Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie
Von Jörn Kolder
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Rezensionen für Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie
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Buchvorschau
Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie - Jörn Kolder
Renate und Jürgen Fuchs
Gottverdammte Scheiße, ich habe es geahnt, dass wir diesem alten Trottel nicht entkommen können. Der bestimmt unser Leben noch bis zu unserem letzten geheimen Furz in der hintersten Ecke unseres Klos! Ich werde dorthin nicht mitfahren, ich bin eben krank oder mir fällt noch was anderes ein. Ich ertrage diese Unterwürfigkeit und diesen Personenkult nicht mehr. Das ist doch schlimmer als bei Stalin damals. Oder wie bei der Murksel heute. Ohne mich, ich lehne die Teilnahme an dieser verlogenen Jubelorgie ab!
Das wird dir nicht gelingen, Jürgen
sagte Renate Fuchs zu ihrem Mann wir haben ihm immerhin einiges zu verdanken. Und wenn wir uns nicht zu blöd anstellen, kann für uns später noch einiges rausspringen. Mein Vater ist ein sehr vermögender Mann, vergiss das nicht.
Aber das verpflichtet mich nicht, ihm meine untertänigste Huldigung vorzutragen. Du weißt, dass ich mit ihm keinen guten Faden spinnen kann. Um bei diesem Bild zu bleiben, ich würde ihm gern einen Strick drehen. Mit großer Freude!
Jetzt reiß dich mal zusammen und bleib' auf dem Teppich. Vater feiert seinen 90igsten Geburtstag. So wie er momentan aufgestellt ist, kann er durchaus 100 werden.
Davor bewahre uns der liebe Gott. Wir sind beide jetzt 65. Ich bin vor zwei Jahren aus dem Job rausgegangen und hatte eigentlich vor, mit dir dann unser Rentnerleben zu genießen. Aber der Alte hat ja schon öfter anklingen lassen, dass er das wechselseitige Erscheinen der Sippe an seinem Fürstenthron erwartet. Nicht erwartet, voraussetzt. Gut, dass du drei Geschwister hast. Da sind wir ja bloß aller vier Wochen dran. Ich bin ein sehr friedfertiger Mensch, aber wenn ich diesen arroganten alten Gockel mehr als zweimal im Jahr sehen muss, kann ich für nichts mehr garantieren. Ich meine es ernst. Todernst!
Du bist und bleibst ein Sprücheklopfer Jürgen. Bei den Begegnungen der Sippe bist du ja immer schön in der Deckung geblieben. Nur der Katie hast du schöne Augen gemacht. Ich verstehe gar nicht, was du an dieser alten Schlampe mit den Hängetitten so findest. Aber das ist nicht so wichtig. Ich möchte dich nur noch einmal daran erinnern, dass Vater in den vielen Jahren höchstwahrscheinlich doch schon einiges zusammengetragen hat. Vermutlich weiß er das nur allein. Und der Notar. Oder sein Anwalt. Mutter hat er ja mit seiner üblen Knauserei und seinen endlosen Weibergeschichten schon vor 15 Jahren in den Tod getrieben. Und das verzeihe ich ihm nie. Auch ich habe mit ihm also noch eine Rechnung offen. Aber man muss versuchen, rational zu denken. Gefühle waren noch nie ein guter Ratgeber bei wichtigen Entscheidungen.
Das schätze ich so an dir, Renate
erwiderte ihr Mann du bist ja nicht umsonst Analyst bei der Hypersuperbank gewesen. Oder muss ich heute Analystin oder Analystende sagen? Spaß beiseite. Du hast recht. Wir wollen noch was von diesem alten Geizhals und Menschenfeind abgreifen. Aber es sind ja auch noch etliche andere mit im Spiel, die ebenfalls nicht unbedingt seine Freunde sind. Es dürfte in der Sippe ein allgemeines großes Bedürfnis geben, ein ordentliches Stück vom Kuchen abzubekommen.
Das wird so sein. Aber es gibt wie meistens im Leben viele Unsicherheiten und fehlende Informationen. Bevor wir uns hier großartig erregen und irgendwelche Pläne schmieden brauchen wir eben diese Informationen. Damit wir uns richtig verstehen: ich bin sehr dafür, Vater auszunehmen. Sozusagen als Schmerzensgeld für den vorzeitigen Verlust meiner Mutter. Aber alles was wir tun wollen muss vollkommen legal sein. Wenn wir dorthin fahren, treffen wir auf zirka 30 Leute. Wir, meine drei Schwestern mit ihren Männern. Deren Kinder. Und die Enkel. Die sind ja auch schon alle um die Zwanzig. Das ist ja die magische Altersgrenze: 20 Jahre. Wer jünger ist, muss nicht antreten.
Da bin ich aber froh, dass dein Vater nicht Adolf Hitler heißt. Der hat nämlich im Volkssturm noch 16-jährige Burschen verheizen lassen. Ja, ich weiß, das war unsachlich. Aber dieser alten Knacker ist für mich genau wie der Adolf damals ein Diktator. Ich bin zwar kein Stauffenberg, aber befinde mich trotzdem im Widerstand gegen diesen Tyrannen. Jedenfalls im passiven.
Das bringt uns nicht weiter. Ich sage es mal so. Wir beide haben aus unterschiedlichen Gründen ein Interesse daran, dass mein Vater möglichst bald das Zeitliche segnet. Das werden wir nicht beeinflussen können, es sei denn, wir mieten uns einen Auftragskiller. Und so etwas schließe ich aus. Es muss subtilere Wege geben. Aber wir stehen ja ganz am Anfang unserer Überlegungen. Alles ergibt aber nur dann einen Sinn, wenn es sich tatsächlich lohnt. Und das wissen wir eben nicht. Hier müssen wir ansetzen. Wir müssen herausbekommen, was der Alte an Vermögenswerten hat. Da kann ich mal ein paar alte Beziehungen spielen lassen. Aber, was dann genauso wichtig wäre zu wissen ist, wie denn ein eventuell vorhandenes Testament aussieht. Hat er keins, gelten die gesetzlichen Regelungen. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn ich mir meine sauberen Schwestern so ansehe hat sich die eine oder andere schon immer große Mühe gegeben, sich bei ihm einzuschleimen. Das würde ich auch noch in Kauf nehmen, wenn ich sicher wüsste, dass wir bei ihm auf dem Zettel stehen. Wir haben also einige Kopfarbeit vor uns.
Die Ehe von Renate und Jürgen Fuchs konnte man als den üblichen Normen entsprechend bezeichnen. Sie waren jetzt 46 Jahre verheiratet und es gab rein gar nichts mehr, was der eine noch vor dem anderen zu verbergen hätte, weil sie sich in verschiedensten guten oder schlechten Lebenslagen freiwillig oder gezwungenermaßen vor ihrem Partner hatten entblößen müssen. Sie waren aber beide sehr intelligente Menschen die das einordnen konnten, und das nicht als erniedrigend, sondern eher klärend eingeschätzt hatten. Es war die gute geistige Verwandtschaft, die sie immer noch eng zusammenhielt. Renate Fuchs hatte in einer Bank Karriere gemacht und die sie störenden Männer in den oberen Funktionen elegant aus dem Weg geräumt. Sie hatte immer wieder darüber gestaunt, für wie unverwundbar sich diese nur durchschnittlich schlauen Kerle gehalten hatten. Sie hatte deren Verhalten immer erst eine Weile aufmerksam beobachtet und dann schnell herausfinden können, dass fast jeder von ihnen gegen irgendwelche internen Regeln des Hauses verstieß. Das waren keine großen Sachen gewesen, aber diese Typen waren so von sich selbst eingenommen, dass sie ernsthaft geglaubt hatten, sich alles erlauben zu können. Sie lancierte Gerüchte über den Missbrauch von Spesengeldern, der unzulässigen Nutzung von Repräsentationsfonds und der extremen privaten Nutzung von Fahrzeugen und Auslandsreisen. An allem war natürlich immer etwas dran gewesen, so dass die Männer entweder degradiert wurden, oder sogar rausflogen. Sie bahnte sich kontinuierlich ihren Weg nach oben, und war dann zum Leitenden Risikoanalysten (damals wurde die Funktion noch so im generischen Maskulinum bezeichnet, und niemand hatte sich daran gestört) aufgestiegen. Da sie fachlich firm war und auch sehr umgänglich, war auch keiner auf den Gedanken gekommen, dass sie die Strippen für die symbolischen Männermorde gezogen hatte.
Ihr Mann Jürgen hatte ihr, da sie immer alles miteinander besprachen, den einen oder anderen Tipp geben können, denn er war immerhin Leitender Kriminaldirektor in einer Hansestadt gewesen. Berufsbedingt war seine Arbeitsweise stets gut strukturiert gewesen. Er sammelte Fakten, Informationen, Hinweise, dachte über Motive nach, analysierte Zusammenhänge, studierte Tatortberichte, sprach mit Sachverständigen und musste all dies so ordnen, dass er irgendeinen Sinn erkennen konnte. Das hatte er vor seinen Beförderungen im realen Kripoalltag getan, viele Erfahrungen gesammelt, aber auch in etliche seelischen Abgründe blicken können. So etwas sah er auch bei seinem Schwiegervater, aber den hatte er damals nicht heiraten wollen, sondern Renate. Es war ein harter Kampf um sie gewesen, denn seine Frau war in jüngeren Jahren eine Schönheit gewesen, von der man selbst heute noch etwas sehen konnte. Ihr hingen damals ganze Gruppen von Verehrern an den Röcken. Jürgen Fuchs war aber nicht bloß ziemlich intelligent, sondern auch sehr hartnäckig. Letztlich hatte er das Rennen gemacht und wenn er es heute ehrlich einschätzen sollte könnte er aus vollem Herzen sagen, dass die vielen gemeinsamen Jahre trotz aller Tiefen und Höhen für ihn ein großer Gewinn gewesen waren. Er würde seine Renate heute noch einmal heiraten. Ihre drei Söhne waren gut geraten, die Familie hielt zusammen. Gemeinsam würden sie diesen Plagegeist an der Spitze der Sippe irgendwie zur Strecke bringen, natürlich nur mit friedlichen Mitteln. Fürs erste erstellte er sich eine Aufgaben- und Rechercheliste.
Jürgen Fuchs hatte wieder Blut geleckt. Seit seiner Pensionierung und auch in den letzten Jahren als Kriminaldirektor hatte er keinen richtigen Fall mehr bearbeitet. Er fühlte sich jetzt wie vor 30 Jahren, als er irgendwelchen, ihm vollkommen unbekannten Kriminellen auf der Spur gewesen war. Diesmal kannte er das Zielobjekt genau: es war sein Schwiegervater.
Henriette und Klaus-Rüdiger von Schwarzbach
Natürlich werden wir deinem Vater unsere besten Wünsche zu dessen runden Geburtstag persönlich überbringen, das ist doch wohl selbstverständlich, mein Schatz
sagte Klaus-Rüdiger von Schwarzbach zu seiner Frau und es sollte doch ein angemessenes Geschenk sein.
Das wird nicht ganz so einfach werden, mein Liebling
erwiderte seine Frau wir stecken schon wieder einmal ziemlich tief im Dispo. Vielleicht solltest du deine Besuche auf der Pferderennbahn einmal für eine Weile einstellen. Oder du trennst dich von deinem Oldtimer.
Beides sind ungebührliche Vorschläge, Henriette. Ein von Schwarzbach fährt standesgemäß zum Rennen vor. Außerdem gehe ich davon aus, dass dein Vater nicht mehr das ewige Leben haben wird, und dann könnten wir ja eventuell mit einer finanziellen Spritze rechnen. Nun, ich will es nicht beschreien, aber bei unserem letzten Treffen erschien er mir schon etwas hinfällig. Vielleicht macht er es nicht mehr lange.
Das sind böse Worte, Klaus-Rüdiger. Er ist mein Vater.
Der dich zu seinem 85igsten Geburtstag vor allen gedemütigt hat. Und mich mit. Und das vergesse ich ihm nicht. Dieser alte Sack beherrscht nicht einmal die Regeln des menschlichen Anstands. Aber weil alle auf sein Vermögen scharf sind, schlucken sie alles runter und ducken sich weg. Gut, er hat uns vor 30 Jahren mal 10.000 D-Mark geschenkt. Aber so wie ich ihn kenne, war das doch eine Idee von seinem Steuerberater gewesen. Vielleicht ist das als Spende deklariert worden. Diesem raffgierigen Kerl traue ich alles Schlechte zu.
Bedenke doch bitte, dass er in seinem Leben viel durchgemacht hat. Als halbes Kind musste er noch in den Krieg ziehen. Das hat ihn sicher traumatisiert und könnte so manche unbedachte Äußerung erklären.
Aber dass er uns allen beim letzten Familientreffen ausgerechnet zum Essen von seinen Kriegserlebnissen erzählt hat, das war schon ein starkes Stück. Ich habe mir jedes Wort gemerkt, weil ich so schockiert gewesen bin. Ich will dir das noch einmal in Erinnerung rufen. Er hat wörtlich gesagt:
Und dann bin ich mit 16 noch zum Volkssturm geholt worden. Zusammen mit nem Schulkumpel hab ich in nem Schützengraben gestanden. Der Rudi hatte ne alte Jagdflinte, ich ne Panzerfaust und ne klapprige Pistole mit drei Schuss Munition. Da kommt so ein T 34 angefahrn. Ich peile den mit der Panzerfaust an und drücke ab. Es kracht mörderisch, das Ding bleibt stehen, fängt an zu qualmen, die Luken gehen auf, und zwei Kerle kommen aus dem Panzer raus. Die brennen und schreien wie am Spieß. Mein Kumpel will sich das Theater genauer ansehen und kuckt aus dem Schützengraben raus. Wutsch, er kriegt ne Kugel in die Rübe, und mir spritzen sein Blut und Gehirn ins Gesicht. Ich schaue mir meinen Kumpel an und dem seine Birne is zur Hälfte weg. Das Zeug in seinem Schädel sah so n bisschen aus wie der Schweinebraten dort, so von der Farbe her. Dann kuck ich mir die toten Russen an. Die sind so verschmort, wie die Kruste hier auf den Hühnerbeinen. Na ja, dann bin ich abgehauen."
Klaus-Rüdiger, bitte. Ja, es war schlimm. Seitdem esse ich keine Hühnerbeine mehr.
Ich will dir eins sagen, Henriette, dein Vater ist nicht traumatisiert, er ist ein Perverser. Da kommt auch seine Lust her, andere vor allen anderen Gästen zur Sau zu machen. Der sollte mal von einem Gehirnklempner untersucht werden.
Klaus-Rüdiger von Schwarzbach war eigentlich schon immer chronisch pleite. Vermutlich lag das auch an seiner Herkunft, denn er war elternlos aufgewachsen. Man hatte ihn als frischgeborenes Baby vor einem Krankenhaus einfach in einem Körbchen abgestellt und seinem Schicksal überlassen. Zu seinem Namen war er gekommen, weil er in dem katholischen Waisenhaus Am Schwarzbach
aufgewachsen war. Die herzensguten Nonnen hatte den Jungen ins Herz geschlossen, und ihm seinen dem damaligen Zeitgeist entsprechenden Namen gegeben. Im Heim hatte man ihm eine gute Bildung angedeihen lassen. Er hatte sich nach dem Abitur für ein Studium der Germanistik mit der Spezialisierung auf die altdeutsche Sprache entschieden. Schwarzbach liebte es, über die so zwischen den Jahren 750 und 1050 gepflegte Sprachform zu sinnieren. Er war dann in einem Institut untergekommen, in welchem weiter daran geforscht wurde, ob man dieses oder jenes Wort mit ae
oder ä
oder statt ss
mit sz
schreiben sollte. Die Diskussionen darüber hielt er für hochstehenden wissenschaftlichen Meinungsaustausch. Leider wurde seine Tätigkeit ziemlich mies vergütet, was eigentlich nicht zu seinen Ansprüchen an eine angemessene Lebensführung als Akademiker passte. Schwarzbach kannte einen vermutlich sehr wahren Spruch: Wer nichts erheiratet oder ererbt, bleibt arm, bis er sterbt. Erben konnte er von seinen Eltern nichts, weil er keine hatte. Jedenfalls war nicht bekannt, wer seine Eltern waren. Also musste er sich auf dem Heiratsmarkt umsehen. Er hatte durch seine Ausbildung einen sehr umfassenden Wortschatz erworben, besaß angenehme Umgangsformen, und sah gut aus. Obwohl er kein Logiker war, verfügte er doch über eine gewisse Bauernschläue, und legte sich einen Plan zurecht. Er musste ein Elternhaus finden, welches gut situiert war, so dass er mit finanzieller Unterstützung rechnen konnte. Die Firma Anton Bockelmüller Bau GmbH
schien ein geeigneter Kandidat zu sein, denn deren Fahrzeuge und Arbeiter sowie die Firmentafeln sah er sehr oft in der Gegend. Er fand auch heraus, dass der Inhaber vier Töchter hatte, die damals allesamt noch unverheiratet waren. Da er immer knapp bei Kasse war, verfügte Schwarzbach nur über ein Fahrrad, aber das hinderte ihn nicht, damit den Umkreis des Wassergrundstück dieses Bockelmüller zu erkunden. Die gesamte Familie schien im Sommer ab Samstag bis Sonntagabend dort zu wohnen. Zum Grundstück gehörte ein Bootssteg, und dort lag ein motorgetriebenes Kajütboot. Daneben war von der Firma Bockelmüller selbst ein etwa drei Meter breites Stück Sandstrand von gut 10 Meter Länge vor der Uferböschung angelegt worden. Wie das hatte genehmigt werden können war Schwarzbach ein Rätsel, aber offensichtlich verfügte dieser Bockelmüller über beste Kontakte zur Politik und den Behörden.
Schwarzbach drückte sich unauffällig im angrenzenden Gelände herum, und konnte so einige Blicke auf die vier Töchter erhaschen. Eine hob sich von den anderen drei ab, denn sie war nicht so groß und schlank wie die anderen jungen Frauen, sondern, er suchte nach einem passenden Begriff, denn er war ja Sprachwissenschaftler. So wie er es auch drehte oder wendete, ein Wort beschrieb die Gestalt der Frau gut: ein Kasten. Schwarzbach empfand das nicht als abwertend, denn das Mädchen war etwa ein Meter und fünfundfünfzig groß, und in der Breite zwar nicht so ausladend, aber doch schon ordentlich bestückt. Soweit wie er es erkennen konnte, hatte sie eine ordentliche Oberweite und ein hübsches Gesicht. Äußerlichkeiten spielten für ihn als Schöngeist eine untergeordnete Rolle, es kam ihm auf den geistigen Austausch an. Er konnte natürlich noch nicht einschätzen was die junge Frau zu bieten hatte, aber er beschloss fürs Erste, sich diese eventuell in vieler Hinsicht sprichwörtlich fette Beute zu angeln. Von Schwarzbach war zu dieser Zeit, 1976, 24 Jahre alt, Henriette Bockelmüller 20. Die junge Frau war offensichtlich nicht mit allzu vielen intellektuellen Gaben gesegnet, weswegen sie wohl als Verkäuferin in einem Modeladen arbeitete.
Er kreuzte dort auf und gab vor, ein neues Hemd zu suchen. An diesem Tag hatte er noch 12 Mark im Portemonnaie und wartete auf sein Gehalt, es waren aber noch vier Tage bis dahin. Henriette Bockelmüller beriet ihn, und er konnte sie näher beäugen. Sie war tatsächlich recht hübsch und sehr angenehm im Auftreten. Außerdem roch sie sehr gut. Schwarzbach nahm Witterung wie ein scharfer Jagdhund auf und war sich sicher, dass er nun auf der richtigen Fährte war. Er salbaderte die junge Frau schwindlig und lud sie für die kommende Woche (da würde sein Konto wieder etwas gefüllt sein) in ein Kaffee ein. Sie fanden sich ganz sympathisch. Obwohl Schwarzbach feststellte, dass ihr Horizont nur vom Kuchenbacken bis zu Damenunterwäsche reichte war er entschlossen, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Was sollte er mit einer bildhübschen und hochgebildeten Frau anfangen, da bestünde immer die Gefahr, dass er ihr zu wenig bieten könnte. Hier hätte er ein Objekt, welches er nach seinem Willen formen könnte. Er ließ sich nach einer Weile zum Vorstellungsgespräch bei Henriettes Eltern und Schwestern einladen. Voller Spannung trat er dort an und brillierte mit seiner Redekunst und seinem Charme. Die Frauen hatte er sofort auf seine Seite gezogen, nur der ihn verächtlich ansehende Anton Bockelmüller schien nicht beeindruckt gewesen zu sein. Dieser grimmige Patron war aber offensichtlich von der Damenriege so bearbeitet worden, dass Schwarzbach dann gnädig aufgenommen wurde. Er ließ noch eine Schamfrist von zwei Wochen vergehen, dann bat er um die Hand von Henriette. Bald darauf fand die Hochzeit statt, und Schwarzbach rechnete mit einer üppigen Mitgift. Er hatte sich total verkalkuliert. Eigentlich hätte der ständig missgelaunte Bauunternehmer doch mehr als froh sein müssen, dass er ihm seine schwervermittelbare Tochter abgenommen hatte. Sie bekamen ein Kaffeeservice im Wert von 128,83 Mark, denn der Kassenzettel lag noch bei.
Schwarzbachs Plan einer recht sorgenfreien Zukunft war vollkommen in die Hose gegangen. Jetzt konnte er nur das Beste daraus machen. Henriette war tatsächlich sehr liebevoll und fürsorglich und gerade einmal neun Monate nach der Hochzeit kam schon Hans zur Welt, und zwei Jahre später Claudia. Henriettes Mutter steckte ihnen ab und zu mal einen Hunderter zu, aber finanziell kam die neue Familie nie auf einen grünen Zweig. Es sah so aus, als ob es immer dabei bleiben sollte.
Gisela und Frank Krause
Und ob ich darauf freue, mit dem alten Schwerenöter wieder mal einen zu trinken
erklärte Frank Krause seiner Frau bei so einer Feier kann man doch schöne Studien treiben. Alle haben Schiss vor dem Alten und scheißen sich fast ein, dass er sie wieder mal Maß nehmen könnte. Dann haben aber alle aber wenig später mächtig einen in der Krone und werden plötzlich ganz mutig. Das ist dann der Augenblick, wo sich alle irgendwie gegenseitig angehen und vorwerfen, was sie doch für fiese Schweine sind. Und der Pascha beobachtet das alles und schießt dann noch zusätzlich seine Giftpfeile ab. Mal ist der dran, dann jener. Ob eigenes Kind, Schwiegersohn, Enkel oder Urenkel, alle kriegen ihr Fett weg, quer durch die verschiedenen Familien. Zum Schluss weiß dann keiner mehr was so alles an Anschuldigungen ausgesprochen worden ist, was stimmt, und was nur Gerüchte sind. Dann hat der Alte wieder genau das erreicht was er wollte: alle sind total verunsichert und sich spinnefeind. So kann man doch gut einen geschlossenen Widerstand verhindern.
Warum sollte es einen geschlossenen Widerstand gegen meinen Vater geben müssen
fragte Gisela Krause nun gut, er ist nicht der Feinste in seinen Umgangsformen, er ist manchmal jähzornig, aber er hat auch schon öfter geholfen. Allerdings hat er ein Herz aus Stein, und wenn er hilft tut er das nur zum eigenen Vorteil und holt sich alles dreifach wieder zurück. Aber keiner hat die Traute gegen ihn aufzubegehren.
Ja, zum Beispiel diesem arroganten Schnösel von Schwarzbach, diesem Möchtegern-Adligen, diesem arbeitsscheuen Subjekt, dem hat er geholfen. Der hat mir beim letzten Mal erzählt, dass dein Vater ihm einen Kredit mit 8 Prozent Zinsen gegeben hat. Du kriegst heute einen Kredit fast umsonst. Aber Monsieur von Schwarzbach ist wohl so pleite, dass ihm keine Bank mehr was leiht. Deine Schwester tut mir leid.
Wir haben sie damals alle gewarnt, aber sie hat ja nicht auf uns gehört. Aber sie ist schon ein bisschen geistig minderbemittelt. Ich meine das nicht böse, aber es ist leider die Wahrheit. Die hat ja schon in der Schule nichts auf die Reihe gekriegt. Und das Aussehen! Gut, da kann sie nichts dafür, aber sag mir mal als Mann, wie wird denn der Adlige damals einen hochgekriegt haben? Das ist doch bei mir etwas anders, oder, du geiler Bock?
"Warte ab, du elende Nutte, wenn wir mit diesem Gespräch fertig sind, vögele ich dich so durch, wie du es lange nicht mehr erlebt hast. Ja, bei dir kriege ich immer noch einen zuverlässig hoch. Der Sport hält dich jung, alle schätzen dich mindestens 15 Jahre jünger. Und du fickst immer noch wie eine läufige Hündin. Aber erst mal zurück zu unserem Casanova. Ist doch vollkommen klar, der hat immer eine gute Balance zwischen dem Alkohol und dem Trieb finden müssen. Genug, dass er den Anblick vergisst und draufrutschen kann, aber nicht zu viel, damit er noch einen