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Mirabella: Männer, Muse & Meer
Mirabella: Männer, Muse & Meer
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eBook235 Seiten3 Stunden

Mirabella: Männer, Muse & Meer

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Über dieses E-Book

Miri träumt von Liebe und Meer
Mirabella steht mit Anfang fünfzig mit beiden Beinen im Leben. Dennoch riskiert sie einen Blick in die Zukunft: „Sie werden die Bekanntschaft eines Mannes machen, der Farbe in ihr Leben bringt. Aber es werden auch Tränen fließen".
Um etwas Farbe ins Leben zu bringen, schreibt sie auf eine Annonce, doch Mr. Right ist nicht in Sicht. Sie trifft stattdessen einen charismatischen Mann, der ihr  ein zweifelhaftes Angebot unterbreitet, das sie nicht ablehnen kann.
Als ihr Ex-Gatte sie dann auch noch zu seiner Hochzeit einlädt, begibt sie sich auf die Suche nach dem perfekten Begleiter und stürzt sich in das Projekt ‚Ran an den Mann’.
Mirabella erlebt einen unvergesslichen Sommer, in dem sie die Liebe neu entdeckt und traumhafte Wochen auf der zauberhaften Insel Sylt erlebt.
Leserstimmen: 
Ein schöner Frauenroman, nicht nur für die Generation 50+ geeignet. Sehr witzig und humorvoll geschrieben. Die ideale Sommer- bzw. Urlaubslektüre. Wirklich empfehlenswert!


 
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum6. März 2019
ISBN9783739649214
Mirabella: Männer, Muse & Meer

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    Buchvorschau

    Mirabella - Rita Roth

    Inhaltsverzeichnis

    Die Annonce 

    Sonntagstreff Januar 

    Wilde Träume 

    Die Sterne lügen nicht 

    Hiobsbotschaften 

    Erster Akt 

    Sonntagstreff Februar 

    Frischer Wind 

    Zweiter Akt 

    Sonntagstreff März 

    Problemchen 

    Blaues Wunder 

    Projekt: ‚Ran an den Mann’ 

    Dritter Akt 

    Sonntagstreff April 

    Kleine Wolke 

    Sonntagstreff Mai 

    Doro 

    To-do-Liste: Punkt 1 

    Musenküsse 

    Sommersonnenwende 

    Nackte Wochenenden 

    Sonntagstreff Juni 

    Es kommt, wie es kommt … 

    Miris Geburtstag 

    Der Brief 

    Sylt 

    Gelungene Überraschung 

    Strandkorbbeobachtungen 

    Philipp 

    Doro und ihre Geschichten 

    Luft wie Champagner 

    Sonntagstreff August 

    Mutter und Tochter 

    Hochzeit auf der Insel 

    Ende 

    Die Annonce

    „Wie schön, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben, dann machen Sie sich mal frei."

    Miri stand wie vom Donner gerührt dem Mann gegenüber, auf dessen Annonce sie sich gemeldet hatte. Hatte sie recht gehört, sie sollte sich freimachen? Es gab keinen Zweifel, er musterte sie bereits von den Haarspitzen bis zur Schuhsohle und blieb wohlwollend an ihrem Dekolleté hängen.

    Miri hatte in der Tageszeitung die Annoncen studiert und war über seine Anzeige gestolpert.

    Suche aufgeschlossene, junggebliebene Frau 50 Plus, mit weiblichen Formen und Interesse an Kunst und Schönheit. Bin großzügig, ehrlich und habe keine unlauteren Absichten.

    Die Anzeige hört sich doch ganz vielversprechend an – was für ein Mann sich wohl dahinter verbergen mag?, hatte Miri gedacht. Beinahe hätte sie das Inserat überlesen, da es nicht unter den Bekanntschaftsanzeigen gestanden hatte, die sie am Wochenende gern studierte, sondern unter der Rubrik Vermischtes. Na ja, es kam häufiger vor, dass die örtliche Zeitung kleine Fehler einbaute. Aber als geschulte Leserin, mit Blick für das Wesentliche, entging Miri natürlich nichts.

    Sie hatte gleich geantwortet, richtig mit Stift und Papier. Vermutlich hatte der Herr, der sich dahinter verbarg, kein Handy. Prompt hatte sie eine sehr nette Rückmeldung bekommen, mit Handynummer zwecks Kontaktaufnahme.

    Und nun stand sie hier. Den Treffpunkt hatte er vorgeschlagen. Atelier dreizehn, zweiter Stock, Professor Janssen. Gutgelaunt und fröhlich wie fast immer hatte Miri an der Tür geklingelt, ihr strahlendstes Lächeln aufgesetzt und war zu allen Schandtaten bereit gewesen.

    Zu fast allen! Gott sei Dank war sie nicht auf den Mund gefallen, nur im Moment war sie sprachlos. Sie atmete dreimal tief durch, blickte dem Mann direkt in die Augen, und dann ging ein Wortschwall über ihn nieder, der sich gewaschen hatte.

    „Wie soll ich denn das verstehen? Sie inserieren, dass Sie keine unlauteren Absichten haben und dann überfallen Sie mich gleich mit dem ersten Satz und ziehen mich mit Ihren Blicken förmlich aus. Das ist eine Frechheit, eine bodenlose Unverschämtheit. Glauben Sie denn, Sie haben ein kleines Mädchen vor sich, mit dem Sie so umspringen können? Sie wollten doch eine Frau, die mitten im Leben steht! Sie sind ja auch schon etwas älter, lassen sie mich schätzen, achtundsechzig, oder noch ein paar Jahre mehr?" Absichtlich hatte sie ihn wesentlich älter geschätzt, als er wirkte. Eigentlich sah er nett aus, sympathisch, hatte das gewisse Etwas, ein guter Typ, aber ein Flegel. Doch Rache ist süß.

    „Okay, okay, ich entschuldige mich. Da bin ich wohl mit der Tür ins Haus gefallen. Ich wollte Sie nicht kränken und Ihnen erst recht nicht zu nahe treten. Ich schlage vor, wir trinken erstmal einen Kaffee zusammen und ich erzähle Ihnen, worum es geht. Vielleicht hatte ich das in unserem Telefonat nicht erwähnt. Ich wollte Sie ja erstmal persönlich kennenlernen und mir einen Eindruck verschaffen. Nun war er ganz förmlich und distanziert, dabei aber sehr charmant. „Kaffee oder Tee? Oder vielleicht was anderes?

    Obwohl Miri leidenschaftlich gern kühlen Prosecco trank, schien ihr jetzt eine gewisse Vorsicht angebracht. „Kaffee bitte und ein Glas Wasser, Herr Professor."

    Der Professor ging nach nebenan. Miri hörte, wie er freundlich aber bestimmt sagte: „Anna, sei bitte so lieb und bring uns Kaffee und eine Karaffe Wasser. Auf Miris fragenden Blick, nachdem er zurückgekehrt war, entgegnete er: „Anna ist meine gute treue Seele, meine bessere Hälfte sozusagen.

    Das wurde ja immer schöner. In was bin ich da rein geraten?, fragte Miri sich.

    Anna kam mit einem Tablett, stellte alles ab und sah den Professor tadelnd an. „Philipp, ich glaube, du bist wieder in sämtliche Fettnäpfchen getreten und hast deinen Gast völlig verunsichert. Zu Miri sagte sie: „Lassen Sie sich nicht einschüchtern, es ist ganz anders, als Sie wahrscheinlich vermuten. Ich bin nebenan, für alle Fälle, und ich bin Anna, langjährige Sekretärin, Mädchen für alles und gehöre sozusagen zum Inventar. Annas Lächeln konnte Steine erweichen und verunsicherte Frauen wieder auf den Boden zurückholen. „Und Sie müssen Miri sein, stimmt’s? Ist Miri eine Abkürzung von Miriam?", wollte sie wissen.

    „Nein, Miriam wäre schön gewesen. Ich heiße Mirabella." Als sie ihren Namen nannte, fielen ihr die verschiedensten Varianten dazu ein. Von engsten Freunden wurde sie manchmal Ella Propella genannt. Wenn sie im Internet einen Nickname brauchte, nannte sie sich Bella oder einfach Ella.

    „Oh, welch ein ungewöhnlicher Name, dazu wunderschön." Mit diesem Satz verließ Anna das Zimmer, nicht ohne einen herzlichen, aufmunternden Blick auf die seltsame Kaffeerunde.

    „Wenn Sie jetzt auch noch einen Spruch zu meinem Namen machen, gehe ich sofort", fauchte Miri und fragte sich insgeheim, warum sie immer noch da war.

    „Nein Mirabella, ich finde Ihren Namen wunderschön und würde Sie viel lieber mit Ihrem vollen Namen anreden. Einverstanden?"

    „Gut, einverstanden. Und nun erzählen Sie mir mal, weshalb ich eigentlich hier bin. Ich finde diese Situation äußerst merkwürdig. Ein Date dieser Art hatte ich bisher noch nicht. Aber wie Sie sehen, spricht das sicher dafür, dass ich recht aufgeschlossen bin. Sie stellte die Kaffeetasse zurück, verschränkte die Arme, gewann zunehmend ihre Fassung wieder. „Jetzt sind Sie dran, Philipp.

    „Hm, es ist gar nicht so einfach. Als wir miteinander telefonierten, hatte ich gefragt, ob Sie sich mögen. So wie Sie sind, mit Ihren kleinen und vielleicht auch größeren Macken, mit Ihrem Aussehen, Ihrer Figur, Ihrem Körper und mit dem, was Sie machen. Ich hatte auch gefragt, ob Sie Kunst, insbesondere Malerei mögen, ob Sie gern mal in die Sauna gehen und auch die Ruhe genießen können. All diese Fragen haben Sie spontan bejaht, und wenn ich Sie so sehe, bin ich überzeugt davon, dass Sie nicht geflunkert haben".

    „Na, das freut mich zu hören, aber nun kommen Sie mal zur Sache, Herr Professor! Und freimachen, im Sinne von Ausziehen, werde ich mich hier und jetzt bestimmt nicht." Miri wurde langsam ungeduldig und es sah so aus, als wenn der Professor ewig lange brauchen würde, um auf den Punkt zu kommen.

    „Gut, ich will es kurz machen. Ich bin Professor für Kunst und Literatur und ich suche verzweifelt ein Aktmodell mit weichen, weiblichen Formen. Eine Frau, die natürlich ist, lebendig und in einem Alter, wo nicht mehr alles nur glatt und prall und fest ist."

    Jetzt war es raus. Vermutlich hatte der Professor bisher noch nie auf diese Weise ein Aktmodell gesucht. Normalerweise machte er wahrscheinlich einfach einen Aushang am schwarzen Brett und die Mädels standen Schlange – schließlich wurden derlei Nebenjobs gut bezahlt.

    „Bitte? Habe ich das richtig verstanden, Sie wollen ein Aktmodell 50 plus? Miri atmete tief durch, sie schnaufte hörbar. Vielleicht half es doch, dass ihre Freundin Emmi immer wieder aus der Praxis ihrer Entspannungskurse plauderte. „Atmen, sagte sie immer, „bei Stress atmen. Einfach atmen und den Atem immer schön fließen lassen, den Atem beobachten." Miri beobachtete ihren Atem nicht mehr, stattdessen den Professor. Der saß ihr ganz ruhig gegenüber und verzog keine Miene. Er schien es wirklich ernst zu meinen.

    „Also, verarschen kann ich mich alleine. Sie meinen das nicht wirklich?!"

    „Doch, ich meine das absolut ernst und ich würde mich riesig freuen, Mirabella, wenn Sie unser Modell werden. Sie brauchen sich hier jetzt nicht auszuziehen. Denken Sie in Ruhe darüber nach. Aber nicht zu lange, denn Ende des Monats findet mein nächstes Seminar statt. Es wäre wunderbar, wenn Sie dann dabei wären. Zuvor müssten wir uns aber noch einmal treffen. Ich muss Sie nackt sehen und Ihnen eine kleine Einweisung geben. Es ist nicht so leicht, die Positionen richtig einzunehmen und zu halten. Und wenn Sie sich von dem Schock erholt haben und wieder sprechen können, beantworte ich Ihnen auch alle Fragen."

    Anna kam zur Tür herein, erfasste sofort die Situation, lachte und stellte eine Flasche und drei Gläser auf den Tisch. „Wie wär’s mit einem Prosecco auf den Schreck? Ich glaube, ich setze mich jetzt dazu und wir besprechen alles in Ruhe."

    In Miris Kopf ratterte es. Kopfkino vom Feinsten. Sie sah sich bereits auf weißen Laken oder Bärenfell liegend, bekleidet mit einem Feigenblatt und einem Hauch Chanel, umringt von jungen schönen Männern, die den Pinsel schwangen. Sie kicherte wie eine Siebzehnjährige bei dieser Vorstellung, dann spürte sie, wie sie die Farbe wechselte. Wie immer, wenn sie aufgeregt war, legte sich eine Röte wie ein Sonnenuntergang über Gesicht, Hals und Dekolleté und holte sie schnell zurück in die Wirklichkeit. War das peinlich, mit dreiundfünfzig Jahren, als gestandenes Weibsbild, als Mutter, Ex-Gattin und Gelegenheitsgeliebte rot zu werden wie ein Teenie. Oder waren das die Wechseljahre?

    „Wie muss ich mir das denn genau vorstellen? Was muss ich tun, wie weit muss ich mich entkleiden und wie wird das bezahlt?" Sie hatte zwar eine Freundin, die auch schon Akt-Seminare besucht hatte (sogar mit männlichem Aktmodell), aber über diese Dinge hatten sie nicht gesprochen. Miri hatte sich lieber den übertrieben gezeichneten Knackarsch des Modells angesehen und ihre Freundin bewundert, die so detailliert und anscheinend hemmungslos drauflos gemalt hatte.

    „Bei den Seminaren ist es so, dass das Aktmodell in der Mitte posiert, in der Regel vollständig nackt, manchmal mit einem Tuch bekleidet. Es sind unterschiedliche Posen, sitzend, liegend, stehend, meist recht kurz. Drei Minuten, längstens zwölf. Die Kursteilnehmer stehen mit ihren Staffeleien um das Modell herum und skizzieren es in der vorgegebenen Zeit so, wie sie es sehen. Meistens machen wir drei bis fünf Posen hintereinander, dann folgt eine Bildbesprechung. In dieser Zeit können Sie sich zurückziehen und entspannen. Der Raum ist immer gut geheizt, für das Modell muss es warm sein. Die Teilnehmerzahl ist auf zwölf Personen beschränkt. Es ist eine gemischte Gruppe, diesmal sind zwei Frauen dabei. Altersmäßig ist alles vertreten zwischen achtundzwanzig und dreiundachtzig Jahren. Die Seminare finden am Wochenende statt. Samstags und sonntags jeweils von zehn bis siebzehn Uhr, mit einer Stunde Mittagspause. Also drei Stunden für das Modell am Vormittag und drei Stunden am Nachmittag. Wir zahlen dem Modell für das komplette Wochenende dreihundertsechzig Euro."

    „Cool!, entfuhr es Miri. Ihre Tochter hätte das nicht hören dürfen, sie fand es völlig uncool, wenn ihre Mutter sich am Wortschatz der Jugend vergriff. Aber ihre Tochter war weit weg, ein Jahr in Australien. „Cool, wiederholte Miri wie zum Trotz. „Ich bin sprachlos. Ich habe nicht gewusst, dass das so gut bezahlt wird. Drei Minuten still sitzen sollte ich hinkriegen und mich hinlegen zum Malen dürfte auch kein Problem sein. Philipp, oder Herr Professor, ich muss trotzdem erstmal zwei Nächte drüber schlafen, ich finde das schon sehr verwegen. Aber es hört sich interessant an. Glauben Sie wirklich, dass Sie eine Frau haben wollen, bei der es an der einen oder anderen Stelle ein bisschen schwabbelt?"

    „Genau so eine soll es sein, da bin ich mir ganz sicher. Mirabella, Sie sind eine junggebliebene, attraktive Frau mit einem Körper, soweit ich das so beurteilen kann, der Bilder füllen kann, der Bände spricht und den Sie der Welt nicht vorenthalten dürfen."

    Seine Worte waren Balsam für Mirabellas Seele, so schön hatte das noch kein Mann formuliert. Da merkte man doch gleich den Künstler. In ihrem tiefsten Innern wusste sie bereits jetzt, dass sie es tun würde. Doch eine kleine Bedenkzeit musste sein. Sie hatte zwar strahlend blaue Augen, aber blauäugig und naiv wollte sie dann doch nicht sein. In aller Ruhe wollte sie sich die ganze Sache überlegen, sie überschlafen und ihre beste Freundin ins Vertrauen ziehen.

    Es prickelte im Glas und nicht nur dort. Miri hob ihr Getränk, strahlte den Professor und auch Anna an. „Na denn Prost, auf die Kunst!"

    Schnell trank sie ihren Prosecco aus und verabschiedete sich.

    „Ich rufe Sie am Mittwoch an!" Leichtfüßig sprang sie auf, schnappte sich ihre knallrote Daunenjacke, das Handtäschchen in der gleichen Farbe, mit Glitzersteinchen besetzt, den tiefroten Kaschmirschal, und schwebte von dannen. Rot war heute die richtige Farbe. Rot bedeutete Power und Power hatte sie.

    Sonntagstreff Januar

    Auf dem Weg zum Sonntagstreff musste sie innerlich lächeln, eine seltsame Begegnung war das gewesen. Und plötzlich fiel ihr ein, dass der Astrologe, den sie vor ein paar Wochen aufgesucht hatte, ihr eine intensive Begegnung mit der Kunst und einem Mann prophezeit hatte, der eine entscheidende Rolle in ihrem Leben spielen sollte. Zuhause würde sie in ihr Tagebuch schauen, dort hatte sie sich dazu Notizen gemacht.

    Sie blickte auf die Uhr, die natürlich auch rot war, und legte einen Zahn zu. Es war bereits nach neunzehn Uhr, stockfinster und eisig kalt.

    Januar, der letzte Sonntag im Januar, und das zweite Treffen der Sonntagsrunde, mal abgesehen von Silvester. Trotz der Minusgrade war es Miri immer noch angenehm warm. Sie stürmte in ein Weinlokal im Herzen der Stadt, dort trafen sie sich seit November regelmäßig.

    Die Sonntagsrunde war eine kleine Gruppe von Männern und Frauen, alle über fünfzig, die sich im September des Vorjahres bei einem VHS-Kurs kennengelernt hatten.

    ‚Brain Walk für Singles 50 plus – Begegnung mit Herz, Hirn und Humor.‘ Der Kurs hatte gehalten, was er versprach. Die Kursleiterin hatte raffinierte, jedoch einfache Übungen zusammengestellt, die ein völlig unverkrampftes Kennenlernen möglich gemacht hatten. Die Gruppe hatte Tränen gelacht, als die Übung mit den Kosenamen an der Reihe gewesen war. Die Kursleiterin hatte einen Namen vorgegeben und dann hatten die Anwesenden einen weiteren Kosenamen mit dem letzten Buchstaben des vorangegangenen Namens finden müssen. Nach einer kleinen Anwärmphase war die Phantasie regelrecht beflügelt worden. „Stoppelhase, Engelsternchen, Wollmaus, Traumschleicher" waren noch die harmlosesten Namen gewesen. Alle hatten vor Lachen geprustet und sich plötzlich um Jahre verjüngt gefühlt. Nach einem zweiten BrainWalk war beschlossen worden, sich künftig privat zu treffen, immer am letzten Sonntag im Monat, um achtzehn Uhr in besagtem Weinlokal.

    Für die meisten Singles war der Sonntag ein ziemlich öder Tag. Wochentags gab es immer genug zu tun, Samstage ließen sich auch noch nett gestalten, aber dann kam das Sonntagsloch. Der Freundeskreis machte in Familie, überall waren nur noch Paare unterwegs und als alleinstehender Mensch, egal ob gewollt oder ungewollt, fühlte man sich manchmal ziemlich allein, vielleicht sogar einsam.

    Der Sonntagstreff war also eine angenehme Abwechslung. Einige verabredeten sich schon am Nachmittag, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Abends trafen sie sich mit den anderen zum Essen, vor allem aber, um zu berichten, was in der Zwischenzeit passiert war. Es wurde erzählt, was man erlebt hatte, in Sachen Partnerfindung oder sinnvolle Freizeitgestaltung. Wenn alle kamen, konnten das lange Abende werden.

    Nun gut, nicht alle waren so mitteilungsfreudig wie Miri. Sie hatten 'Spielregeln' vereinbart, so dass wirklich jeder drankam und die Möglichkeit hatte zu erzählen. Mindestens fünf Minuten, höchstens acht Minuten.

    Mit diesen acht Minuten kam Miri meistens nicht hin. Auf dem Weg zum Treffpunkt überlegte sie fieberhaft, wie sie es schaffen konnte, das soeben Erlebte in diesen Zeitrahmen zu packen.

    Puh, gar nicht so leicht, dachte sie.

    Im Vorbeigehen bestellte sie eine Flasche Prosecco und Bruschetta, dann ließ sie sich auf den letzten freien Stuhl in der Runde fallen und atmete auf. Sie strahlte immer noch, die Mundwinkel zogen sich von einem Ohr zum anderen. Miri wollte sofort anfangen zu erzählen. Sie trug ihr Herz auf der Zunge und brannte darauf, endlich zu berichten. Sie war so gespannt auf die Reaktionen und Gesichter der anderen.

    Georg, der Blödmann wies sie in ihre Schranken. „Du bist noch nicht dran, Miri, ich bin grad am Erzählen und du wirst wohl noch fünf Minuten warten können." Dabei schaute er auf die Uhr, sah Miri streng an und konnte es sich nicht verkneifen, sie zu tadeln, weil sie etwas später gekommen war.

    Beamter, dachte sie nur, pingeliger, kleinkarierter Beamter.

    Doch Georg konnte ihr die gute Laune nicht vermiesen. Brav wartete sie, bis seine Ausführungen zu Ende gingen, trank in der Zwischenzeit zwei Gläschen Prosecco und blinzelte Sabine verschwörerisch zu. Mirabella liebte es, im Mittelpunkt zu stehen, auch wenn sie das nie zugegeben hätte. Sie beherrschte das Spiel des gekonnten Auftritts.

    Es war still geworden, alle blickten auf Miri und warteten, dass sie endlich anfing zu reden. Sie genoss das Schweigen, blickte in die Runde, hob ihr Glas und sagte „Auf die Kunst".

    Dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. Der Schalk saß ihr dabei in den Augenwinkeln und die Blicke der anwesenden Männer und auch einiger Frauen hüpften auf ihrem Dekolleté auf und ab. Sie genoss die

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