie in einer Bahnhofshalle. Schritte hasteten über die Flure, Telefone klingelten, ein Arzt rief einer Schwester eine Anweisung zu. Daniel Norden kam dem Freund seiner Tochter entgegen. »Guten Morgen! Seit wann ist die Diagnosestellung Sache des Pflegers?«, fragte er und nahm Sascha das Klemmbrett aus der Hand. »Seit ich Medizinstudent bin.« »Also seit ungefähr fünf Wochen.« Kopfschüttelnd wandte sich der Klinikchef an den Patienten im Rollstuhl. »Wo ist denn der Unfall passiert?« Er warf einen Blick auf das Klemmbrett. Elias Stuck, Radiomoderator, stand dort in Saschas Jungenschrift. »Im Studio. Seit Wochen liegt dieses verdammte Kabel schon im Weg herum. Ich verstehe nicht, warum man das nicht ordentlich in der Wand oder hinter einer Leiste verlegen kann.« »Über Kabel stolpert man hier eher weniger«
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Familie Dr. Norden - Neue Edition
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Buchvorschau
Der blinde Passagier - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Extra
– 206 –
Der blinde Passagier
Patricia Vandenberg
»Nach allem, was Sie so erzählen, tippe ich auf einen gebrochenen Knöchel«, erklärte der Pfleger Sascha.
Die Rollstuhlräder quietschten über den Boden der Notaufnahme. Es war noch früh am Tag. Trotzdem brummte es im Bauch der Klinik bereits wie in einer Bahnhofshalle. Schritte hasteten über die Flure, Telefone klingelten, ein Arzt rief einer Schwester eine Anweisung zu. Daniel Norden kam dem Freund seiner Tochter entgegen.
»Guten Morgen! Seit wann ist die Diagnosestellung Sache des Pflegers?«, fragte er und nahm Sascha das Klemmbrett aus der Hand.
»Seit ich Medizinstudent bin.«
»Also seit ungefähr fünf Wochen.« Kopfschüttelnd wandte sich der Klinikchef an den Patienten im Rollstuhl. »Wo ist denn der Unfall passiert?« Er warf einen Blick auf das Klemmbrett. Elias Stuck, Radiomoderator, stand dort in Saschas Jungenschrift.
»Im Studio. Seit Wochen liegt dieses verdammte Kabel schon im Weg herum. Ich verstehe nicht, warum man das nicht ordentlich in der Wand oder hinter einer Leiste verlegen kann.«
»Über Kabel stolpert man hier eher weniger«, bemerkte Sascha hinter dem Rollstuhl. »Eher über Kollegen, die im Weg herumstehen«, rief er den beiden Schwestern zu, die mitten im Flur standen und tuschelten.
Sie sahen ihm hinüber und drehten ihm eine Nase.
Daniel beschloss, das Thema zu wechseln.
»Was für ein ungewöhnlicher Beruf! Davon träumen sicher viele junge Menschen.« In seiner Vorstellung haftete dem Beruf des Radiomoderators etwas Glamouröses an.
»Schon möglich. Am Mikrofon sitzen ist, wie auf der Bühne zu stehen. Man hat ein Publikum und wird gehört«, erwiderte Elias Stuck. »Und spannend ist der Beruf auf jeden Fall. Im Laufe der Zeit treffen wir durch unsere Sendungen viele interessante Menschen und haben immer mit neuen Themen zu tun. Leicht verdient ist das Geld aber trotzdem nicht.« Viele Kandidaten glaubten, es reiche aus, gern und viel zu reden. Dabei mussten Moderatoren viel mehr können als das. Sie mussten sich vorab möglichst umfassend über ihre Gesprächspartner informieren und durch die Sendung führen. Ein guter Moderator baute nicht nur zum Interviewpartner, sondern auch zum Publikum eine Verbindung auf. Er brauchte Ausstrahlung und sollte witzig und schlagfertig sein. Diese Fähigkeiten hatte Elias Stück für Stück herausgearbeitet und hoffte irgendwann auf den großen Durchbruch. Bisher war er ihm verwehrt geblieben, wie Dr. Nordens nächste Frage verriet.
»Bei welchem Sender arbeiten Sie denn? Ich habe noch nie von Ihnen gehört.«
»Das wundert mit nicht.« Elias schnitt eine Grimasse. »Bei meiner Hörerschaft handelt es sich um schlaflose Nachtmenschen, deren Sorgen und Probleme ich mir jeden Abend ab zweiundzwanzig Uhr anhöre. Ich versuche zu helfen.« Das war längst nicht alles. Nach der Sendung gab Elias stets eine E-Mail-Adresse an, für die vielen Leute, die nicht durchgekommen waren, und seine Zuhörerpflichten gingen inzwischen weit über seine eigentliche Sendung hinaus. Er versuchte stets, sich auf eine Mail pro Person zu beschränken, um nicht in lange Korrespondenzen mit völlig Unbekannten hineingezogen zu werden, denn dazu reichte die Zeit einfach nicht. Danach schickte er wenigstens eine Standardmail, in der er auf andere Anlaufstellen verwies. Mehr konnte er oft nicht tun. All das erzählte er Dr. Norden nicht, denn er konnte sich vorstellen, dass der Klinikchef unter demselben Problem litt wie er selbst: Ständig war die Zeit zu knapp. Er täuschte sich nicht.
»Interessant.« Zu gern hätte sich Daniel tatsächlich noch länger mit dem Moderator über seinen Beruf unterhalten. Doch wie immer drängte der enge Terminkalender. »Dann handelt es sich also um einen Arbeitsunfall.« Es fand sich ein freies Behandlungszimmer. Sascha bugsierte den Rollstuhl durch die Tür. »Ach, Sascha, wenn du schon einmal hier bist, kannst du dich gleich nützlich machen.« Dr. Norden wollte ihm die Jacke des Patienten in die Hand drücken.
Sascha riss die Arme hoch, als handelte es sich dabei um eine brandgefährliche Sache.
»Feierabend, tut mir leid. Außerdem habe ich eine Verabredung mit deiner reizenden Tochter.« Er verbeugte sich fast bis zum Boden hinab. »Im Gegensatz zu dem älteren Herrn da drüben kenne ich Ihre Sendung übrigens«, sagte er zu Elias. »Toll, wie Sie den Leuten zuhören und immer die richtigen Worte finden.«
Elias Stuck lachte.
»Vielen Dank! Manchmal bin ich mir nicht so sicher, ob das alles so richtig ist. Schließlich bin ich kein studierter Psychologe. Aber ich gebe zumindest mein Bestes.«
»Das solltest du jetzt auch tun und von hier verschwinden.« Daniel drohte mit dem Zeigefinger.
»Zu Befehl, Herr General!« Sascha salutierte, wünschte dem Patienten alles Gute und machte sich aus dem Staub. Der Trommelwirbel seiner Schritte verhallte auf dem Flur.
»Netter junger Mann«, lobte Elias.
»Manchmal ein bisschen vorlaut.« Dr. Norden hatte auf dem Hocker Platz genommen, um endlich mit der Untersuchung zu beginnen. »Besonders, seit er das Medizinstudium in Angriff genommen hat.« Er betastete das verletzte Bein so behutsam, als wäre es ein Neugeborenes. »Mit der Fraktur scheint Sascha richtig zu liegen. Das müssen wir röntgen, um über weitere Schritte entscheiden zu können. Dafür hatten Sie Glück mit der Hand. Die ist nur verstaucht.«
»Glück im Unglück, oder wie nennt man das?« Elias lächelte. »Dann bringen wir es hinter uns, damit ich mich so schnell wie möglich wieder um meine Sorgenkinder kümmern kann.«
*
Auf dem Grünstreifen zwischen Radweg und Bürgersteig suchten Spatzen zwischen den vor Raureif starren Grashalmen nach Fressbarem. Dabei ließen sie sich nicht von den Passanten stören, die mit eingezogenen Köpfen, die Hände tief in die Jacken- oder Manteltaschen vergraben, vorbei eilten. Erst das Quietschen der Fahrradpedale alarmierte sie. Die kleine Schar flatterte auf und beobachtete aus sicherer Höhe von dürren Ästen herab die junge Frau, die unter ihnen vorbei radelte.
Vor Annekas Mund jagten kleine Rauchwolken her. Ihre Wangen leuchteten in schönstem Rot. Dummerweise hatte sie die Handschuhe nicht angezogen. Erst, als sie dachte, ihre Finger wären gefroren und würden jeden Moment abbrechen, machte sie Halt. Sie nahm den Rucksack vom Rücken und wühlte darin herum. »Taschentücher, Schal, Lernzeug, Geldbeutel … Meine Güte, warum findet man eigentlich nie das, was man gerade sucht?«, murmelte sie. Klirrend fiel der Schlüsselbund zu Boden und hüpfte ein Stück weiter. »Was ist los mit dir, Dienstagmorgen? Was hast du gegen mich?« Sie kletterte vom Rad und bückte sich nach dem Ausreißer. Dabei fiel ihr Blick auf einen jungen Mann, der auf den Stufen vor einem Wohnhaus saß. Er war