Der Polyp: Die Umklammerung
Von Joana Angelides
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Über dieses E-Book
Eine kleine Insel, irgendwo in der Ägäis, verträumt und voller Leben, wird von der harten Realität überrollt. Ein neu gebautes Werk verändert die Menschen und deren Umwelt. Ein neues Zeitalter vertreibt sie aus dem Garten Eden. Sie haben das Gefühl, dass sie ein Polyp mit seinen Tentakeln erbarmungslos umklammert und verzehrt. Vorerst kaum wahrnehmbare soziale Spannungen führen schlussendlich zur gesellschaftspolitischen Explosion und Mord. Spannung garantiert. Der Leser taucht in die griechische Lebensart ein und identifiziert sich mit einigen Inselcharakteren. Action, Crime und Spannung gewährleistet!
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Buchvorschau
Der Polyp - Joana Angelides
VORWORT
Der Polyp, auch Oktopus, Kopffüßler oder Kalmar, ist eine, in allen Weltmeeren verbreitete Spezies. Auf dem sackförmigen Körper sitzen eigentümlich starr blickende Augen mit Lidern, die geschmeidigen acht oder zehn Arme sind mit jeweils zwei Reihen von Saugnäpfen besetzt. Es wurden bereits Polypen mit 17 Meter langen Fangarmen, sogenannten Tentakeln gefangen. Die Vielarmigkeit ist bei weitem nicht das einzige Merkmal, welches den Oktopus von anderen Kopffüßlern unterscheidet. So haben Polypen neun Gehirne, in jedem Bein eins und ein zentrales, und sind so beweglich und flexibel, dass sie sich in Öffnungen, welche nicht kleiner sind als der Abstand ihrer Augen, hindurchzwängen können. Laut Zoologen würden die Kraken die Welt beherrschen, würden sie ihren Kindern das Erlernte beibringen. Freuen wir uns also über die Tatsache, dass jeder Polyp alles wieder in seinen durchschnittlich 4 Lebensjahren neu entdecken muss.
Charaktereigenschaften der Tiere findet man bei vielen Menschen wieder, man muss nur genau hinsehen. Die menschlichen Polypen, bzw. Oktopusse sind jene, die mit ihren gierigen Fangarmen bis tief in gesellschaftliche Strukturen eindringen, sich festsaugen und nicht mehr loslassen. Sie versuchen, alles an sich zu raffen, überziehen es dann mit dem Schleim der Habgier, Raff- und Machtsucht und verschlingen was sie können. Die Opfer sind meist hilflos und ergeben sich mehr oder minder freiwillig ihrem Schicksal.
Garten Eden, das Paradies.
Sie war eine kleine, fast vergessene Insel mitten in der Ägäis. Das Leben spielte sich in vorgezeichneten Bahnen ab, es war karg, aber die Menschen waren zufrieden, ja mehrheitlich glücklich, mit dem was sie hatten. Das Leben war ihnen ein kostbare Gut, bis es irgendwann verlosch, der Name des Toten am Marmorgrabstein in der Sonne verblasste und später dann die Gebeine im angeschlossenen Karner der Gemeinde ihre letzte Ruhestätte fanden. Denn der Friedhof war nicht sehr groß.
Der karge Boden gab nicht viel her, es gab außer uralten Olivenbäumen und eine kleine Salzgewinnungsanlage in der östlichsten Spitze der Insel, keine Besonderheiten. Das einheimische Olivenöl allerdings war eine Spezialität und wurde, ebenso wie die Oliven, als Geheimtipp gehandelt. Beides verließ die Insel in kleinen Flaschen oder Gläsern und war die einzige nennenswerte Einnahme für die Einwohner. Sie vermarkteten es in einer Art Genossenschaft, in der fast Alle mitarbeiteten. Schafe und Fische waren das zweite Standbein, wobei die Fische gerade noch zur Selbstversorgung reichten. Eine von der Sonne begünstigte Weinsorte wurde nebenbei kultiviert und meist zu dem bekannten Retsina verarbeitet, der von allen gerne getrunken wurde.
Von der aktuellen Krise ihres Landes innerhalb des Europäischen Marktes, die Probleme mit den Banken und dem fernen Brüssel war hier fast nichts zu spüren. Sie waren ja größtenteils Selbstversorger und außerdem sehr genügsam, zufrieden mit dem was sie hatten.
Fremde verirrten sich kaum hierher. Die Fähre kam täglich zwei Mal vorbei und spukte meist nur Einwohner aus, die Besorgungen gemacht hatten, bzw. zur Arbeit aufs Festland pendelten. Sie waren dann meist die ganze Woche abwesend. Sie kam um sechs Uhr früh vom Festland hier vorbei und legte dann erst wieder abends an, wenn sie wieder zurückfuhr. Wann, war nicht so genau definiert. Doch der Kapitän tutete immer einige Minuten bevor er anlegte, sodass man Zeit hatte, sie zu erreichen. Das war eben Griechenland und der Fahrplan nicht so streng festgelegt. Wenn man die Fähre allerdings trotzdem verpasste, musste man eben bis Morgen warten. Auch warf der Kapitän den Sack mit Poststücken einfach nur auf die Reeling, der Gemeindesekretär hob ihn auf und verteilte die Briefe und eventuelle Pakete dann. Jeder wusste von Jedem, wann und von wem er Post erhielt.
Heute war das anders. Ein Fremder stieg aus, ein Unbekannter, mit einer Aktenmappe unter dem Arm, einem dunklen Anzug und Krawatte. Das bedeutete nichts Gutes! Die Erfahrung lehrte die Menschen hier auf der Insel, dass es sich entweder um einen Beamten oder Gesandten der Regierung aus dem fernen Athen handeln musste, oder dem Gott-sei-bei-uns persönlich! Eine alte Frau, die auf den Stufen ihres kleinen Hauses im Hafen saß und häkelte, bekreuzigte sich und zog ihr Kopftuch tiefer ins Gesicht.
Einige Fischer, die neben dem Ankerplatz ihre Netze entwirrten und flickten erstarrten in der Bewegung und blickten gebannt auf die dunkle Gestalt. Einer stupste den Nachbarn, der mit Blick ins Landesinnere verkehrt dasaß, an und deutete bedeutungsvoll in Richtung Landungssteg.
Die offensichtlichen Unbehagen erregende männliche Gestalt blieb stehen blickte zögernd umher. Offenbar suchte er etwas. Als seine Blicken auf die Menschen trafen, wandten sich diese sofort ab und taten sehr beschäftigt. Er dürfte jedoch gefunden haben, was er gesucht hatte. Er steuerte auf das Gebäude des Bürgermeisters zu. Groß und deutlich stand über dem Eingang
„DIMARXEIO",
was soviel wie Gemeindeamt heißt und verschwand darin.
Sofort begannen die Leute untereinander wieder zu tuscheln und Vermutungen anzustellen. Kosta, der Fischhändler schwang sich auf den Sitz seines Karrens und trieb den Esel an. Er wollte so schnell wie möglich aus dem Blickfeld dieses Unheimlichen entweichen. Sicher ist sicher!
Der Fremde hatte inzwischen das Amtshaus betreten und da es verwaist schien, rief er laut:
„Niemand da?"
Man konnte schlurfende Schritte hören und eine, ganz in Schwarz gekleidete ältere Frau erschien in der Türe hinter einer Art Theke, die den Eingangsbereich vom Büro trennte.
„Oriste?", ihre Stimme war brüchig und leise.
„Ich hätte gerne den Bürgermeister des Ortes gesprochen, ich bin angemeldet und komme aus Athen", er bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben und legte seinen Ausweis auf den Tisch. Seit er von Bord der Fähre gegangen war, spürte er permanent die eisige, ablehnende Haltung, die ihn überall entgegenschlug und versuchte nun, seine Unsicherheit zu überspielen.
Sie nahm den Ausweis und hielt ihn sehr nah an ihr Gesicht, aber er hatte den Eindruck, dass sie gar nicht lesen konnte, dann legte sie ihn wieder hin.
„Kirios Dimarchos ist nicht da, ich müsste ihn holen lassen. Sie sagen, Sie sind angemeldet?, es klang zweifelnd, „um ihn aber holen zu lassen, muss ich wissen, was Sie von ihm wollen
, lispelte sie ängstlich.
Der Mann vor ihr bekam eine tiefe Stirnfalte und holte tief Luft.
„Also, hier geht es ja scheinbar sehr gemütlich zu. In der Amtszeit ist das Büro verwaist und die Ankündigung meines Besuches ist scheinbar verloren gegangen!", er war sichtbar verärgert und seine Stimme war lauter als beabsichtigt. Die alte Frau hob wie zur Entschuldigung beide Schultern.
In diesem Moment öffnete sich die Eingangstüre hinter ihm und ein großer, bulliger Mann in einer Dreiviertelhose, einem ehemals weißen Shirt und Sandalen betrat das Gebäude.
„Sie brauchen nicht so herumzubrüllen, Sie sind erst für Morgen angemeldet, da dürften sich ja wohl Sie geirrt haben!"
Der Mann drehte sich erschrocken um und starrte den Sprecher an.
„Sind Sie der Bürgermeister?", sein Staunen war echt.
„Unter Anderem. Ich bin der Bürgermeister Polizeikommandant und Hafenmeister hier. Aber alles zu seiner Zeit und keinesfalls vollzeitbeschäftigt. Ich war gerade auf meinem Boot, der Motor streikt. Was denken Sie denn, was hier auf dieser kleinen Insel, mit 1000 Einwohnern und 1000 Schafen so ein Bürgermeister den ganzen Tag im Büro zu tun hätte? Übrigens mein Name ist Konstantinos Stopoulis!" Er streckte ihm seine Hand entgegen.
„Heraklis Papoulis!", der Andere ergriff die ihm hingestreckte Hand und musste vor Schmerz die Augen schließen, denn der Händedruck des Bürgermeisters brach ihm fast den Handwurzelknochen.
Er nestelte an seiner Aktenmappe herum und brachte einige Papiere zum Vorschein. Er starrte auf den ersten Papierbogen und bekam hektische, rote Flecken am Hals.
„Ohja, da haben Sie Recht, der Termin ist erst Morgen, ich muss mich entschuldigen!", es fiel ihm aber offenbar schwer, seinen Irrtum zuzugeben und man sah, dass es ihm unangenehm war.
„Na gut Kirios Papoulis. Bitte, geben Sie mir eine Stunde, wir treffen uns dann wieder hier, ich muss mich ein wenig frisch machen. Gegenüber ist ein kleines Kaffenion, da können Sie die Zeit totschlagen!", damit verschwand er in der Tiefe des Büros und Heraklis konnte nur mehr hören, wie er sich in den Oberstock begab. Die ältere Frau war inzwischen verschwunden. Ob das seine Sekretärin war? Das war stark zu bezweifeln. Seufzend verließ er das Gebäude wieder und begab sich unter den misstrauischen Blicken der Leute rundum in das empfohlene Kaffenion.
Er bestellte einen Kaffee beim Hereinkommen und nahm umständlich an einem der runden Tischchen Platz. Auf den Nebensessel platzierte er seine Aktenmappe, nestelte ein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirne. Es war bedrückend heiß, der Ventilator an der Decke brachte da nicht viel Abkühlung. Außerdem war er zu langsam eingestellt und ächzte offenbar selbst unter der Hitze. Es war momentan das einzige Geräusch im Raum. Dezent öffnete er den oberen Hemdknopf und lockerte die Krawatte. Die Männer im Raum wandten sich wieder ihrem Tavli-Spiel zu und man hörte, wie die Steine hin und her geschoben und manchmal hart aufgesetzt wurden. In der übrigen westlichen Welt nennt man dieses Spiel Back-Gammon. Die Griechen selbst zählen sich ja nicht unbedingt zu Europa gehörend, obwohl es manchem schon klar ist, dass sie auch dazu gehören, akzeptieren es die meisten nicht unbedingt.
Es war allen klar, dass er leibhaftig dasaß und Kaffe trank, doch sie ignorierten ihn nicht einmal, es war, als würde er Luft für sie sein. Was jedoch trügerisch war. Die Stille um ihn herum war bedrückend und er war froh, als er mit einem Blick auf der gegenüberliegenden Turmuhr der Kirche feststellte, dass die Stunde endlich um war. Er nahm seine Brille, beäugte den Kassenzettel, legte drei Geldstücke auf den Tisch, nahm seine Tasche und ging ins Gemeindehaus zurück.
Der Bürgermeister wartete bereits auf den Mann aus Athen. Er hatte das Fax, das ihm den Besuch ankündigte vor sich und es auch wiederholt gelesen. Man kündigte ihm an, dass Herr Heraklis Papoulis von der Firma „Hygro berechtigt ist, einige Wasserproben aus der Quelle im Wald bei Agios Stephanos, die ein Wasser-Reservoir, eine Zisterne, in der ansonsten verfallenen Zitadelle des Ortes speiste, zu entnehmen. Diese Zitadelle wurde bereits im Altertum gebaut und diente als Schutz gegen vorbeifahrende Seeräuber. So hatte auch diese kleine Insel ihre so genannte kleine „Akropolis
, was soviel wie „Hohe Stadt" bedeutete und auf vielen Inseln und in vielen Städten noch heute zu finden ist. Die damaligen Erbauer hatten ein ausgeklügeltes Kanalsystem gebaut, das die Stadt und die Umgebung mit Wasser versorgte, auch wenn sie belagert und eingeschlossen sein sollten. Von dieser Akropolis waren nur mehr die Grundmauern vorhanden und eben diese Zisterne mit den angeschlossenen, leicht abfallenden Wasserrinnen. Die Bauern verwendeten das System für die Bewässerung der Felder ebenso, wie für ihre Häuser und den täglichen Gebrauch. Jene Menge Wasser, die nicht verbraucht wurde, floss einfach ins Meer.
Als Heraklis Papoulis das Büro des Bürgermeisters betrat, schlug ihm eine angenehme Kühle entgegen, die Klimaanlage arbeitete nun auf Hochtouren.
„Bitte nehmen Sie Platz. Und nun bin ich ganz Ohr und bitte Sie, mir die Hintergründe Ihres Besuches zu erläutern?!", gespannt blickte Konstantinos sein Gegenüber an.
Dieser räusperte sich, wischte sich wieder mit dem Taschentuch über die Stirn, obwohl die Raumtemperatur nun sehr angenehm war.
„Also, wir sind ein Unternehmen, das Mineralwasser und Sprudel in Flaschen abfüllt und auf den Markt bringt. Einer unserer Mitarbeiter hat Familie hier und uns anlässlich seines letzten Besuches hier auf der Insel, eine Probe ihres Wassers mitgebracht und wir haben es untersucht. Das Ergebnis war sensationell und wir haben uns an das zuständige Ministerium um die Genehmigung gewandt, hier eine Abfüllanlage bauen zu dürfen. Ihr Wasser ist nicht nur einfach ein Tafelwasser, sondern hat auch gesundheitliche Auswirkungen, ist also für die Allgemeinheit von Nutzen. Es verspricht aber auch Arbeitsplätze und lokale Steuern, Sie können die Infrastruktur ausbauen und ihre Insel wird außerdem bekannt werden! Sie können den Tourismus ankurbeln! Also Wohlstand für Alle!", er blickte Konstantinos Beifall heischend, triumphierend an.
Konstantinos hatte ihm interessiert zugehört. Das musste er erst verdauen! Ihr Wasser hier auf der Insel, das für alle eine Selbstverständlichkeit war, sollte nun plötzlich so wichtig sein, dass eine Firma sogar eine Abfüllanlage hier bauen will, sich irgendein Ministerium dafür stark macht? Er räusperte sich.
„Finden Sie nicht, dass wir da auch was mitzureden haben? Wenn sich das alles so erfüllt, wie Sie es schildern, dann verändert das die Insel, das Leben hier, die Menschen und auch die Landschaft. Ich vermute Sie roden einen Teil des Waldes, Sie bauen ein Werk, es kommen fremde Menschen her, die hier wohnen werden, oder zumindest vorübergehend. Einige Bauern werden ihre Landwirtschaft oder Schafzucht aufgeben und in der Fabrik arbeiten!"
„Ja, ich nehme an, dass das so sein wird. Doch da es von öffentlichem Interesse ist, werden Sie da nicht viele Argumente dagegen anführen können. Vor allem, weil es der Plan der Regierung ist, um die allgemeine Krise generell zu bewältigen, überall möglichst Fabriken, Industrie und Arbeit zu schaffen.".
Das Argument hatte was für sich.
„Wissen Sie, die Krise hat unsere Insel nicht so fest im Griff, wie das am Festland und auf den größeren Inseln vielleicht der Fall ist. Die Einzigen, die wirklich Probleme hätten, wenn sie ihre Familien nicht hätten, sind die Pensionisten bei uns. Denen wurden die Pensionen radikal gekürzt Doch wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, wir halten zusammen. Hier kennt man sich, hilft sich gegenseitig., Konstantinos blickte grübelnd vor sich hin. „Also, ich werde mit Ihnen zu dieser Quelle gehen, Sie können noch einige Proben nehmen, es bleibt mir ja nichts weiter übrig, wenn ich so diesen Wisch vom Ministerium hier betrachte. Ich werde aber auch sofort die maßgeblichen Menschen hier in unserem kleinen Dorf, und die von den zwei anderen kleinen Dörfern zusammenrufen und es mit ihnen besprechen. Sie sollen wissen, was da auf sie zukommt. Ich werde aber keinesfalls alleine über die Zukunft meiner, unserer Insel bestimmen, es aber auch nicht so ohne weiteres irgendwelchen Beamten in Athen überlassen!
. Er sah bedrückt aus.
„Ist es möglich, dass wir das gleich erledigen können, damit ich die Fähre zurück noch an diesem Abend nehmen kann?"
Konstantinos blickte auf seine Uhr. Eigentlich war es Zeit für das Mittagessen und eine anschließende Siesta. Es war schon jetzt sehr heiß, die Mittagsonne näherte sich ihrem Höchststand. Sie könnten mit dem Auto zwar bis fast zur kleinen Akropolis fahren, doch dann müsste man noch einen Fußmarsch von ca. einer Stunde bis zur Quelle einrechnen. Also, das heute noch zu machen, wäre unklug und auch nur schwer machbar, stellte er bei sich fest.
„Da muss ich Sie leider enttäuschen. Es ist viel zu heiß, Sie würden es auch gar nicht schaffen. Vor allem nicht in dieser Kleidung und diesem Schuhwerk! Da geht es durch den Wald und immer bergauf, der Weg ist steinig und rutschig", er zeigte mit einem amüsierten Lächeln auf das Outfit seines Gegenübers.
Dieser blickte an sich hinab. Er musste zugeben, dass seine Kleidung unpassend erscheinen musste.
„Wissen Sie was? Ich nehme Sie mit zu mir nach Hause. Sie übernachten in meinem Gästezimmer, wir suchen eine legere Kleidung für Sie und gleich am Morgen, wo es noch am kühlsten ist, machen wir uns auf den Weg, etsi?", er blickte ihn fragend an.
Heraklis fühlte sich irgendwie überrumpelt. Unschlüssig blickte er an sich herunter.
„Sie meinen, von Ihrer Kleidung wird mir was passen?"
„Naja, wir werden sehen. Vor fünf Jahren war ich auch noch schlanker. Aber…. nicht kleiner……", er war nun auch ein wenig skeptisch. Doch er war ein geborener Optimist und hoffte, dass er in seinem Kleiderschrank etwas finden wird.
„Kürzer machen kann man eine Hose ja immer, nur nicht länger", lachte er dann befreit.
Einen kurzen Moment lehnte sich der Mann aus Athen noch innerlich auf ‚er wollte nicht so vereinnahmt werden.
„Gibt es denn kein Hotel hier, wo ich übernachten kann?".
„Ein Hotel? Nein, wer sollte denn da nächtigen? Wir haben keine Fremden hier und die Insel ist so klein, dass jeder innerhalb einer Stunde wieder zu Hause sein kann, der eine der anderen Ansiedlungen hier besucht".
Es schien der Garten Eden zu sein!
„Also, kommen Sie, meine Frau wartet mit dem Mittagessen und Sie werden sich auch ein wenig ausruhen wollen und dann sollten wir ja auch noch eine passende Kleidung für Sie suchen".
„Ja, aber ist denn dann das Gemeindeamt geschlossen? Was ist, wenn Sie gebraucht werden?"
„Erstens gibt es ein Telefon, zweitens weiß ja jeder wo ich zu finden bin und außerdem wohnt der Gemeindesekretär gegenüber, er ist auch unser Friseur und schläft sogar mittags in seinem Laden, falls doch eine Kundschaft kommt!", Konstantinos lachte schallend und amüsiert, das Gesicht des Mannes aus der Hauptstadt sprach Bände. Dann ging er vor und sperrte das Gemeindeamt einfach ab.
Sie fuhren in dem kleinen wackeligen Hyundai mit hinterer Ladefläche aus der kleinen Stadt hinaus und hielten in einer Art Vorort. Die einstöckigen Häuser mit bescheidenen Vorgärten waren alle mit Blumen übersät, die teilweise in Kaskaden vom Balkon bis zum Erdgeschoß reichten. Irgendwo bellte ein Hund und ein paar Hühner liefen aufgeschreckt herum. Nur eine Katze blieb völlig ruhig und unbeeindruckt auf den Stufen liegen, sie blinzelte gerade noch, doch dann rollte sie sich wieder zusammen.
„So, bitte steigen Sie aus, wir sind da", er zeigte offenbar stolz auf das wirklich sehr nett anzusehende Einfamilienhäuschen.
Er parkte das Auto im Schatten einer großen Platane. Heraklis bemerkte, dass er es nicht abschloss. Offenbar hatte er keine Angst vor Dieben; aber wer sollte es hier schon stehlen und außerdem, auf dieser kleinen Insel konnte es der Dieb wohl kaum nutzen. Er merkte, dass er sich, obwohl er noch keinen ganzen Tag hier war, bereits der hier gängige Denkensart angenähert hatte. Man konnte sich eigentlich sogar wundern, dass es eine Autonummer hatte, überlegte er sich sarkastisch.
Die Türe ging auf und im Türrahmen erschien eine unglaublich apart aussehende Frau. Sie hatte ihr schwarzes Haar straff nach rückwärts zu einem Knoten gebunden und ihre geöffneten Lippen zeigten eine Reihe weißer, blitzender Zähne. Ihre Augen waren groß und ausdrucksvoll, um den Hals trug sie eine üppige Kette aus Muscheln und Glasperlen. Ihre Figur war das Aufregendste, was Heraklis je gesehen hatte, ihr großer Busen schien das enge Mieder zu sprengen, der blaue Rock bauschte sich im Luftzug. Heraklis blieb der Atem vor so viel Schönheit, weg.
„Maria, ich bringe einen Gast zum Essen mit. Das ist Kirios Papoulis aus Athen. Er wird bei uns übernachten, da wir ja leider kein Hotel auf der Insel haben. Wir müssen morgen früh nach Agios Stephanos fahren, um eine Wasserprobe von der Quelle zu holen, heute ist es schon zu spät! Bitte, zeige ihm das Gästezimmer und stelle noch einen Teller auf den Tisch!, er umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange „Meine Frau Maria!
, er zeigte auf sie und seine Haltung und Geste zeigte einen gewisser Stolz.
„Willkommen, kommen Sie weiter, das Gästezimmer ist oben, Sie können sich inzwischen frisch machen. Wir essen in einer Viertelstunde!". Sie stieg vor ihm die Treppe hinauf und er wusste nicht, wohin er seinen Blick richten sollte. Ihre Hüften wogten vor seinen Augen hin und her, ihr schwarzes Haar glänzte im Licht. Er musste wieder sein Taschentuch hervorholen, Schweißperlen standen auf seiner Stirne. Sie öffnete eine der Türen und ging dann wieder nach unten.
Diese Insel machte ihn irgendwie nervös. Alles war so anders als in Athen, oder auch anderswo. Hier schienen alle Regeln und Normen aufgehoben. Vielleicht war das hier das letzte natürliche Refugium Gottes, der Garten Eden. Natürlich war er schon auf einigen Inseln gewesen, geschäftlich und auch auf Urlaub, doch war er ein typischer Stadtmensch und wirklich wohl gefühlt hatte er sich eigentlich nirgends.
Das Mittagessen fand offenbar auf der Terrasse hinter dem Haus statt.