Coming Home: Deutsch & Englisch | German & English
Von Tetiana Trofusha und Andreas Schwietzke
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Über dieses E-Book
Since her fall on the catwalk, Ji is petrified to leave the apartment. Her only ray of hope is her husband Adan, the CEO of a neurotechnology company. With him, she believes she has the perfect marriage—until she discovers cuts on her body. Who inflicted them on her? Adan or herself? And why can't she remember? When she starts hearing voices, too, she is convinced to go insane. Or is Adan playing some kind of vicious mind game with her?
Die Story wurde im Deutschen Science-Fiction-Preis 2019 und im Kurd-Laßwitz-Preis 2019 nominiert. | The story was nominated for the German Science Fiction Award 2019 and for the Kurd-Laßwitz-Award 2019.
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Buchvorschau
Coming Home - Tetiana Trofusha
Trofusha
COMING HOME
Deutsch & Englisch | German & English
AndroSF 117
Tetiana Trofusha
COMING HOME
Deutsch & Englisch | German & English
AndroSF 117
Neuausgabe der | Reissue of the story »Coming Home«
aus | from Marianne Labisch (Hrsg.): INSPIRATION
Die digitalen Welten des Andreas Schwietzke
Außer der Reihe 25, p.machinery, Murnau, Juli/July 2018
ISBN 978 3 95765 137 2, 978 3 95765 138 9
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Bibliographic Information of the German National Library
The German National Library lists this publication in the German National Bibliography; detailed bibliographic data are available on the Internet at http://dnb.d-nb.de.
© dieser Ausgabe | of this issue: Februar(y) 2020
p.machinery Michael Haitel
Titelbild | cover picture: Andreas Schwietzke
Layout & Umschlaggestaltung | cover design: global:epropaganda
Lektorat | Editing: Marianne Labisch
Korrektorat | Proofreading: Michael Haitel
Übersetzung ins Englische | Translation from German: Ilona Schmidt
Herstellung | Production: global:epropaganda
Verlag | Publisher: p.machinery Michael Haitel
Norderweg 31, 25887 Winnert
www.pmachinery.de
für den | for the Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu
ISBN of the print issue: 978 3 95765 184 6
ISBN of this e-book: 978 3 95765 903 3
Dieses Buch gibt es als Print und als E-Book auch in deutscher und englischer Sprache als eigenständige Veröffentlichung.
This book is available as print and as e-book also in German and English as an independent publication.
Deutsche Ausgabe
1
Vorsichtig schob Ji den Suppenlöffel wenige Millimeter nach links. Erst jetzt lag er exakt zwischen dem Vorspeise- und Hauptgangmesser. Sie seufzte erleichtert. Gut, dass sie noch einmal drüber geschaut hatte. Heute durfte nichts schief gehen. Absolut nichts.
In Gedanken ging sie noch einmal das Menü durch: Rucola-Feigen-Salat, Hühnersuppe, Zitronensorbet, Entenbrust in Ahornsirup und gebackene Birnen mit Vanilleeis. Keine Wiederholung der Nahrungsmittel, ihrer Farbe und der Zubereitungsart.
Doch. Ihr Herz begann zu rasen. Sowohl Entenbrust als auch die Birnen kamen aus dem Ofen. Und das auch noch bei zwei aufeinanderfolgenden Gerichten! Sie krallte sich an Adans Stuhllehne fest.
Ganz ruhig. Sie hatte sich extra für gebackene Birnen entschieden, weil es seine Lieblingsspeise war. Daher würde es ihn nicht stören.
Es sei denn, sie hätte eine Zutat vergessen. Das würde er merken. Zimt. Hatte sie Zimt zu den Birnen gegeben? Sie beschwor die Erinnerungen, sah sich nach Nelken und Kardamom greifen. Aber nicht nach Zimt. Bitte nicht.
Sie hatte Zimt verwendet, bestimmt. Schließlich bereitete sie Adan oft gebackene Birnen zu, reine Routinesache.
Oder hatte sie den Zimt wirklich vergessen?
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Oh, nein, er durfte sie nicht aufgelöst vorfinden.
Sie stürzte zum Wandspiegel im Eingangsbereich. Ihre Absätze schlugen auf den Marmorboden ein, vergegenwärtigen ihr die Stille in der Wohnung. Die Musik! Abrupt stoppte sie, wirbelte herum, machte einen Schritt Richtung Wohnzimmer und hielt inne. Das konnte sie später machen. Jetzt galt es, das Make-up zu retten.
Sie trat von rechts an den Spiegel heran, um der Haustür möglichst fernzubleiben, und beugte sich vor. Der goldbraune Lidstrich schmiegte sich makellos an ihre Augen. Sie atmete aus. Eine Sorge weniger.
Und endlich fiel es ihr ein: Sie hatte Zimt über die Nachspeise gestreut! Unwillkürlich lächelte sie.
Sie ging zurück und aktivierte das Bedienelement an dem Wandvorsprung zwischen Wohnzimmer und Eingangsbereich. Die digitale Uhr auf dem silbernen Bildschirm zeigte sieben vor acht. Die Zeit würde ausreichen, um letzte Korrekturen vorzunehmen.
Sie rief die Musiksammlung auf und entschied sich für ein unaufdringliches Klavierstück, das sie leise stellte. Keinesfalls sollte Adan dagegen anschreien müssen.
Sie wechselte zur Beleuchtung, schaltete das Deckenlicht aus und tippte auf das stilisierte Bild eines Feuers. Das System entzündete die Holzscheite im gläsernen Kamin in der Wand gegenüber seinem Platz am Tisch. Die Flammen tauchten das Zimmer in warme Farben.
Fünf Minuten.
Sie betrachtete den absolut symmetrisch gedeckten Tisch. Das Licht der brennenden Kerzen brach sich im Tafelsilber. Und als Blickfang zwischen den beiden Kandelabern, in der Mitte des Tisches: die roten Rosen mit Schleierkraut und Palmblättern verziert.
Sie sahen fantastisch aus. Es war die richtige Entscheidung gewesen, sie zu bestellen.
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Irgendetwas fehlte, ein entscheidendes Detail. Das konnte nicht sein. Sie hatte doch an alles gedacht. Ihr Blick huschte über das Zimmer auf der Suche nach der Unstimmigkeit, blieb an der Glasfront heften: Hunderte Wolkenkratzer zeichneten sich mit ihren leuchtenden Fenstern vom schwarzen Himmel ab. Natürlich, der Mond! Er war heute Abend nicht aufgegangen. Erleichtert schloss sie die Augen, zum Glück ließ sich das ändern.
Sie drückte auf Fenstersimulation und wählte aus der Liste Mond aus. In der Mitte der Glasfront erschien ein faustgroßer Mond. Sie legte zwei Finger auf das Bedienelement und schob sie so lange auseinander, bis der virtuelle Himmelskörper die zehnfache Größe annahm. Dann positionierte sie ihn hinter die Wolkenkratzer am linken Fensterrand. So würde Adan sowohl das Feuer als auch den Mond in seinem Sichtfeld haben.
Sie lächelte. Jetzt war es perfekt. Er würde es lieben. Dieses Mal hatte sie alles richtig gemacht.
Drei Minuten.
Sie stellte sich in den Eingangsbereich auf ihre gewohnte Position: Die Spitzen ihrer Pumps berührten die Kante der fünfzehnten Marmorplatte von der Haustür aus. Jede Platte maß dreißig Zentimeter. Vier Meter fünfzig trennten sie vom Hausflur.
Sollte sie es riskieren? So kurz vor seinem Nachhausekommen? Nur ein paar Zentimeter. Das war machbar. Schließlich hatte sie schon drei Platten geschafft. Und wenn es nicht klappte, würde sie abbrechen.
Sie ging nach vorne zur zwölften Platte. Das funktionierte inzwischen beinah problemlos. Also schön. Sie atmete tief durch und befahl ihrem rechten Fuß vorzurücken. Langsam, ganz langsam glitt er über die Kante. Drei Meter neunundfünfzig. Achtundfünfzig. Siebenundfünfzig. Sie begann zu zittern. Sechsundfünfzig. Fünfundfünfzig.
Stechender Schmerz brachte sie aus der Konzentration. Sie blickte hinunter. Ihre Nägel bohrten sich in ihren Unterarm. Ruckartig zog sie die Hand weg. Zurück blieben sichelförmige Kerben auf der Haut. Das durfte Adan auf gar keinen Fall sehen. Sonst würde er denken, es hätte wieder angefangen. Und er hatte schon genug Sorgen wegen der Lieferprobleme. Hektisch rieb sie die Haut. Sie färbte sich rot, die Verletzung verschwand nicht. Oh, nein. Was sollte sie jetzt tun?
Aus dem Hausflur drangen Schritte. Reflexartig versteckte sie den Arm hinter ihrem Rücken und sprang hinter die fünfzehnte Platte. Noch durfte Adan nichts von ihren Experimenten erfahren. Sie wollte ihn überraschen, wenn es so weit war.
Sie streckte die Brust vor, hob den Kopf an und zwang sich zu einem Lächeln.
Die Tür schob sich in die Wand. Und da stand er. Adan. Gut aussehend und unwiderstehlich wie am Tag ihrer ersten Begegnung. Sofort fiel es ihr leichter, die Fröhliche zu spielen.
Er betrachtete sie von oben bis unten. »Dreh dich.«
Sie gehorchte. Der Rock ihres Cocktailkleides flatterte hoch und offenbarte ihren Po. Sie befürchtete, einer der Nachbarn könnte sie sehen, doch keiner kam vorbei.
Adan lächelte. »Wow.«
Errötend senkte sie den Blick. Es gefiel ihm! Am liebsten wäre sie vor Freude gehüpft, beherrschte sich jedoch. Er mochte nicht, wenn sie sich kindisch benahm. Und sie war lernfähig.
Er trat herein. Hinter ihm schloss sich die Haustür. Er stellte seine Aktentasche auf die erste Platte und schnupperte im Näherkommen. »Rieche ich da gebratene Birnen?«
»Ja.«
»Mmh.« Er legte eine Hand um ihre Taille und schenkte ihr einen Kuss. Sie genoss seine zarten Lippen, seine Nähe, seine Wärme. Unwillkürlich schmiegte sie sich an ihn.
Er löste sich von ihr. Hatte sie etwas falsch gemacht? War sie zu aufdringlich gewesen? Sie verdrängte die Fragen, sie würde das Gespräch nicht auf sich lenken. »Wie war dein Tag?«
»Lang.« Wieder einmal. Wenn sie ihm doch mehr helfen könnte, als nur einen perfekten Abend für ihn zu zaubern.
Er wartete ihre Antwort nicht ab, ging ins Bad zwischen dem Schlafraum und dem Nebenzimmer. Sie sah ihm nach, seufzte.
Das Wasser begann, zu rauschen. Ihr Stichwort. Sie eilte in die Küche zum Herd, berührte den Suppentopf. Noch angenehm warm, gut.
Von der Anrichte nahm sie die beiden Porzellanteller mit der Vorspeise und positionierte sie auf ihrer Hand und ihrem Unterarm. Bis jetzt war ihr ein einziges Mal das Geschirr heruntergefallen. Das würde auch so bleiben.
Sie lief zurück ins Wohnzimmer. Bei Adans Anblick verlangsamte sie ihre Schritte. Mit dem Rücken zu ihr gedreht, breitete er beinahe mechanisch die Stoffserviette auf seinem Schoß aus, studierte dabei sein Tablet. Wieder würde er den Abend durcharbeiten. Sie schluckte die Enttäuschung hinunter und stellte zuerst seinen und dann ihren Teller ab. Er sah auf, inspizierte den Rucola-Feigen-Salat. Ohne Adan aus den Augen zu lassen, setzte sie sich ihm gegenüber, wagte kaum, zu atmen. Hoffentlich würde es ihm schmecken.
Er legte das Messer in die Rechte und die Gabel in die Linke. Spießte eine mit Parmesan bestreute Feige auf. Führte sie zum Mund. Schob sie hinein. Er kostete sie, langsam und nachdenklich.
»Hm, das ist gut.«
Ihr gesamter Körper entspannte sich. »Danke.« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Er erwiderte es und widmete sich dem Essen. »Wir hatten heute eine Krisensitzung, vier oder fünf Stunden lang, ich weiß es gar nicht mehr.« Er strengte sich sichtlich an, die Beherrschung nicht zu verlieren. Sie konnte es nachvollziehen. Vier oder fünf Stunden, das musste furchtbar sein. Sie sah ihn mitfühlend an und begann ebenfalls zu essen.
»Kupfer, Chrom, Mangan. Wir haben so gut wie nichts mehr davon und unsere verdamm…« Er hielt inne. »Und unsere Lieferanten wollen die Verträge kündigen.«
Das war eine Katastrophe. »Warum?«
»Wenn ich das nur verstehen würde.« Er schüttelte den Kopf. »Übermorgen treffen wir uns mit ihnen, vielleicht kommt dabei etwas heraus. Sonst müssen wir die Produktion einstellen.«
Sie wünschte, sie könnte ihm mit einem guten Rat beistehen, aber sie verstand nichts von seinen Geschäften. »Du wirst eine Lösung finden, so wie immer.« Daran zweifelte sie nicht. Aufmunternd lächelte sie ihm zu und tätschelte seinen warmen Handrücken.
»Ja, vielleicht.« Er klickte sich durch Dokumente voll Statistiken und Tabellen, brütete über ihnen, stach eine Feigenhälfte nach der anderen auf.
Sie traute sich nicht, ihn zu stören. Ihr Blick fiel auf die schönen Rosen. Er hatte das Ambiente nicht einmal bemerkt. Alles in ihr zog sich zusammen. Wirklich? Seine Firma stand auf dem Spiel und er sollte darüber sprechen, wie hübsch es hier war? Beschämt sah sie nach unten, nippte an ihrer Limonade.
Er legte das Besteck diagonal auf den Teller. Auf den leeren Teller. Es hatte ihm wirklich geschmeckt.
Sie sprang auf, sammelte das benutzte Geschirr ein und eilte in die Küche. Mit den Fingern schnappte sie nach der letzten Feigenhälfte auf ihrem Teller und warf sie sich in den Mund, bevor sie alles in die Spülmaschine räumte. Dieses Mal lief es perfekt.
Summend füllte sie drei vorbereitete Schalen mit der Hühnersuppe, setzte auf eine von ihnen einen Deckel und stellte sie in den Kühlschrank. Das würde sie morgen essen.
Sie streute Schnittlauch über die beiden verbliebenen Schalen, brachte sie zum Tisch und setzte sich.
Den Blick auf das Tablet gerichtet, langte er nach dem Löffel. Er tauchte ihn in die Suppe, steckte ihn in den Mund und erstarrte.
Sie sog die Luft ein. Schmeckte es ihm so gut? Oder so schlecht?
Langsam, ohne auch nur einen Gesichtsmuskel zu bewegen, zog er den Löffel aus dem Mund, platzierte ihn auf der weißen Tischdecke. Ein öliger Fleck breitete sich aus. Adan streckte den Rücken durch und legte die Stoffserviette links neben dem Teller ab.
Das Essen war beendet.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Krampfhaft suchte sie nach dem Fehler. Hatte sie die Suppe kalt aufgetragen?
»Sie ist ungesalzen«, erklärte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie hatte sie doch abgeschmeckt. Sie griff nach dem Löffel. »Das kann nicht …«
Er schlug auf den Tisch, das Tafelsilber klirrte. Sie zuckte zusammen, ließ den Löffel fallen, drückte sich gegen die Stuhllehne und wich seinem Blick aus.
»Denkst du, ich lüge dich an?«
»Nein, nein, natürlich nicht.« Sie konnte es nur nicht fassen. Salz! Wie dumm musste man sein, um Salz zu vergessen? Die Grundzutat beinah jeden Gerichts. Und dann auch noch mit so etwas seinen Abend zu ruinieren. Nach dem anstrengenden Tag! Sie schluchzte auf. »Es tut mir leid.« Warum musste sie ausgerechnet heute etwas Neues ausprobieren?
Er seufzte. »Ich verstehe dich nicht, Ji. Alles, alles, was ich von dir verlange, ist die Wohnung sauber zu halten, mir ein Abendessen zuzubereiten und mir dabei Gesellschaft zu leisten. Das ist alles.«
»Es tut mir leid. Das wird nicht wieder vorkommen. Ich verspreche es dir.« Nächstes Mal würde sie alles