Der Familienschreck: Leni Behrendt Bestseller 15 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Über dieses E-Book
Im Herrenhaus von Schönsee herrschte große Aufregung. Das gestrenge Oberhaupt der Familie wurde erwartet, und das war etwas, das diese Aufregung schon rechtfertigte. Was in dem schlechtgeführten Haushalt in einem Vierteljahr vernachlässigt worden war, das sollte an einem Tag in Ordnung gebracht werden! Das gab ein heilloses Durcheinander, in dem ein Heer von Scheuerfrauen auf und ab wogte. Fluten von Seifenwasser überschwemmten die Fußböden, Leitern standen herum, Fenster und Türen waren weit geöffnet – und inmitten dieses Chaos wirbelte die Hausherrin herum, mit ihren konfusen Befehlen mehr hemmend als nützend. »Ilsabe, Christiane, wo seid ihr bloß?« jammerte sie nach den Töchtern, die geruhsam im Wohnzimmer saßen, das als einziges von der Scheuerwut verschont geblieben war. Dort hielten sich auch der Herr und der Sohn des Hauses auf, die am liebsten ausgerückt wären, in Erwartung des hohen Gastes jedoch notgedrungen verharren mußten. Nun wurde auch diese Tür aufgerissen, und die völlig echauffierte Hausfrau ward sichtbar. »Kinder, meine Nerven! Könnt ihr denn kein bißchen darauf Rücksicht nehmen?« jammerte sie kläglich. »Hör bloß endlich mit deinen Nerven auf –!« fuhr der Hausherr unwirsch dazwischen. »Wozu das alles überhaupt, Beate?« »Da kannst du noch fragen?« empörte die Ehehälfte sich. »Da kannst du wirklich noch fragen? Du kennst doch die niederträchtig scharfen Augen der Tante Herzliebe. Wenn die auch nur eine einzige Unordnung hier entdecken –«
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Der Familienschreck - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 15 –
Der Familienschreck
Leni Behrendt
Im Herrenhaus von Schönsee herrschte große Aufregung. Das gestrenge Oberhaupt der Familie wurde erwartet, und das war etwas, das diese Aufregung schon rechtfertigte. Was in dem schlechtgeführten Haushalt in einem Vierteljahr vernachlässigt worden war, das sollte an einem Tag in Ordnung gebracht werden!
Das gab ein heilloses Durcheinander, in dem ein Heer von Scheuerfrauen auf und ab wogte. Fluten von Seifenwasser überschwemmten die Fußböden, Leitern standen herum, Fenster und Türen waren weit geöffnet – und inmitten dieses Chaos wirbelte die Hausherrin herum, mit ihren konfusen Befehlen mehr hemmend als nützend.
»Ilsabe, Christiane, wo seid ihr bloß?« jammerte sie nach den Töchtern, die geruhsam im Wohnzimmer saßen, das als einziges von der Scheuerwut verschont geblieben war. Dort hielten sich auch der Herr und der Sohn des Hauses auf, die am liebsten ausgerückt wären, in Erwartung des hohen Gastes jedoch notgedrungen verharren mußten. Nun wurde auch diese Tür aufgerissen, und die völlig echauffierte Hausfrau ward sichtbar.
»Kinder, meine Nerven! Könnt ihr denn kein bißchen darauf Rücksicht nehmen?« jammerte sie kläglich.
»Hör bloß endlich mit deinen Nerven auf –!« fuhr der Hausherr unwirsch dazwischen. »Wozu das alles überhaupt, Beate?«
»Da kannst du noch fragen?« empörte die Ehehälfte sich. »Da kannst du wirklich noch fragen? Du kennst doch die niederträchtig scharfen Augen der Tante Herzliebe. Wenn die auch nur eine einzige Unordnung hier entdecken –«
»Schlimm genug, daß du es zu einer solchen überhaupt kommen läßt.«
»Ach, der Mann, dieser rücksichtslose Mann! Und keiner nimmt mich vor ihm in Schutz. Eine schöne Familie habe ich. – Großer Gott, was ist denn das! Hört ihr nichts?«
O ja, sie hörten. Und zwar eine ihnen wohlbekannte Stimme, die alle aus ihrer Beschaulichkeit aufschreckte.
Sie stürzten zur Tür, rissen sie auf – und was sie da sahen, ließ sie fast erstarren vor Schreck. In der Halle stand eine kolossale Gestalt, von Seifenschaum umwogt. Vor ihr lag ein Eimer, den eine der Scheuerfrauen bei dem unerwarteten Anblick hatte fallen lassen.
»Tante Liebe, was hat man dir getan?« kreischte Frau Beate von Söreslan in höchstem Diskant, und die Antwort tönte gar in einem Baß, der einer Männerkehle Ehre gemacht hätte.
»Verrückte Frage. Du siehst wohl nicht, daß ich hier schwimme wie die Arche Noah bei der Sintflut? Gibt es denn in diesem Sodom und Gomorrha keinen einzigen Platz, der trocken ist –?«
»Komm mit, Tante Liebe.« Christiane trat vor, die sich als einzige an die Frau heranwagte, die wie ein grimmiger Feldherr dastand, die blitzenden Blicke hin und her schickend. »Komm nur, im Wohnzimmer ist es trocken.«
Obgleich Christiane gewiß nicht klein war, so überragte diese gewaltige Erscheinung sie doch beträchtlich. Von der Breite schon gar nicht zu reden. Brummend ließ die Tante sich zu dem Sessel führen, der schon für sie bereitstand und in den sie gerade so hineinpaßte. Ebenso brummend besah sie sich ihre klatschnassen Schuhe, die triefende Schleppe.
»Tante Liebe, du mußt aus den nassen Sachen«, jammerte Frau Beate wieder. »Aber die von uns passen dir doch nicht. Vielleicht kann dein Kutscher dir welche von Hause holen –«
»Und somit die armen Gäule noch einmal zurückjagen, was!« fuhr die Baßstimme sie an.
»Dann könnte Christiane vielleicht nach Schwansburg reiten –«
»Papperlapapp! Es wird doch hier wohl Kleidungsstücke geben, mit denen ihr mir aushelfen könnt. Ein Paar Schlorren von den Mannsleuten werde ich trotz ihrer Fräuleinfüßchen ja wohl noch ankriegen.«
»Gedulde dich ein Weilchen, Tante Liebe«, lachte Christiane fröhlich auf, und weg war sie. Sie kam nach erstaunlich kurzer Zeit wieder, hob triumphierend ein Paar Männersocken hoch, ein Paar Hausschuhe, so Größe fünfundvierzig, und einen Morgenrock dazu.
»Hier, von unserm Inspektor etwas für die Füße und von seinem Muttchen einen Talar –«
Schon kniete sie vor der Gestrengen, die es sich, knurrend zwar, aber nicht ungern gefallen ließ, daß Christiane ihr die nassen Schuhe und Strümpfe von den Füßen zog, die sie darauf mit grauwollenen Männersocken und Kamelhaarschuhen versah. Dann kam das Kleid an die Reihe, wobei die beiden Herren diskret das Zimmer verließen.
Einem Menschen ein Kleid auszuziehen, ist ja im allgemeinen keine schwierige Aufgabe. Allein bei dieser Dame war das nicht so einfach. Bis man an das Kleid überhaupt erst herankam, dauerte eine gute Weile. Da gab es Ketten abzunehmen, Broschen und Schleifen abzustecken, Tuffen und Rüschen zu öffnen, Haken, Druckknöpfe, Spangen und Schließen aller Art.
Das pompöse Schleppkleid mußte weichen, und an seine Stelle trat der Morgenrock der mehr als rundlichen Inspektorsfrau. Zwar hüllte er diesen massigen Körper gut ein, da jedoch die Besitzerin erheblich kleiner war als die Gräfin Herzliebe Schwanitz, so reichte er dieser noch nicht einmal bis zur halben Wade – und unter dem Saum sahen die grauen Männersocken und die riesigen Kamelhaarschuhe hervor.
»Na, nun lacht schon«, brummte die Tante gutmütig. »Sonst platzt ihr womöglich noch auseinander. Wie ich aussehe, das kann ich mir wohl denken. Aber ich bin trocken, das ist mir die Hauptsache.«
Gemütlich fiel sie in das nun ausbrechende Lachen ein, wobei sie sich wieder in ihren Stammsessel setzte. Ein Hausmädchen wurde herbeigerufen, das die nassen Sachen in Empfang nahm und eifrig versprach, sie so schnell wie möglich in Ordnung zu bringen.
»Na schön«, nickte die Gräfin friedfertig. »Zuerst aber bringen Sie mir etwas zu essen, Marjellchen. Und zwar was Vernünftiges. Zuallererst möchte ich jedoch einen Kognak.«
Axel, der soeben mit seinem Vater ins Zimmer zurückgekehrt war, beeilte sich, dem Wunsch der Großtante nachzukommen. Klar und aromatisch floß die belebende Flüssigkeit in ein Glas, das die Größe eines kleinen Weinglases hatte und eigens für die trinkfeste Gräfin angeschafft worden war.
Man sagte der Dame nach, daß sie nicht trinkfeste Männer mühelos unter den Tisch trank und dabei stets taktfest blieb. Das war gewiß keine böse Verleumdung, sondern es entsprach der Tatsache. Nur ihr verstorbener Gatte hatte das vermocht. Ein Riese an Größe und Körperkraft, hatte er die Gattin in allem übertrumpft und daher ihre Bewunderung und Achtung besessen.
Der Graf lebte noch zehn Jahre in alter Weise, und wenn er nicht einem tragischen Unglücksfall zum Opfer gefallen wäre, dann hätte sein Alter wohl eine biblische Höhe erreicht. Allein der morsche Baum, der während eines rasenden Gewittersturmes herniederbrach und dabei den Mann begrub, war sein Meister gewesen.
»Na schön«, hatte die Gräfin gemeint, als man ihr den treuen Lebenskameraden tot ins Haus brachte. »Es wäre für meinen Andreas auch eine Schande gewesen, im Bett zu sterben wie andere Leute.«
Damit schien der Fall für sie erledigt zu sein. Nur diejenigen, die diese Frau richtig kannten, wußten um den heißen Schmerz, den sie um das Dahinscheiden dieses Treuesten aller Treuen trug. Nach der Beisetzung war sie abgereist und erst nach einem Vierteljahr wiedergekommen. Wo sie während der Zeit geweilt, das hatte niemand gewußt.
Gestern erst war sie auf der Schwansburg, ihrem Stammsitz, angekommen und heute schon saß sie bei den Verwandten, wo ihr ein so unwürdiger Empfang zuteil geworden war.
»Nun erzählt, Kinder, wie es euch ergangen ist. Was macht die Wirtschaft?« fragte sie den Hausherrn, dem es unter dem scharfen Blick dieser hellen Augen höchst unbehaglich zu werden schien.
»Was weiß ich?« murmelte er, sein Monokel so eifrig putzend, als hinge von dieser Tätigkeit wer weiß wieviel ab. »Du hast uns ja ausgeschaltet, als du uns dieses Fräulein Warden sozusagen auf die Nase gesetzt hast. Seitdem haben wir hier nichts mehr zu sagen.«
»Ach nee.« Die Gräfin besah sich diesen Lebemann, in dem man alles andere, nur keinen Landwirt vermuten konnte. »Hättest du mein Hab und Gut so verwaltet, wie es sich gehört, dann hättet ihr dieses Fräulein Warden nicht auf der Nase sitzen.«
»Tante Liebe, du weißt doch ganz genau, daß ich kein Landwirt bin.«
»Nein, Gott sei’s geklagt. Du bist nämlich nichts, mein Sohn. Verstehst weiter nichts, als anderer Leute Geld mit vollen Händen zu vergeuden, wie deine liebe Familie – Christiane ausgenommen – es ebenso gut versteht. Das heißt, dein Sohn versteht auch noch, hübschen Mädchen nachzustellen. Aber dafür kann er nichts, da er von seinem Vater her erblich belastet ist.«
»Ich wüßte nicht, was ich in diesem elenden Kaff wohl anders anfangen sollte«, verteidigte sich der Angegriffene.
Die Gräfin kniff die Augen zusammen und besah sich ihren Großneffen angelegentlich.
»Wie wäre es, wenn du arbeiten würdest, mein Jungchen? Denn Arbeit vertreibt jede Langeweile unter Garantie.«
»Würdest du mir nicht sagen, worin diese Arbeit bestehen könnte?«
»Werde Gigolo, das Zeug dazu hast du bestimmt.«
»Tante Liebe – ich bitte dich –!« hob Frau Beate anklagend die Hände. »Quäle den armen Jungen doch nicht so. Er leidet schon schwer genug darunter, daß er so tatenlos dasitzen muß. Ihm fehlt das Geld –«
»Das soll er sich durch Arbeit verdienen. Aber dazu ist dieses Herrchen, das stets so aussieht, als wäre es dem mondänsten Modesalon entsprungen, wahrscheinlich zu fein. Es gehört auch zu den Leuten, die behaupten: ›Arbeiten sieht so arm aus‹. Es ist ja auch entschieden bequemer und amüsanter, jeder Schürze nachzulaufen.«
»Tante Herzliebe – jetzt wirst du ja direkt – direkt –«, wagte Beate ihrer Empörung Luft zu machen, kam jedoch unter dem grimmigen Blick der Gefürchteten nicht weiter.
»Direkt – was denn – direkt?« wetterte nun deren Stimme los. »Ordinär willst du sagen, was? Das habe ich bei euch auch verdammt nötig. Außerdem fasse du nur an deine eigene Nase, ebenso darf es dein verhätschelter Sprößling. Ist es etwa nicht ordinär, wenn er wie ein Wegelagerer die Asta im Park überfällt und sie zu küssen versucht – und etwa nicht ordinär, wenn du bei deinem Dazukommen dem wehrlosen Mädchen die Ohrfeige versetzt, die dieser Ritter von traurigster Gestalt mit Fug und Recht verdient hätte?«
»Möchte nur wissen, woher du das schon wieder hast«, lachte die Nichte überlaut. »Du bist doch erst gestern nach Hause gekommen.«
»Ja – ich habe eben meine Zuträger. Daher kommt es, daß ich immer so gut orientiert bin. Jedenfalls hast du dich wieder einmal von Herzen blamiert, meine liebe Beate. Die Asta wird an dieser Ohrfeige nicht zugrunde gehen, zumal sie diese ganz schuldlos bekommen hat. Aber du hast allen Grund, dich gehörig zu schämen. Ebenso dein Muttersöhnchen. Übrigens steht dessen Rechtfertigung noch aus. – Also, mein Sohn, was hast du dir dabei gedacht, als du das Mädchen in so nichtswürdiger Weise überfielst?«
Nun hob Axel den Kopf und bemühte sich, der Großtante in die durchdringenden Augen zu sehen.
»Überfallen ist wohl nicht der richtige Ausdruck, Tante Liebe. Ich habe mich Asta in keiner unlauteren Absicht genähert. Denn ich liebe sie und will sie heiraten.«
Diese freimütige Antwort überraschte Herzliebe nun doch. Dann jedoch lachte sie amüsiert auf.
»Alle Wetter, Jungchen, diese Eröffnung müßte mir eigentlich imponieren. So viel Schneid hätte ich dir bestimmt nicht zugetraut. Der gehört nämlich dazu, um im Schoße der lieben Familie so ein freimütiges Bekenntnis abzulegen. Daß du auch so wenig Rücksicht auf die armen Nerven deiner Mutter nehmen kannst! Sieh sie dir an, gleich wird sie in Ohnmacht fallen über die Ungeheuerlichkeit, die ihre empfindsamen Ohren soeben vernehmen mußten. Dem Herrn Papa ist vor Schreck fast das Monokel entglitten, während die liebe Schwester Ilsabe Miene macht, sich mit wenigen, aber um so wirkungsvolleren Worten von ihrem entarteten Bruder loszusagen. Nur Christiane lacht über das ganze Gesicht –«
»Tante Liebe, ich bitte mir aus, daß du mich ernst nimmst –«, trumpfte Axel dazwischen. »Ich bin schließlich 27 Jahre alt –«
»Daher alt genug, um die Riesendummheit, in die du dich verrannt hast, zu erkennen«, winkte sie den Protest ungerührt ab.
»Warum Riesendummheit?« fragte der junge Mann aufsässig.
»Weil du gar keine Aussicht hast, die Asta für dich zu erringen, mein Söhnchen. Denn das Mädchen wird sich bedanken, in eure verlodderte Familie hineinzureiten.«
Jetzt fuhr der Hausherr mit rotem Kopf hoch. Doch bevor er seiner Entrüstung Ausdruck geben konnte, kam ihm die Gattin dazwischen.
»Tante Herzliebe, das ist aber nun wirklich die Höhe –! Dieses Mädchen, das nichts ist und nichts hat, würde es sich zur Ehre anrechnen, Frau von Söreslan zu werden.«
Die Tante sah sie gemütlich an.
»Ach nee – wie großspurig. Meine Ansicht ist, daß wiederum eure werte Familie es sich