Greta kann nicht vergessen: Der neue Dr. Laurin 102 – Arztroman
Von Viola Maybach
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Über dieses E-Book
Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt.
Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen.
Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert.
»Willkommen in der Staatlichen Graphischen Sammlung München«, sagte Greta Wilkening zu den Frauen und Männern, die in einem Halbkreis um sie herumstanden und ihr aufmerksam lauschten. »Ich werde Sie durch unsere Ausstellung mit bedeutenden Kupferstichen führen, mein Name ist Greta Wilkening.« Sie begann mit einer kurzen Einführung, die ihr auch Gelegenheit gab, ein Gefühl für die Menschen zu bekommen, mit denen sie die nächste Stunde verbringen würde. Es war eine private Gruppe, deren Mitgliedern sie bald anmerkte, dass sie an der Führung aufrichtig interessiert waren. Es waren nur acht Leute, was Greta sehr angenehm fand. Es kam schon nach kurzer Zeit beinahe so etwas wie ein Gespräch zustande, weil ihr auch immer wieder weiterführende Fragen gestellt wurden. Bei richtig großen Gruppen war das kaum möglich. »Dürer«, sagte sie, »wollte Martin Schongauer unbedingt kennenlernen, und so plante er, während er auf Wanderschaft war, einen Aufenthalt in Colmar ein. Aber kurz bevor er die Stadt erreichte, starb Schongauer – das war schon eine tragische Geschichte. Man kann sagen, dass Schongauer für den jungen Dürer ein Vorbild war. Bitte, folgen Sie mir, ich zeige Ihnen eins von Schongauers Meisterwerken, daran können Sie selbst gut erkennen, was Dürer an ihm so faszinierend fand, vor allem, wenn sie es mit anderen Kupferstichen aus der Zeit vergleichen.« Die Ausstellung war erst vor zwei Tagen eröffnet worden, dieses war erst Gretas dritte Führung, aber alles lief wie am Schnürchen. Die Gruppe war zufrieden, es wurden viele Fragen gestellt und als sie die Führung nach einer Stunde beendete, wusste sie, dass ihre Einschätzung richtig gewesen war: Sie bekam ein ordentliches Trinkgeld, und alle bedankten sich einzeln und ehrlich begeistert bei ihr. Es war ihr letzter Einsatz für heute, was gut war, denn sie hatte noch einiges für ihr Studium zu arbeiten. Greta studierte Kunstgeschichte, durch die Führungen verdiente sie sich zu dem, was ihre Eltern ihr bezahlten, noch etwas dazu. Sie hoffte, im nächsten Jahr ihren Abschluss zu machen, danach war eine feste Anstellung in einem der Münchener Museen ihr Traumjob, aber ob sie den jemals bekommen würde, stand in den Sternen. Als sie die Eingangshalle betrat, winkte ihre Freundin Marilena Wysicki ihr bereits zu. Sie hatten sich an der Universität kennengelernt, wo sie dieselben Kurse besuchten, und sich gemeinsam für Führungen in der Pinakothek der Moderne beworben.
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Buchvorschau
Greta kann nicht vergessen - Viola Maybach
Der neue Dr. Laurin
– 102 –
Greta kann nicht vergessen
Unveröffentlichter Roman
Viola Maybach
»Willkommen in der Staatlichen Graphischen Sammlung München«, sagte Greta Wilkening zu den Frauen und Männern, die in einem Halbkreis um sie herumstanden und ihr aufmerksam lauschten. »Ich werde Sie durch unsere Ausstellung mit bedeutenden Kupferstichen führen, mein Name ist Greta Wilkening.«
Sie begann mit einer kurzen Einführung, die ihr auch Gelegenheit gab, ein Gefühl für die Menschen zu bekommen, mit denen sie die nächste Stunde verbringen würde. Es war eine private Gruppe, deren Mitgliedern sie bald anmerkte, dass sie an der Führung aufrichtig interessiert waren. Es waren nur acht Leute, was Greta sehr angenehm fand. Es kam schon nach kurzer Zeit beinahe so etwas wie ein Gespräch zustande, weil ihr auch immer wieder weiterführende Fragen gestellt wurden. Bei richtig großen Gruppen war das kaum möglich.
»Dürer«, sagte sie, »wollte Martin Schongauer unbedingt kennenlernen, und so plante er, während er auf Wanderschaft war, einen Aufenthalt in Colmar ein. Aber kurz bevor er die Stadt erreichte, starb Schongauer – das war schon eine tragische Geschichte. Man kann sagen, dass Schongauer für den jungen Dürer ein Vorbild war. Bitte, folgen Sie mir, ich zeige Ihnen eins von Schongauers Meisterwerken, daran können Sie selbst gut erkennen, was Dürer an ihm so faszinierend fand, vor allem, wenn sie es mit anderen Kupferstichen aus der Zeit vergleichen.«
Die Ausstellung war erst vor zwei Tagen eröffnet worden, dieses war erst Gretas dritte Führung, aber alles lief wie am Schnürchen. Die Gruppe war zufrieden, es wurden viele Fragen gestellt und als sie die Führung nach einer Stunde beendete, wusste sie, dass ihre Einschätzung richtig gewesen war: Sie bekam ein ordentliches Trinkgeld, und alle bedankten sich einzeln und ehrlich begeistert bei ihr.
Es war ihr letzter Einsatz für heute, was gut war, denn sie hatte noch einiges für ihr Studium zu arbeiten. Greta studierte Kunstgeschichte, durch die Führungen verdiente sie sich zu dem, was ihre Eltern ihr bezahlten, noch etwas dazu. Sie hoffte, im nächsten Jahr ihren Abschluss zu machen, danach war eine feste Anstellung in einem der Münchener Museen ihr Traumjob, aber ob sie den jemals bekommen würde, stand in den Sternen.
Als sie die Eingangshalle betrat, winkte ihre Freundin Marilena Wysicki ihr bereits zu. Sie hatten sich an der Universität kennengelernt, wo sie dieselben Kurse besuchten, und sich gemeinsam für Führungen in der Pinakothek der Moderne beworben. Sie waren beide genommen worden.
Marilenas Eltern waren aus Polen nach Deutschland gekommen und hatten hier Fuß gefasst. Da Marilena außer Polnisch auch noch Russisch sprach, war sie für Gruppen aus Osteuropa erste Wahl. Greta und sie waren gleichermaßen beliebt, die älteren Kolleginnen und Kollegen nannten sie ›unsere Küken‹, weil sie bei Weitem die Jüngsten im Team waren.
Greta und Marilena hatten vor einigen Monaten gemeinsam eine kleine bezahlbare Wohnung im Münchner Südwesten bezogen und ihre Wohngemeinschaften daher verlassen. »Ich will jetzt mehr für mich sein«, hatte Greta ihren Eltern erklärt,
»keine Sorge, ich brauche nicht mehr Geld von euch.« Marilenas Eltern hingegen waren erleichtert gewesen, dass ihre Tochter nicht länger mit jungen Männern in einer WG wohnte, das hatte ihnen von Anfang an nicht behagt.
Sie verließen das Museum und machten sich auf den Heimweg: zwei junge Frauen, denen so mancher bewundernde oder auch sehnsüchtige Blick folgte. Greta hatte schwarze Haare, die sie kurz trug, was ihr ausdrucksvolles Gesicht mit den schönen blauen Augen erst richtig zur Geltung brachte. Sie liebte klassische, fast strenge Kleidung, vieles nähte sie sich selbst. Es gab nur einige wenige Designer, deren Mode sie schätzte, und diese kopierte sie, so gut es ging. Nur selten sah man sie in Jeans und eher jugendlicher Kluft. Sie fühlte sich darin unwohl. Das tat auch Marilena, die dennoch rein modisch gesehen das genaue Gegenteil von Greta war: Sie liebte romantische, verspielte Kleidung, gerne mit Blumen- oder anderen Mustern, in leuchtenden Farben, dazu trug sie Schals, Tücher, an ihren Handgelenken klapperten immer viele Armreifen. Mit ihren langen goldblonden Locken und dem niedlichen Gesicht hatte sie etwas Engelhaftes an sich und bildete so das perfekte Gegenstück zu Greta, die, wenn sie ein ernstes Gesicht machte, aussehen konnte wie eine strenge Lehrerin.
Im Wesen freilich war Greta alles andere als streng – und Marilena war kein bisschen engelhaft. Sie machten sich oft darüber lustig, wenn sie aufgrund ihres Äußeren mal wieder vollkommen falsch eingeschätzt worden waren, aber sie taten nichts, um solche Missverständnisse zu verhindern. »Ich fühle mich nun mal in anderer Kleidung nicht wohl«, sagte Greta oft. »Und in deinen Klamotten sähe ich lächerlich aus.«
»Und ich in deinen. Aber manchmal nervt es mich schon, dass Männer immer meinen, ich sei ein blondes Dummchen, das nicht bis drei zählen kann, bloß weil ich Kleidung gerne mag, die mich etwas kindlich wirken lässt.«
»Ist doch egal. Wem wir wirklich wichtig sind, der nimmt sich die Zeit, herauszufinden, was hinter unserer äußeren Schale steckt«, sagte Greta dann immer, und damit war das Gespräch in der Regel beendet, bis es einen neuen Anlass gab, es zu führen – und der ließ meistens nicht allzu lange auf sich warten.
»Kannst du nachher mal meine Hausarbeit lesen? Sie ist noch nicht ganz fertig, aber morgen ist ja der Abgabetermin. Du bist natürlich längst fertig, oder?«, fragte Marilena.
»Nicht ganz, ich bin mit dem Schluss nicht zufrieden. Aber ich wäre froh, wenn du bei mir auch noch mal drübergucken könntest.«
Sie wechselten einen verschwörerischen Blick, dann brachen sie wie auf Kommando in Gelächter aus. Sie halfen sich gegenseitig, wo es ging, und das hatte sich bislang als sehr nützlich erwiesen. Greta war super organisiert, sie geriet nie in Zeitdruck, aber ihr fehlte manchmal Marilenas Leichtigkeit – und umgekehrt. So glich jede die Schwächen der anderen aus. »Gemeinsam sind wir besser«, wie Marilena gern sagte.
Sie aßen zuerst etwas, bevor sie sich an die Arbeit setzten. Greta schrieb den Schluss ihrer Hausarbeit um, Marilena brachte ihren endlich zu Papier, anschließend las jede die Arbeit der anderen, machte ein paar Verbesserungsvorschläge – und irgendwann sagte Greta: »Fertig! Ich ändere jetzt nichts mehr.«
»Ich auch nicht.« Marilena klappte ihren Laptop zu. »Und jetzt? Liebesfilm?«
Bevor Greta antworten konnte, meldete sich ihr Handy. »Hallo, Mama«, sagte sie, ein wenig verwundert, denn sie hatte bereits morgens mit ihrer Mutter telefoniert. »Ist was passiert?«
»Ja, stell dir vor, wer nach München zurückgekehrt ist!« Sonja Wilkening klang ganz aufgeregt. »Du wirst es nicht glauben.«
»Keine Ahnung«, sagte Greta. »Wer denn?«
»Die Lehnerts, unsere alten Nachbarn. Du warst zwar erst acht, als sie nach London gezogen sind, aber du hast ihnen lange nachgetrauert, weißt du noch?«
Greta schwieg. Bis jetzt war der Tag eigentlich ganz schön gewesen.
»Bist du noch da?«
»Ja, bin ich«, sagte Greta und schaffte es dann immerhin, noch hinzuzufügen: »Das ist ja wirklich eine Überraschung. Wusstet ihr das nicht vorher? Ihr hattet doch immer noch Kontakt.«
»Ja,