Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die zarte Fee und die Garage: Urlaubsimpressionen aus Frankreich
Die zarte Fee und die Garage: Urlaubsimpressionen aus Frankreich
Die zarte Fee und die Garage: Urlaubsimpressionen aus Frankreich
eBook252 Seiten3 Stunden

Die zarte Fee und die Garage: Urlaubsimpressionen aus Frankreich

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der Mann, die Frau und der Junge starten zu ihrem ersten Zeltplatzurlaub in Frankreich mit großen Erwartungen. Anfangs geht fast alles schief, denn erst nach einigen Tagen und unfreiwilligen Zwischenstationen finden sie einen Zeltplatz mit freien Plätzen. Dort angekommen richten sie sich ein, müssen aber wegen etwas aufdringlicher Nachbarn aus Belgien ihren Platz wechseln. Ihre Ausflüge führen sie dann in verträumte und romantische Städtchen aber auch in Metropolen wie Avignon. Auch der Mount Ventou steht auf den Besuchsprogramm und tatsächlich ist er das Mekka der französischen Radfahrer und bietet von seinem Gipfel her einen sensationellen Ausblick. Wein aus Châteauneuf-du-Pape hat einen besonderen Ruf und so stellt die Stadt ein weiteres Ausflugsziel dar. Sehr schnell fühlen sie sich die Urlauber in dem Land heimisch und genießen vor allem die unaufgeregte und entspannte Art der Franzosen. Das Zeltplatzleben ist erholsam aber die Franzosen wären nicht sie selbst, wenn sie nicht auch einen Grund für eine Feierlichkeit finden würden. Die drei Urlauber genießen so einen lockeren, schönen und unvergesslichen Barbecue-Abend mit Leuten aus verschiedenen Ländern. Was dem Mann, der Frau und dem Jungen besonders gefällt ist die Art der Franzosen, das Leben auf eine ganz andere Art zu führen, als es die Deutschen tun. Ohne jegliche Hektik werden Dinge, die getan werden müssen, angegangen und selbst wenn es länger als gewohnt dauert, so ist das Ergebnis doch stets in Ordnung. Viele Begegnungen und kleine Begebenheiten lassen den Mann, die Frau und den Jungen immer mehr Sympathie für die Menschen und das Land verspüren. Für sie ist es eine sehr berührende Erfahrung, dass es heute – nach den beiden schrecklichen Kriegen zwischen Deutschland und Frankreich- keinerlei Ressentiments mehr gibt und sie freundlich empfangen werden. Nach dem Urlaub steht für sie fest, dass es im nächsten Jahr wieder nach Frankreich gehen wird.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum25. Jan. 2014
ISBN9783844276206
Die zarte Fee und die Garage: Urlaubsimpressionen aus Frankreich

Mehr von Jörn Kolder lesen

Ähnlich wie Die zarte Fee und die Garage

Ähnliche E-Books

Humor & Satire für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die zarte Fee und die Garage

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die zarte Fee und die Garage - Jörn Kolder

    Vorbereitungen

    Wenn der Mann eine Sache richtig machen wollte gab er sich Mühe das ordentlich zu erledigen. Wenn ihn etwas weniger interessierte war es ihm lieber, dass sich andere damit beschäftigten, so wie die Frau das jetzt tat. Sie saß vor dem Computer und klickte sich durch eine Vielzahl von Webpages französischer Campingplätze. Vom Wohnzimmer aus hörte er sie manchmal entzückt Worte wie „oh, schön, „das sieht ja toll aus, „auch nicht schlecht" sagen und er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie ihn auffordern würde, sich am Bildschirm etwas anzusehen. Wie selbstverständlich hatte die Frau die Initiative ergriffen als feststand, dass sie in diesem Jahr mit dem Zelt nach Frankreich fahren würden. Der Mann wusste, dass sie die Vorbereitungen perfekt erledigen sollte (sowohl mit Verstand als auch Gefühl), es gab für ihn also keinen zwingenden Grund sich weiter zu engagieren zumal es auch so war, dass sie meist sehr überzeugende Argumente für ihre Entschlüsse aufführen konnte. Diese Mischung aus Rationalität (manchmal staunte er über ihre Gedankengänge wenn sie sich über bestimmte Dinge unterhielten) und Fürsorge (für ihn und die Jungs) gefiel ihm gut. Dass sie ihm auch noch bestimmte Entscheidungen abnahm (oder für die Familie traf) fand er eigentlich gar nicht schlimm, sie war nun mal der aktivere Partner in ihrer Beziehung (jedenfalls in dieser Angelegenheit).

    „Komm‘ mal bitte her" rief sie jetzt und der Mann kannte das Szenario schon vorher.

    Neben der Tastatur lag eine Karte von Frankreich in die bereits Zahlen eingetragen waren (höchstwahrscheinlich potentielle Reiseziele). Er sah, dass die Eins noch recht nah am Mittelmeer lag, die Fünf mehr in nördlicher Richtung und die Elf erkannte er in der Nähe von Nyons (dort waren sie im vorigen Jahr schon einmal gewesen) noch weiter im Norden.

    Aha, sie hatte also den Vormarsch der deutschen Truppe schon geplant. Die erste Etappe sollte bis zum Bündnispartner Italien führen (Gardasee). Dort war Treibstoff- und Munitionsergänzung (in Form von Pasta) geplant. Dann sollte der überraschende Raid mit dem Mannschaftswagen über die Küstenregion folgen und später war der Vorstoß des schnellen Verbandes in den Norden vorgesehen; die Franzosen würden überrumpelt sein (leider wurde das später eindrucksvoll wahr) denn ihre Befestigungen waren mehr auf einen Einfall im Ostteil des Landes vorbereitet (der Mann interessierte sich sehr für Militärgeschichte).

    „Also ich habe mir das so gedacht" sagte die Frau „an der Küste wird zuviel los sein. Demzufolge fahren wir am zweiten Tag nach Vence, das liegt zwar auch an der Côte d’Azur aber schon nicht mehr so nah, damit entgehen wir den Touristenhorden hundertprozentig und es gibt dort auch drei schöne Plätze, die zeig‘ ich dir jetzt mal."

    Er stand hinter ihr, die Seiten der Zeltplätze waren vielfach auch in Deutsch gehalten. Wie zur Probe prüfte sie auf jeder die Verfügbarkeit, immer gab es freie Stellflächen.

    „Na bitte, überall ist was frei, das passt, und wenn uns einer nicht gefällt fahren wir halt zum Nächsten, so wie im vorigen Jahr."

    Mit dem Wohnmobil waren sie damals auf gut Glück durch das Land gefahren, oft konnten sie zwischen mehreren Stellplätzen wählen, nur in Carcassonne war es einmal knapp geworden aber sie kamen noch unter. Nachdem der Mann seine Zustimmung zu ihren Vorschlägen abgegeben hatte bereitete er seinen Abgang aus der Küche vor indem er sich immer wieder kurz von der Frau entfernte, um etwas in den Geschirrspüler zu räumen, einen Schluck Bier zu trinken, einen Fleck wegzuwischen. Dann wagte er es ins Wohnzimmer zu gehen und griff sich die aktuelle Ausgabe des SPIEGEL. Er wusste, dass die Frau ihn jetzt nicht vermisste und noch Stunden vor dem Computer sitzen würde, seine Mithilfe wurde nicht gebraucht und er machte es sich mit einem Bier vor dem Fernseher gemütlich.

    Die Frau würde den Schlachtplan nach und nach verfeinern bis jedes Detail der Operation stimmte, nichts würde sie dem Zufall überlassen und das gesamte touristische Programm eine wohl abgewogene Kombination aus Kultur und Erholung darstellen, die ihnen gut tun sollte. Abends studierte sie noch bis zum Schlafengehen mehrere Reiseführer und der Mann war sich sicher, dass sie noch die eine oder andere Änderungen in Erwägung zog, aber das würde zumindest den Aufmarschplan nicht ändern.

    Es konnte nichts mehr schiefgehen, die Operation „Zelten 2011" würde ein voller Erfolg der kleinen deutschen Truppe werden.

    Gardasee

    Die Strecke bis München kannte er aus dem Effeff, schließlich war sie die letzten Jahre immer das Einfalltor in den Süden gewesen, jedenfalls wenn sie in den Urlaub fuhren. Der Ford Focus war bis unter die Decke beladen, Kofferraum und Dachbox waren bis auf den letzten Winkel gefüllt und neben der Frau türmten sich auf den rechten Rücksitz Boxen mit Geschirr, Kopfkissen und anderes Kleinzeug, so dass sie den schlechtesten Platz an Bord abbekommen hatte. Hinter dem rechten Beifahrersitz, den der Junge belegte, stand die Kühlbox. Vorerst war sie nicht in Betrieb weil das Navigationsgerät am Zigarettenanzünder hing. Nach ihrem Urlaub im Vorjahr mit dem Wohnmobil hatte der Mann Blut geleckt, sonst war er eigentlich immer bestrebt gewesen möglichst schnell wieder nach Hause zu kommen, sozusagen wieder auf seine Scholle zurück zu kehren.

    Urlaube waren für ihn als Schüler und Student immer wichtig gewesen. Zusammen mit den Kumpels mit dem Moped oder später mit dem Auto zu den Tschechen zum Zelten zu fahren und dort ordentlich Bier zu trinken gehörte zum Pflichtprogramm. Als sie sich nach dem Studium verstreuten verlor auch der Urlaub für ihn an Bedeutung, ein paar Mal noch hängte er sich an eine Gruppe an, als er selbständig war blieb keine Zeit mehr dafür und die wenigen freien Tage verbrachte er damit, rumzuhängen und zu schlafen. Erst als er mit der Frau zusammen war wurde dieses Thema wieder wichtiger und seine erste Reise in den „Westen" führte ihn zusammen mit dem großen Sohn der Frau nach Italien, genauer, drei Tage nach Rom, sein Jugendweihegeschenk. Sie reisten mit dem Schlafwagen und auf diesem Gebiet konnte der Mann durchaus mitreden, denn er war nach dem Abitur in der verbleibenden Zeit bis zum Wehrdienst selbst als Schlafwagenschaffner gefahren, eine Arbeit die ihn bis Bulgarien brachte, Spaß machte und sein Taschengeld ordentlich auffüllte. Als sie den Wagen bestiegen musterte er das Abteil kritisch.

    „Die Kiste hat mindestens dreißig Jahre auf den Drehgestellen, das sehe ich sofort" erklärte er der Frau und dem großen Sohn der Frau fachmännisch „kuckt mal, wie abgewetzt die Bezüge sind. Genau in solchen Wagen bin ich schon vor mehr als zehn Jahren gefahren, und die waren weiß Gott besser in Schuss gewesen."

    Die anderen beiden sahen sich ebenfalls um und da es schon spät war krochen sie in ihre Betten die bereits heruntergeklappt waren. Die Frau bezog das untere Bett (denn sie war schwanger), der Mann belegte das mittlere und der große Sohn der Frau kletterte ganz nach oben, das hatte er sich so gewünscht. Der Erfahrungsträger im Schlafwagenfahren hatte darüber gar keine Diskussion angefangen (etwa, dass er nach oben wollte) denn er wusste, dass es da am Unruhigsten zuging, das war so, und wegen seiner Schwäche in Physik versuchte er gar nicht erst, eine sinnvolle wissenschaftliche Erklärung zu finden. Sicher hing es mit irgendwelchen Kräften und dem Abstand vom Schwerpunkt zusammen.

    Die Tage in Rom waren schön, dem Mann blieb immer in Erinnerung, dass er dort das erste Mal Miesmuscheln in Weißweinsoße gegessen hatte, ein Gedicht! Staunend stellte er fest, dass die Restaurants selbst um einundzwanzig Uhr fast leer waren, erst später füllten sie sich bis zum letzten Platz und das Stimmengewirr lag wie ein Teppich über der schönen Plazza.

    Ja, die Italiener machten es sich schon gemütlich, da fielen Schmutz und heruntergekommene Hausfassaden nicht so ins Gewicht, das dolce vita nahm keinen Schaden, auch wenn der Putz blätterte. Diese Lockerheit gefiel ihm gut, da kam er sich als Deutscher schon verkrampft vor, obwohl die Sachsen ja auch als gemütlich galten und gern immer ein bisschen rum muddelten (es sich landestypisch ebenfalls gemütlich machten, allerdings war mit dem muddln immer irgendeine Tätigkeit verbunden). Die Stadt protzte an allen Ecken und Enden mit alten Steinen, überall war die Geschichte zu erspüren und dazwischen flanierten unzählige Touristen.

    Leider geriet die Rückreise mit der italienischen Staatsbahn ausgesprochen rustikal. Der Liegewagenschaffner dokumentierte mit seiner Jacke deutlich, dass er schon das eine oder andere Weinchen intus hatte, denn das Kleidungsstück war an etlichen Stellen mit Rotweinflecken versehen. Gut, der Mann wusste ja nicht, wie die Anforderungen an diesen Job hier formuliert waren. Bei der Deutschen Reichsbahn war es damals klar gewesen, dass es ein Bierchen erst geben durfte, wenn er den Wagen für die Nacht vorbereitet hatte (die Betten gerichtet und die Toiletten noch mal geputzt waren), das nahm man hier nicht so streng wie auch der Zustand der Toiletten zeigte. Da musste er durch, aber zuerst einen Platz für schwangere Frau organisieren, denn auch die Buchung war in die Hose gegangen. Er lief durch den ganzen Zug, schließlich konnte die Frau ein Bett beziehen und er und der große Sohn der Frau richteten sich in ihrem Abteil ein. Nun ja, er hatte nach seinen bisherigen Erfahrungen nicht das Niveau eines Reinstraumes erwartet, aber an der Wand klebte kalter Bauer!

    Alter kalter Bauer!

    Da war einem das Essen aus dem Gesicht gefallen, er hatte gebröckelt, sich übergeben, gekotzt und die Brocken waren wie für die Ewigkeit dort festgebacken (der Schaffner hatte ja andere Sorgen). Ach, die Sorge vor dem Bröckeln verfolgte ihn auch jetzt, denn der Junge bekam beim Autofahren manchmal Probleme und er hatte ihnen auch schon einige Male in das Fahrzeug gespien.

    Die Reisekaugummis schienen ihm zu helfen und da ihm während der Fahrt das Lesen untersagt war (womöglich ein Grund für das Bröckeln) hörten sie eine CD mit Geschichten, er führte eine ganze Kollektion davon mit.

    Der Gardasee kam in Sicht, eine endlose Autoschlange schlich auf der einzigen Straße die zu ihrem Zielort führte entlang. Mist, das konnte ja noch ewig dauern und der Junge forderte Essen ein. Für die knapp zehn Kilometer benötigten sie eine gute Stunde. Das Hotel war okay, sie gingen zum See hinunter, fanden ein schönes Restaurant von dem sie direkt auf das Wasser schauen konnten, als der Mann seinen Martini schlürfte und die Spaghetti mit Meeresfrüchten vertilgt waren kam ein Urlaubsgefühl auf. So konnte es weitergehen!

    Hotel Diana

    Vence sollte ihnen anfangs in schlechter Erinnerung bleiben: Zeltplatz Nummer fünf teilte ihnen mit Hilfe einer Papptafel mit (man wollte die verzweifelt suchenden Touristen schon vor der Rezeption abwimmeln), dass er (wie die anderen vier davor auch) „Complete" (also überfüllt) wäre, keine große Überraschung für ihn. Die Frau blätterte angestrengt in ihren Reiseunterlagen und mit einem Blick in den Rückspiegel meinte der Mann erste Anzeichen von Unsicherheit in ihrem Gesicht zu erkennen. Sie hatten die Stadt jetzt mehrfach durchfahren, weil vielleicht der municipal noch eine Stellfläche bieten würde oder der große, im Norden liegende Zeltplatz, ihnen Unterschlupft gewähren könnte. Langsam glaubte er am keinen Zufall mehr und Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Stirn, immer wieder schaltete er die Klimaanlage kurz ein und dann wieder aus.

    „Wir probieren es noch mal im Westen, da muss es noch einen Zeltplatz geben der ist nicht so groß" legte die Frau fest, der Uhrzeiger näherte sich der sechs. Sie kannte den Mann bestens und wusste ganz genau, was sie ihm noch zumuten konnte. Manchmal erinnerte er sie mit seiner Langmut und der Gutmütigkeit an einen Schäferhund (an einen deutschen selbstverständlich, denn in Bezug auf Pünktlichkeit und Pflichtbewusstsein war er typisch deutsch) und als er schweigend weiterfuhr ahnte er schon, dass es wieder ein Schlag ins Wasser werden würde. Die Straße führte sie über Serpentinen in ein abgelegenes Waldstück, hier, mitten in der Pampa sollte doch noch etwas zu haben sein, Fehlanzeige. Der Mann schaute auf die Uhr: Achtzehn Uhr dreißig.

    „Wir hören jetzt auf zu suchen" sagte er noch ruhig zu der Frau „heute haben wir eh kein Glück mehr, lass‘ uns ein einem Hotel einchecken, es wird langsam Zeit."

    Sie nickte zustimmend, allerdings hatte der deutsche Spähtrupp jetzt jegliches Angriffskonzept verloren und irrte mehr oder weniger planlos durch die Gegend.

    „Vorhin habe ich beim Vorbeifahren ein Hotel gesehen, „Royal Hotel oder so, sah allerdings recht vornehm aus" informierte der Mann die Frau.

    „Na gut erwiderte sie „schauen wir uns das mal an.

    Das Hotel machte schon von außen einen gediegenen und teuren Eindruck, zwei Autos verloren sich auf dem großen Parkplatz. Wie üblich schickte der Mann die Frau vor, das stimmte eigentlich so nicht, denn sie war nun mal der Organisator und übernahm diese Rolle auch jetzt wie selbstverständlich. Mit einem verstörten Gesichtsausdruck kam sie zurück, ließ sich in das Auto fallen und sagte lapidar:

    „Wir hätten ein Zimmer für vierhundertfünfzig Euro bekommen können, falls noch eins frei gewesen wäre. Die sind ausgebucht, der Mann an der Rezeption hat es mir gezeigt."

    Heilige Scheiße, er versuchte gar nicht sich vorzustellen wie es weiterging, jedes Hotel, das sie jetzt noch anfahren würden, wäre

    vollständig belegt, zu guter Letzt müssten sie im Auto schlafen und er wusste, dass es dann nicht mehr lange dauern würde, bis sie sich gegenseitig mörderisch auf die Nerven gingen und Gebrüll würde das Ventil ihrer Verzweiflung sein. Klar, Restaurants gab es wie Sand am Meer hier, das war nicht das Thema, aber ungewaschen, möglicherweise mit enormem Druck auf Blase und Schließmuskel und in der stickigen Luft im Auto könnten sich Aggressionen entwickeln, die den Traum vom schönen Urlaub zerplatzen ließen, bevor er überhaupt begonnen hatte.

    „Was machen wir jetzt" fragte der Junge (der in großer Sorge darum war, nichts zu essen zu bekommen, er wuchs beinahe stündlich und sein Appetit war dementsprechend groß).

    „Na weitersuchen" teilte ihm der Mann kurz angebunden mit, er merkte, dass sich sein Tonfall ungünstig veränderte. Dabei konnte der Junge doch auch nichts dafür, dass ihr Operationsplan nur noch Makulatur war, da konnte die Frau in ihren Unterlagen bis zum jüngsten Tag blättern. Langsam fuhren sie weiter, das nächste Hotel war wohl eine Preiskategorie niedriger, aber auch dieses war ausgebucht. Zurück in der Stadt fuhren sie auf gut Glück durch die Straßen, der Junge sah einen Hinweis auf das Hotel Diana, allerdings fehlte die nächste Anzeige. Plötzlich schrie die Frau auf:

    „Da, da vorn links, dort ist es, versuch‘ mal zu halten."

    Diesmal hatten sie Glück, der Mann konnte direkt vor dem Eingang auf einer Fläche halten, die wohl zum Be- und Entladen vorgesehen war, die Frau hatte ihre Tatkraft wieder gewonnen und verschwand in dem Haus. Als sie nach drei Minuten immer noch nicht zurück war klopfte der Mann dem Jungen, der neben ihm auf dem Beifahrersitz saß, auf die Schenkel, produzierte so etwas wie ein grimassenhaftes Lächeln und nickte nur mit zusammen gebissenen Zähnen, mein Gott, hatte er die Schnauze voll!

    Erst die Kutscherei über die Autobahnen mit ihren unzähligen Mautstellen, dann ein Schlag in die Magengrube nach dem anderen. Er überlegte krampfhaft, wenn das wieder nichts wurde, woran er seinen Frust auslassen sollte. In der Armeezeit war der Spind sein Punchingball gewesen. Erst wenn er den Schrank mit Füßen und Händen so lange traktiert hatte bis ihm die Knochen wehtaten flaute die Wut ab, er musste unbedingt (im Fall der Fälle) ein Objekt finden, das er bearbeiten konnte, denn an der Frau und dem Jungen konnte er seine maßlose Enttäuschung über den ganzen Mist nicht auslassen, sie hatten das nicht verdient!

    Natürlich wäre es nicht die feine französische Art, wenn er beispielsweise die Rückspiegel an den dicht gedrängt stehenden Fahrzeugen abtreten (falls er sein Bein so hoch bekäme) und dazu Karatelaute ausstoßen würde. Wer weiß, wie lange die Einheimischen seinem Tun tatenlos zusehen würden, jedenfalls hätte er für diese Nacht dann mit Sicherheit ein Quartier, nämlich im Knast. Das wiederum konnte er der Frau und dem Jungen schlechterdings antun, schließlich war er der Fels in der Brandung der Übernachtungssuche. Scheiben einzuschmeißen hätte wohl die gleiche Wirkung, alles was mit Sachbeschädigung zu tun hatte schied aus (wenig später sollte es doch noch auf eindrucksvolle Art dazu kommen), er musste subtiler vorgehen. Freilich war ihm klar, dass er sich als Deutscher keineswegs besondere Sympathien bei den Franzosen erwerben würde wenn er laut brüllend auf sein Dilemma hinwies, ändern könnte das an der vertrackten Situation ohnehin nichts.

    Schließlich verfiel er darauf, das Auto zu verlassen und sich wie ein Spastiker mit eigenartig verdrehten Gliedmaßen vor dem Eingang des Hotels hin und her zu bewegen und unnatürliche Laute auszustoßen. Dazu hielt er seinen im vorigen Jahr in Grignan erworbenen Strohhut vor sich hin, so als würde er um eine Spende bitten, möglicherweise hielt er mit dieser Aktion weitere potentielle Zimmersuchende davon ab, sich dem Hotel Diana zu nähern. Die Frau stand am Tresen des Hotels und bekam von seinem Tun nichts mit, nur der Junge schaute ihn entgeistert an, auch die Passanten zogen es vor, besser den Fußweg auf der anderen Straßenseite zu nutzen. Als sich ein Auto mit holländischem Kennzeichen näherte und der Fahrer aus dem geöffneten Fenster seinen Blick hoffnungsvoll auf das Hotel richtete trat der Mann mit abgehackten und spastischen Bewegungen an ihn heran, hielt ihm den Strohhut vor die Nase und sagte „Spende, bitte Spende, Tagung von psychisch Kranke hier in Hotel" (wohl wissend, dass der Holländer ihn verstehen würde).

    Der Holländer gab Gas, würgte den Motor aber aufgrund des Schocks ab, dann starte er wieder und der Mann sah, dass sich vier blonde Kinder auf der Rückbank drängten, die ihn mit weit aufgerissenen Augen anblickten. Für das Erste war sein Plan aufgegangen, nach dieser Einlage fühlte er sich deutlich besser und gerade in dem Moment, als er sich wieder normal bewegte, kam die Frau aus dem Hotel.

    „Wir können zwei Zimmer kriegen, allerdings kostet uns das insgesamt 225 Euro, ohne Frühstück."

    „Machen wir, machen wir" erwiderte er.

    „Geht’s dir gut" fragte sie besorgt.

    „Ja, ja, alles in Ordnung, alles in bester Ordnung" stammelte er jetzt.

    Sie sah ihn nachdenklich an, dann gingen sie gemeinsam zur Rezeption und die Frau hinter dem Tresen begrüßte ihn freundlich. Radebrechend machten sie ihr klar, dass ihr Auto (welches die Rezeptionistin gut im Blick hatte) auch untergebracht werden müsste, kein Problem, sie würde das Tor zur Tiefgarage öffnen, er könnte dort parken. Die Frau und der Junge griffen sich einige Sachen aus dem Auto, sie wollten auf ihn an der Rezeption warten.

    Die Einfahrt war eng aber er schaffte es. Als das Auto

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1