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Lady Trents Memoiren 2: Der Wendekreis der Schlangen
Lady Trents Memoiren 2: Der Wendekreis der Schlangen
Lady Trents Memoiren 2: Der Wendekreis der Schlangen
eBook412 Seiten5 Stunden

Lady Trents Memoiren 2: Der Wendekreis der Schlangen

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Über dieses E-Book

Aufmerksame Leser wissen bereits, wie sich die belesene und zielstrebige Isabella auf den historischen Weg gemacht hat, der sie eines Tages zur führenden Drachenforscherin der Welt machen würde. In diesem beeindruckend offenherzigen Nachfolger blickt Lady Trent auf die nächsten Schritte ihrer glorreichen (und gelegentlich skandalösen) Karriere zurück.

Drei Jahre nach ihrer schicksalhaften Reise durch die abschreckenden Gebirge von Vystrana ignoriert Lady Trent gängige Konventionen und bricht zu einer Expedition auf, die sie auf den wilden, kriegszerrütteten Kontinent Erga führt. Dort liegt die Heimat solch exotischer Drachenarten wie die Grasschlangen der Savanne, Baumschlangen und die geheimnisvollste von allen, die legendären Sumpfwürmer der Tropen.

Die Expedition gestaltet sich als schwierig. In Begleitung einer alten Freundin und einer Thronerbin auf der Flucht, muss sich Isabella drückender Hitze, gnadenlosen Fiebern, Palastintrigen, Klatsch und Tratsch und anderen Bedrohungen stellen, um ihre grenzenlose Faszination alles Drachen betreffende zu befriedigen. Selbst wenn sie dafür tief in den verbotenen Dschungel vordringen muss, der gemeinhin die Grüne Hölle genannt wird. Dort werden ihr Mut, ihr Einfallsreichtum und ihre wissenschaftliche Neugierde auf Proben gestellt, wie sie es bislang noch nicht erlebt hat.
SpracheDeutsch
HerausgeberCross Cult
Erscheinungsdatum10. März 2018
ISBN9783959815062
Lady Trents Memoiren 2: Der Wendekreis der Schlangen

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    Buchvorschau

    Lady Trents Memoiren 2 - Marie Brennan

    5659

    TEIL EINS

    In welchem die Schreiberin der Memoiren

    aus ihrem Heimatland aufbricht

    und eine Vielzahl an Problemen,

    die von familiär bis kriminell reichen,

    zurücklässt

    EINS

    Mein Leben in Einsamkeit – Meine Schwägerin und meine Mutter – Ein unerwarteter Besucher – Ärger bei Kemble

    Nicht lange ehe ich mich auf die Reise nach Eriga machte, fasste ich mir ein Herz und brach zu einem Ziel auf, das ich als wesentlich gefährlicher betrachtete: Falchester.

    Die Hauptstadt war nach normalen Maßstäben kein schrecklich abenteuerlicher Ort, außer dass es dort vielleicht auf mich regnen würde. Ich unternahm die Reise von Pasterway aus in regelmäßigen Abständen, weil ich dort Geschäfte zu überwachen hatte. Diese Reisen aber waren nicht sehr öffentlich – womit ich meine, dass ich sie nur vor einer Handvoll Leuten erwähnte, von denen alle diskret waren. Nach dem, was ein Großteil von Scirland wusste (die wenigen, die es interessierte), war ich seit meiner Rückkehr aus Vystrana eine Art Einsiedlerin gewesen.

    Man gestattete mir das Einsiedlertum wegen meiner persönlichen Schwierigkeiten, obwohl ich in Wahrheit mehr von meiner Zeit mit Arbeit verbrachte: zuerst mit der Veröffentlichung unserer Forschung in Vystrana, dann mit der Vorbereitung für diese Expedition nach Eriga, die sich immer wieder durch Kräfte weit jenseits unserer Kontrolle verzögert hatte. An jenem Morgen im Graminis aber konnte ich den gesellschaftlichen Verpflichtungen, die ich geflissentlich unter diesen anderen Aufgaben begraben hatte, nicht länger entkommen. Das Beste, was ich tun konnte, war, beides in schneller Folge abzuarbeiten: zuerst meine Blutsverwandten zu besuchen und dann jene, mit denen ich durch meine Heirat verbunden war.

    Mein Haus in Pasterway war nur eine kurze Fahrt vom modernen Viertel Havistow entfernt, wo sich mein ältester Bruder Paul im Vorjahr niedergelassen hatte. Ich entkam der Notwendigkeit, sein Heim zu besuchen, gewöhnlich durch das doppelte Geschenk seiner häufigen Abwesenheit und des absoluten Desinteresses seiner Frau an mir, aber zu dieser Gelegenheit hatte man mich eingeladen, und hätte ich mich geweigert, hätte das noch mehr Ärger gebracht.

    Bitte verstehen Sie, es ist nicht so, dass ich meine Familie nicht mochte. Die meisten von uns kamen gut genug miteinander aus, und ich hatte eine ziemlich gute Beziehung zu Andrew, meinem nächstälteren Bruder. Aber der Rest meiner Brüder fand mich mindestens befremdlich, und das Missfallen meiner Mutter über mein Verhalten hatte ihre Meinung Richtung Missbilligung verschoben. Was Paul an diesem Tag von mir wollte, wusste ich nicht – aber insgesamt hätte ich es vorgezogen, mich einem verärgerten vystranischen Felswyrm zu stellen.

    Leider waren jene alle recht weit entfernt, während mein Bruder zu nahe war, um ihm auszuweichen. Mit einem Gefühl, als ginge ich gleich in eine Schlacht, hob ich meinen Rock wie eine feine Dame, stieg die Eingangstreppe hinauf und klingelte an der Tür.

    Meine Schwägerin war im Salon, als mich der Bedienstete hineinführte. Judith war ein Muster einer scirländischen Oberklasseehefrau, auf all die Arten, wie ich es nicht war: hübsch gekleidet, ohne die Grenze zu kitschigem Exzess zu überschreiten; eine elegante Gastgeberin, die die Arbeit ihres Gatten mit gesellschaftlichen Mitteln unterstützte; und eine hingebungsvolle Mutter mit bereits drei Kindern, und es würden zweifellos noch mehr kommen.

    Wir hatten genau eine Sache gemeinsam, und die war Paul. »Bin ich zur falschen Zeit gekommen?«, fragte ich höflich nach, als ich eine Tasse Tee bekommen hatte.

    »Überhaupt nicht«, antwortete Judith. »Er ist gerade noch nicht daheim – ein Treffen mit Lord Melst –, aber du darfst gerne bleiben, bis er zurückkommt.«

    Lord Melst? Paul arbeitete sich wirklich hoch in der Welt. »Ich vermute, das ist eine Angelegenheit wegen des Synedrions.«

    Judith nickte. »Wir hatten eine kurze Atempause, nachdem er seinen Lehrstuhl bekommen hat, aber jetzt sind die Regierungsgeschäfte dazwischengekommen und nehmen seine Zeit in Anspruch. Ich erwarte kaum, ihn zwischen jetzt und Gelis zu sehen.«

    Was bedeutete, dass ich hier für sehr lange Zeit mit den Hufen scharren konnte. »Wenn es nicht zu viele Schwierigkeiten macht«, ich stellte meine Teetasse ab und erhob mich von meinem Stuhl, »denke ich, dass es besser wäre, wenn ich aufbreche und später zurückkomme. Ich habe versprochen, heute auch noch meinem Schwager Matthew einen Besuch abzustatten.«

    Zu meiner Überraschung hob Judith eine Hand, um mich aufzuhalten. »Nein, bleib bitte. Wir haben gerade jetzt einen Gast, der hoffte, dich zu sehen …«

    Ich bekam keine Gelegenheit zu fragen, wer der Gast war, obwohl ich in dem Moment, als Judith zu sprechen begann, einen Verdacht hatte. Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich, und meine Mutter kam herein.

    Jetzt ergab alles einen Sinn. Ich hatte vor einiger Zeit aufgehört, die Briefe meiner Mutter zu beantworten, um meinen Seelenfrieden zu bewahren. Selbst als ich sie darum gebeten hatte, hatte sie nicht damit aufgehört, jede meiner Handlungen zu kritisieren und anzudeuten, dass mein schlechtes Urteilsvermögen daran schuld sei, dass ich in Vystrana meinen Mann verloren hatte. Es war nicht höflich, sie zu ignorieren, aber die Alternative wäre schlimmer gewesen. Damit sie mich sehen konnte, musste sie daher unangekündigt in meinem Haus auftauchen … oder mich in das Haus von jemand anderem locken.

    Solche Logik half wenig, um meine Reaktion zu mildern. Solange meine Mutter nicht hier war, um eine Versöhnung anzubieten – was ich bezweifelte –, war dies eine Falle. Ich hätte mir lieber meine eigenen Zähne gezogen, als mehr von ihren Vorwürfen zu ertragen. (Und damit Sie das nicht für eine reine Redensart halten, sollte ich erwähnen, dass ich mir wirklich einmal selbst einen Zahn zog, also stelle ich diesen Vergleich nicht leichtfertig an.)

    Wie sich allerdings herausstellte, bezogen sich ihre Vorwürfe zumindest auf frisches Material. Meine Mutter sagte: »Isabella. Was ist dieser Blödsinn, den ich höre, dass du nach Eriga willst?«

    Man kennt mich dafür, dass ich freundlichen Small Talk übergehe, und gewöhnlich bin ich anderen auch dafür dankbar. In diesem Fall aber hatte es eine Wirkung wie ein Pfeil, der aus der Deckung direkt in mein Gehirn geschossen wurde. »Was?«, fragte ich ziemlich dümmlich – nicht, weil ich sie nicht verstanden hatte, sondern weil ich keine Ahnung hatte, wie sie davon gehört haben konnte.

    »Du weißt ganz genau, was ich meine«, fuhr sie gnadenlos fort. »Das ist absurd, Isabella. Du kannst nicht wieder ins Ausland reisen, und sicher nicht in irgendeinen Teil von Eriga. Dort herrscht Krieg!«

    Ich suchte wieder meinen Stuhl auf und nutzte die Verzögerung, um meine Fassung zurückzuerlangen. »Das ist eine Übertreibung, Mama, und das weißt du. In Bayembe herrscht kein Krieg. Der Mansa von Talu wagt keine Invasion, nicht, wenn scirländische Soldaten helfen, die Grenze zu verteidigen.«

    Meine Mutter schnaubte. »Ich kann mir vorstellen, dass der Mann, der die Akhier aus Elerqa vertrieben hat – nach zweihundert Jahren! –, in der Tat einiges wagt. Und selbst falls er nicht angreift, was ist mit diesen schrecklichen Ikwunde?«

    »Der gesamte Dschungel von Mouleen liegt zwischen ihnen und Bayembe«, sagte ich irritiert. »Außer natürlich an den Flüssen, und dort steht Scirland ebenfalls Wache. Mama, der ganze Sinn unserer militärischen Präsenz ist es, das Land sicher zu machen.«

    Der Blick, den sie mir zuwarf, war vernichtend. »Soldaten machen einen Ort nicht sicher, Isabella. Sie machen ihn nur weniger gefährlich.«

    Was ich an rhetorischem Talent besitze, habe ich von meiner Mutter geerbt. An jenem Tag aber war ich nicht in der Stimmung, ihre Formulierung zu bewundern. Auch nicht, um mich über ihr politisches Bewusstsein zu freuen, welches ziemlich verblüffend war. Die meisten scirländischen Frauen ihrer Klasse, und auch ein Haufen Männer, konnten kaum die beiden Mächte in Eriga nennen, die Bayembe gezwungen hatten, ausländische – was heißen soll scirländische – Hilfe zu suchen. Damals interessierten sich Gentlemen nur für die einseitige »Handelsvereinbarung«, die Eisen aus Bayembe nach Scirland brachte, zusammen mit anderen wertvollen Rohstoffen, und ihnen dafür erlaubte, unsere Soldaten überall im Land zu stationieren und eine Kolonie in Nsebu aufzubauen. Damen interessierten sich überhaupt nicht besonders dafür.

    War das etwas, wofür sie sich schon zuvor interessiert hatte, oder hatte sie sich informiert, als sie von meinen Plänen gehört hatte? So oder so, auf diese Weise hatte ich nicht vorgehabt, ihr die Neuigkeiten mitzuteilen. Wie genau ich das wirklich vorgehabt hatte, das hatte ich noch nicht beschlossen. Ich hatte die Sache ständig hinausgeschoben, aus, wie ich nun erkannte, purer Feigheit. Und das war die Folge: eine unangenehme Konfrontation vor meiner Schwägerin, deren steif-höfliche Miene mir sagte, dass sie gewusst hatte, was kommen würde.

    (Ein plötzlicher, nagender Verdacht sagte mir, dass Paul es ebenfalls gewusst hatte. Ein Treffen mit Lord Melst, genau. So schade, dass er nicht da war!)

    Es bedeutete immerhin, dass ich mich nur meiner Mutter stellen musste, ohne Verbündete, die sie in ihrer Missbilligung unterstützten. Ich war nicht närrisch genug zu glauben, dass ich selbst Verbündete gehabt hätte. Ich sagte: »Das Außenministerium würde nicht gestatten, dass Leute dorthin reisen, geschweige denn dort siedeln, wenn es wirklich so gefährlich wäre. Und sie haben es gestattet, also da hast du es.« Sie musste nicht wissen, dass eine der ständigen Verzögerung auf dieser Expedition damit zusammenhing, dass wir versuchten, das Außenministerium zu überreden, uns Visa auszustellen. »Wirklich, Mama, ich werde durch Malaria in weitaus größerer Gefahr schweben als durch irgendeine Armee.«

    Was mich ritt, als ich das sagte, weiß ich nicht, aber es war schiere Idiotie von meiner Seite. Das Funkeln meiner Mutter wurde schärfer. »In der Tat«, sagte sie, und die Worte hätten Glas zum Gefrieren bringen können. »Du hast vor, an einen Ort zu reisen, wo tropische Seuchen wüten, und das ohne einen einzigen Gedanken an deinen Sohn.«

    Ihre Anschuldigung war sowohl gerecht als auch ungerecht. Es war wahr, dass ich nicht so viel an meinen Sohn dachte, wie man erwarten würde. Ich hatte nach seiner Geburt sehr wenig Milch gehabt und war gezwungen gewesen, eine Amme anzuheuern, was mir allzu gut gepasst hatte. Der kleine Jacob erinnerte mich viel zu sehr an seinen verstorbenen Namensvetter. Jetzt war er mehr als zwei Jahre alt, abgestillt und wurde von einem Kindermädchen versorgt. Mein Ehevertrag hatte mich recht großzügig versorgt, aber ich hatte viel von diesem Geld in wissenschaftliche Forschung gesteckt, und die Bücher über unsere Expedition nach Vystrana – die wissenschaftliche Arbeit unter dem Namen meines Gatten und mein eigenes grauenhaftes bisschen Reiseliteratur – brachten nicht so viel ein, wie man hoffen könnte. Aus dem, was verblieb, zahlte ich ordentlich für jemanden, der sich um meinen Sohn kümmerte, und zwar nicht, weil sich die Witwe des zweiten Sohns eines Barons nicht dazu herablassen dürfte, selbst solche Arbeit zu tun. Ich wusste einfach nicht, was ich sonst mit Jacob tun sollte.

    Die Leute nehmen oft an, dass die mütterliche Weisheit völlig instinktiv kommt: dass, egal wie wenig eine Frau über das Großziehen von Kindern wissen mag, ehe sie eines gebärt, die bloße Tatsache ihres Geschlechts sie danach mit perfekten Fähigkeiten versehen wird. Das ist nicht einmal auf der gröbsten biologischen Ebene wahr, wie das Versiegen meiner Milch bewiesen hatte, und es stimmt noch weniger in sozialen Belangen. In späteren Jahren bin ich dazu gekommen, Kinder aus der Perspektive der Naturkundlerin zu verstehen. Ich kenne ihre Entwicklung und habe einige Bewunderung für ihre erstaunlichen Fortschritte. Aber zu diesem Zeitpunkt ergab der kleine Jacob weniger Sinn für mich als ein Drache.

    Wird ein Kind am besten von einer Frau aufgezogen, die das schon zuvor getan hat, die ihre Fähigkeiten über die Jahre verbessert hat und ihre Arbeit genießt, oder von einer Frau ohne Talent und mit wenig Freude daran, deren einzige Qualifikation eine direkte biologische Verbindung ist? Meine Meinung fiel entschieden auf Ersteres, und so sah ich sehr wenige praktische Gründe, warum ich nicht nach Eriga reisen sollte. Was das betrifft, hatte ich sehr viel über die Angelegenheit meines Sohnes nachgedacht.

    Aber solche Dinge zu meiner Mutter zu sagen, stand außer Frage. Stattdessen beruhigte ich sie: »Matthew Camherst und seine Frau haben angeboten, ihn für eine Weile zu nehmen, während ich weg bin. Bess hat selbst eines im beinahe selben Alter. Es wird gut für Jacob sein, einen Spielkameraden zu haben.«

    »Und wenn du stirbst?«

    Die Frage krachte wie ein Beil in die Konversation und hackte sie entzwei. Ich spürte, wie meine Wangen brannten: vor Zorn oder vor Scham, wahrscheinlich beides. Ich war entrüstet, dass meine Mutter eine solche Sache so plump ansprach … und doch, mein Mann war in Vystrana gestorben. Es war nicht unmöglich, dass mir in Eriga dasselbe widerfahren würde.

    In diese tote und drückende Stille kam ein Klopfen an der Tür, kurz darauf vom Butler gefolgt, der sich mit einem Serviertablett in der Hand verbeugte, um Judith eine Karte zu präsentieren.

    Welche sie nahm, mechanisch, als sei sie eine Marionette und jemand ziehe an den Fäden an ihrem Arm. Die Verwirrung grub eine dünne Falte zwischen ihre Brauen. »Wer ist Thomas Wilker?«

    Der Name hatte die Wirkung einer niedrigen, unbemerkten Schwelle am Straßenrand, erhaschte meinen mentalen Fuß und ließ mich beinahe vornüberfallen. »Thomas Wil… was will er denn hier?« Das Verständnis folgte verspätet und rettete mich vor dem Stolpern. Judith kannte ihn eindeutig nicht, meine Mutter genauso wenig, was nur eine Antwort übrig ließ. »Ah. Ich denke, er muss hier sein, um mich zu sehen.«

    Judiths Haltung wurde zu einer steifen, aufrechten Linie, weil man so gesellschaftliche Besuche nicht durchführte. Ein Mann sollte nicht in einem Haus, das nicht ihres war, nach einer Witwe fragen. Ich nahm mir einen Moment, um zu bemerken, dass die Karte, die Judith auf das Serviertablett zurücklegte, keine richtige Visitenkarte war. Es schien ein Stück Papier zu sein, auf das Mr. Wilkers Name von Hand geschrieben stand. Noch schlimmer. Mr. Wilker war, genauer gesagt, kein Gentleman und sicher nicht die Art Person, die unter normalen Umständen hier zu Besuch kommen würde.

    Ich tat, was ich konnte, um die Situation zu retten. »Ich entschuldige mich. Mr. Wilker ist ein Assistent des Grafen von Hilford – ihr werdet euch natürlich an ihn erinnern. Er ist derjenige, der die Expedition nach Vystrana organisierte.« Und er organisierte auch die nach Eriga, obwohl seine Gesundheit verhinderte, dass er uns begleitete. Aber welche Angelegenheit konnte so dringend sein, dass Lord Hilford Mr. Wilker zu mir ins Haus meines Bruders senden würde? »Ich sollte mit ihm sprechen, aber es ist nicht nötig, euch damit zu belästigen. Ich werde aufbrechen.«

    Die ausgestreckte Hand meiner Mutter hielt mich auf, ehe ich aufstehen konnte. »Überhaupt nicht. Ich glaube, wir sind alle begierig darauf zu hören, was dieser Mr. Wilker zu sagen hat.«

    »In der Tat«, sagte Judith schwach und gehorchte dem unausgesprochenen Befehl, der in die Worte meiner Mutter gewoben war. »Schicken Sie ihn herein, Londwin.«

    Der Butler verbeugte sich und ging hinaus. Nach der Schnelligkeit, mit der Mr. Wilker erschien, musste er in dem Moment aufgesprungen sein, als man ihn hineinbat. In seiner Bewegung zeigte sich immer noch Aufgeregtheit. Aber er mühte sich schon lange, bessere Manieren zu pflegen als die, mit denen er aufgewachsen war, und so stellte er sich erst bei Judith vor. »Guten Morgen, Mrs. Hendemore. Mein Name ist Thomas Wilker. Es tut mir leid, dass ich Sie störe, aber ich habe eine Botschaft für Mrs. Camherst. Wir müssen einander auf der Straße übersehen haben. Ich habe sie nur knapp an ihrem Haus verpasst. Und ich fürchte, die Nachrichten sind so schlimm, dass sie nicht warten können. Man sagte mir, sie sei hier auf Besuch.«

    Die knappe, beinahe unzusammenhängende Art, mit der er diese Worte verkündete, ließ mich vor Anspannung die Hände ballen. Mr. Wilker sah, wie es sich gehörte, nur Judith an, bis auf ein kurzes Nicken, als er meinen Namen sagte. Weil von ihm kein einziger Hinweis kam, tauschte ich stattdessen einen Blick mit meiner Mutter.

    Was ich dort sah, verblüffte mich. Wir sind alle begierig darauf zu hören, was dieser Mr. Wilker zu sagen hat – sie dachte, er sei mein Liebhaber! Eine Übertreibung, vielleicht, aber sie hatte die Miene einer Frau, die nach Anzeichen einer unangemessenen Verbindung suchte und mit leeren Händen zurückblieb.

    Zu Recht. Mr. Wilker und ich mochten nicht mehr so einen Kleinkrieg führen, wie wir es in Vystrana getan hatten, aber ich fühlte keine romantische Zuneigung zu ihm und er auch nicht zu mir. Unsere Beziehung war rein geschäftlich.

    Ich wollte meine Mutter mit deutlichen Worten tadeln, weil sie solche Gedanken hegte, aber ich unterließ es. Nicht so sehr wegen der schieren Unangemessenheit, dieses Gespräch öffentlich zu führen, sondern weil mir einfiel, dass Mr. Wilker und ich in zwei geschäftliche Angelegenheiten involviert waren, von denen Eriga nur eine war.

    Zum Glück gab Judith Mr. Wilker einen Wink, ehe ich unaufgefordert mit meinen Fragen herausplatzen konnte. »Bitte gerne, Mr. Wilker. Oder ist Ihre Botschaft vertraulich?«

    Ich hätte diese Botschaft nicht für hundert Sovereigns vertraulich entgegengenommen, nicht mit den Verdächtigungen vonseiten meiner Mutter. »Bitte«, sagte ich. »Was ist passiert?«

    Mr. Wilker atmete tief aus, und die Dringlichkeit wich mit einem Mal aus ihm und ließ ihn zusammengesunken und besiegt zurück. »Es gab einen Einbruch bei Kemble.«

    »Kemble … oh nein!« Meine eigenen Schultern sanken ebenso wie seine nach unten. »Was wurde zerstört? Oder …«

    Er nickte grimmig. »Gestohlen. Seine Notizen.«

    Diebstahl, nicht Zerstörung. Jemand hatte gewusst, woran Kemble gerade arbeitete, und war entschlossen gewesen, es für sich selbst zu stehlen.

    Ich ließ mich auf meinem Stuhl zusammensinken, jegliche damenhafte Würde lag mir nun fern. Frederick Kemble war der Chemiker, den Mr. Wilker angeheuert hatte – oder eher, den ich angeheuert hatte; das Geld kam von mir, obwohl das nicht für die Wahl des Empfängers galt –, um die Forschung fortzusetzen, die wir selbst vor drei Jahren in den Bergen von Vystrana gestohlen hatten. Forschung, die eine Methode dokumentierte, um Drachenknochen zu konservieren: eine bewundernswerte Substanz, stark und leicht, aber eine, die außerhalb eines lebenden Körpers schnell zerfiel.

    Der Chiavorer, der diese Methode entwickelt hatte, war nicht der Erste gewesen, der es versucht hatte. Was als bloße Herausforderung in der Taxidermie begonnen hatte – geboren aus dem Sehnen der Jäger, aus den Drachen, die sie getötet hatten, Trophäen zu machen, und dem Sehnen der Naturkundler, Exemplare zum Studium zu konservieren –, war zu einem großen Rätsel für Chemiker geworden. Mehrere lieferten sich einen Wettstreit, um als Erster (so dachten sie) das Rätsel zu lösen. Trotz unserer besten Mühen, das Geheimnis um Kembles Arbeit zu bewahren, schien jemand davon erfahren zu haben.

    »Wann?«, fragte ich, dann winkte ich die Frage als dumm ab.

    »Letzte Nacht, und ich bezweifle, dass wir einen genaueren Zeitpunkt als das bekommen werden.« Mr. Wilker schüttelte den Kopf. Er wohnte in der Stadt und besuchte Kemble jeden Selemer gleich am Morgen. Diese Nachricht war so frisch, wie sie sein konnte, außer wenn Kemble den Eindringling gehört hätte und in seinem Nachthemd hinuntergegangen wäre, um nachzusehen.

    Ich fragte mich mit plötzlichem Frösteln, was passiert wäre, wenn er das getan hätte. Wäre der Einbrecher geflohen? Oder hätte Mr. Wilker an diesem Morgen unseren Chemiker tot aufgefunden?

    Solche Gedanken waren unnötig dramatisch – das warf ich mir zumindest vor. Ob sie es waren oder nicht, ich hatte nicht die Gelegenheit, bei ihnen zu verweilen, weil mich die scharfe Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken riss. »Isabella. Wovon um Himmels willen spricht dieser Mann?«

    Ich zog einen schwachen Trost aus dem respektlosen Gedanken, dass sie zumindest keinen Hauch persönlicher Indiskretion aus der Botschaft, die Mr. Wilker überbracht hatte, lesen konnte. »Forschung, Mama.« Ich richtete mich auf meinem Stuhl auf und erhob mich dann. »Nichts, was dich kümmern muss. Aber ich fürchte, ich muss diesen Besuch abbrechen. Es ist höchst wichtig, dass ich sofort mit Mr. Kemble spreche. Wenn ihr mich bitte entschuldigt …«

    Meine Mutter stand ebenfalls auf und streckte eine Hand aus. »Isabella, bitte. Ich mache mir schreckliche Sorgen um dich. Diese Expedition, die du vorhast …«

    Sie musste wirklich besorgt sein, wenn sie eine so persönliche Angelegenheit vor einem Fremden wie Mr. Wilker ansprach. »Wir werden später darüber sprechen, Mama«, sagte ich, obwohl ich so etwas nicht vorhatte. Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht zu vermeiden, dass ich mit Mama über irgendetwas sprach. »Das ist wirklich eine dringende Angelegenheit. Ich habe viel Geld in Mr. Kembles Arbeit investiert und muss herausfinden, wie viel ich verloren habe.«

    ZWEI

    Frederick Kemble – Synthese – Das Symposium – Lord Hilford – Natalies Aussichten – Zwei Wochen

    Eine Einsiedlerin zu sein, ist nicht gut für die eigene Agilität in Konversationen: Ich war daran gewöhnt, über meine Worte nachzudenken, sie zu revidieren und in Schönschrift zu schreiben, ehe ich den finalen Entwurf meines Briefes an einen Empfänger schickte. Mein Kommentar erreichte sein vorgesehenes Ziel – sie ließ mich schließlich gehen, während Judiths höfliche Verabschiedung die peinlichen Lücken füllte –, aber meine Zufriedenheit wich schnell, als ich auf die Straße hinausging. »Ich fürchte, ich werde das bereuen«, gab ich vor Mr. Wilker zu, während ich an meinen Handschuhen zupfte.

    »Ich denke nicht, dass Sie viel von Ihrem Geld verloren haben«, sagte er und hob seine Hand, um eine Kutsche auf ihrem Weg zum nächsten Taxistand aufzuhalten.

    Seufzend zog ich seinen Arm nach unten. »Meine Kutsche ist auf der anderen Straßenseite. Nein, ich meine nicht die Investition. Die bereue ich nicht im Geringsten. Nur, dass ich davon etwas zu meiner Mutter gesagt habe. Sie ist fest entschlossen, in allem, was ich dieser Tage tue, schlechtes Urteilsvermögen zu sehen.«

    Mr. Wilker antwortete nicht darauf. Obwohl wir mittlerweile ein herzlicheres Verhältnis hatten, pflegten wir nicht die Angewohnheit, unsere persönlichen Schwierigkeiten miteinander zu teilen. Er sagte: »Es ist aber nicht alles verloren. Kemble hat sein aktuelles Notizbuch gestern Abend mit nach oben genommen, damit er seine Ideen noch einmal durchlesen konnte, ehe er ins Bett ging. Seine Frau mag diese Gewohnheit zwar verwünschen, aber in diesem Fall hat sie sich als Gottesgeschenk erwiesen.«

    (Für diejenigen meiner Leser, die bei derartig geringfügiger Blasphemie zusammenzucken: Ich muss Sie warnen, dass noch weitere kommen werden. In unserer Zeit in Vystrana mäßigte Mr. Wilker seine Wortwahl in meiner Anwesenheit, aber als wir einander vertrauter wurden, zeigte er eine beiläufige Gewohnheit, den Namen Gottes zu missbrauchen. Würde ich seine Sprache hier zensieren, würde es seinen Charakter falsch darstellen, und so bitte ich um Ihre Verzeihung für seine Offenheit und auch für meine. Keiner von uns war sehr religiös.)

    Mrs. Kemble war keine missmutige Hausfrau. Sie arbeitete mit ihrem Gatten zusammen und kümmerte sich um die praktischen Aufgaben, wie Chemikalien zu bestellen und abzumessen, während er Stunden damit verbrachte, die Wand anzustarren und auf seinem mitgenommenen Bleistift herumzukauen, in theoretische Angelegenheiten verloren. Aber sie glaubte an eine Trennung von Arbeit und Alltagsleben, und ich – die ich, wie Sie bemerkt haben dürften, eher von Frederick Kembles Art bin – war dankbar für ihr Scheitern, ihm das abzugewöhnen.

    Ich sagte genau das zu ihr, als wir bei Kembles Haus und Labor in Tamner Fields ankamen, und erhielt einen trockenen Blick, der die nervlichen Nachwirkungen des Einbruchs nicht gänzlich verbarg. »Ich schätze das, Mrs. Camherst, aber ich fürchte, ich konnte die Glaswaren nicht retten.«

    »Kann ich es sehen?«, fragte ich. Mrs. Kemble führte uns in den Keller, der derzeitig halb finster war, weil das einzige Licht durch die Fenster auf Straßenhöhe hereinkam. Es reichte, um die Zerstörung zu zeigen: überall zersplittertes Glas und verbogene und zerbrochene Messinstrumente. Ein Chemikaliengestank hing in der Luft, obwohl die Fenster offen waren und ein Junge draußen an einer Pumpe drehte, um den Raum zu belüften. Man hatte nicht nur Kembles Notizen gestohlen. Man hatte außerdem getan, was man konnte, um seine weiteren Fortschritte zu verzögern.

    Ich hielt mir mein Taschentuch vor meine Nase und sagte: »Mrs. Kemble, es tut mir so leid. Wenn Sie meinem Sekretär einen Brief senden, werde ich dafür sorgen, dass Ihnen ersetzt wird, was Sie verloren haben. Es kann Ihren Seelenfrieden nicht wiederherstellen, aber …« Ich machte eine hilflose Geste. »Es kann zumindest die Glassachen ersetzen.«

    »Das ist sehr gütig von Ihnen, Mrs. Camherst«, sagte sie freundlicher. »Kemble ist oben. Ich musste ihn aus dem Weg schaffen, während ich sortiere, was zerstört ist oder fehlt. Lucy wird Ihnen Tee machen.«

    Mr. Wilker und ich gingen gehorsam nach oben in den Salon, wo wir feststellten, dass Frederick Kemble hektisch auf ein loses Blatt Papier kritzelte. Weitere waren über den Tisch und Boden verteilt, und Lucy, die letzte unverheiratete Tochter der Kembles, versuchte gerade, einen freien Platz zu finden, wo sie ein Tablett abstellen konnte, das nicht nur Tee, sondern auch einen Stapel leeres Papier enthielt. Sie sah uns hereinkommen und stupste ihren Vater am Ellenbogen. »Papa …«

    »Nicht jetzt … lass mich …« Er zuckte auf eine Art mit dem Kopf, die, wie ich dachte, als Ersatz für ein Winken mit der Hand diente, weil seine echten Hände damit beschäftigt waren, Notizen zu machen.

    Lucy zog sich auf unsere Seite zurück. »Was tut er da?«, fragte ich und wagte es nicht, meine Stimme über ein Murmeln zu erheben.

    »Er schreibt alles auf, woran er sich erinnern kann«, sagte sie. »Aus den Notizbüchern, die gestohlen wurden.«

    Nach drei Jahren Arbeit musste sich der Prozess, wie man Drachenknochen konservierte, ins Innere seiner Augenlider gebrannt haben. Ich hatte ihn mir eingeprägt, und ich war nicht einmal Chemikerin genug, um zu verstehen, was das meiste davon bedeutete. Was den Rest betraf … »Mr. Wilker sagte, dass das aktuellste Notizbuch nicht gestohlen wurde, nicht wahr? Solange wir das haben, sind die älteren Notizen nicht halb so wichtig.« Ein Großteil davon war jetzt obsolet und dokumentierte gescheiterte Experimente.

    Lucy breitete ihre Hände aus. »Er sagt, selbst die alten Notizen sind wichtig – dass er sie gerne von Zeit zu Zeit durchliest.«

    Sie ging hinaus, um weitere Teetassen zu holen, und dann setzten sich Mr. Wilker und ich ans gegenüberliegende Ende des Salons, um Lucys Bericht über den Einbruch und die bisherige Untersuchung zu hören. Als sie geendet hatte, war Kemble bereit, in seiner Arbeit innezuhalten und den Rest der Welt zu beachten.

    »Wenn sie vor dem Sabbath gekommen wären …«, sagte er, eindeutig dankbar, dass sie das nicht getan hatten. Seine Tochter stellte ihm eine Tasse Tee hin, die er nahm und geistesabwesend leerte. »Ich bin am Eromer über dem Mittagessen die alten Notizbücher durchgegangen, und etwas dort erregte meine Aufmerksamkeit. Letztes Jahr, da habe ich …«

    Mr. Wilker, der schon lange gelernt hatte, die Warnsignale zu erkennen, schnitt ihm das Wort ab, ehe er in ein Dickicht aus wissenschaftlicher Sprache abgleiten konnte, das ich nicht im Geringsten verstehen würde. Die Menge unseres kollektiven Wissens ist in meinem Leben so schnell gewachsen, dass es, obwohl ich als extrem gebildete Frau angesehen werde, ganze Felder gibt, in denen ich sehr wenig weiß, und Chemie ist eines davon. In meiner Jugend war es nicht Teil des Lehrplans für junge Damen, und mein Selbststudium war in andere Richtungen gegangen. Mr. Wilker lenkte unseren Chemiker daher auf Punkte, die mich, wie er wusste, interessieren würden. »Sie sagten heute Morgen etwas davon, ja. Es brachte Sie auf einen Gedanken?«

    »Ich denke schon«, sagte Kemble. »Bisher ist es wirklich nur ein Gedanke. Man wird viel testen müssen. Aber ich habe vielleicht endlich eine Idee zur Synthese.«

    Wäre das nicht das fünfte Mal gewesen, dass ich diese Worte aus seinem Mund hörte, wäre ich erfreuter gewesen. Das war immerhin der Grund, warum wir Kemble angeheuert hatten. Wir wussten, wie man Drachenknochen konservierte. Das war nicht länger eine Herausforderung. Aber Mr. Wilker und ich hatten, als wir die Angelegenheit drei Jahre zuvor diskutiert hatten, die Gefahr in diesem Wissen erkannt.

    Ganz abgesehen vom Streben der Jäger, ihre Trophäen zu konservieren, und dem Streben der Naturkundler, ihr Exemplar in Ruhe post mortem zu studieren, machten die Eigenschaften von Drachenknochen sie attraktiv für andere Arten von Menschen. Ihre mechanischen Eigenschaften waren denen von Eisen und Stahl weit überlegen, sie waren sowohl leichter als auch stärker – und weil die leicht zugänglichen Eisenablagerungen in Anthiopien und anderen Teilen der Welt langsam ausgebeutet waren, wuchs der Wert einer Alternative jedes Jahr.

    Ich könnte ausführlich die Nachteile der industriellen Nutzung von Drachenknochen aufzählen. Tatsächlich hatte ich zu dem Thema bereits einen Artikel vorbereitet, den ich kurzfristig an alle angesehenen Publikationen schicken konnte. Drachen waren sogar noch seltener als Eisen, und auch wenn es stimmte, dass sie sich reproduzierten (wofür Erz nicht bekannt war), so würde jede flächendeckende Nachfrage nach ihren Knochen zu einem Massaker, vielleicht sogar zu ihrer Ausrottung führen. Die unregelmäßige Form vieler Knochen machte sie wenig ideal für den Maschinenbau, was in einer großen Menge Abfall enden würde. Die Kosten und Mühen, sie aus toten Drachen (von denen viele in so fremden und entfernten Regionen wie denen, die noch reich an Eisen waren, lebten) zu ernten, machten das Projekt sicher nicht profitabler. Der Artikel umfasste mehrere Seiten, aber das

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