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Hilfe, meine Nachbarn nerven!: Grabenkrieg am Grundstückszaun
Hilfe, meine Nachbarn nerven!: Grabenkrieg am Grundstückszaun
Hilfe, meine Nachbarn nerven!: Grabenkrieg am Grundstückszaun
eBook206 Seiten2 Stunden

Hilfe, meine Nachbarn nerven!: Grabenkrieg am Grundstückszaun

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Über dieses E-Book

Streit am Grundstückszaun wegen Nichtigkeiten ist ein typisches deutsches Phänomen und wird gern mit Leidenschaft und ausdauernd ausgetragen. Im Dorf Wildbach wird dies allerdings von Vertretern verschiedener Nationen unter chaotischen Umständen auf die Spitze getrieben. Der nahe der Landeshauptstadt und an dessen Speckgürtel liegende verschlafene Ort Wildbach leidet wegen der Überalterung der Bevölkerung unter "Blutarmut", wie der neue Bürgermeister meint. Deswegen startet er mit Billigung des Gemeinderates eine Initiative, um vermögende Leute in das verschnarchte Nest zu locken. Drei der Gemeinderatsmitglieder haben großes Interesse an diesem Vorhaben, denn sie verfügen über ausreichend als Bauland ausgewiesene Flächen. Dass unter der Erde des Baulands einige Sachen schlummern, die sich besser dort nicht befinden sollten, verschweigen sie allerdings. Die Werbekampagne für die entstehende Eigenheimsiedlung wird sofort ein voller Erfolg. Die Zuzügler könnten unterschiedlicher kaum sein. Ein kriecherischer, aber mit Vorliebe nach unten tretender Beamter des Bestattungswesens der Landeshauptstadt, ein japanischer Professor für Computerlinguistik, ein Generaloberst im Ruhestand, ein schon älteres schwules Pärchen, der Inhaber einer Fahrschule, eine Unternehmerin mit einem Pflegedienst, ein weltentrückter Mathematiker, ein anpackender Gerüstbauprofi, eine italienische Gastronomen Familie und ein Gangsta Rapper mit ghanaischen Wurzel treffen auf engstem Raum aufeinander. Alle haben ihre Eigenheiten und Vorstellungen vom Leben im eigenen Haus im Grünen. So bleibt es nicht aus, dass sich einige von ihnen bald in die Haare geraten. Die Palette der Ärgernisse ist groß und reicht von Hundescheiße über Zigarrenqualm bis hin zu persönlichen Diffamierungen. Leider sind einige der Streithähne ziemlich hartnäckig und nachtragend, so dass sich vorerst Dauerfeindschaften bilden.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum28. März 2014
ISBN9783844290646
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    Buchvorschau

    Hilfe, meine Nachbarn nerven! - Jörn Kolder

    Der Ort

    Wildbach war erstmalig 1756 erwähnt worden und zählte heute exakt 3.487 Einwohner, von denen sich schon zirka 40 Prozent im Ruhestand befanden. Das Dorf, wie es die Einheimischen zu nennen pflegten, befand sich keine 15 Kilometer von der boomenden Landeshauptstadt entfernt. Mit dem Auto kam man in knapp 30 Minuten dorthin, mit dem Bus, der an zwei Haltestellen die Passagiere in Wildbach aufsammelte, dauerte es auch nicht wesentlich länger. Die Wildbacher selbst verspürten allerdings wenig Neigung, in die aus ihrer Sicht unübersichtliche und hektische Landeshauptstadt zu reisen, denn sie fühlten sich durch drei Lebensmittelmärkte, zwei Bäckereien, einen Fleischer, ein paar Läden mit Waren verschiedenster Art, einen Dorfgasthof, eine Arztpraxis, eine Kirche und eine Tankstelle durchaus gut versorgt. Dazu kam, dass die Mehrzahl von ihnen schon immer in dem kleinen Ort lebte, die Menschen ausgesprochen bodenständig waren und keinen Wert auf Änderung ihrer Lebensverhältnisse legten, oder gar den Glanz bayrischer oder schwäbischer Siedlungen anstrebten. Die ausbleibende Ortsverschönerung resultierte nicht etwa aus Desinteresse oder Unlust der Einwohner, sondern lag schlicht und ergreifend am allerorten mangelndem Geld. Die meisten von den Wildbachern hatten früher als Bauern in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft gearbeitet, Getreide, Raps, Zuckerrüben und ähnliches angebaut, oder ihre paar Ostmark in den Hühner- oder Kuhställen verdient. Diese Betriebe gingen nach der Wende zwar nicht sofort Pleite, aber die Beschäftigtenzahlen wurden drastisch nach unten gefahren, um der enormen Konkurrenz der anderen Anbieter wenigstens mit niedrigen Lohnkosten etwas Paroli bieten zu können. Das hatte dann zur Folge gehabt, dass etliche Wildbacher somit ihre Arbeit verloren hatten, und sich als ehemalige Bauern keineswegs dazu berufen fühlten, sich zu Büroangestellten umschulen zu lassen oder anderen artfremden Tätigkeiten nachzugehen.

    Vielmehr gaben sie sich damit zufrieden, auf ihren Höfen verschiedenstes Viehzeug zu halten und als teilweise Selbstversorger damit die Haushaltkasse etwas zu entlasten. Außerdem hatten sie ihre Genossenschaftsanteile ausbezahlt bekommen. Es wurde zwar ständig über die harten neuen Zeiten gemeckert, aber man hatte sich auf die jetzigen Verhältnisse eingestellt und damit arrangiert, denn so richtig schlecht ging es keinem. Das lag auch daran, dass die ehemaligen Bauern schon früher neben ihrer eigentlichen Arbeit Flächen bewirtschaftet hatten, die sich seit Generationen im Eigentum ihrer Familien befanden. So gesehen hatten die meisten der Wildbacher zwar keine übermäßig hohen laufenden Einnahmen aus Hartz IV, aber verfügten, und das wussten sie als Bauern ganz genau, über einen schlummernden Schatz in Form ihrer Grundstücke.

    Diese Flurstücke waren rings um den Ort herum verteilt, besser gesagt, sie fassten ihn geradezu ein. Die größte Konzentration der Flächen gab es aber am Ortseingang. Wildbach war eigentlich nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Häusern und Höfen an einer fast 3 Kilometer langen und kurvigen Straße. Hinter den Anwesen erstreckten sich die Flächen der Bauern, und deren vormalige Nutzung als Acker- oder Weideland hatten die Leute schon lange aufgegeben, da sich eine Bewirtschaftung aufgrund der niedrigen Preise für Lebensmittel überhaupt nicht mehr rentierte. Dieses brachliegende Kapital (einige der Wildbacher hatten zwar die Werke von Karl Marx und seinen Jüngern lesen müssen, aber damit herzlich wenig anfangen können) heckte demzufolge kein Geld, und einige der Dorfbewohner beschlossen, diesem Zustand ein Ende zu bereiten. Konkret waren dies drei Familien, die am Ortausgang in Richtung der Landeshauptstadt eine zwar den jeweiligen Eigentümern zugeordnete, aber zusammenhängende größere Fläche besaßen. Da die Flächen als Bauland deklariert worden waren lag es nahe, diesen Boden seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen und ihn ordentlich zu versilbern.

    Wildbach hatte einen Bürgermeister, eine Verwaltungsangestellte und einen fünfköpfigen Gemeinderat, in dem zufälligerweise drei Mitglieder der besagten Familien Mitglied waren. Walther Ziergiebel war vor einem Jahr mit 56 Jahren aus dem Schuldienst ausgeschieden (wegen vorgeblicher akuter Erschöpfungssymtome) und seitdem auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung im Ruhestand gewesen, denn ihm fehlte es schon etwas, vor seinen Schülern aufzutreten. Insbesondere war es ihm schon bei seinem Berufseinstieg wichtig gewesen eine Fächerkombination anzustreben, bei der er einerseits intellektuelle Anforderungen, und anderseits physische Leistungen verbinden konnte. Daraus ergab sich dann, dass Ziergiebel Deutsch und Sport unterrichtete. Die ausgiebige Beschäftigung mit der Sprache hatte dazu geführt, dass er geschliffen formulieren konnte und seine Rhetorik brillant war. Durch die langjährige sportliche Betätigung war Ziergiebel in blendender körperlicher Verfassung, und aufgrund der ländlichen Lage von Wildbach lag es nahe, dass er sich weiterhin durch Joggen fit hielt. Das lastete ihn aber keineswegs aus, und da er Zeit seines Lebens Junggeselle geblieben war, hatte er auch niemanden, mit dem er seine Tage gemeinsam verbringen konnte.

    Ziergiebel hatte also vor 8 Monaten für den Bürgermeisterposten kandidiert, und wurde mit überwältigenden 96 Prozent der Stimmen gewählt. Natürlich hatte er sich vor der Kandidatur Gedanken gemacht, was den Wildbachern am Herzen liegen würde. Walther Ziergiebel zählte zu den Alteingesessenen des Ortes und war als ehemaliger Lehrer durchaus eine Respektsperson. Obwohl er teilweise den Eindruck eines Eigenbrötlers machte, war er Geselligkeiten nicht abgeneigt, und seit Jahren saß er mit am Stammtisch des Dorfgasthofes. Regelmäßig Freitagabend genehmigte er sich zusammen mit dem Arzt, dem Chef der freiwilligen Feuerwehr, der Pastorin und dem Marktleiter des NEDDA (Natürlich Ernähren Durch Delikate Angebote) einige Getränke und angeregte Gespräche.

    „Es muss sich mal etwas tun in Wildbach hatte der Arzt geklagt „wir vergreisen immer mehr, und meine jüngeren Patienten kann ich bald an zwei Händen abzählen. Wenn hier kein frisches Blut reinkommt, stirbt das Dorf demnächst aus.

    „Was wollen Sie dagegen tun hatte der Marktleiter gefragt „die Wildbacher sitzen seit Jahrhunderten an diesem Fleck und unser Dorf ist ja weiß Gott kein Ort, um Fremde zum Bleiben anzulocken.

    „Da gebe ich Ihnen recht hatte die Pastorin ergänzt „unsere Kirchgemeinde schrumpft immer mehr, und bald muss ich keinen Gottesdienst mehr leisten. Letzten Sonntag waren wir gerade einmal noch 7 Leute, mich eingeschlossen. Es ist ein Trauerspiel. Einfach zum Gotterbarmen, dieser Zustand.

    „Ich bekomme auch keinen Nachwuchs mehr hatte der Chef der freiwilligen Feuerwehr geklagt „unser Durchschnittsalter beträgt mittlerweile stolze 47 Jahre. Wenn es mal richtig ernst wird, bekommen wir alten Säcke Probleme.

    Für Walther Ziergiebel waren das keine neuen Nachrichten gewesen. Da er durchaus analytisch dachte war ihm schnell klar geworden, dass man vor zwei grundlegenden Problemen stand. Einerseits überalterte die Bevölkerung rasant, und insbesondere diese Personengruppe wollte sozusagen am Abend ihrer Tage noch Nutzen aus den brachliegenden Baulandflächen ziehen. Das setzte aber voraus, dass man eine Möglichkeit fand, Interessenten das Bauland und den Ort selbst irgendwie schmackhaft zu machen. Und genau in diesem Ziel sah Ziergiebel das größere der Probleme. Für ihn selbst war der Ort schon immer Heimat gewesen und er kannte es gar nicht anders, als dass das Angebot an Einkaufsmöglichkeiten nicht so üppig wie anderswo war, und sich der kulturelle Aspekt nur im Vorhandensein eines Dorfgasthofes und der kleinen Kirche äußerte. Was jedoch als Pfund galt, mit dem man mächtig wuchern konnte, war die strategisch günstige Nähe zur Landeshauptstadt.

    Diese hatte durch die Konzentration von Hochschulausbildung, Forschung und der Ansiedlung von Hightech-Industrie in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum hingelegt, was die Folge gehabt hatte, dass Wohnraum dort mehr als knapp geworden war. Jegliche Brache im Stadtbereich war mittlerweile bebaut worden und der stetige Zustrom von Wissenschaftlern aus aller Herren Länder und hoch qualifizierten Arbeitskräften verschärfte den Wohnraummangel noch mehr. Den Wahlkampf um den Bürgermeisterposten hatte Ziergiebel also unter das Motto gestellt, den Ort auf zu hübschen und damit die potentiellen Käufer des Baulandes ködern zu können. Er würde damit mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen können: den Grundstücksbesitzern Geld in die Kassen spülen, mit der Zuwanderung hoffentlich jüngerer Familien mit Kindern eine Verjüngung erreichen, und schlussendlich mit mehr Mitteln in den privaten und in der Gemeindekasse etwas für den Ort und dessen Infrastruktur tun zu können. Ziergiebel hatte lange über einen sinnvollen Spruch für seine Vorhaben gegrübelt, und schließlich folgendes formuliert:

    „Mit Walther Ziergiebel Wildbachs Zukunft anpacken! Öffnen wir uns der Welt, und jedem hier im Ort wird es besser gehen. Holen wir uns neue Bürger ins Dorf, das ist auch für die Finanzen der Gemeinde gut. Gutes Bauland soll nicht weiter nutzlos brachliegen, also werde ich entsprechende Maßnahmen einleiten."

    Ziergiebel war sein Motto nach eigener Einschätzung zwar etwas holprig geraten, aber möglicherweise könnte er die Wildbacher so packen. Natürlich stellte er noch eine Aktivitätenliste auf und entwarf einen Flyer, auf dem er seine Kernziele und die Einzelmaßnahmen vermerkte. Der Flyer erschien ihm sehr nüchtern, und so peppte er diesen noch mit einigen bunten Cliparts und Bildern auf. Unter anderem war eine Eigenheimbaustelle zu sehen, und um die Brücke zum Verkauf der Grundstücke zu schlagen, hatte Ziergiebel noch ein Bild von Dagobert Duck eingefügt, welcher auf einigen prallen Geldsäcken saß. Dem Enterich standen zusätzlich noch Dollarzeichen in den Augen, um auch dem letzten Begriffsstutzigen klar zu machen, dass es um einen Haufen Geld gehen würde. Nun musste er für seinen Wahlkampf lediglich noch die Bürger über sein Programm informieren, und das wollte er mit einer Postwurfsendung erledigen. Ziergiebel wusste nicht genau, wie viele Haushalte es in der Gemeinde wirklich gab, aber er ging davon aus, dass es aufgrund der dörflichen Struktur wahrscheinlich wäre, dass oft mehrere Generationen unter einem Dach leben würden. Wenn Großeltern, Eltern und Kinder zusammen wohnen würden könnte man im Schnitt sicher 5 bis 6 Personen in einem Haushalt ansetzen. 3.487 geteilt durch 5 ergab 697, geteilt durch 6 machte das 582 Haushalte. Da ein Packet Druckerpapier 500 Blatt enthielt, kaufte Ziergiebel zwei davon und entschloss sich, zunächst 500 Flyer zu produzieren. Sollten diese nicht ausreichen, könnte er ja problemlos weitere nachfertigen. Der Druck beschäftigte ihn wegen der farbigen Bestandteile des Flyers zwar fast fünf Stunden, aber Zeit hatte er ja im Übermaß.

    Nachdem der Druck abgeschlossen war faltete er die Flyer noch akkurat und setzte auf jeden seine Unterschrift mit blauer Farbe. Die Adressaten sollten sehen, dass Ziergiebel keine Mühe gescheut hatte, um für sich zu werben, und das Dorf endlich aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Am nächsten Tag machte er sich mit einem Beutel voller Flyer auf den Weg durch den Ort und stopfte die Zettel in alle erreichbaren Briefkästen. Als er von der ersten Runde durch den Ort ziemlich erschöpft wieder in seiner Wohnung angekommen war, hatte er ungefähr 70 Prozent seiner geplanten Strecke geschafft. Ziergiebel nahm den Taschenrechner zu Hilfe und setzte 70 Prozent zu 500 Flyern ins Verhältnis. 714. Also druckte er zur Sicherheit noch 215 Flyer nach, denn 500 hatte er bislang verteilt, und wenn die Statistik stimmte, müsste er eben noch 214 nachliefern. Die Verteilung verschob er auf den nächsten Tag, denn er fühlte sich geschlaucht. Tatsächlich lag er ziemlich richtig, denn als er die zweite Runde absolviert hatte, befanden sich in seinem Beutel noch 18 Flyer. Er hatte also exakt 697 Flyer verteilt. Der Taschenrechner sagte ihm dann, dass 3.487 geteilt durch 697 Haushalte fast genau 5 Personen je Haushalt ergab. Walther Ziergiebel vernachlässigte die Tatsache, dass er einige der Haushalte womöglich nicht mit dem Flyer versorgt hätte, und ließ die Zahl 5 auf sich wirken.

    Fünf Personen pro Haushalt konnte mehreres bedeuten. Erstens wäre es möglich, dass viele Kinder dort leben würden, aber das konnte er aus eigener Erfahrung ausschließen, denn eine Schule gab es in Wildbach aufgrund der geringen Schülerzahlen nicht. Die Mädchen und Jungs mussten, genau wie er selbst früher, mit dem Bus in die 12 Kilometer entfernte Kreisstadt fahren. Also bedeutete die Fünf, dass in vielen Fällen tatsächlich drei Generationen unter einem Dach, und somit viele hochbetagte Bürger im Ort wohnten. Als Deutschlehrer stand Walther Ziergiebel naturgemäß mit der Mathematik auf Kriegsfuß, aber er wusste, dass die Fünf nur eine ziemlich grobe Näherung war, denn er selbst passte als Einpersonenhaushalt in dieses Raster ja auch nicht hinein. Dennoch war er sich ziemlich sicher, dass seine grundlegende Annahme von der Überalterung stimmte, und er beschloss, etwas dagegen zu tun.

    Walther Ziergiebel hatte seine Vision des zukünftigen Wildbachs schon vor Augen. Er sah eine schmucke Eigenheimsiedlung, in der hochgebildete Fachkräfte wohnten, die auch die gesalzenen Quadratmeterpreise ohne weitere Diskussion gezahlt hätten. Da die Leute allesamt im besten Alter sein würden betrug die durchschnittliche Kinderzahl zwei. Etliche der Frauen blieben wegen ihrer hohen Ansprüche an die Kindererziehung für einige Zeit zu Hause und brachten so frischen Wind in das verschlafene Dorf hinein, indem sie Diskussionsgruppen, Handwerkszirkel und ähnliches etablierten. Die Männer, Wissenschaftler und Manager, würden sich nach ihren stressigen Arbeitstagen gern ein wenig die Zeit vertreiben, und wo könnte man das nicht besser tun, als auf einer gepflegten Golfanlage (die Ziergiebel zukünftig unbedingt noch bauen lassen wollte). Die Bauern hätten ihr Bauland zu hohen Preisen losgeschlagen können und wären somit auch in der Lage, etwas zur Verschönerung des Ortsbildes zu tun. Da sowohl die Neubürger, als auch die Alteingesessenen nunmehr über ausreichende finanzielle Mittel verfügen würden, viele Kinder jetzt in Wildbach anzutreffen wären, hätte auch der Handel einen großen Aufschwung genommen. Wildbach sollte sich nach den Vorstellungen von Walther Ziergiebel zu einer Geheimadresse im Speckgürtel der Landeshauptstadt entwickelt haben.

    Wenn er gewusst hätte, was in der kommenden Zeit alles auf ihn einprasseln würde, hätte er die Finger besser von seiner Kandidatur als Bürgermeister gelassen. Noch verliefen seine Tage in einem recht gleichbleibenden Rhythmus, aber das sollte sich innerhalb der nächsten Monate dramatisch ändern. Walther Ziergiebel hatte keinen blassen Schimmer davon gehabt, was alles passieren könnte, wenn alte und neue Wertvorstellungen aufeinandertreffen würden, sich hochgebildete Leute wegen Nichtigkeiten in die Haare kommen, und zu viel Geld Streit nach sich ziehen würde. Allerdings würde der ehemalige Lehrer vielfach über sich selbst hinauswachsen, und seine Vision ein ordentliches Stück erfüllen können.

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