Forsthaus Hubertus: Leni Behrendt Bestseller 36 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Es hatte den Anschein, als wollte es an diesem griesgrämigen Novembermorgen gar nicht hell werden. Er tauchte alles grau in grau, draußen so wie drinnen, wo das Ehepaar Synor beim verspäteten Frühstück saß. Kein Wunder, daß sich das trübselige Wetter auf die Stimmung legte und die Laune der Herrschaften gleichfalls grau war, zumal man nach einer durchfeierten Nacht zu wenig Schlaf gehabt hatte – und dann seinen Hunger noch nicht einmal richtig stillen durfte, weil man auf schlanke Taille hielt und jedes Pfund Gewichtszunahme als eine Katastrophe ansah. Also war der Frühstückstisch wohl zierlich gedeckt aber mager bestellt. Toast, mageres Fleisch, Obstsalat, mehr konnte man nicht entdecken. Und selbst aus der brodelnden Kaffeemaschine gestattete man sich nicht mehr als eine Tasse des aromatischen braunen Trankes. O ja, sie waren eben ein modernes Paar, der Landrat Guido Synor und seine Frau Ola, rank und schlank, elegant und fesch. Er brünett mit kleinem Bärtchen, sie platingebleicht mit diskret zurechtgemachtem Gesicht. Ihr Morgengewand war ebenso raffiniert wie sein Morgenhabit aus weißem Flanell. Man konnte schon sagen, daß dieses Paar sich gesucht und gefunden hatte. Gesellschaftsmenschen in jeder Form, wirklich gutaussehend und gepflegt. Sie waren ja auch nicht alt, obwohl sie bereits erwachsene Töchter hatten, sie eine von zwanzig Jahren, er eine von dreiundzwanzig. Sie war mit neunzehn Jahren Mutter geworden, er mit fünfundzwanzig Vater. Sie hatte ihren ersten Mann durch den Tod verloren, er seine erste Frau. Und da Synor der Nachfolger des Landrats von Hauser im Amt wurde, so übernahm er gleich die Witwe des Verstorbenen mit. Warum auch nicht? Es paßte doch alles so schön. Er hatte Geld, sie hatte Geld. Außerdem gefielen sie sich gegenseitig und waren bereit, eine angenehme Ehe zu führen, was sie denn auch seit drei Jahren taten. Er besaß in ihr die vorbildliche Repräsentantin, die er für sein großgeführtes Haus brauchte und sie in ihm, wenn auch nicht gerade einen liebevollen, so doch rücksichtsvollen, galanten Gatten, der ihr notwendige Freiheit ließ, diese jedoch auch für sich begehrte.
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Forsthaus Hubertus - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 36 –
Forsthaus Hubertus
Leni Behrendt
Es hatte den Anschein, als wollte es an diesem griesgrämigen Novembermorgen gar nicht hell werden. Er tauchte alles grau in grau, draußen so wie drinnen, wo das Ehepaar Synor beim verspäteten Frühstück saß.
Kein Wunder, daß sich das trübselige Wetter auf die Stimmung legte und die Laune der Herrschaften gleichfalls grau war, zumal man nach einer durchfeierten Nacht zu wenig Schlaf gehabt hatte – und dann seinen Hunger noch nicht einmal richtig stillen durfte, weil man auf schlanke Taille hielt und jedes Pfund Gewichtszunahme als eine Katastrophe ansah.
Also war der Frühstückstisch wohl zierlich gedeckt aber mager bestellt. Toast, mageres Fleisch, Obstsalat, mehr konnte man nicht entdecken. Und selbst aus der brodelnden Kaffeemaschine gestattete man sich nicht mehr als eine Tasse des aromatischen braunen Trankes.
O ja, sie waren eben ein modernes Paar, der Landrat Guido Synor und seine Frau Ola, rank und schlank, elegant und fesch. Er brünett mit kleinem Bärtchen, sie platingebleicht mit diskret zurechtgemachtem Gesicht. Ihr Morgengewand war ebenso raffiniert wie sein Morgenhabit aus weißem Flanell.
Man konnte schon sagen, daß dieses Paar sich gesucht und gefunden hatte. Gesellschaftsmenschen in jeder Form, wirklich gutaussehend und gepflegt.
Sie waren ja auch nicht alt, obwohl sie bereits erwachsene Töchter hatten, sie eine von zwanzig Jahren, er eine von dreiundzwanzig. Sie war mit neunzehn Jahren Mutter geworden, er mit fünfundzwanzig Vater. Sie hatte ihren ersten Mann durch den Tod verloren, er seine erste Frau. Und da Synor der Nachfolger des Landrats von Hauser im Amt wurde, so übernahm er gleich die Witwe des Verstorbenen mit.
Warum auch nicht? Es paßte doch alles so schön. Er hatte Geld, sie hatte Geld. Außerdem gefielen sie sich gegenseitig und waren bereit, eine angenehme Ehe zu führen, was sie denn auch seit drei Jahren taten.
Er besaß in ihr die vorbildliche Repräsentantin, die er für sein großgeführtes Haus brauchte und sie in ihm, wenn auch nicht gerade einen liebevollen, so doch rücksichtsvollen, galanten Gatten, der ihr notwendige Freiheit ließ, diese jedoch auch für sich begehrte.
Und weil sie nun selbst die Freiheit so liebten, legten sie auch den Töchtern keinerlei Zwang auf, so daß diese tun und lassen konnten, was ihnen gefiel.
Die Eltern wußten kaum, wo und wie die Mädchen ihre Tage verbrachten, nur am Abend mußten sie stets zu Hause sein oder gemeinsam mit den Eltern etwas unternehmen. Darauf hielt der Vater streng, und man fügte sich seiner berechtigten Anordnung auch ohne weiteres.
Im allgemeinen vertrugen sich die Stiefschwestern ganz gut, nur wenn es um einen Mann ging, gerieten sie in Streit. Das heißt, Sophia, die Tochter Frau Olas, fing ihn nie an, weil sie von den Herren umschwärmt wurde und sogar schon zwei Körbe ausgeteilt hatte. Doch Ada, Synors Tochter, fand den Anklang nicht, obwohl sie ein hübsches Mädchen war. Sie warf Sophia oft vor, ein unerhörter Flirt zu sein, worauf diese ihr die Antwort gewiß nicht schuldig blieb.
Nun hatten sie gestern mit den Eltern eine Gesellschaft besucht, auf der man Sophia ganz besonders huldigte. Auch der Mann tat es, den Ada für sich begehrte. Da gab es nun nach der Rückkehr wieder einen heißen Streit, den die Mutter ratlos mit anhören mußte.
Darüber sprachen sie nun beim Frühstück, und der Gatte meinte achselzuckend:
»Ja, dagegen kann man nichts machen.«
»Aber Guido, sei doch nicht so gleichgültig. Es handelt sich letzten Endes doch um deine Tochter.«
»Was heißt hier meine oder deine Tochter, Ola. Die Mädchen sind mir beide gleich lieb, und soweit ich beobachten konnte, machst auch du unter ihnen keinen Unterschied, was ich dir hoch anrechne. Oder haben wir der Mädchen wegen jemals Streit miteinander gehabt?«
»Gewiß nicht, das wäre ja auch scheußlich. Wenn ich nur wüßte, wie das kommt, daß Sophia mehr umschwärmt wird als Ada. Sie ist doch gewiß ebenso hübsch wie die Kleine.«
»Sophia besitzt aber einen herzbezwingenden Scharm, der oft mehr wiegt, als bildhafte Schönheit. Gerade dieses Frischfröhliche, Unbekümmerte, das ihr eigen, zieht die Männer in ihren Bann. Ada dagegen will ständig umschmeichelt sein, und das ist uns Männern zu unbequem.«
Er sprach nicht weiter, weil die beiden Mädchen eintraten. Sophia mit lachendem Gesicht, Ada mißmutig und verärgert.
Schmunzelnd betrachtete der Vater die beiden schönen Töchter.
Sophia war goldbraun, Ada silberblond. Erstere rank und schlank gewachsen, zartgeschnittenes Gesicht mit leuchtendblauen Augen, letztere kaum mittelgroß, volles, rosiges Gesicht und hellbraune Augen.
»Nun, ihr Kampfhähne, ist jetzt Ruhe nach dem Sturm?« begrüßte der Vater sie lachend, und Sophia schnitt eine Grimasse.
»Meinetwegen hätte es nicht zu stürmen brauchen, Papa, doch Ada scheint das zu lieben.«
Damit nahm sie Platz, hielt ihre Tasse unter die Kaffeemaschine und nippte mit Behagen den köstlichen braunen Trank. Legte auf ihren Teller von den Dingen, die so karg bemessen waren, während Ada unlustig darüber hinwegschaute. Auf der Mutter Frage, ob sie denn keinen Appetit hätte, lehnte sie schroff ab.
»Danke, den kann Sophia einem schon nehmen mit ihrer Rücksichtslosigkeit, die ihresgleichen sucht. Sie ist eine Circe.«
Die letzten Worte klangen direkt verbittert, was die Angegriffene nicht zu beeindrucken schien.
»Na schön«, sagte sie friedfertig. »Nach dem, was du mir heute schon an den Kopf geworfen hast, ist diese Bezeichnung direkt gelinde.«
»Daß ihr euch doch nicht vertragen könnt, sofern es um einen Mann geht«, seufzte die Mutter, und die Tochter lachte.
»Laß nur, Mama, das ist nun einmal der Lauf der Welt. Was will Ada denn überhaupt? Ich bin wirklich nicht daran schuld, daß Erwin Katt sich so hartnäckig an meine Fersen heftet. Ebenso wie mir die ganze Herrlichkeit, mit der ich zusammenkomme, schnuppe ist. Ich stelle sie gern Ada alle zur Wahl.«
»So siehst du aus!« fuhr diese auf sie los, und Frau Ola wurde nervös.
»Kinder, so gebt doch endlich Ruhe! Dieses Befehden eines Mannes wegen finde ich einfach scheußlich. Wie stehst du mit Katt, Sophia?«
»Gar nicht.«
»Er gefällt dir nicht?«
»Schon, aber nicht als zukünftiger Ehemann.«
»Hat er dir einen Antrag gemacht?«
»Er wollte, aber ich ließ es nicht dazu kommen«, entgegnete sie unbekümmert, indem sie mit ihren prachtvollen Zähnen in eine Toastscheibe biß, daß es nur so krachte. Dann sprach sie weiter:
»Er weiß also Bescheid, und wenn er vernünftig ist, wird er sich fortan Ada zuwenden, die ihn so anhimmelt. Ich würde mich freuen, wenn sie diesen Herrlichsten von allen bekäme, schon allein deshalb, damit ich endlich meine Ruhe hätte.«
Lachend sah sie zu Ada hin, die nach Luft schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann fuhr Ada auf Sophia los, ihre Worte dabei nicht wählend, bis es dem Vater endlich zuviel wurde.
»Jetzt hör endlich auf, Ada!« gebot er ungehalten, worauf sie beleidigt schwieg und fastete, während Sophia mit Behagen das vertilgte, was man in diesem Hause für die schlanke Linie als zuträglich hielt. Dann erhob sie sich ganz ungeniert.
»Gehabt euch wohl, ich gehe jetzt zu Benders. Ob ich zum Mittagessen zurück sein werde, weiß ich noch nicht.«
Fort war sie, und niemand nahm Anstoß daran. In diesem Hause durfte eben jeder nach seiner Fasson selig werden.
*
Doktor Bender und seine getreue Ehehälfte genossen mit Behagen den Sonntagvormittag, als Sophia von Hauser in ihre Geruhsamkeit hineinwirbelte.
Der Arzt hatte die Vormundschaft über das Mädchen übernommen, nachdem man seinen Freund, Landrat von Hauser, zur letzten Ruhe gebettet hatte. Dieser wiederum war der Vormund Olas gewesen und da er mit seinem Mündel, das nach dem Tode ihrer Eltern außerdem noch in seinem Hause lebte, nichts anzufangen wußte, so heiratete er es kurz entschlossen, obwohl er fünfundzwanzig Jahre mehr zählte. Trotzdem war es eine friedliche Ehe geworden, und Ola hatte dem Gatten ehrlich nachgetrauert.
Aber mit sechsunddreißig Jahren ist es schwer, allein zu bleiben. So hatte sie nach dem Trauerjahr die Werbung Synors angenommen, und sie hatte es noch nie bereut.
Ob der schneidige Mann, den die Frauen so gern mochten, ihr treu war, das wußte sie nicht. Sie jedenfalls war es ganz bestimmt, obgleich auch sie ihre Bewunderer fand.
»Tag, ihr lieben beide«, grüßte Sophia fröhlich. »Ich flüchte in eure Gemütlichkeit, die bei uns zu Hause leider fehlt, weil Ada mir meine Verehrer einmal wieder nicht gönnt.«
Während sie Platz nahm, fragte der Arzt, ein gemütlicher Dicker mit frischem Gesicht und lustigen Augen, die er jetzt zwinkernd auf das Mädchen richtete:
»Um welchen Jeweiligen geht es diesmal, hm?«
»Um Erwin Katt.«
»Nicht übel. Will er dich heiraten?«
»Ich fürchte es.«
»Auch ein Standpunkt«, lachte Frau Bender, die in ihrem Aussehen eigentlich eine Zwillingsschwester des Gatten hätte sein können. »Demnach steht ihm der Korb noch aus?«
»Dazu will ich es bei dem netten Kerl erst gar nicht kommen lassen und will daher der Gefahrenzone entfleuchen. Gibst du mir die Erlaubnis dazu, mein Herr Vormund?«
»Kommt ganz darauf an«, besah er sich sein bezauberndes Mündel wohlgefällig. »Welch einen mondänen Ort gedenken wir diesmal unsicher zu machen?«
»Wenn ich das nur wüßte«, seufzte sie »Aber verschwinden muß ich für einige Zeit, damit der gute Erwin sich Ada zuwenden kann, die in Liebe zu ihm entbrannt ist.«
»Wie mir scheint, entbrennt die recht oft und gerade immer für die Männlichkeiten, deren Herz für dich in Flammen steht«, bemerkte er schmunzelnd, und sie zuckte resigniert die Achsel.
»Leider. Und dabei gönne ich sie ihr alle von ganzem Herzen. Ich wünsche sehnlichst, daß sie endlich unter die Haube kommt, damit ich meine Ruhe habe. Wo ist eigentlich die Carla? Hat sie etwa schon ihre Stelle angetreten?«
»Nein«, gab Frau Bender Antwort. »Sie mußte gestern gewissermaßen Hals über Kopf zu ihrer Schwiegermutter reisen, die erkrankt ist. Ihr Verlobter bat sie darum, weil die alte Dame sich ohnehin nur schwer an fremde Menschen gewöhnen kann und während der Krankheit schon gar nicht. Denn sie müßte eine Pflegerin ins Haus nehmen, weil ihre alte Dienerin die Betreuung allein nicht schaffen würde.«
»Etwas schwierig, die alte Dame, wie?«
»Das kann man nicht sagen. Sie will nur einen Menschen um sich haben, den sie gern mag, und Carla liebt sie direkt.«
»Bei dem sanften Täubchen weiter kein Wunder. Aber wer geht nun statt ihrer nach Hubertusforst? Kann sie eine Vertretung stellen?«
»Bis jetzt hat sie noch keine gefunden. Es ist auch fraglich, ob sich in drei Tagen, da Carla ihren Posten antreten sollte, jemand finden wird, der sie vertritt. Wer sind schon unsere sämtlichen Bekannten und Verwandten im Gespräch durchgegangen, doch darunter ist niemand, den man mit dem Amt bertrauen könnte.«
»So, und mich habt ihr wohl außer acht gelassen, wie?« fragte Sophia vergnügt, und Frau Bender lachte mit dem Gatten ein herzliches Duett.
»Du verwöhntes Fräulein würdest bestimmt eine gute Vertretung für Carla abgeben. Mein liebes Kind, die Leute dort suchen eine Persönlichkeit, die gewissermaßen ein Mädchen für alles zu sein hat, nämlich: Betreuerin der alten Gräfin, Laufmädchen für deren erholungsbedürftige Tochter, Baronin Jeßnitz, und Blitzableiter für die einundzwanzigjährige Komteß, die durch ihr Beinleiden, das sie von der Kinderlähmung zurückbehielt, gewiß nicht sanft und milde sein wird. Um dem allen gerecht zu werden, dazu muß man schon anders geartet sein als du Firlefanz. Die gräfliche Familie würde wohl Augen machen, wenn du statt unserer schlichten, pflichtbewußten Carla dort aufkreuzen wolltest.«
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte der Arzt, und Sophia seufzte schwer.
»So seid ihr nun. Predigt mir seit dem Abitur ständig vor, daß ich es wahrlich nicht zu machen brauchte, wenn ich fernerhin nur meinem Vergnügen leben will. Und nun, wo ich etwas Nützliches anfangen möchte, nehmt ihr mich nicht ernst. Ist das vielleicht nett von euch?«
»Ist aber auch wirklich wahr«, lachte die Dame, liebevoll die weiche Mädchenwange streichelnd. Dann sah sie unsicher zu dem Gatten hin, der behaglich seine Sonntagszigarre rauchte.
»Vielleicht sollten wir es doch wagen, Carl? Schließlich handelt es sich hier doch