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Abschiednehmen tut weh: Sophienlust Extra 122 – Familienroman
Abschiednehmen tut weh: Sophienlust Extra 122 – Familienroman
Abschiednehmen tut weh: Sophienlust Extra 122 – Familienroman
eBook126 Seiten1 Stunde

Abschiednehmen tut weh: Sophienlust Extra 122 – Familienroman

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Über dieses E-Book

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass.
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.

Der Abend war ein großartiger Alpinist. Er kletterte, wenn seine Stunde gekommen war, leichtfüßig und mühelos über die höchsten Gipfel, die in ewigem Schnee und Eis erstarrt waren. Im Tal gingen die Lichter an und schimmerten traulich durch die rasch heraufziehende Dämmerung. Wanderer, die noch unterwegs waren, beeilten sich, um nicht von der Dunkelheit überrascht zu werden. Es war ein schöner Herbst, der zum Wandern verlockte, aber der Tag ging bereits früh zur Neige. Auf halber Höhe, am Rande der Arvenwälder, lag ein einsames Chalet. Die Fenster blickten ins Tal hinunter. Nur ein einziges Fenster war den Bergen zugewandt. Dieses Fenster gehörte zu Nathalies Zimmer, das im Obergeschoss des Chalets lag. Manchmal, wenn ein Wanderer von der Dunkelheit überrascht wurde und nicht mehr ins Tal zurückfand, pochte er am Chalet an und wurde stets freundlich aufgenommen. Das kam allerdings nicht oft vor. Im Sommer eigentlich nie, aber im Herbst oder zur Winterszeit konnte es schon geschehen, dass sich überraschend ein fremder Gast im Chalet einfand. Drei Menschen wohnten in dem stillen kleinen Haus am Berghang. Sie führten ein zufriedenes Leben und verkörperten gleichsam drei Generationen. Professor Daniel Paulsen, dem das Chalet gehörte, war zweiundsiebzig Jahre alt. Benedikt Voss, der früher im Orchester von Professor Paulsen die Bratsche gespielt hatte und jetzt das Hauswesen in Ordnung hielt, zählte vierzig Jahre. Und Nathalie war dreizehn. In der Wohnhalle knisterte und flackerte ein Holzfeuer im Kamin. Benedikt brachte eben einen Korb mit dicken Holzscheiten, um das Feuer zu versorgen. »Es ist kalt geworden«
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum17. Okt. 2023
ISBN9783989364417
Abschiednehmen tut weh: Sophienlust Extra 122 – Familienroman

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    Buchvorschau

    Abschiednehmen tut weh - Gert Rothberg

    Sophienlust Extra

    – 122 –

    Abschiednehmen tut weh

    Gert Rothberg

    Der Abend war ein großartiger Alpinist. Er kletterte, wenn seine Stunde gekommen war, leichtfüßig und mühelos über die höchsten Gipfel, die in ewigem Schnee und Eis erstarrt waren.

    Im Tal gingen die Lichter an und schimmerten traulich durch die rasch heraufziehende Dämmerung. Wanderer, die noch unterwegs waren, beeilten sich, um nicht von der Dunkelheit überrascht zu werden. Es war ein schöner Herbst, der zum Wandern verlockte, aber der Tag ging bereits früh zur Neige.

    Auf halber Höhe, am Rande der Arvenwälder, lag ein einsames Chalet.

    Die Fenster blickten ins Tal hinunter. Nur ein einziges Fenster war den Bergen zugewandt. Dieses Fenster gehörte zu Nathalies Zimmer, das im Obergeschoss des Chalets lag.

    Manchmal, wenn ein Wanderer von der Dunkelheit überrascht wurde und nicht mehr ins Tal zurückfand, pochte er am Chalet an und wurde stets freundlich aufgenommen. Das kam allerdings nicht oft vor. Im Sommer eigentlich nie, aber im Herbst oder zur Winterszeit konnte es schon geschehen, dass sich überraschend ein fremder Gast im Chalet einfand.

    Drei Menschen wohnten in dem stillen kleinen Haus am Berghang. Sie führten ein zufriedenes Leben und verkörperten gleichsam drei Generationen. Professor Daniel Paulsen, dem das Chalet gehörte, war zweiundsiebzig Jahre alt. Benedikt Voss, der früher im Orchester von Professor Paulsen die Bratsche gespielt hatte und jetzt das Hauswesen in Ordnung hielt, zählte vierzig Jahre. Und Nathalie war dreizehn.

    In der Wohnhalle knisterte und flackerte ein Holzfeuer im Kamin. Benedikt brachte eben einen Korb mit dicken Holzscheiten, um das Feuer zu versorgen. »Es ist kalt geworden«, sagte er.

    Professor Paulsen saß an seinem Schreibsekretär. Er hatte die Lampe angezündet, die ein mildes Licht verströmte. »Wo ist Nathalie?« fragte er.

    »In ihrem Zimmer«, antwortete Benedikt. »Sie liest.« Er legte einige dicke Holzscheite auf das Feuer und stellte den Holzkorb neben das kupferne Kohlebecken.

    »Dann ist sie ja beschäftigt und gut aufgehoben«, meinte Professor Paulsen und lächelte flüchtig.

    Sein hageres, ausdrucksvolles Gesicht wurde freilich gleich wieder sehr ernst. Er sah auf einen Brief, der vor ihm auf dem Schreibsekretär lag.

    Der Professor war ein hochgewachsener schlanker Mann. Er hielt sich sehr aufrecht. Das dichte weiße Haar, das sorgfältig gepflegt fast bis auf seine Schultern herabfiel, verriet den Künstler. In seiner Glanzzeit war Daniel Paulsen ein genialer Dirigent gewesen. Er hatte triumphale Erfolge in allen fünf Kontinenten gefeiert, und die Musikwelt hatte ihm viele Lorbeerkränze zu Füßen gelegt.

    Doch diese Zeit war vorbei. Daniel Paulsen war alt geworden. Aber das bedeutete nicht, dass er einen tatenlosen Müßiggang pflegte. Ein Mensch, der die Musik liebt, pflegte er zu sagen, kann gar nicht alt werden, denn Frau Musika hält ihn jung. Professor Paulsen gab noch immer als Gastdirigent berühmter Orchester Konzerte. Er arbeitete auch noch immer unermüdlich an sich selbst, spielte Geige und Klavier. Es waren schöne und erfüllte Stunden, wenn er zusammen mit Benedikt und Nathalie musizierte.

    Der Flügel beherrschte die Halle des Chalets. Es war ein wundervolles Instrument, dessen Klang warm und harmonisch war.

    »Es sollte mich nicht wundern«, brummte Benedikt, »wenn heute Nacht Schnee fallen sollte. Es ziehen Wolken auf, und der Wind bläst so kalt, als käme er geradewegs aus Sibirien.«

    Die Gesten Professor Paulsens waren noch immer impulsiv und von jugendlicher Lebhaftigkeit. Er wandte sich Benedikt zu, der emsig mit dem Feuer beschäftigt war. »Wenn es sich so verhält«, sagte er rasch, »dann musst du noch einmal ins Dorf hinunter.«

    »Heute Abend?« Benedikt seufzte. Er liebte eine gewisse Behaglichkeit, und er hatte außerdem noch eine Menge zu tun. Die Zugehfrau aus dem Dorf kam nur jeden dritten Tag ins Chalet. Sie kam nun schon seit Jahren, aber für Professor Paulsen war sie immer noch ein ›fremdes Gesicht‹, wie er das nannte. Und fremde Gesichter ertrug er nicht um sich. Benedikt musste also die meiste Arbeit allein tun. Außerdem war er erst am Nachmittag im Dorf gewesen, um den wöchentlichen Vorrat einzukaufen.

    »Ich hoffe, du kennst mich gut genug, um zu wissen, dass ich dich nicht grundlos in den kalten Abend hinaushetze?«, fragte Professor Paulsen lächelnd.

    »Das ändert nichts daran, dass ich nicht noch einmal anschirren möchte. Schimmi ist es sicher auch nicht recht.« Schimmi war der Apfelschimmel, der den Kutschwagen zog. »Hat es denn nicht Zeit bis morgen?«

    Professor Paulsen deutete auf den Brief, der vor ihm auf dem Schreibsekretär lag. »Diese Sache duldet keinen Aufschub. Es tut mir leid, Benedikt, aber wenn heute Nacht tatsächlich Schnee fallen sollte, wird es uns morgen vielleicht nicht möglich sein, ins Dorf hinunterzufahren. Dieser Brief muss aber unverzüglich zur Post.«

    »Ist er denn so wichtig?«

    Zwischen Benedikt und dem Professor herrschte seit Jahren ein Vertrauensverhältnis. Deshalb konnte sich Benedikt ruhig ein offenes Wort erlauben.

    »Noch wichtiger«, antwortete Professor Paulsen sehr nachdenklich. Er hatte keine Geheimnisse vor Benedikt, sodass dieser über alles Bescheid wusste. Benedikt kannte die Familiengeschichte der Paulsens, die reich an Glanz und Triumphen, aber auch an erschütternder Tragik war.

    Professor Paulsen stand auf. Er ging zu der rustikalen Vitrine, die neben seinem Schreibsekretär stand, und holte zwei Gläser und eine Flasche Tokajer.

    »Ich merke schon, ich komme nicht darum herum, noch einmal ins Dorf zu kutschieren«, brummte Benedikt, der den Professor beobachtete.

    Professor Paulsen lachte. Er sah jung aus, wenn er lachte, trotz der Spuren, die zweiundsiebzig Jahre in sein markantes Gesicht gezogen hatten. »Wie gut du mich kennst, Benedikt«, meinte er. »Nun, das war schon früher eine hervorragende Eigenschaft von dir. Wenn das ganze Orchester aus dem Takt kam, du hast immer genau gewusst, was ich wollte. Erinnerst du dich noch, damals, in Prag, als wir Smetana spielten …« Er brach ab. »Nein, jetzt keine Erinnerungen. Wir haben Wichtigeres zu tun.«

    Er stellte die Tokajer-Flasche und die Gläser auf den Clubtisch am Kamin.

    »Wir haben Smetanas ›Moldau‹ gespielt«, ergänzte Benedikt, der Erinnerungen liebte. »Ich war damals ein blutjunges Bürschlein, und die Schuhe des Bratschisten waren noch ein wenig zu groß für mich. Aber trotzdem habe ich damals als einziger nicht gepatzt. Nun ja«, fügte er hinzu, »außer ein paar Kritik­astern hat kein Mensch etwas gemerkt. Das Publikum war jedenfalls begeistert. Das war es eigentlich immer, Herr Professor, wenn wir igendwo spielten, ganz egal, wo es war – ob im Süden oder Norden, im Osten oder Westen. Wir waren überall mit unserer Musik zu Hause.«

    »Ja, aber das ist Vergangenheit«, bremste Professor Paulsen vorsichtig Benedikts Erinnerungsfreude. »Gib dir keine Mühe! Du kannst mich nicht davon ablenken, dass du Schimmi noch einmal anspannen musst. Benedikt, ich will dir nichts vormachen. Es geht um Nathalie.«

    »Um Nathalie?«, fragte Benedikt erstaunt und etwas erschrocken, da der Tonfall des Professors ihn irritierte. Er kannte jede Nuance in der Stimme des Professors. »Was ist denn mit ihr? Muss sie vielleicht wieder in irgendeine Klinik?«, fügte er bestürzt hinzu. »Also, das können wir dem Kind nicht antun, Herr Professor! Sie hat in dieser Hinsicht wahrscheinlich schon genug mitgemacht, und sie hat es tapfer ertragen. Aber mehr sollten wir ihr nicht zumuten. Sie ist doch jetzt so glücklich.«

    »Ja«, stimmte Professor Paulsen ihm ernst zu, »sie ist glücklich. Aber ich werde nicht ewig leben, Benedikt. Das sollten wir nicht vergessen. Der Tag wird kommen, an dem Nathalie mich nicht mehr haben wird. Nein, widersprich mir nicht. Es wäre töricht, den Kopf in den Sand zu stecken. Sicher, ich kann noch lange leben. Aber in meinem Alter muss man einfach daran denken, dass die Zeit, die einem noch zugedacht ist, bemessen ist. Nun mach kein so ängstliches Gesicht, Benedikt. Ich habe keine düsteren Ahnungen! Ich handle nur wie ein verantwortungsbewusster Mensch. Und jetzt trinken wir erst einmal unseren Tokajer. Prost!«

    »Prost, Herr Professor«, murmelte Benedikt. Er war im Moment so bedrückt, dass ihm nicht einmal der Tokajer richtig schmeckte. Irgendetwas stimmte nicht. Er spürte es und hoffte nur, dass der Professor mit der Sprache herausrückte. Manchmal konnte er nämlich sehr verschwiegen sein und sich ihm erst dann, wenn alles schon passiert war, anvertrauen.

    »Mein Leben war reich«, fuhr Professor Paulsen fort. »Es war reich an Erfolgen, reich an Zärtlichkeit. Aber es war auch reich an Kummer und Schmerz. Geblieben ist mir die Liebe zur Musik und die große, echte Aufgabe, die ich noch zu erfüllen habe, die Erziehung meiner Enkeltochter. Trinken wir auf Nathalies Zukunft, Benedikt.«

    Benedikt schätzte den Tokajer sehr. Er trank ihn furchtbar gern, und auf das Wohl der kleinen Nathalie zu trinken, war für ihn eine ganz besondere Ehre, aber diesmal machte es ihm keinen Spaß. Er beobachtete den Professor aufmerksam.

    »Ich habe einen Brief geschrieben«, erklärte der Professor, »der Nathalies Zukunft erleichtern wird.«

    Benedikt stellte fest, dass sich zwischen die buschigen weißen Brauen des Professors die steile Falte schob, die er von früher her noch gut kannte. Diese Falte war immer dann zum Vorschein gekommen, wenn der Professor über eine Disharmonie

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