Wenn es besser ist zu schweigen: Dr. Norden Extra 133 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
»Wenn das so weitergeht, sind wir innerhalb des nächsten halben Jahres pleite«, murmelte Gregor Werner vor sich hin, den Kopf in die Hände gestützt und über eine Vielzahl von geöffneten Ordnern, Tabellen und Umsatzlisten gebeugt. Die Tür zu seinem Büro im hinteren Teil des exklusiven Starnberger Herrenausstatters stand halb offen, und seine Tochter Teresa schnappte seine Worte auf. Überrascht steckte sie den Kopf zur Tür herein. »Was hast du da gesagt, Papa?« Aus seinen wenig ermutigenden Gedanken gerissen, schreckte Gregor hoch. »Ach, du bist es, Tessa. Kannst du nicht anklopfen?« »Entschuldige, aber die Tür war offen«, maßregelte sie ihren Vater mit strengem Blick. »In Zukunft solltest du mit deinen Selbstgesprächen etwas vorsichtiger sein. Diesmal habe nur ich gehört, was du gesagt hast. Das nächste Mal ist es vielleicht ein Kunde. Kein guter Eindruck, der da entstehen kann.« »Ja, ja, du hast ja recht«, seufzte er schuldbewusst, klappte entschieden die Ordner zu und schob die Unterlagen zusammen. »Ist Kundschaft da?« »Nein, gähnende Leere, schon den ganzen Vormittag. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich noch anstellen soll. Die neue Lieferung ist ausgepackt, alle Regale aufgeräumt.
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Dr. Norden
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Buchvorschau
Wenn es besser ist zu schweigen - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Extra
– 133 –
Wenn es besser ist zu schweigen
Alina hat ein Geheimnis, das sie sehr bedrückt
Patricia Vandenberg
»Wenn das so weitergeht, sind wir innerhalb des nächsten halben Jahres pleite«, murmelte Gregor Werner vor sich hin, den Kopf in die Hände gestützt und über eine Vielzahl von geöffneten Ordnern, Tabellen und Umsatzlisten gebeugt. Die Tür zu seinem Büro im hinteren Teil des exklusiven Starnberger Herrenausstatters stand halb offen, und seine Tochter Teresa schnappte seine Worte auf. Überrascht steckte sie den Kopf zur Tür herein.
»Was hast du da gesagt, Papa?«
Aus seinen wenig ermutigenden Gedanken gerissen, schreckte Gregor hoch.
»Ach, du bist es, Tessa. Kannst du nicht anklopfen?«
»Entschuldige, aber die Tür war offen«, maßregelte sie ihren Vater mit strengem Blick. »In Zukunft solltest du mit deinen Selbstgesprächen etwas vorsichtiger sein. Diesmal habe nur ich gehört, was du gesagt hast. Das nächste Mal ist es vielleicht ein Kunde. Kein guter Eindruck, der da entstehen kann.«
»Ja, ja, du hast ja recht«, seufzte er schuldbewusst, klappte entschieden die Ordner zu und schob die Unterlagen zusammen. »Ist Kundschaft da?«
»Nein, gähnende Leere, schon den ganzen Vormittag. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich noch anstellen soll. Die neue Lieferung ist ausgepackt, alle Regale aufgeräumt. In meiner Verzweiflung habe ich sogar die Kaffeemaschine geputzt.«
»Dann muss dir wirklich langweilig sein«, warf Gregor mit einem sarkastischen Lächeln ein. Er kannte seine älteste Tochter Teresa schließlich gut genug, um zu wissen, dass ihr jede Form von Hausarbeit höchst zuwider war. »Was sollen wir denn nur tun, um mehr Kunden in den Laden zu locken?« kam er dann auf das im Moment drängendste Problem zurück. Sein Blick schweifte durch das noble Ambiente des Geschäfts, über den glänzenden Marmorboden, die funkelnden Vitrinen, die wohlsortierten Ständer voll edler Anzüge und Kombinationen bis hinüber zur freischwebenden Treppe, die hinauf auf eine imposante Galerie führte. In besseren Tagen hatten sich hier hübsche männliche und weibliche Models ein Stelldichein gegeben und eine gutsituierte Schar an Gästen mit herrlichen Kleiderschauen zum Kauf animiert. Aber diese Zeiten waren längst vorbei, die Kundenschar zu anderen, teuren Pflastern wie Rottach-Egern und Bad Wiessee weitergewandert. Teresa las im Gesicht ihres Vaters und lachte hart.
»Mit Träumereien von besseren Zeiten holst du sie auf jeden Fall nicht zurück. Wir müssen uns was einfallen lassen, Einkaufsgutscheine, Blumensträuße beim Besuch, Champagner, was weiß ich. Du bist doch der Marketing-Fachmann. Bisher ist dir doch noch immer was eingefallen.«
»Schon, aber da war noch genug Geld in der Kasse. Jede Maßnahme verschlingt Unsummen. Wenn ich allein an das Porto für die Mailings denke …, da führt im Moment kein Weg hin.« Ratlos zuckte Gregor mit den Schultern, als die kleine Messingglocke an der Glastür eifrig durch den Laden klingelte und Kundschaft ankündigte. Schnell strafften sich Gregors hängende Schultern. Auch Teresa strich sich unauffällig über den kurzen Rock, ehe sie sich mit einem gewinnenden Lächeln umdrehte, um die ersten Kunden des Tages, ein offenbar gut situiertes Paar mittleren Alters zu empfangen.
Von den geschäftlichen Sorgen, die sich drohend wie dunkle Wolken über ihrer Familie zusammenbrauten, ahnte Elsbeth Werner nichts. Offenbar zufrieden mit sich und der Welt kochte sie Teewasser in ihrer Küche des riesigen, altbackenen Einfamilienhauses und war stolz auf ihren Mann und die älteste Tochter, die zielstrebig ihren Weg verfolgte. Nach einem Studium der Betriebswirtschaft war die intelligente, ehrgeizige Teresa zum Stolz ihres Vaters in das in dritter Generation bestehende Geschäft eingestiegen. Elsbeth goss den Tee auf und musste unwillkürlich lächeln, wenn sie an ihre jüngere Tochter Alina dachte, die das genaue Gegenteil ihrer Schwester zu sein schien. Statt sich wie Teresa mit Feuereifer auf ihr berufliches Fortkommen zu konzentrieren, legte Alina nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr ein und begann dann ein Kunstgeschichte-Studium, das sie in aller Seelenruhe und nicht mit übertriebenem Ernst verfolgte.
»Woran denkst du denn, Schätzchen?« Noch während sie dampfend heißen Tee in zierliche Porzellantassen einschenkte, wurde Elsbeth von ihrer Freundin Doris, einem seltenen Gast, aus ihren Gedanken gerissen.
»Ach, ich dachte nur gerade an die beiden Mädchen«, antwortete Elsbeth unbefangen und ließ sich auf der anderen Seite der üppigen Couchgarnitur nieder. Sie schob ein großes Tortenstück auf den Teller ihrer Freundin und bediente sich dann selbst. »Wie kommt es, dass zwei Schwestern nur so unterschiedlich sein können? Auf der einen Seite Teresa, die schon immer wußte, was sie wollte und fleißig für ihre Ziele arbeitet. Und auf der anderen Seite Alina, verträumt, kreativ, auch intelligent, aber auf eine ganz andere Art als Teresa.«
»Hast du schon mal drüber nachgedacht, dass sie sich unbewusst von der übermächtigen Schwester abgrenzt?«
»Wie meinst du das?« Milde lächelnd hob Elsbeth ihre Tasse und nahm einen vorsichtigen Schluck, ehe sie mit gutem Appetit ein großes Stück Torte in den Mund schob. Sie kannte die Vorliebe ihrer Freundin für psychologische Deutungen, teilte sie aber ganz und gar nicht. Dafür hielt sie sich schlicht für zu bodenständig, lauschte aber trotzdem mit freundlicher Aufmerksamkeit, um Doris nicht zu verstimmen.
»Ganz einfach. Wenn ich keine Chance habe, jemandem auf seinem Gebiet das Wasser zu reichen, mache ich eben was anderes. Das hat noch nicht mal was mit höherer Psychologie zu tun«, las Doris amüsiert die Gedanken ihrer Freundin. »Was treibt Alina denn im Moment?«
»Sie studiert im dritten Semester Kunstgeschichte«, atmete Elsbeth heimlich erleichtert auf, diesem für sie ungreifbaren Thema entkommen zu sein. »Wir haben ja nie in der Familie darüber gesprochen, aber Kunstgeschichte war immer mein heimlicher Traum. Wenn ich Gregor nicht so früh getroffen hätte, wer weiß …«, begann sie mit offenen Augen zu träumen, und Doris lächelte wieder.
»Die Gene lassen sich nicht verleugnen. Aber wenn es immer dein Traum war, warum hast du ihn dann nie in die Tat umgesetzt? Jetzt, wo die Kinder groß sind, hättest du doch alle Zeit der Welt.«
»Ich und Zeit?« Elsbeth lachte. Es sollte ein freudiges, belustigtes Lächeln sein, aber zu ihrer Verwunderung klang es hart und schrill. »Schau dich doch mal um, dieses riesige Haus, der große Garten. Ich bin jeden Tag viele Stunden mit der Pflege beschäftigt. Und dann die Einkäufe, meine Besuche bei Frau Dürer, der alten, pflegebedürftigen Dame, das alles nimmt viel Zeit in Anspruch.«
»Warum leistest du dir keine Haushaltshilfe? Dein Mann verdient mit dem Laden in Starnberg sicherlich gut.«
»Natürlich, das Geschäft läuft brillant. Ich bin sehr stolz auf Gregor und Teresa. Aber eine Haushaltshilfe kommt nicht infrage. Gregor will nicht, dass eine Fremde in seinem Haus und seinen Sachen herumschnüffelt.«
Doris betrachtete ihre Freundin kopfschüttelnd. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war festgefroren. Was war nur aus ihrer Busenfreundin, der temperamentvollen, lebenslustigen Elsbeth aus früheren Jahren geworden? Während sie selbst, Doris, nach dem allzu frühen Tod ihres geliebten Ehemannes ein wie immer unabhängiges, erfülltes Leben führte, schien Elsbeth in ihrer Familie und den damit verbundenen Konventionen erstarrt zu sein. Darüber hinaus machte sie keinen besonders gesunden Eindruck. Die einst glänzenden Augen waren stumpf geworden, Arme und Beine streichholzdünn, während sich ein deutlicher Bauch unter dem Pullover abzeichnete.
»Na schön, aber soviel Schmutz wird doch nicht anfallen, wenn dein Mann den ganzen Tag außer Haus ist, Teresa alleine lebt und Alina nur hin und wieder hier aufkreuzt«, machte sie einen letzten Versuch.
»Ich sagte doch schon, die Einkäufe, die alte Frau Dürer, das alles braucht Zeit«, wiederholte Elsbeth hartnäckig und deutlich verstimmt. Ohne sagen zu können warum, rührte diese Diskussion an einen ihrer wunden Punkte, über die sie lieber nicht so gründlich nachdachte. »Außerdem, wenn ich mir vorstelle, ich alte Schachtel inmitten dieser ganzen zwanzig-jährigen Hüpfer, wie käme ich mir denn da vor?« fiel ihr in letzter Sekunde eine