Und hat die Lieb' gelogen: Leni Behrendt Bestseller 58 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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»Oh, diese dummen Strümpfe!« Baronesse Loma Greiffling war dem Weinen nahe, sah verzweifelt auf den hellen Seidenstrumpf nieder, an dessen Ferse sich eine Masche gelöst hatte, die nun mit fabelhafter Geschwindigkeit nach oben lief, einen breiten Streifen zurücklassend. »Was mache ich nun?« stieß sie hervor und weinte nun wirklich. »Wäre ich endlich mal aus dieser Unglückslage, in der ein zerrissener Seidenstrumpf eine Katastrophe bedeutet!« Der harte, böse Zug, der sich in ihre Mundwinkel grub, war ihrer Schönheit gewiß nicht günstig, und hätte die eitle Lona das gewußt, hätte sie sich bestimmt nicht so gehen lassen. Ihre Schwester, die ebenso wie sie beim Ankleiden war, sah ungerührt zu ihr hinüber; ihr waren diese Bitterkeitsausbrüche nichts Neues. »Wenn du einen ganzen Juwelierladen an deinen Fingern hast, dann wundere dich nicht, wenn du dir die dünnen Strümpfe zerreißt«, meinte sie achselzuckend. »Du weißt doch: Habe keinen Ring am Finger, denn die zarten, feinen Dinger –« »Hör auf!« unterbrach die Schwester sie böse. »Gib mir lieber deine Strümpfe!« »Damit du die auch noch zerreißt? Ach nein –« »Wo nur das Fräulein bleibt!« murrte Lona. »Das braucht Mutti selbstverständlich wieder einmal ganz allein für sich, und ich kann sehen, wie ich fertig werde.« »Na, Ehrensache, Lona. Wenn man über fünfzig Jährchen zählt wie unsere alte Dame, dann braucht man schon mehr Sorgfalt –«
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Und hat die Lieb' gelogen - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 58 –
Und hat die Lieb’ gelogen
Leni Behrendt
»Oh, diese dummen Strümpfe!«
Baronesse Loma Greiffling war dem Weinen nahe, sah verzweifelt auf den hellen Seidenstrumpf nieder, an dessen Ferse sich eine Masche gelöst hatte, die nun mit fabelhafter Geschwindigkeit nach oben lief, einen breiten Streifen zurücklassend.
»Was mache ich nun?« stieß sie hervor und weinte nun wirklich. »Wäre ich endlich mal aus dieser Unglückslage, in der ein zerrissener Seidenstrumpf eine Katastrophe bedeutet!«
Der harte, böse Zug, der sich in ihre Mundwinkel grub, war ihrer Schönheit gewiß nicht günstig, und hätte die eitle Lona das gewußt, hätte sie sich bestimmt nicht so gehen lassen.
Ihre Schwester, die ebenso wie sie beim Ankleiden war, sah ungerührt zu ihr hinüber; ihr waren diese Bitterkeitsausbrüche nichts Neues.
»Wenn du einen ganzen Juwelierladen an deinen Fingern hast, dann wundere dich nicht, wenn du dir die dünnen Strümpfe zerreißt«, meinte sie achselzuckend. »Du weißt doch: Habe keinen Ring am Finger, denn die zarten, feinen Dinger –«
»Hör auf!« unterbrach die Schwester sie böse. »Gib mir lieber deine Strümpfe!«
»Damit du die auch noch zerreißt? Ach nein –«
»Wo nur das Fräulein bleibt!« murrte Lona. »Das braucht Mutti selbstverständlich wieder einmal ganz allein für sich, und ich kann sehen, wie ich fertig werde.«
»Na, Ehrensache, Lona. Wenn man über fünfzig Jährchen zählt wie unsere alte Dame, dann braucht man schon mehr Sorgfalt –«
»Aber, Maja!«
Sie wandte sich hastig um und sah in das Gesicht der Mutter, die soeben das Zimmer betreten hatte.
»Na, wenn schon«, brummte sie verlegen, und das süße Gesichtchen überzog sich mit heißer Glut. Aber die Strafpredigt blieb aus, denn die Älteste belegte die Mutter sofort mit Beschlag und zeigte ihr den Strumpf, dessen Anblick auch bei der Mutter Bestürzung hervorrief.
»Aber Lona, Kind, du bist auch gar zu unvorsichtig! Was machen wir nun? Die Geschäfte sind bereits geschlossen.«
»Schlimm genug, daß man von einem Paar Strümpfen abhängig ist!«
»Mein Gott, Lona, kannst du dich denn nicht zufrieden geben?« seufzte die Mutter. »Es ist nun mal nichts daran zu ändern. Vater tut doch, was er kann, es fällt ihm wirklich nicht leicht, eine Familie zu ernähren. Es geht dir doch auch tatsächlich nicht schlecht. Nimm dir ein Beispiel an Maja, die klagt nie!«
»Würde mir auch herzlich wenig nützen«, brummte die Jüngere.
Die Mutter lachte, und heller Stolz leuchtete ihr aus den Augen, als sie die Tochter ansah. Unglaublich süß und reizend sah sie wieder einmal aus, obgleich ihr Kleidchen einfach und billig war. Hellbraunes Lockenhaar umrahmte Wangen von zarter rosiger Farbe. Und die großen Blauaugen leuchteten wie zwei Sterne. Zierlich und biegsam war die Gestalt, ganz leicht und graziös.
Und die Mutteraugen wanderten weiter, zu der älteren Tochter hin. Die war eigentlich schöner, eigenartiger. Die Garderobe, die sie trug, kostete wohl das Dreifache wie die der Schwester, denn die schöne Lona wollte glänzen. Tiefdunkle Augen träumten in dem schmalen bräunlichen Gesicht – Augen voll Glut und Leidenschaft. Dazu stand das helle Haar, das dick und lockig den Kopf umgab, in eigenartigem Kontrast. Hoch und schlank war die Gestalt, gerade und wundervoll gewachsen.
O ja, die stolze Lona war eigentlich die schönere der beiden Schwestern. Und doch gab es Menschen, die Maja mehr bewunderten, und die waren sogar in der Mehrzahl. Sie vermißten bei Lona das Taufrische, Unberührte, das Maja eigen war, denn von der schönen Lona ging etwas Schwüles, Herzbeklemmendes aus. So etwa wie ein sinnbetörender Duft, der sich schwer auf Herz und Hirn legte.
»Lona, nun mach doch endlich, daß du fertig wirst!« ermunterte die Mutter. »Der Vater wird jeden Augenblick kommen, und er wartet nicht gerne.«
»Ich kann doch nicht barfuß zum Fest gehen! – Befiehl Maja, daß sie mir ihre Strümpfe leiht!«
»Befehlen kann ich das nicht, Lona; wir können deine Schwester höchstens darum bitten.«
Ihr Blick suchte die jüngere Tochter, doch diese schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, Mutti –«
»Aber, Majalein, du hilfst deiner Schwester aus sehr großer Verlegenheit.«
»Sie würde mir ihre auch nicht leihen.«
»Das kannst du gar nicht wissen, Maja!«
»Und wenn sie auch meine zerreißt?«
»Dann bekommst du neue Strümpfe.«
»Wer das glaubt!« entgegnete Maja spöttisch. »Als wenn für mich etwas übrigbliebe – zuerst kommt doch der Herzensliebling Lona.«
»Maja, nun fängst du auch noch an!«
Der vorwurfsvolleTon, in dem die Mutter sprach, machte Maja verlegen. Brummend ging sie zu dem großen Wäscheschrank und suchte nach den begehrten Strümpfen. Sie warf sie der Schwester zu, die sie geschickt auffing.
»Etwas höflicher könntest du auch sein«, meinte Lona ärgerlich. Doch Maja sah sie böse an.
»Kein Mensch ist höflich, wenn er etwas von seinen Sachen verleihen muß und es nicht gern tut«, erwiderte sie schroff.
»Daß ihr euch absolut nicht vertragen könnt!« seufzte die Mutter wieder. »Ich würde mich viel leichter in alles hineinfinden, wenn ihr mir das Leben nicht so schwer machen wolltet.«
»Ich wünschte, ich wäre fort von hier, ich kann das armselige Leben kaum noch ertragen«, stieß Lona zwischen den Zähnen hervor. »Ich verstehe gar nicht, warum ich so knapp gehalten werde. Meiner Ansicht nach verdient Vati viel Geld.«
Die Baronin wurde nervös. Sie war eine etwas korpulente, bequeme Frau, die nichts so sehr liebte wie ihre Ruhe. Der Streit, der immer zwischen ihren Töchtern herrschte, machte sie verdrießlich.
»Gewiß, dein Vater hat erhebliche Einnahmen«, erwiderte sie gereizt. »Doch vergiß bitte nicht, daß er viele Schulden abzuzahlen hat. Ich finde dich entsetzlich undankbar, Lona. Du bist immer unzufrieden.Glaube nur nicht, daß es deinem Vater so leicht fällt, das Geld zu verdienen. Er ist ein anderes Leben gewohnt. Und sein größer Kummer ist, daß seine Töchter immer noch nicht standesgemäß versorgt sind.«
»So soll er uns doch einen Mann beschaffen!«
Die Mutter wurde von Minute zu Minute nervöser.
Maja war empört.
»Nun hör aber endlich auf, Lona!« fuhr sie die Schwester an. »Du hast ja Freier gehabt, warum hast du sie abgewiesen? Aber ich weiß, die waren dir alle nicht gut genug. Verpasse den Anschluß nur nicht, du steuerst bedenklich auf die Dreißig zu.«
Das war etwas, was die schöne Lona am wenigsten hören wollte. »Mutti, verbiete doch dem dummen Ding derartige Frechheiten!« rief sie entrüstet. Doch die Mutter wehrte ab.
»Maja, sei du doch wenigstens vernünftig!« bat sie nervös.
»Wo ist eigentlich das Fräulein?« fragte Lona. »Die hat mir doch beim Ankleiden zu helfen.«
»Nötig hat sie es wirklich nicht, Lona«, stellte die Mutter die Sache richtig, »es ist nur ihr guter Wille, wenn sie es tut.«
Sie schwieg, denn sie sah, wie Lona sich aufrichtete und wie ihre dunklen Augen funkelten. Es würden wieder Vorwürfe kommen, daß sie ein Recht auf Bedienung hätte, anklagen würde sie, daß sie überhaupt lebte, wenn ihre Eltern ihr kein anderes Dasein bieten könnten – es würde wieder kein Ende nehmen.
»Bitte, Maja, ruf doch das Fräulein«, sagte die Mutter schnell, bevor noch Lona ihre Litanei begonnen hatte. Maja öffnete die Tür, rief hinaus: »Fräulein –!«
Eine Antwort kam aus dem Büro des Vaters.
»Fräulein, kommen Sie nach unserm Zimmer und bringen Sie den Tuschkasten mit!«
»Bist du verrückt geworden?« fuhr die Schwester sie an. »Die Person ist schon anmaßend genug und setzt sich viel zu sehr aufs hohe Pferd!«
»Soll ich noch daran erinnern, daß sie die Flasche mit dem Wasserstoffsuperoxyd nicht vergißt?« bemerkte Maja ungerührt. »Dein Haar ist bestimmt noch nicht grün genug.«
»Ach, Kinder, es ist nicht zum Aushalten mit euch«, schalt die Mutter, nun wirklich ärgerlich. »Ich werde überhaupt nicht mehr zu euch ins Zimmer kommen!«
Sie erhob sich und sah die jüngere Tochter mißbilligend an.
»Ich habe dich für vernünftiger gehalten, Maja.«
»Warum soll ich als Jüngere vernünftiger sein?« meinte sie gelassen.
Baronin Greiffling verließ das Zimmer, und gleich darauf trat das Fräulein ein. Die junge Dame wußte selbst nicht so recht, welches eigentlich ihre Hauptstellung in diesem Hause war. Sie war wohl in erster Linie die Privatsekretärin des Barons, außerdem aber noch Gesellschafterin und Zofe, je nach Bedarf. Sie und ein ältliches Mädchen, das Köchin und Stubenmädchen war, besorgten den Haushalt und bedienten die anspruchsvollen Damen. Den schwersten Stand hatte das Fräulein zweifellos bei der ältesten Tochter. Die hatte immer noch nicht gelernt, ohne Hilfe fertig zu werden. Sie hätte Fräulein Trus zu gern als Zofe betrachtet, wenn das nur angängig gewesen wäre. Doch der Baron litt das nicht. Denn zweifellos stammte die junge Dame aus vornehmem Hause; Aussehen und Benehmen ließen darauf schließen. Man war eigentlich nur davon unterrichtet, daß sie eine Mutter in der Stadt hatte, bei der sie auch übernachtete.
Fräulein Trus wurde nicht gerade mit besonderer Zuvorkommenheit, aber doch freundlich behandelt. Nur Lona konnte sie nicht leiden. Die junge Dame war nämlich von einer ungewöhnlichen Schönheit und hatte alles das, was die eitle Lona so heiß begehrte, vor allem wundervolles Blondhaar, das sich in natürlichen, dicken Wellen um das schöne Köpfchen legte – dieses Blondhaar, wie es Lona liebend gern selbst besessen hätte. Sie war auch blond, doch nicht von diesem satten, schimmernden, wunderbaren Blond. Sie griff zu allerlei Mittelchen, wollte die Natur dadurch zwingen, ihr das zu geben, was sie verlangte. Doch der Erfolg war nicht befriedigend. Ihr Haar wurde glanzlos und brüchig; Maja hatte recht, es hatte einen grünlichen Schimmer. – Und dann die Figur! Diese biegsame, unendlich graziöse, zarte Gestalt von Fräulein Trus war ihr Geschmack. Solche Mädchen sehen immer fabelhaft jung aus. Und Baronesse Lona haßte ihre achtundzwanzig Jahre und neidete dem Fräulein ihre dreiundzwanzig. Jedenfalls verschlechterte sich Lonas Laune, sobald sie nur das Fräulein sah, und sie begriff nicht, wie ihre Mutter eine solche Schönheit im Hause dulden konnte, wenn sie selbst zwei unverlobte Töchter hatte. Und es prickelte und reizte sie, dieses Mädchen, das den Eindruck eines Fürstenkindes machte, zu quälen und zu demütigen. Sonst war Lona eigentlich kein gehässiger Charakter, sondern verfügte sogar über eine gewisse Gutmütigkeit. Und wäre das Fräulein ein unscheinbares Menschenkind, vielleicht gar noch von einer bedauernswerten Häßlichkeit gewesen, nie hätte sie sich über die Baronesse zu beklagen gehabt. Lona hatte, obgleich das ja im Grunde recht töricht war, in Fräulein Trus’ Gegenwart immer das Gefühl, als drohe ihr von dieser Seite irgendein Unheil.
Auch heute sah sie das Fräulein gehässig an. Wie schön die Person wieder aussah, trotz des einfachen Kleidchens!
»Fräulein, die Frisur von heute früh hat aber gar nicht gehalten«, sagte sie unfreundlich. Fräulein Trus blieb sehr ruhig, griff zu der Bürste und gab sich Mühe, die wirren, struppigen Haare in glatte Wellen zu bringen.
»Au – passen Sie doch besser auf, Sie reißen mir ja die Haare aus!« fuhr Lona sie an. Fräulein Trus entschuldigte sich in ihrer gelassenen Weise, und Maja, die längst fertig war, empörte die Unfreundlichkeit der