Fregattvögel über den Gezeiten
Von Joachim Ningrat
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Hat die Generation der Enkel ein Kriegstrauma, wirkt sich dies auf ihr Leben aus ?
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Buchvorschau
Fregattvögel über den Gezeiten - Joachim Ningrat
Impressum
Fregattvögel über den Gezeiten
Joachim Ningrat
Copyright: © 2013 Joachim Ningrat
eCovergestaltung durch www.wohlgestalt.de
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-8442-4787-9
Am Morgen war sie gegangen, abgefahren von der Nachbarinsel mit dem Pelni-Schiff KM Gunug Lewotobi, das vor einigen Jahren von der damals größten Exportnation an die unter der
Suharto-Diktatur stehenden Inseln geliefert wurde.
Unter ihm brandete das Meer an den Felsen, auf dem die bescheidenen Reste der Festung standen mit der sich Portugal einst gegen die anderen Mächte Europas behaupten wollte.
Aber schnell treibt in den Tropen Neues, überwuchert den Zerfall, den man spürt wenn man die Kuppe überschritten hat und vieles Unerledigte hinter einem liegt. Der Beginn der Abenddämmerung, die zügige Verfärbung von Meer und Horizont, begleitet von dem Ruf des Muezzins aus der benachbarten Fischersiedlung brachten ihn aus seinem Fado zurück, kündigten ihm an, das nun die Zeit für das erste Bier gekommen war.
Dann saß er vor Mister Pings Toko, einem für diese Gegend typischen Gemischtwarenladen auf einem der grünen Plastikstühle, nahm von Benediktus, dem Ladengehilfen, mit den zwischen ihnen üblichen Scherzen das Bier entgegen, sah auf den Landungssteg, das sich nach und nach in Dunkelheit hüllende Meer.
Wie meistens blieb er auch an diesem Abend alleine, und gerade heute war es ihm recht, er hatte in der vergangenen Zeit zu viel gesprochen, an zu viel Nähe und Vertrauen geglaubt, was für ihn, obwohl er nicht mehr jung war, eine ungewohnte Erfahrung gewesen war.
Begegnet waren sie sich in Dili wo er sein Visum erneuern wollte.
Frank hatte ihn in seinem Guesthouse zu sich gerufen, da er einen Übersetzer brauchte, was Harald zunächst für einen erneuten Ausdruck des britischen Humors hielt.
Am Tresen stand dann eine schlanke, nicht mehr junge Frau mit gestuftem, rotbraunem Haar neben ihrer Reisetasche. Tatsächlich brachte Petra, sich durch Zeitverschiebung, Klimawechsel und Müdigkeit in einem unbestimmten, von ihr selbst nur noch bedingt beeinflussbarem Zustand befindend, ihr ohnehin nur lückenhaftes Englisch nicht mehr zusammen.
Sie war, nachdem sie in Bali angekommen war, spontan nach Timor-Leste weitergeflogen, da ein direkter Flug nach Australien am gleichen Tag nicht zu bekommen war. Ursprünglich wollte sie länger in Bali bleiben, aber als sie dort war, befremdete es sie da zu sein, wo sie mit einer nun schon seit einiger Zeit toten Freundin gewesen war.
Grünlich verschwommen war diese Erinnerung an ihre erste Fernreise, erfüllt von dem grünlichen Licht der sprießenden Reisfelder und den Kokospalmen, fasziniert waren sie von einer wie in den Büchern beschriebenen Kultur, mit den hörbaren Klängen des Gamelans, auf der Straße in Trance fallenden Menschen und den kämpfenden Hähnen, trotz des undefinierbarem, aber dezent aus Timor heran wehenden Geruch des Krieges.
Auf dem Weg zur Seeseite kamen sie an einer mit Sandsäcken und Stacheldraht, sowie von portugiesischen Soldaten gesicherten Festung vorbei. Fahrzeuge der Vereinten Nationen füllten mit unerklärlicher Dichte und Konsequenz die Straßen.
Dann saßen sie an der Wasserfront auf der Mauer, kauften sich bei einem Straßenhändler kühles Bier, - es war heiß, kein Wind bewegte die Bäume.
>Auferstanden ist er, welcher lange schlief<, zitierte Petra mit gesenktem Kopf, auf den glatten Spiegel des Meeres sehend, den Vers von Heym, >auferstanden aus Gewölben tief.<
Harald nestelte aus seiner Hemdtasche eine Zigarette, zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und reichte sie dann an Petra weiter.
>Ich will nach Australien. Ich bin Krankenschwester, die haben da einen hohen Bedarf. Klar, ich spreche kaum Englisch. Irgendwie muss es gehen. In Deutschland kann ich nicht mehr arbeiten<, sagte sie leise und setzte bestimmt hinzu, >die Menschen sind mir wichtiger als das Papier über die Menschen … ich bin so anders … meine Kollegen lassen sich alles gefallen … machen freiwillig Überstunden ... ignorieren die Gesetze, die eigentlich zu ihrem Schutz da sind … wenn du willst was dir zusteht, dann bist du alleine … sie sehen es nicht, dass es in diesem System nur um Geld geht … und sie dienen, buckeln nach oben und treten auf die, die nicht mitmachen. Ich wollte nie viel, ich wollte immer nur was mir zusteht …, nach den Gesetzen … . Muss ich Vorschriften nur akzeptieren wenn sie gegen mich sind, muss ich immer nachgeben?<
Sie hatte ihn überrannt, zu weit dieses Leben von ihm entfernt, - alles lag in einem Bereich, den er hinter sich gelassen hatte.
>Alles könnte einfach sein<, sagte sie als er zwei neue Bierdosen gebracht hatte, >ich habe es auch nie kapiert für was man Krankenkassen braucht. Es wäre ganz einfach: Das Krankenhaus gehört allen, wird durch Steuern am Leben gehalten. Jeder bekommt was er braucht … für was dann die ganze Schreiberei … den ganzen Papierkram? … es wäre auch mehr Geld da ohne dieses Verwaltungszeug … .<
>Die Leute wollen das nicht … und selbst wenn … da würden manche ihren Sessel verlieren … .<
>Ich will nicht mehr für sinnlose Sessel arbeiten<, sagte sie, > … mache das schon zu lange, … und für was?<
Abends sprach man dann an der Bar über die vage Zukunft des Euros und die Unzulänglichkeit der Politik, später tauschten sie ihr Wissen über die Geschichte Chinas aus, um dann wieder über die hier nur von wenigen Personen beherrschte Landessprache zu reden. Nach einigen weiteren Flaschen Bier kam dann Christoph nicht daran vorbei mit Harald über den Sinn der hier im Kreis herum fahrenden UN- Mitarbeiter zu diskutieren, da er einst mit den schwedischen Truppen im Kosovo war. Hier war er Zivilist und schließlich einigten sie sich wie gewohnt nach einem weiterem Bier darauf, dass es einen Unterschied ausmacht, ob man die Sache als Deutscher oder als Schwede betrachtet.
Als Petra und Harald am nächsten Morgen beim Frühstück saßen kam Frank lächelnd an ihren Tisch.
>Ich brauche einen Übersetzer<, sagte er.
>Vielleicht werde ich hier Botschafter<, sagte Harald.
Ein schwarzhaariger junger Mann erwartete ihn mit einem scheuen Lächeln. Nur mühsam kam ein Gespräch zustande, denn auch sein Deutsch beschränkte sich auf wenige Worte.
Später beim ersten Bier an der Bar erzählte Harald, dass Achmat Kurde ist, aus nicht durchschaubaren Gründen nicht mehr in die Türkei zurück kann, nach Australien will, aber kein Visum bekommt.
Petra, die zwischenzeitlich verschwunden war, sagte kurz als sie am Nachmittag hinter Haralds Barhocker stand, ihn sanft am Rücken berührend, dass sie in drei Stunden nach Darwin fliegt.
Eine unbekannte Einsamkeit überkam ihn, am