Hat Sascha ausgespielt?: Praxis Dr. Norden 19 – Arztroman
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Die neue Serie Praxis Dr. Norden ist prädestiniert, neben den Stammlesern der Erfolgsserie Dr. Norden auch viele jüngere Leserinnen und Leser hinzuzugewinnen.
»Das sollen die besten Brötchen der ganzen Stadt sein? Dass ich nicht lache.« Hilflos stand Tatjana Norden am Tisch des Gastes, der zum ersten Mal im Café ›Schöne Aussichten‹ zu Besuch war. Das wusste sie ganz genau. An den speziellen Geruch, eine Mischung aus Mottenkugeln und Kölnisch Wasser, hätte sie sich auf jeden Fall erinnert. Ein typischer Alt-Herren-Geruch aus längst vergangenen Zeiten. Seine Stimme stand im krassen Gegensatz dazu. Rau und kräftig, hätte sie zu einem Geschäftsmann im besten Alter gepasst. Wenn sie ihn doch nur ein bisschen besser gesehen hätte! Doch aus verständlichen Gründen zog Tatjana es vor, ihm nicht zu nahe zu kommen. Vielleicht sollte sie aber auch lieber dankbar für ihre schlechte Sehkraft sein, die sie vor manch unerfreulichem Anblick bewahrte. Immer wieder, wenn sie Luft holte und den Mund öffnete, ergoss sich eine weitere Tirade an Beschwerden und Beleidigungen über sie. So schloss sie den Mund wieder, sich der Blicke der übrigen Gäste wohlbewusst. »Wissen Sie was! Ich bestelle gleich hundert Stück von diesen Dingern«, wetterte der Mann weiter. »Damit lässt sich trefflich Dosen werfen auf dem Jahrmarkt.« In diesem Moment betrat der Bäckergeselle Titus die Bühne. Ein Korb, randvoll mit frischgebackenem Kornspitz, thronte auf seiner Schulter. Wie er ihn mit nur einer gesunden Hand dorthin manövriert hatte, würde wohl für immer sein Geheimnis bleiben.
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Dr. Norden
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Buchvorschau
Hat Sascha ausgespielt? - Patricia Vandenberg
Praxis Dr. Norden
– 19 –
Hat Sascha ausgespielt?
Was er tat, war ungeheuerlich
Patricia Vandenberg
»Das sollen die besten Brötchen der ganzen Stadt sein? Dass ich nicht lache.«
Hilflos stand Tatjana Norden am Tisch des Gastes, der zum ersten Mal im Café ›Schöne Aussichten‹ zu Besuch war. Das wusste sie ganz genau. An den speziellen Geruch, eine Mischung aus Mottenkugeln und Kölnisch Wasser, hätte sie sich auf jeden Fall erinnert. Ein typischer Alt-Herren-Geruch aus längst vergangenen Zeiten. Seine Stimme stand im krassen Gegensatz dazu. Rau und kräftig, hätte sie zu einem Geschäftsmann im besten Alter gepasst. Wenn sie ihn doch nur ein bisschen besser gesehen hätte! Doch aus verständlichen Gründen zog Tatjana es vor, ihm nicht zu nahe zu kommen. Vielleicht sollte sie aber auch lieber dankbar für ihre schlechte Sehkraft sein, die sie vor manch unerfreulichem Anblick bewahrte.
Immer wieder, wenn sie Luft holte und den Mund öffnete, ergoss sich eine weitere Tirade an Beschwerden und Beleidigungen über sie. So schloss sie den Mund wieder, sich der Blicke der übrigen Gäste wohlbewusst.
»Wissen Sie was! Ich bestelle gleich hundert Stück von diesen Dingern«, wetterte der Mann weiter. »Damit lässt sich trefflich Dosen werfen auf dem Jahrmarkt.«
In diesem Moment betrat der Bäckergeselle Titus die Bühne. Ein Korb, randvoll mit frischgebackenem Kornspitz, thronte auf seiner Schulter. Wie er ihn mit nur einer gesunden Hand dorthin manövriert hatte, würde wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Statt die Backwaren wie sonst ins Regal zu packen, blieb er hinter dem Tresen stehen. Die Brauen unter der Piratenmütze hatten sich zu einem Balken zusammengeschoben. Der Vollbart um seinen Mund zitterte. Er starrte hinüber zu Tatjana.
»Es ist ganz normal, dass Walnussbrötchen etwas fester sind als beispielsweise eine Kaisersemmel.« Als der Herr Luft holen musste, nutzte Tatjana ihre Chance. »Das liegt am Sauerteig, der sie aber besonders saftig macht.«
Ein spöttisches Lachen drang an Titus’ Ohr. Noch immer stand er hinter dem Tresen, den Korb auf der Schulter.
»Als Märchentante sind Sie jedenfalls überzeugender denn als Bäckerin.«
Die Stimme des Gastes troff vor Ironie.
Ein Rummsen erschütterte die kleine Bäckerei und hallte hinüber bis ins Café. Titus hatte den Korb auf den Tresen geknallt. Einem Preisboxer gleich, den Blick fest auf den Miesepeter gerichtet, bahnte er sich seinen Weg. Am Tisch angekommen, stemmte er die Hände in die Hüften.
»Gibt es ein Problem?«, wandte er sich an den Herrn.
»Sie müssen die Bäckerin nicht in Schutz nehmen. Sie soll selbst für das geradestehen, was sie fabriziert hat.«
»Ich bin der Bäcker hier. Frau Norden ist meine Chefin.«
Tatjana kannte diesen Tonfall an ihrem Gesellen. Sie legte die Hand auf seine Schulter.
»Schon gut, Titus. Ich kläre das.«
Vergeblich. Der Kampf war eröffnet.
»Ach, sieh mal einer an!« Der Gast zog die rechte Augenbraue hoch. »Dann haben Sie also diese Brötchen verbrochen? Was rede ich da? Ich meine natürlich Ziegelsteine.«
Titus holte Luft.
»Diese Brötchen sind durch und durch handgemacht. Den Sauerteig habe ich höchstpersönlich angesetzt. Nicht das kleinste Klümpchen war darin.«
»Aber …«, wollte der Mann aufbegehren.
Doch Titus dachte nicht daran, sich unterbrechen zu lassen.
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu! Ich habe die Hefe mit einer Messerspitze Backmalz in etwas Wasser aufgelöst und zu den fein gesiebten Mehlen gegeben. Zusammen mit den übrigen Zutaten habe ich einen geschmeidigen Teig geknetet. Und zwar exakt vier Minuten langsam und drei Minuten schnell. Im Anschluss wurden die von Hand gehackten Walnüsse eingearbeitet. Nach einer Ruhezeit von zwanzig Minuten habe ich den Teig auf eine bemehlte Arbeitsfläche gegeben, rund gewirkt und zu einem Ballen geformt. Nach einer weiteren Ruhezeit von genau zehn Minuten wurde der Teig ausgerollt, die Brötchen ausgestochen und auf ein Lochblech gesetzt. Die Temperatur im Ofen betrug 230 Grad. Wasserschwaden sorgten für die exakte Luftfeuchtigkeit, die so ein Walnussbrötchen braucht, um weder zu weich noch zu hart zu werden.« Seine Hand zitterte leise, als er eines der Brötchen aus dem Korb nahm und in der Mitte durchbrach. Eine der Hälften hielt er dem Gast unter die Nase. »Das Brötchen weist eine appetitliche Bräunung auf. Die Kruste ist knusprig, aber nicht hart.« Brösel rieselten auf den Tisch. »Das Porenbild ist regelmäßig und mittelgroß. Das hier ist ein Brötchen wie aus dem Lehrbuch.«
»Und ich sage, dass dieses Brötchen steinhart und altbacken ist.«
Tatjana spürte die Blicke in ihrem Rücken. Hörte das unterdrückte Kichern von links. Die atemlose Spannung rechts. Höchste Zeit, die Vorstellung zu beenden!
»Lass es gut sein, Titus«, wiederholte sie ihre Bitte. Zu dem Gast gewandt sagte sie: »Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen eine andere Sorte. Der Kornspitz ist ganz frisch.«
»Die Walnussbrötchen etwa nicht?«, begehrte Titus auf. »Die Mühe kannst du dir sparen. Du willst doch nicht noch mehr Perlen vor die Säue werfen.«
Ein Poltern. Geschirr klirrte. Der Miesepeter war aufgesprungen. Wie zwei Duellanten standen sich die beiden Männer gegenüber und starrten sich an.
»Was erlauben Sie sich, Sie unverschämter Schaumschläger!«
»Wer ist denn hier unverschämt?« Ein Mantel hing zusammengefaltet über dem zweiten Stuhl am Tisch. Titus griff danach und drückte ihn dem Mann an die Brust. Er packte ihn an den Schultern. Drehte ihn um und bugsierte ihn an Tischen und Stühlen vorbei Richtung Ausgang. Das Glöckchen klingelte aufgeregt, als Titus die Tür hinter dem Mann zuschlug.
Der Applaus der übrigen Gäste war Musik in seinen Ohren. Tatjanas Zischen dagegen weniger.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?« Mit einem Ruck zog sie den Vorhang zwischen Backstube und Verkaufsraum zu. Die Gäste hatten schon mehr Unterhaltung als nötig bekommen. »Was, wenn das jemand von der Presse war? Der ist imstande und ruiniert die Bäckerei mitsamt Café. Ein einziger Artikel genügt.« Schweißperlen glänzten über ihrer breiten Oberlippe.
»Das ist noch lange kein Grund, uns beleidigen zu lassen.«
Tatjana wusste, dass Titus recht hatte. Sie presste beide Hände auf ihr wild schlagendes Herz. Atmete tief durch.
»Kein Wunder, dass unsere Nerven blank liegen«, seufzte sie endlich. »Für zwei Leute ist die Arbeit in der Backstube viel zu viel. Und dann auch noch deine Verletzung.« Sinnend betrachtete sie den Verband an seinem Arm, Folge eines Zusammenstoßes mit dem