Kann ich dir vertrauen?: Der Bergpfarrer 414 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Viktoria Brunner stand auf dem Bahnsteig und sah sich neugierig um. Die anderen Reisenden strebten längst dem Ausgang zu. Die junge Frau packte ihre Reisetasche und folgte ihnen. Draußen auf dem Bahnhofsvorplatz kam ein wenig Erinnerung zurück. In der Kreisstadt hatte sich nicht viel verändert und Vicki fragte sich, wie es wohl in St. Johann aussehen werde. Der Bus hielt immer noch auf der anderen Straßenseite. Der Fahrplan verkündete, daß der nächste in einer Viertelstunde abfuhr. Die Reisende setzte sich auf eine Bank in der Nähe und wappnete sich mit Geduld. Immerhin war sie seit dem Vormittag unterwegs, da waren ein paar Minuten mehr oder weniger eigentlich egal. Was Onkel Hans wohl sagen würde? Der Bruder ihres verstorbenen Vaters ahnte ja nicht, daß die Nichte ihn zu seinem sechzigsten Geburtstag besuchen wollte. Na, der würde bestimmt Augen machen! Für Vicki war es aber nicht nur die Überraschung, auf die sie sich freute. Vielmehr war der Besuch in der alten Heimat auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Fünfzehn Jahre waren es her, daß ihre Eltern das kleine Alpendorf verließen, weil der Vater eine neue Stellung als Verkaufsdirektor einer Lederwarenfabrik übernehmen konnte. Sie selber war damals noch ein Kind gewesen, gerade mal erst zehn Jahre alt. Vieles hatte sie vergessen, doch Vicki erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem sie, an der Hand der Mutter, auf diesem Bahnhof den Zug nach München bestiegen hatte. Von dort aus ging es weiter nach Frankfurt, wo die Eltern ein Haus gekauft hatten. Die Fabrik, in der der Vater arbeitete, befand sich in Offenbach.
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Kann ich dir vertrauen? - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 414 –
Kann ich dir vertrauen?
Toni Waidacher
Viktoria Brunner stand auf dem Bahnsteig und sah sich neugierig um. Die anderen Reisenden strebten längst dem Ausgang zu. Die junge Frau packte ihre Reisetasche und folgte ihnen. Draußen auf dem Bahnhofsvorplatz kam ein wenig Erinnerung zurück. In der Kreisstadt hatte sich nicht viel verändert und Vicki fragte sich, wie es wohl in St. Johann aussehen werde.
Der Bus hielt immer noch auf der anderen Straßenseite. Der Fahrplan verkündete, daß der nächste in einer Viertelstunde abfuhr. Die Reisende setzte sich auf eine Bank in der Nähe und wappnete sich mit Geduld. Immerhin war sie seit dem Vormittag unterwegs, da waren ein paar Minuten mehr oder weniger eigentlich egal.
Was Onkel Hans wohl sagen würde? Der Bruder ihres verstorbenen Vaters ahnte ja nicht, daß die Nichte ihn zu seinem sechzigsten Geburtstag besuchen wollte. Na, der würde bestimmt Augen machen!
Für Vicki war es aber nicht nur die Überraschung, auf die sie sich freute. Vielmehr war der Besuch in der alten Heimat auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Fünfzehn Jahre waren es her, daß ihre Eltern das kleine Alpendorf verließen, weil der Vater eine neue Stellung als Verkaufsdirektor einer Lederwarenfabrik übernehmen konnte. Sie selber war damals noch ein Kind gewesen, gerade mal erst zehn Jahre alt. Vieles hatte sie vergessen, doch Vicki erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem sie, an der Hand der Mutter, auf diesem Bahnhof den Zug nach München bestiegen hatte. Von dort aus ging es weiter nach Frankfurt, wo die Eltern ein Haus gekauft hatten. Die Fabrik, in der der Vater arbeitete, befand sich in Offenbach.
Trotz der Entfernung zur Heimat, war sie nicht vergessen, nur hatte es sich in all den Jahren nicht ergeben, sie einmal zu besuchen. Die junge Frau erinnerte sich, daß der Onkel und Tante Marie ein oder zwei Mal zu Besuch in Frankfurt gewesen waren. Eigentlich war man ja nicht aus der Welt, aber irgendwie klappte es doch nie, das Studium, der Beruf, sie hatte so wenig Zeit.
Daß Vicki sich jetzt dazu entschlossen hatte, den runden Geburtstag ihres Onkels zum Anlaß eines Besuches zu nehmen, hatte allerdings auch noch einen anderen Grund, als den, an der Feier teilnehmen zu wollen. Darüber dachte die brünette, junge Frau nach, als sie im Bus saß, der sie nach St. Johann brachte. Doch schon bald merkte sie, daß es besser gewesen wäre, nicht an Dinge zu rühren, die sie tief in ihrem Innersten begraben hatte. Zu frisch waren noch der Schmerz und das Herzeleid, und Vicki mußte sich sehr zusammennehmen, um nicht in Tränen auszubrechen. Sie atmete auf, als der Bus das Ortsschild passierte und kurz darauf gegenüber vom Hotel hielt. Die Fünfundzwanzigjährige fuhr sich über das sympathische Gesicht, das auf den letzten Kilometern einen wehmütigen Zug angenommen hatte. Jetzt lächelte sie tapfer, atmete tief durch und ihre schlanke Gestalt straffte sich. Sie nahm die Reisetasche aus dem Gepäcknetz über ihrem Sitz und stieg aus. Einen Moment stand sie da und ließ das Bild auf sich wirken. War sie auch fünfzehn Jahre nicht mehr hiergewesen – so erkannte sie doch sofort jede Einzelheit wieder. Den hohen Turm der Kirche – ob Pfarrer Trenker immer noch im Amt und Würden war? – das Hotel, auf der anderen Straßenseite. Da drüben, das Geschäft von Ignaz Herrnbacher, dem Kaufmann und um die Ecke mußte die Metzgerei von Anton Ruhlinger sein. Vicki schmunzelte, im Schlaf hätte sie sich hier zurechtgefunden, es gab kein Haus, das sie nicht kannte, keine Straße, durch die sie als kleines Madel nicht getobt war. Sie stand da und lachte, und ihr Herz machte einen Freudenhüpfer.
Zum Haus ihres Onkels war es nicht weit. Himmel, dachte sie, als sie davor stand, wie oft bist’ hiergewesen, als Kind? Sie läutete und blickte erwartungsvoll auf das Glas in der Haustür, hinter dem sich schemenhaft eine Gestalt abzeichnete. Ein Schlüssel wurde im Schloß herumgedreht, und dann sah ihre Tante sie fragend an.
»Ja, bitt’ schön, was kann ich für Sie tun?« fragte die grauhaarige Frau in dem Dirndl.
Vicki erinnerte sich, daß ihre Tante immer Trachtenkleider getragen hatte. Daran hatte sich offenbar nichts geändert.
»Guten Abend«, sagte die junge Frau. »Erkennst’ mich net?«
Im selben Moment fiel es Marie Brunner wie Schuppen von den Augen.
»Das darf doch net wahr sein!« rief sie aus und schlug die Hände zusammen. »Madel, bist du’s wirklich?«
Sie drückte Vicki an sich.
»Herrschaftszeiten, ist das eine Überraschung!«
Plötzlich ließ sie ihre Nichte los, legte den Finger auf den Mund und schaute zurück.
»Himmel, wird dein Onkel sich freuen«, flüsterte sie. »Komm, er sitzt im Wohnzimmer.«
Sie hatte Vicki die Reisetasche abgenommen und in den Flur gestellt, dann schob sie das Madel vor sich her und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Leise trat Vicki ein. Ihr Onkel saß vor dem Fernsehgerät und schaute sich die ersten Abendnachrichten an. Daß jemand hereingekommen war, hatte er noch gar nicht bemerkt. Erst als seine Frau sich räusperte, blickte er auf.
»Was gibt’s…?« wollte er fragen, doch dann weiteten sich seine Augen vor Überraschung.
Hans Brunner sprang auf und breitete die Arme aus.
»Vicki!«
Die junge Frau flog in seine Arme. Gerührt küßte ihr Onkel sie auf die Wange.
»Bist du extra zu meinem Geburtstag gekommen?«
»Ja, Onkel Hans«, antwortete seine Nichte.
Er sah seine Frau an, die in der Tür stand und mit den Tränen kämpfte.
»Kinder, das wird der schönste Geburtstag, den ich je hatte!«
»Nun setz’ dich erstmal«, drängte Tante Marie. »Bestimmt hast’ Hunger, was? Wir essen gleich zu Abend. Aber erzähl’ doch mal, wie geht es dir? Was macht die Mama?«
»Ja, erzähl«, bat auch Onkel Hans, der inzwischen an den Schrank gegangen war und eine Flasche Obstler hervorgeholt hatte. »Wie lang’ ist’s her, daß ihr damals fortgegangen seid? Zuletzt haben wir uns auf der Beerdigung deines Vaters gesehen, und das ist auch schon wieder fünf Jahre her. Himmel, wie die Zeit vergeht!«
Vicki hatte so etwas erwartet, aber sie konnte die beiden verstehen. Ja, es gab viel zu erzählen, und das Licht brannte an diesem Abend noch lange in der Föhrengasse Nummer fünf, in St. Johann.
*
Die Gestalt schlich im Schatten der Büsche durch den Park des Schlosses. Eine ganze Weile hatte der Mann das Anwesen aus seinem Versteck, hinter einem riesigen Rhododendron, schon beobachtet.
Jugendbegegnungsstätte Hubertsbrunn, hatte er zuvor auf dem Schild gelesen, das vorne am Tor befestigt war. Jugendliche hatte er allerdings bisher nicht gesehen. Er schloß daraus, daß zur Zeit niemand in dem Gebäude war, außer dem Mann und seiner