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Lady Bitch Libertie: Roman
Lady Bitch Libertie: Roman
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eBook447 Seiten5 Stunden

Lady Bitch Libertie: Roman

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Über dieses E-Book

Zwei junge Mädchen verfolgen gemeinsam einen Traum. Unbedingt möglichst viele Follower zu bekommen, denn sie wollen als Influencerinnen durchstarten. Ihre Eltern sind entweder noch nicht informiert oder sind mit den Nerven am Ende, denn sie haben mit sich selbst genug zu tun.

 

Ein satirischer Roman, voller Witz und absurder Situationen.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum15. Dez. 2021
ISBN9783755402985
Lady Bitch Libertie: Roman

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    Buchvorschau

    Lady Bitch Libertie - Rolf Bidinger

    In memoriam

    Der Aufschrei war gewaltig. Das Entsetzen riesengroß.

    Die Nachricht löste eine tiefe Bestürzung aus. Das ganze Land befand sich in kollektiver Trauer. Fernsehsender unterbrachen ihr laufendes Programm. Sondersendungen auf allen Kanälen. Landesweit brachen die Server zusammen.

    Der Bundespräsident verhängte, nach einer sehr persönlichen Würdigung, eine Woche Staatstrauer und befahl halbmast zu flaggen. In den Kirchen gab es Gedenkgottesdienste. Die Telefonseelsorge kam nicht mehr hinterher. Tausende Jugendliche, des Lebens überdrüssig, meldeten sich. Alle bereit, ihrem Idol zu folgen. Ein wildes und heftiges Klopfen drang aus vielen Wohnungen. Verzweifelte Eltern, die an verschlossene Teenagerzimmertüren hämmerten. Hinter den Türen, in Tränen aufgelöste Mädchen und Jungen, die vor weit geöffneten Fenstern auf dem Sims standen und kurz vor dem Absprung waren. Nicht wenige folgten ihrem Impuls. Sehr zum Unverständnis ihrer Eltern, die jegliche Mitverantwortung von sich wiesen. Einzige Lösung für sie, die Kinderzimmertür aufzubrechen! Dies scheiterte jedoch in den meisten Fällen daran, dass keiner der Elternteile bereit war, ihre Schultern zu ramponieren. Einige befürchteten zudem, die dann entstehende Lärmbelästigung, durch zersplitterndes Holz, könnten ihre Kinder erschrecken und einen Fenstersturz erst recht heraufbeschwören. Lediglich Kinderzimmer, die im Parterre lagen, wurden gewaltsam aufgebrochen und den Sturz ihrer Kinder in Kauf genommen. Eltern, die diesen Weg wählten, mussten jedoch damit leben, dass es beim Abendessen keine familienfreundliche Kommunikation gab. Da saß ihre Nachkommenschaft still in sich gekehrt und weinte auf die Spargelröllchen, bis eine Spargelsuppe entstand, die in kleinen Wellen über den Tellerrand schwappte. Diese Ordnungswidrigkeit wurde wiederum dahingehend bestraft, dass das geliebte Kind, ohne weitere Essenszufuhr, sich ins Bett zu legen hatte. Das Schluchzen war noch die ganze Nacht zu hören, dank der zerstörten Tür.

    Diese und noch weitaus drastischere Folgen hatte die Nachricht ausgelöst, die unvorbereitet auf die Welt einprasselte und sie wenigstens für einen Tag nachhaltig veränderte.

    Am nächsten Morgen waren die Zeitungen mit Nachrufen voll. Alle Titelseiten berichteten ausführlich über die Nationalheldin, die in jungen Jahren ein so jähes Ende gefunden hatte.

    Und zum ersten Mal in der Geschichte des Fernsehens, übertrugen alle Sender zeitgleich, ob öffentlich-rechtlich, ob privat, selbst sogar sämtliche Verkaufssender und Astro-TV, eine eiligst aus dem Boden gestampfte Sondersendung, die es an nötigem Pathos und Glorifizierung nicht vermissen ließ.

    Unter dem bewegenden Titel: „Lady Libertie hat ausgeklickt", wurde noch einmal ihr kurzes Leben nachgezeichnet.

    Von dem kleinen pummeligen Mädchen, hin zu dem Internetstar, der Instagramkönigin, der einzigen wahren Influencerin von Weltgeltung. Millionen von Smileys riefen ihr ein letztes Lebewohl zu. Lady Libertie wird unvergessen bleiben. Zumindest so lange, bis ein neuer Star am Internethimmel auftauchen wird. Es ist vermutlich nur eine Frage von wenigen Stunden!

    Doch bevor nun der Hype nachlässt und sie zurecht in Vergessenheit gerät, zeichnen wir nun noch einmal den steinigen Weg ihres harten Aufstiegs nach, der von so manchen Leichen gesäumt ist. Das Leben einer jungen Frau, die nichts anderes wollte, als nur berühmt zu werden. Kein Talent stand ihr dabei im Wege. Von der Schülerin, mit abgebrochenem Schulabschluss, hin zur Ikone der Jugend.

    Alle wollten so werden wie sie und ihr bedingungslos folgen.

    Das können sie ja nun!

    Kapitel 1

    Martha Müller war das, was man weitläufig eine graue Maus nennt. Nichts, aber auch wirklich nichts deutete darauf hin, dass aus der siebzehnjährigen mittelmäßigen Schülerin, einmal eine millionenschwere Influencerin werden würde, der Hunderttausende folgen und täglich ihren Reichtum mehren.

    Wie Schafe ihrem Schäfer folgen, der sie zum Schlachten führt, so waren es bei ihr gutgläubige Follower, die ihr willig jedes Produkt abkauften, das sie werbewirksam in die Kamera hielt. Doch es war ein dorniger und steiniger Weg bis dorthin. Alleine die Eltern von der Unsinnigkeit eines Schulabschlusses zu überzeugen, war wie gegen eine Steinwand zu laufen. Selbst der Kampf gegen Windmühlen war leichter zu bestehen, als der Widerstand, den der Stiefvater aufwand, um Martha eines Besseren zu belehren. Ihre Mutter, die das Austragen der Eizelle, noch einer Subunternehmerin überließ, sprang ihrer Tochter bei. Sie war der Überzeugung, für ein Mädchen genüge es, sich reich zu verheiraten, so wie sie es auch selbst getan hatte, wenngleich sie dabei einer Illusion in die Arme lief. Denn die große Limousine, mit der sie abends immer abgeholt wurde, von dem zukünftigen Vater ihrer Kinder, war nur der Chauffeur. Dummerweise erfuhr sie erst nach dem „Ja-Wort" davon, was zu reichlich Unmut in der Hochzeitsnacht führte. Doch da war es bereits zu spät. Glücklicherweise konnte sie es noch verhindern, dass er die Ehe vollzog. Sie stellte sich einfach schlafend. Dies hatte zur Folge, dass die Nacht folgenlos blieb. Daraufhin verlangte Herr Müller die Scheidung und Frau Müller ein Kind, zur Erinnerung an die Hochzeit, jedoch ohne den biologischen allseits beliebten Vorgang, der in gutbürgerlichen Familien samstags, nach dem Baden und der Sportschau, gewöhnlich vollzogen wird. Für den Scheidungsrichter, der sich beide Parteien und ihre Forderungen anhörte, wählte eine salomonische Entscheidung, die er aus eigener Erfahrung, mit seiner Exfrau durchgeführt hatte.

    „Liebe Scheidungswillige, ich schlage ihnen folgendes Verfahren vor, in der Hoffnung, beide Seiten damit vollumfänglich zu befriedigen."

    Frau Müller blickte skeptisch und auch ihr Nochmann schien wenig Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zu haben. Mit düsterer Miene hörte er dem Richter zu.

    „Hätte sie sich befriedigen lassen in der Hochzeitsnacht, wie es das Gesetz vorsieht, müssten wir jetzt nicht teure Anwaltskosten zahlen!", warf Herr Müller mürrisch ein.

    „Herr Müller, ihre familiäre Indiskretion ist unerhört und zeugt von einer schlechten Kinderstube!", warf Frau Müller empört ein, die längst dazu übergegangen war ihren Ehemann zu Siezen.

    „Bitte! Bitte und nochmals bitte!", rief der Richter und versuchte, wieder Ruhe in den Gerichtssaal zu bringen, denn es hatte längst eine eifrige Diskussion unter den Zuschauern begonnen. Nur mit größter Mühe gelang es ihm, eine stimmungsvolle Revolte zu verhindern. Auch die beiden Anwälte waren aufgebracht und verwiesen darauf, dass sie nach der Gebührenordnung abrechnen würden und verwahrten sich gegen den Vorwurf des Wucherns. Erst unter Einbindung des Gerichtsdieners, der zwei Schüsse in die Decke abgab, konnte die Ordnung wiederhergestellt werden. Anschließend musste er leider verhaftet werden, da er sich seiner Privatpistole bediente und in einem Schnellverfahren wurde er in eine lebenslange Sicherungsverwahrung überstellt. Wie es ihm nach Verbüßung der Strafe erging, ist leider nicht überliefert. Man kann aber davon ausgehen, dass er sich ins Private zurückgezogen hat. Aber zurück zu dem Prozess, wo gerade der Richter seinen wegweisenden salomonischen Vorschlag, den zerstrittenen Eheleuten, unterbreitet. In diesem Moment hätte man eine Nadel fallen hören können. Aber auf diese Idee kam niemand. Chance vertan!

    „Mein Vorschlag zu einem tragfähigen Vergleich sieht folgendermaßen aus", meldete sich der Richter erneut, der befürchtete, seine Autorität ginge gänzlich flöten.

    Seiner Ankündigung folgte ein: „Psst! – Seid ruhig! – Schnauze!"

    Zufrieden mit sich und der ihm anvertrauten Zuschauer, nickte er lautlos mit dem Kopf, denn die Interaktion, von „Gericht und Bürger", funktionierte tadellos. Er bedauerte es nur, dass seine Exfrau nicht anwesend war, denn er war sich sicher, sie wäre jetzt mächtig stolz auf ihn. Doch leider war sie nicht zugegen. Weshalb und warum, dies wird wohl für alle Zeit ein gut gehütetes Geheimnis bleiben. Doch sei es drum, nun war nicht der Moment, einer alten Verflossenen hinterherzuweinen, jetzt galt es Recht zu sprechen.

    „Recht muss Recht bleiben", erklärte der Richter und machte nach dieser Ankündigung eine lang angelegte Denkpause, die jeder der Anwesenden frei gestalten durfte. Die meisten Zuschauer blieben jedoch unbeweglich sitzen, da der Richter es versäumte, ein Zeitfenster für die Denkpause anzugeben. Ein kleiner Fauxpas, aber mit einer großen Wirkung! Durch diese Unachtsamkeit wurde er bei der Neubesetzung am Bundesgerichtshof einfach übergangen. Von dieser Schmach hat er sich nie wieder ganz erholt und sich dem hemmungslosen Trunke hingegeben. Entsprechend nebulös fielen dann auch seine skurrilen Urteile aus, gegen die er schon aus Prinzip keine Revision zuließ. Doch das ist eine andere Geschichte, die ein gesondertes Buch verlangt, das erst noch geschrieben werden muss. In diesem ist er nur ein kleiner Nebendarsteller, dem jetzt bereits viel zu viel an Aufmerksamkeit gewährt wurde. Deshalb rasch zurück zu seinem salomonischen Urteil, das wohl einmalig in der deutschen Rechtsgeschichte sein dürfte und erst Martha Müllers Influencerinnenkarriere ermöglichte.

    Böse Zungen kolportieren, wenn der Richter an diesem Scheideweg eine andere Entscheidung getroffen hätte, wäre einem so Manches erspart geblieben. Wäre er der Ansicht gewesen und dafür gab es wirklich gute Gründe, ihr Erbgut nicht weiterzugeben, dann wäre just an dieser Stelle des Buches die Geschichte zu Ende. Aber was wäre das dann für ein schmales, ja geradezu mickriges Buch geworden! Ein Büchlein von höchstens sechs Seiten! So was lässt sich kaum vermarkten, geschweige daraus einen Monumentalfilm drehen. Selbst Kurzgeschichten sind länger. Aber Gottlob entschied sich der Richter anders und so besteht die berechtigte Hoffnung auf ein dickes aufgeblähtes Buch, biblischen Ausmaßes.

    „Was ich ihnen nun vorschlage, kommt beiden Parteien entgegen. Es hat lediglich einen kleinen Haken. Es ist gesetzlich in Deutschland verboten. Dennoch sehe ich keine andere Lösung, um ihr Problem aus der Welt zu schaffen. Erst wenn diese Unannehmlichkeit beseitigt ist, scheint es mir möglich zu sein, eine glückliche Scheidung durchzuführen. Frau Müller möchte, bevor die Scheidung vollzogen wird, ein Kind von ihrem Nochehemann. Herr Müller hingegen, will jedoch keinen Kontakt mehr zu seiner Frau, besonders den Körperlichen lehnt er vehement ab. Hier liegt nun das Dilemma, der Gordische Knoten, den es zu zerschlagen gilt, zum Wohl des noch zu produzierenden Kindes, das, wenn es nach Frau Müller geht, auf den Namen Martha hören soll. Dies setzt allerdings die Mithilfe von Fortuna voraus, denn Martha ist nur weiblichen Kindern vorbehalten. Immerhin gibt es eine reelle fifty-fifty Chance, dass die Entbindung ein solches Ergebnis zutage bringen wird. Allerdings präferiert Frau Müller eine externe Geburt, da sie ungern eine körperliche Entgleisung in Kauf nehmen möchte, die eine Schwangerschaft jedoch zwangsläufig mit sich bringt. Soweit die Ausgangslage!"

    Atemlose Stille erfüllte den Gerichtssaal. Gespannt wartete man darauf, wie es dem Richter gelingen würde, beiden Seiten gerecht zu werden. Es wurden bereits erste Wetten abgeschlossen. Die einen sahen die Lage als verfahren an, die anderen glaubten, es wäre hoffnungslos. Der Richter sah in die ungläubigen Gesichter und lächelte diabolisch. So wollte er den Eindruck vermitteln, alles in Wohlgefallen auflösen zu können. In der Tat, in seinem Hinterstübchen hatte er sich einen Plan zurechtgelegt, den man zweifellos als kühn, einmalig und geradezu als spektakulär bezeichnen könnte. Allerdings sah er auch die Gefahr, sich in einen Interessenskonflikt zu begeben, da seine Exfrau dabei eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen sollte. Trotz dieser Bedenken entschied er sich, seinen Plan in die Tat umzusetzen, um diesen Fall endlich abschließen zu können, da er nachmittags noch auf den Golfplatz wollte. Somit war letztlich das gute Wetter schuld daran, dass er sich in eine gesetzliche Grauzone begab und damit selbst mit einem Bein bereits vor Gericht stand. Somit war es nicht ausgeschlossen, dass er, wenn es schlecht lief, gegen sich selbst ein Urteil sprechen müsste, da sein einziger Richterkollege gerade erst in den verdienten Ruhestand versetzt wurde, wegen Korruptionsverdacht. Doch er wäre nicht Richter gewesen, wenn er nicht auch für den Fall eine juristische Finte gefunden hätte.

    Er ließ einfach alle Anwesende einen verbindlichen und kollektiven Eid abnehmen, indem ihnen bei Strafe angedroht wurde, über das Gehörte nicht zu reden. Nachdem alle an Eides statt ihre Verschwiegenheit geschworen hatten, konnte der Richter befreit das Aussprechen, was ihm von Rechtswegen verboten war. Denn von nun an waren sie alle eine große verschworene Gemeinschaft. Jetzt erst konnte der Richter sich in absoluter Sicherheit wiegen, was ihn geradezu beflügelte, freiweg von der Leber zu sprechen. Rasch erteilte er sich das Wort, was seine Exfrau stets zu verhindern versuchte. Dies war auch mit eines der Hauptgründe, weshalb sie es zur Exfrau gebracht hatte. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Grund war, seine mangelnde Standfestigkeit, bezüglich Erweiterung der Familie, durch Herstellung eines Wunschkindes. Da ihm dies nicht möglich war, griff seine Exfrau auf den Briefträger zurück, der froh war, etwas Abwechslung in seinen Arbeitsalltag zu bringen. Über diese Maßnahme war der Richter zwar nicht sehr erfreut, doch musste er es hinnehmen. Einzige Freude für ihn war, dass es auch dem Briefträger nicht vergönnt war, dem Ruf aller Briefträger gerecht zu werden und so blieb die richterliche Exfrau kinderlos. Aus Frust über die Männerwelt wanderte sie aus. Sie entschied sich bei der Ländersuche für die Niederlande, weil sie von jeher eine glühende Tulpenverehrerin war. Diese Entwicklung machte sich der Richter nun zunutze.

    „Bevor ich nun zu dem eigentlichen Vorschlag komme, liebe Scheidungswillige, bringe ich nun meine Exfrau ins Spiel, die für meine Idee dringend nötig ist. Wenngleich ich persönlich nichts mehr mit ihr Zutun haben möchte, weil sie mich immer als Luftpumpe bezeichnet hat. Damit hat sie zwar recht, ich finde es aber ungebührlich. Auch noch in Jahren werde ich es ihr Übel nehmen, weil sie es nicht für sich behalten hat. Meine Impotenz ist mein ureigenes Geheimnis, das ich ganz für mich alleine haben möchte."

    An dieser Stelle unterbrach er, weil dicke Tränen, der eigenen Betroffenheit, über seine Wangen liefen.

    Diese Rührung schwappte auch sofort über und ergriff alle Anwesenden. Auf den schluchzend vorgetragenen Antrag von Frau Müllers Anwalt, wurde die Sitzung bis zum Versiegen des kollektiven Tränenausflusses unterbrochen.

    Da Gefahr für Leib und Leben, zu befürchten war, wurde die zuständige Gerichtssaalreinigungsfachkraft angerufen, die eine Perfektionistin des Wischens war. Mit dem Blick einer Professionellen hatte sie sofort das Gefahrenpotenzial erkannt und reagierte besonnen. Die im Saal, aus mehreren Rinnsalen entstandenen und zu kleinen Teichen sich zusammenrottenden Wassermassen, sperrte sie ab, um Unfälle zu vermeiden. Mit mehreren trockenen Lappen wurde sie Frau der Lage. Für sie war die Misere nur eine Lappalie! Mit dankbarem Applaus wurde sie nach Beendigung der Reinigungsarbeit verabschiedet.

    Endlich konnte die Verhandlung weitergehen.

    Mit immer noch geröteten Augen ergriff der Richter erneut das Wort, passenderweise genau an der Stelle, wo er zuvor unterbrochen hatte. Dies war sehr geschickt von ihm so eingefädelt worden, was es den Zuschauern das Nachvollziehen seiner Gedankenwelt erleichterte. Doch die Pfade dieser war so verschlungen und verworren, dass nur die Wenigsten mitkamen. Hier zeigte sich nun deutlich, wer Spreu und wer Weizen war.

    „Ich danke ihnen für ihre Anteilnahme, die zu der Verzögerung gesorgt hat", entschuldigte sich der Richter und fuhr nun unbeirrt und ohne weitere Gefühlsausbruchunterbrechungen, fort, was dem Verfahren deutlich zugutekam.

    „Meine Exfrau, wie ich ja bereits ausführte, lebt heute in den Niederlanden und hat sich dort mit einem Nischenprodukt, ein kleines mittelständiges Imperium aufgebaut. Sie führt dort, was hier leider gesetzlich verboten ist, eine florierende Agentur für Leihmutterschaft. Zunächst fing sie ganz klein als freischaffende Solo selbstständige an und ist heute, dank ihres Ehrgeizes, Vorstandsvorsitzende der Niederlande Buitenlandse Geboorte & Co. KG(*FN* Aus dem Niederländischen: Gesellschaft der niederländischen Fremdgebärung & Co. KG *FN*)."

    Der Gerichtsdiener verteilte rasch Stifte und Zettel an die Zuschauer, damit sie sich Notizen machen konnten. Er befürchtete, nicht ganz zu Unrecht, die richterlichen Ausführungen könnten heute etwas länger ausfallen.

    Und schon fuhr dieser auch unbeirrt fort.

    „Ihr Firmenmotto lautet: Kinderen zijn vandaag het pensioen van morgen!(*FN* Übersetzung aus dem Niederländischen: Kinder von Heute, sind die Rente von morgen!*FN*)

    Staunen über Staunen im ganzen Saal. Mehrere Frauenarme gingen gleichzeitig nach oben, deren Besitzerinnen unbedingt die Adresse wollten. Die Männer hingegen verhielten sich leicht reserviert. Ihr Vertrauen in die Niederlande war nicht allzu ausgeprägt. Jedoch speisten sie ihr Wissen einzig aus ihrer Skepsis gegenüber dem „Oranje" Fußball. Der Richter unterdessen, ärgerte sich still und leise darüber, dass man ihn so unsanft aus seinem sprachlichen Flow gerissen hatte. Er notierte sich nur rasch, wo er unterbrochen wurde, um nach Beruhigung der Lage wieder dort anzuknüpfen, ohne dass er sich wiederholen müsste.

    „Als Ehefrau ist sie zwar nicht zu empfehlen, als Geschäftsfrau dafür umso mehr. Aus dem biologischen Defizit des Ehemannes ein Geschäftsmodell zu machen, das verdient schon Respekt. Herr Müller, sie müssen dort nur eine Spende abgeben, wobei die Mitarbeiterinnen oder ein charmanter Mitarbeiter, je nach Präferenz, ihnen gerne hilfreich zur Hand geht. Und für sie, werte Frau Müller gibt es eine reiche Auswahl an osteuropäischen Frauen, die gerne für sie ihr Kind austragen werden. Dies ist mein Vorschlag, den sie beide annehmen sollten."

    Mit gütiger Strenge sah er auf das Nochehepaar. Aus deren Gesicht wich die Anspannung und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

    Glücklich nahmen sie sich in die Arme und krönten diese Geste gegenseitiger Zärtlichkeit, mit einem langen ausgiebigen Kuss. Anschließend wurden sie rechtskräftig geschieden.

    Damit war ihr größter Wunsch in Erfüllung gegangen und ab da würdigten sie sich keines Blickes mehr.

    Dies war nun die Geburtsstunde von Lady Libertie!

    Neben den beiden glücklich Geschiedenen war noch jemand sehr zufrieden mit dem Prozessausgang. Diesem wurde bisher wenig Beachtung geschenkt. Der Anwalt von Frau Müller überstrahlte alle. Denn noch am selben Abend, in einer kleinen verträumten Trattoria, hielt er, bei Kerzenschein und einer Familienpizza Diavolo, um die Hand von Frau Müller an. Diese nutzte die einmalige Chance beim Schopfe und hauchte ein leises: „Ja!"

    Natürlich war nicht nur Liebe im Spiel, sondern auch ein stückweit Berechnung. Frau Müller konnte somit die Anwaltskosten sparen.

    Die nächsten Wochen und Monate verbrachten die beiden Tauben des Turtelns mit hemmungslosen erotischen Exzessen. Dabei ließen sie ihren Fantasien freien Lauf.

    Dies war nur möglich, da Frau Müller von lästiger morgendlicher Übelkeit verschont blieb, die sonst, als kostenlose Zugabe, zu jeder Schwangerschaft, mitgeliefert wird.

    In den fernen Niederlanden, da wuchs jetzt, in einer polnischen Frau, ein Ei heran, hin zu einer der zukünftig erfolgreichsten Influenzmaschinen, auf die die Welt so dringend gewartet hat, wie ein Baum, der sehnsüchtig der Ankunft des Borkenkäfers entgegenfiebert.

    Kapitel 2

    An einem kalten ungemütlichen Novembertag, der eigentlich nur im Bett erträglich ist, musste Frau Müller genau eben dieses Verlassen und den beschwerlichen Weg auf sich nehmen, um ihre Bestellung abzuholen. Ihr neuer Mann, der noch vor Kurzem ihr Anwalt war, ließ sich nur unter der Androhung von nachhaltigem Sexentzug dazu bringen, seine Frau zu begleiten. Zwar verwies er darauf, rein rechtlich mit der Angelegenheit nichts zu tun zu haben, doch dies ließ seine Frau nicht gelten. Dementsprechend missmutig saß er neben ihr im Auto und schmollte. Dass Frau Müller das Auto auch noch selbst fahren wollte, war der ohnehin schon angespannten Stimmung, auch nicht gerade förderlich. Herr Müller, der den Familiennamen seiner Frau annehmen musste, weil sie ihre Identität nicht aufgeben wollte, war der schlechteste Beifahrer, den sich eine Ehefrau nur wünschen konnte. Sätze wie: „Fahr nicht so dicht auf -- Blinken wäre jetzt angesagt -- den vierten Gang darf man auch benutzen -- das wäre unsere Ausfahrt gewesen! --" und andere gut gemeinte Hinweise, wurden geflissentlich von ihr ignoriert.

    Solange sie im Bett lagen, führten sie eine vorbildliche Beziehung. Nur das Leben außerhalb bereitete ihnen Schwierigkeiten, weil sie doch etwas anderer Auffassung waren, bezüglich der Tagesgestaltung. Selten waren sie sich einig und während er seine Ruhe haben wollte, bestand sie auf das Ausdiskutieren, selbst der geringfügigsten Abweichungen ihrer Wünsche. Da konnte schon einmal der unzureichende Härtegrad eines Frühstückseis zu einem Drama epischen Ausmaßes werden. Friedensverhandlungen wurden ausschließlich im Ehebett, durch sportliche Aktivitäten, ausgeräumt. Nur dort konnte Herr Müller seine Frau von seinen Fähigkeiten überzeugen und sie voll befriedigen, meist sogar zweimal.

    Ohne diesen Leistungsbeweis, den Herr Müller täglich wenigstens einmal erneuern musste, wäre die Ehe vermutlich gescheitert, denn schon der erste Herr Müller konnte diesem Leistungsdruck nicht standhalten.

    Irgendwann, nachdem sie stundenlang an Gewächshäusern, der Heimstatt wässriger Tomaten, sowie kilometerlangen Brachflächen abgepflückter Tulpen, vorbeikamen, erreichten sie schließlich unfallfrei ihr Ziel.

    Dass sie das Ziel überhaupt erreichten, lag vornehmlich an dem beherzten Eingreifen ins Lenkrad, welches Herr Müller nicht uneigennützig tat.

    Die gesamte Autokolonne, die sich hinter ihnen staute, dankte es ihnen hupend, als sie endlich die Ausfahrt nahmen. Frau Müller war darüber nicht unglücklich, denn sie hatte bereits seit geraumer Zeit einen Krampf im linken Mittelfinger. Die Hupe hatte längst schon kapituliert und war froh, als die Sicherung angenervt durchbrannte.

    Die letzte Strecke des Weges führte sie über einen Feldweg. Vor einer, so viel Klischee muss sein, alten Windmühle, hielt der Wagen. Nicht weil sie am Ziel waren, sondern weil das Benzin alle war. Herr Müller war darüber so begeistert, dass er es sofort zum Thema machte. Dabei schaukelte er sich rein stimmlich in nie gehörte Höhen. Frau Müller hingegen, eine ausgeglichene und stets Ruhe bewahrende Frau, vorausgesetzt sie hatte schon ihre Tagesration Sex, brüllte ohne Vorwarnung zurück.

    „Das rote Lämpchen hat eben erst mit Blinken begonnen. So lange es blinkt, ist auch noch Benzin drin. Das steht so in der Bedienungsanleitung!"

    „Schrei mich nicht an!", schrie Herr Müller in gleicher Lautstärke zurück.

    Nun ist allgemein bekannt, besonders aus der Antiaggressionslehre, dass Brüllen und Gegenbrüllen wenig bringt und meist die ganze Sache nur verschlimmert. Aber offensichtlich war unserem glücklichen Ehepaar diese Therapieform nicht wirklich vertraut. Vereint schaukelten sie sich dermaßen hoch und am Ende der lautstarken Diskussion war eine unweigerliche Trennung bereits am Horizont zu erblicken. Ungeachtet dieser Bedrohung begannen sie mit einem Brainstorming aller, ihnen bekannter Schimpfwörter, ohne Rücksicht auf seine geschlechtliche Zugehörigkeit. Beispielsweise wählte Frau Müller den Begriff: „Dumme Sau", der schon in zweifacher Hinsicht fehlerhaft ist. Erstens ist eine Sau eindeutig weiblichen Geschlechts und zweitens sollen Schweine insgesamt sehr intelligent sein. Etwas, das man angesichts ihrer unbedarften Äußerung, Frau Müller nicht vorwerfen konnte. Wer nun seine ganze Hoffnung auf Herrn Müller gesetzt hat, der wird sich nun mit einer Enttäuschung auseinandersetzen müssen oder einfach damit weiterleben. Herr Müller ließ es sich nicht nehmen und gab es ihr mit gleicher Münze zurück.

    „Hornochse!", warf er ihr zu.

    Damit disqualifizierte er sich, ebenso wie seine Frau und damit waren sie geradezu wie geschaffen füreinander.

    Doch ungeachtet der geschlechterspezifischen Verwerfungen versuchten sie sich erfolgreich, mit Beleidigungen und Verunglimpfungen, zu übertrumpfen. Als ihnen keine Schimpfwörter mehr einfielen, erfanden sie einfach Neue, noch nie da gewesene, die sie mit großer Empathie ihrem Gegenüber an den Kopf warfen.

    „Flachhirngeschädigte -- Gesichtsruine -- Genitalmikrobe -- Hyänenfresse -- du Schlomm!"

    Die letztgenannte Beleidigung fiel Frau Müller ein.

    „Was ist denn ein Schlomm?", wollte daraufhin ihr Mann wissen.

    Mit so einer unverschämten Frage hatte nun Frau Müller nicht gerechnet und so spontan auch keine Antwort parat. Der Begriff war ihr einfach so in den Kopf gekommen und sie hatte ihn ungeprüft verbal ausgeworfen.

    „Ein Schlomm ist eben ein Schlomm!", antwortete sie zickig, wie es nur eine Frau tun kann, die nicht erklären kann, was sie da eben gesagt hat.

    „Wenn du es nicht erklären kannst, dann fühle ich mich auch nicht beleidigt", erklärte ihr Mann daraufhin.

    „Küss mich!", forderte plötzlich seine Frau.

    Dies ist bekanntermaßen ein landläufiges probates Mittel, wenn ein Streit ins Stocken geraten ist und man, beziehungsweise Frau, vom eigenen Versagen ablenken will. Männer fallen nur allzu gerne auf dieses durchschaubare Manöver herein. Herr Müller war Mann, durch und durch. Deshalb war es auch nur wenig verwunderlich, dass seine Lippen die ihren heftig bedrängten. Inwendig spielte sich ein hemmungsloses Züngeln ab, was für Außenstehende im Verborgenen blieb. Wie es nun einmal im Leben so ist, eins kommt zum anderen. Die Hände kamen ins Spiel, Kleidungsstücke wurden gelockert und lagen schon bald verstreut herum. Wo ein Wille, ist auch ein Gebüsch nicht weit. Geschützt vor neugierigen Blicken, kamen sich die beiden Streithähne näher. Vergessen war jeglicher Groll. Sie arbeiteten sich nicht nur an sich ab, sondern gerieten dabei in eine unkontrollierte Ektase. Fünf Minuten später war alles vorbei und die Reise wurde fortgesetzt. Dies allerdings zu Fuß. Zwei Gebüsche später, Herr Müller wollte noch einen Nachschlag, standen sie vor einer alten Windmühle, deren Windräder im Wind ein lautes Quietschen erzeugten. Sie traten ein und innen sah es aus wie in einer Privatklinik. Weiß und steril. Es roch stark nach Desinfektionsmittel.

    „Guten Tag, sie wollen sicher eine Samenspende abgeben", begrüßte eine eifrige Frau hinter dem Tresen.

    „Nein!", erklärte Herr Müller.

    „Das hat mein Mann schon hinter sich. Wir möchten nun das Ergebnis abholen. Unser Kind wurde extern ausgetragen und jetzt holen wir es ab. Es ist doch fertig?", erklärte Frau Müller die Sachlage.

    „Wie ist denn der Name?"

    „Es hat noch keins! Wir wollten erst sehen, wie es so aussieht", meinte Herr Müller und seine Frau nickte eifrig.

    „Ich meinte, wie ihr Name ist?"

    Noch ehe Herr Müller antworten konnte, fiel ihm seine Frau ins Wort.

    „Wir möchten gerne anonym bleiben. Sehen sie einfach unter unbekannt nach."

    Die Thekenfachkraft lächelte leicht gequält und fuhr erst einmal ihren Computer hoch. Eine Tür öffnete sich und ein Mann trat an den Tresen. Hochroter Kopf, die Frisur zur Unkenntlichkeit zerstört und mit Schweißperlen auf der Stirn. Verschämt stellte er ein kleines Plastiktöpfchen auf den Tresen. Die Frau dahinter nahm das Gefäß und beäugte es.

    „Na ob das reich?", meinte sie nur trocken.

    „Mehr ging nicht. Beim besten Willen nicht", meinte der Mann kleinlaut.

    „Mein Gott, sie waren da jetzt drei Stunden drin und haben sich sämtliche Videos angesehen! Hat sie das denn nicht in Stimmung gebracht?"

    Der Mann schüttelte traurig den ohnehin schon gesenkten Kopf.

    Herr Müller sah lächelnd seine Frau an. Sie zwinkerte ihm vielsagend zu, denn sie wusste nur zu gut, wenn ihr Mann etwas konnte, dann das. Mit dieser Lächerlichkeit im Becher hätte er sich nie in die Öffentlichkeit gewagt.

    „Ich könnte ihnen ja etwas abgeben", grinste Herr Müller, der sich die dezente Bemerkung nicht verkneifen konnte.

    Der Mann sah nun noch trauriger aus, was auch der Frau hinter dem Tresen nicht verborgen blieb und machte ihm einen neuerlichen Vorschlag. Sie nahm einen neuen Becher aus einer Schublade und drückte ihn dem Mann in die Hand.

    „Jetzt probieren sie es noch mal und strengen sie sich doch etwas mehr an. Oder muss ich ihnen dabei helfen?"

    Der Mann riss seine Augen weit auf und eilte zurück in das Zimmer. Für einen Moment war Ruhe eingekehrt. Nur leise hörte man durch die verschlossene Tür: „Ich schaff das! Ich schaff das!"

    Nach dem dritten „Ich schaff das" hörte man nur noch ein leises Schluchzen.

    Am Tresen sahen sich die drei Verbliebenen an und schüttelten mitleidig mit den Köpfen. Sie wussten genau, er wird es auch diesmal nicht schaffen!

    „Wir würden dann jetzt gerne unser Kind sehen und haben sie zufällig auch Benzin?", fragte Frau Müller.

    „Ja natürlich. Moment ich seh mal nach, ob es fertig ist."

    Die Thekenkraft vertiefte sich in die Datenbank.

    „Ah ja, hier ist es ja. Es ist unter „Unbekannt abgelegt. Wie soll das Kind denn heißen? Dann kann ich das gleich eintragen.

    „Johannes!", rief Herr Müller.

    „Julius geht aber auch. Hauptsache was mit „Jott!, fügte Frau Müller hinzu.

    „Es ist aber ein Mädchen geworden, laut meiner Datenbank."

    „Dann halt, in Gottes Namen, Martha!", entschied Herr Müller und seine Frau zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.

    „Hoffentlich spricht es nicht schon polnisch", merkte sie, nach einer kurzen Pause, an.

    „Vornehmlich schreit es nur", beruhigte die Thekendame.

    „Auch das noch!", rief Herr Müller, der sehr geräuschempfindlich war.

    Gerade als seine Frau ihn darauf aufmerksam machen wollte, bei dem Kind handele es sich ja nicht um Seines, kam eine mehr als übergewichtige junge Frau und legte stumm einen Zettel auf den Tresen. Die Dame am Empfang nahm ihn, nickte und ging zu einem Bild, auf dem „Maria mit dem Kind" zu sehen war, was offensichtlich eine Fälschung war. Sie klappte das Bild zur Seite und offenbarte so den freien Blick auf einen kleinen Tresor, der in der Wand eingelassen war. Farblich war er in einem gräulichen Grau gehalten, was wohl auch der Grund war, weshalb er von dem nicht minder hässlichen Bild verdeckt war. Halblaut hörte man die Tresorknackerin singen, während sie an dem Tresorschloss drehte:

    „Vier Dreier und ein Einser noch.

    Die Sieben lässt uns alle hoffen.

    Gebt acht, so rät ein guter Koch.

    Und schon da ist er Kasten offen."

    Unter großer Vorsicht achtete sie penibel darauf, dass niemand sah, welche Zahlen sie eingab. Immer wieder sah sie zu Herrn und Frau Müller hinüber, ob sie auch ja nicht die Kombination erspähen würden. Dann öffnete sich die Tür zur Schatzkammer, so wohl der Plan. Doch das tat er mitnichten. Ratlos stand sie davor.

    „Entschuldigung!"

    Es war Frau Müller, die als erste ein tröstliches Wort fand.

    „Sie haben und ich habe es deutlich gesehen, die Drei nur dreimal gedrückt. Laut ihrem Lied müssen sie aber viermal die Drei tippen. Wenn sie möchten, kann ich ja das Lied singen und sie orientieren sich daran. Singen und gleichzeitig die Zahlenkombination eingeben kann schon mal verwirren."

    Bereitwillig nahm die Dame den Vorschlag an und in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gelang es ihnen, den Tresor aufzubekommen. Zum Dank für ihre Mitarbeit lobte die Tresoröffnerin die schöne Gesangsstimme von Frau Müller.

    „So schön wie sie hat noch niemand hier die Tastenkombination gesungen!"

    Frau Müller errötete ob des Lobes und auch ihr Angetrauter applaudierte höflich. Nun entnahm die Dame aus dem Tresor einen Umschlag und übergab ihn an die übergewichtige Dame.

    „Dziękuję i do zobaczenia następnym razem!"(*FN* Aus dem Polnischen übersetzt: Dankeschön und bis zum nächsten Mal!*FN*)

    Mit diesen eindringlichen Worten steckte sie den Umschlag in ihre Umhängeplastiktasche, winkte den Anwesenden noch zu und ging.

    „Was hat sie gesagt?", erkundigte sich Herr Müller.

    Die Dame hinter dem Tresen zuckte nur mit den Schultern.

    „Ich weiß es auch nicht, aber sie sagt es alle neun Monate, wenn sie ihr Geld bekommt."

    „Wer ist denn die Dame?", wollte nun auch Frau Müller wissen.

    Die Umschlagübergeberin sah sich um, ob auch ja niemand in der Nähe war, der zuhören konnte. Als sie davon überzeugt war, trat sie näher an das Ehepaar heran und flüsterte ihnen, in konspirativer Weise, zu: „Das darf ich nicht sagen! Die Identität unserer Leihmütter muss gewahrt bleiben."

    „Ich wollte auch nicht indiskret sein", entschuldigte sich

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